Z. Seite Nr. 227

Nagolder TagblattDer Gesellschafter'

Freitag, den 27. September 184Ü

«Nagold undAmgelmny

AM»

Wir brechen nicht in Jubel aus, wenn unsere Heere siegen wir lassen nicht im Jubelrausch die bunten Fahnen fliegen.

Wir bleiben still, im stummen Stolz gedenken wir der Taten, und unsere ganze Sehnsucht gilt nur unseren Soldaten."

27. September: 1870 Einnahme Straßburgs.

Die Schwester Sohann Zakob MofevS

war viele Jahre lang in Nagold Von ihr stammte Dr. Heinrich Zeller ab

Ein berühmter Württemberger ist Johann Jakob Moser <i?01 -1785) dessen die ganze württembergische Presse anläß­lich seines 150. Todestages im Jahre 1935 gedachte. Weil er mutig und mannhaft die Rechte derLandschaft" vertrat gegen­über dem von seinen Günstlingen beeinflußten Herzog Kar! wurde er von diesem ohne Gerichtsuntersuchung in strengen Arrest aus den Hohentwiel gesandt. 5 Jahre, 1759- 1764, mutzte er dort in strenger Haft auf seine Befreiung warten.

Eine Schwester dieses aufrechten und tapferen, durch seine Gelehrsamkeit hervorragenden Mannes war viele Jahre lmro in N agol d. Am 13. September 1729 feierte in Stuttgarr Johanna Christian« Moser, geb. 1708, als Tochrer des Kam- mcrrats Johann Jakob Moser ihre Verehelichung mit dem als Stadt- und Amtsschreiber in Nagold bestätigten Jakob Fried­rich Groß, einem württembergische« Pfarrerssohn. 25 Jahre lang hatte er diese Stelle, die etwa der heutigen Stellung des Bürgermeisters entsprach, inne. Diese ganze Zeit und noch 19 Jahre darüber hinaus bis zu seinem Tod stand diese Schwester desLandschaftskonsulenten" Johann Jakob Moser ihrem Mann treulich zur Seite und schenkte ihm 10 Kinder, von denen nur zwei in zarter Kindheit gestorben sind. Die älteste Tochter, Margarete Dorothea wurde am 22. Oktober 1754 die Ehefrau des zum Amtsnachfolger ihres Vaters bestätigten seitherigen Substituten Wilhelm Friedrich Hofacker, Sohn des Karl Sig­mund Hofacker, gewesenen Stabs- und Amtsmanns in Böhrings- mciler bei Weinsberg. Wie mögen diese beiden Familien mit- getragen haben an dem harten Los ihres Bruders bzw. Onkels. Die Entlassung Mosers aus seinem Kerker fällt zeitlich fast zu­sammen mit dem am 20. September 1764 erfolgten Tod seines Schwagers, des emeritierten Stadtschreibers Groß. Ob dieser der Befreiung seines Schwagers sich noch freuen konnte, ist bei der Umständlichkeit des Verkehrs in teuer Zeit sehr fraglich.

Auch der Hofackersichen Ehe entsprossen nicht weniger als 13 Kinder. Eines dieser Kinder, der Sohn Karl Friedