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Bismarck und Rußland

Eine historische Erinnerung Don Helmut Sünder mann

Die Moskauer Blätter haben kürzlich das Erscheinen einer Mischen Ausgabe derGedanken und Erinne­rungen" zum Anlatz genommen, um die Bedeutung der Politik Bismarcks für das deutsch-russische Verhältnis her­vorzuheben. Die Zeit dieses großen Deutschen ist tatsächlich der vielleicht entscheidendste Markstein in der Geschichte der Beziehungen des mitteleuropäischen Raumes mit dem gro­ßen Reich im Osten.

Gewiß sind die Bande älter, die Moskau und Berlin ver­binden. Sie reichen bis vor die Zeit Friedrichs des Großen zurück, finden im Siebenjährigen Krieg einen besonderen Ties- und einen ebensolchen Höhepunkt, treten dann im Zeitalter Napoleons mehrere Jahre hindurch in das Zei­chen europäischer Waffenbrüderschaft und späterhin unter den Stern traditioneller und familiärer Beziehungen zwi­schen den Hohenzollern und Romanows. Immer gestalten sich die Ergebnisse freundschaftlicher Politik für beioe Teile nutzbringend. Freilich, die Erhebung der Beziehungen des großen Rußland und des kleinen Preußen in den Bereich zielbewußter Maßnahmen auf lange Sicht, die Heraus­nahme dieses Verkehrs aus der familiären Atmosphäre und ihre Hinüberlenkung zu den Verhandlungstischen der Staatsmänner, die Ablösung der gewohnten Freundlichkei­ten zwischen gekrönten Onkeln und Neffen durch die klare Leberzeugung gemeinsamen politischen Nutzens das ist vohl die Aenderung, dieVismarck schon gleich bei seinem Lmtritt in die Politik für die deutsch-russischen Beziehungen zur praktischen Anwendung gebracht hat.

Er hat aus den Jahren 1859 bis 1862, in denen er als Gesandter Preußens in Rußland tätig war, die feste Ueber- zeugung mitgebracht, daß zwischen Rußland und einem Deutschen Reich, das er schon damals vor sich sah, keine Frage bestünde, die zu einem Konflikt Anlaß bieten könnte. Als Ministerpräsident Preußens und später als erster Kanz­ler des Reiches hat er diese These erweitert zu der Maxime, daß eine Politik desdo ut des" zwischen den beiden Reichen jedem echten Vorteil zu bringen vermöge.

Tatsächlich ist diese Politik fast zwei Jahrzehnte hindurch mit großer Stetigkeit verfolgt worden und hat beiden Teilen Nutzen inreichem Maße gebracht. Schon im Jahre 1863 begann Bismarck diese Politik zielbewußt, indem er aus Anlaß des Polenaufstandes die russische Ne­gierung politisch gegen englisch-österreichisch-französtsche Ein­mischungsversuche unterstützte und mit ihr darüber hinaus in uneigennütziger Weise eine Militärabmachung gegen die Polen vorschlug ein Angebot, das (wenn auch kein prak­tischer Gebrauch davon gemacht werden mußte) eine Lber den normalen Stand gutnachbarlicher Verhältnisse hinaus- mchende politische Verbundenheit der beiden Staaten zur Folge hatte. Der Krieg von 1866 brachte der russischen Po­litik durch die Schwächung des Habsburger-Rivalen weitere erwünschte Ergebnisse, die im Jahre 1870 zu einem ge­wissen Gegendienst führten, als Rußlands preutzenfreund- liche Haltung dem Wiener Hof den Appetit nach einer Rache für Sadowa" beeinträchtigte und die deutsche Krieg­führung in die Lage versetzte, rückenfrei gegen Frankreich zu kämpfen. Bismarcks Gegendienst folgte auf dem Fuße, als Rußland 1871 die ihm seit dem Krimkrieg auferlegten Ein­schränkungen für seine Flotte im Schwarzen Meer annul­lierte und von Deutschland dabei sekundiert wurde, so daß England wohlweislich darauf verzichtete, diesen Schritt zum Anlaß kriegerischer Maßnahmen zu machen.

Diese Bismarcksche Politik gegenseitiger För­derung hat auch außer diesen großen, nach außen hin wirkenden Momenten beiden Reichen bedeutenden Nutzen gebracht. Die Verschiedenheit der inneren Struktur der bei­den Staaten hat dem keinen Abbruch getan; das zaristisch- autokratische Rußland und das damals konstitutionell-par­lamentarische Deutsche Reich haben nicht den Austausch von Staatsgrundsäßen gepflogen, sondern eine Politik der Ver­nunft und der gegenseitigen Zweckmäßigkeit betrieben. Ihren Höhepunkt fand sie im Berlins rKongreß, den Bis­marck auf Veranlassung russischer Staatsmänner einberief, ^England sich anschickte, Rußland seine im Russisch-Tiir- nschen Krieg errungenen Erfolge streitig zu machen und eine neue Kriegskoalition gegen Rußland sich zu bilden drohte.

Man kann es nur als eine tragische Verwirrung bezeich- nen, daß gerade dieser wichtige Akt, den Bismarck als einen neuen bedeutenden Schritt seiner alten russischen Politik be-

Als erster Ausländer erhielt der schwedische Forscher Sven Hedin das Große Ehrenzeichen der Deutschen Akademie in Mün­chen überreicht

Dr. Sven Hedin bei seinem Besuch in München im Gespräch mit den deutschen Forschern Dr. Schäfer und Generalmajor Prof. Dr. Haushofer (von links nach rechts). Weltbild (M).

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trachtete, Lurch die Einflüsterungen von Höflingen beim russischen Zaren zu der Krise der deutsch-russischen Beziehun­gen im Jahre 1879 geführt hat. Eine Krise, die herauf­beschworen wurde durch frankophile, polonisterende und pan- slawistische Parolen gewisser einflußreicher Kreise der Hof­gesellschaft und die durch merkwürdige Pressekampagnen der zaristischen Zeitungen den Weg in die europäische Oeffent- lichkeit fand. Bismarck sah sich eins russisch-französische Allianz im Anzug erkennend gezwungen, nach Sicherun­gen zu suchen, die er im deutsch-österreichisch-ungarischen Bündnis fand.

- Auch nach dem Jahre 1879 hat Bismarck den Weg seiner russischen Politik fortgesetzt, freilich mit den Aenderungen ir»Ton und Methode, die durch dieveränderteStim- mung am zaristischen Hof geboten waren. Durch die Erneuerung desDreikaiserbundes" durch den Rückver- stcherungsvertrag und in zahlreichen anderen Momenten sei­ner späteren Politik hat er trotz der Enttäuschungen immer wieder versucht, den westlerischen Kreisen am Hofe des Zaren entgegenzuwirken.

Er hat alle diese Anstrengungen unternommen in der festen Ileberzeugung, daß das alte Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland wiederhergestellt werden müsse wenn es für beide Völker in Zukunft gut bestellt sein sollte. Wir wißen, daß die Frage des deutsch-russischen Verhält

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A Englands Men lauert der Tod - Schwerste Schiffsverluste der Briten im Atlantischen Ozean

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Immer stärker und erfolgrei­cher werden die deutschen An­griffe aufs Schiffsziele westlich von England. Luftwaffe und Kriegsmarine wetteifern in der Vernichtung des für die Insel so lebensnotwendigen Schiffs­raumes. Nachdem Deutschland für die englische Pirateninsel vor Wochen die totale Blockade verhängte, sind in dem auf un­serer Karte hervorgehobenen Sperrgebiet viele Schiffe ver­senkt worden, die sich durch fal­sche Hoffnung auf Profit verlei­ten ließen, die gefährdete Zone zu befahren. England, das nach den Angaben seiner leitenden Staatsmänner Deutschland nicht mit den Waffen besiegen, son­dern durch wirtschaftliche Maß­nahmen niederringen will, wird nun mit eigenen Waffen geschla­gen. Täglich nimmt die Unter­bindung der Lebensmittelzufuhr und der Zufuhr kriegswichtigen Materials zu, und der Griff der deutschen Wehrmacht um die bri­tische Insel wird immer härter. Durch die erfolgreiche Abwehr wird die atlantische Schiffahrts­route für England zunehmend gefährdeter, woran, auch die stärk­ste Sicherung der Geleitzüge nichts ändern kann.

Weltbild-Gliese (M).

nisses Bismarck bis in seine letzten Lebenstage beschäf­tigt hat)

Die Folgen des Auseinanderlebens der beiden Reiche, das nach 1879 von Bismarck zwar verlangsamt werden konnte, nach seiner Zeit aber zu rapiden Entwicklungen führte, bestätigen wenn auch durch die Demonstrierung im Negativen die Bismarckschen Grundsätze der deutsch- russischen Politik. Der Weltkrieg brachte Deutschland den Zweifrontenkrieg, Rußland aber den Verlust weiter wert- woller Landstriche, der um so bedeutunasvoller war. als !ie einen guten Teil des europäischen Rußlands dokumentier? ten. Es war unserer Zeit Vorbehalten, im Zeichen der wie­dererweckten Bismarckschen Politik, jene Verluste des Welt­krieges auszugleichen und die alten Wege der politischen Vernunft wieder zu beschreiten. Daß rm Zuge dieser Ent­wicklung sich diesmal ganz klare Jnteressengrenzen abgezeich­net haben und die merkwürdige Atmosphäre höfischer und demokratischer Täuschungen auf beiden Seiten in Wegfall gekommen ist, macht die Voraussetzungen der deutsch-russi­schen Politik klarer, die Erkenntnis des Richtigen leichter, das Fundament der Entschlüsse solider.

Die Nachschubstraßen im Westen

Wie war das Wunder des deutschen Vormarsches nach Frankreich möglich? ^

Von Kriegsberichter Willy Ehlers (PK.)

NSK. Unter den Führungsausgaben, die der deutschen Wehr­macht gestellt sind, wird man die des Nachschubs nicht zuletzt nennen dürfen. Sie ist vielmehr nach dem Feldzug im Westen zu einem der interessantesten Probleme der modernen Kriegs­geschichte geworden. Wir erinnern uns, daß die feindliche Presse während der Kampfhandlungen immer wieder aus diesen Punkt hingewiesen und ein paar Tage von dem Wunschtraum gelebt hat, daß der deutsche Vormarsch an dieser Frage scheitern werde. Auch die Weltpresse war solchen lleberlegungen zugängig. Denn hält man sich vor Augen, daß Napoleon seine großen Schlachten dereinst mit Heeren von 20 000 bis SO 000 Soldaten geführt hat, so wird die Schwere der Bedingungen offenkundig, unter denen ein Feldherr zu kämpfen hat, der mit Millionenmassen rechnen mutz. Da zudem im Stellungskrieg des Weltkrieges derlei organi­satorische Notwendigkeiten nicht so sehr im Brennpunkt der Er­eignisse gestanden"haben, war es also naheliegend, daß dem Geg­ner zumindest diese Chance zugeschrieben wurde. Auch spielte der Gedanke mit, daß die deutsche Produktionsreserve den Er­fordernissen eines groß angelegten Offensivkrieges einfach nicht gewachsen wäre.

Das Gegenteil ist nun bewiesen, und die Nachschubstraße ist in der deutschen Armee zu einem strategischen Begriff geworden. Sie sicherte der kämpfenden Truppe die rückwärtige Verbindung, auf der Munition, Brennstoff und Verpflegung herangeschafft wurden. Eine solche Nachschubstraße ließ sich jedoch nicht aus dem Boden stampfen, sondern es mußte immer wieder um die Vor­aussetzungen dafür gerungen werden. Denn täglich änderte sich die Lage, ja oft mutzten stündlich neue Dispositionen für einen großen Bereich getroffen werden, und es ist unschwer zu erfaßen, welcher Aufwand damit verbunden ist, die Kraftfahrzüge eines Korps oder einer Division für diese Aufgabe einsatzbereit zu halten, sie heute hierhin und morgen dorthin beordern zu müssen, ohne dabei auch nur einen Augenblick die operative Beweglich­keit zu gefährden, da das Moment der Ueberraschung im Be­wegungskrieg eine ausschlaggebende Rolle spielt.

Mit diesen knappen Andeutungen ist die große Verant­wortung, die dem höheren Nachschubführer übertragen ist, bereits aufgezeigt. Er hat in einer täglichen Abstimmung mit den Forderungen des taktischen Führers die Gewähr dafür zu bieten, daß das Jneinandergreifen der vorderen Linien mit den rückwärtigen Stellen funktioniert und all das in den notwendi­gen Mengen zur Verfügung steht, was die vorstürmende Truppe, die dauernd ihre Standorte wechselt, braucht, um schlagbereil zu bleiben. Es liegt auf der Hand, daß diese Voraussetzungen bei dem rasanten Tempo im Westen nur erfüllt werden konnten, wenn sich der Nachschubsührer in jedem Falle als ein Me ißt er der Improvisation erwies und sich, unter klarer Einhaltung militärischer Grundsätze, ebenso spielend auf die Eigenart des Offensivkrieges einstellte, wie der taktische Führer, der an seine Tagesziele gebunden war. Im Zusammenwirken aller Faktoren erfüllte sich die Clausewitzsche Schule, die zum Einmal­eins der Führungsstäbe des deutschen Heeres geworden ist und als elementare Regel eines totalen Krieges die folgende Er­kenntnis verkündet:Es bezieht sich also alle kriegerische Tätig­keit notwendig auf das Gefecht, entweder unmittelbar oder mit­telbar. Der Soldat wird ausgehoben, gekleidet, bewaffnet, geübt, er schläft, ißt, trinkt und marschiert, alles nur, um an rechter Stelle und zur rechten Zeit zu fechten."

In der Tat: das Gefecht bildet das Lebenselement des Be­wegungskrieges; es wird zum Angelpunkt für Sieg oder Nieder­lage, wenn die Truppe von der Gewißheit durchdrungen ist, daß !sie es in der Hand hat, das Schicksal für sich zu gewinnen. Der deutsche Soldat war von diesem Gedanken beseelt, als der Befehl zum Marschieren gegeben wurde, und die Nachschubstrahen wur­den zu den Straßen des siegenden Heeres, auf denen sich nach der angreifenden Vorhut Kolonne um Kolonne, Wagen um Wa­gen vorschob, um immer tiefer in Feindesland einzudringen. Man darf die Nachschubstraße nicht im wörtlichen, sondern hat sie auch im übertragenen Sinn zu deuten. Ein Wagenführer, der Tag und Nacht am Steuer geseßen hat, weiß viel zu erzählen von Fahrten Lber Stock und Stein, die bewältigt werden mußten.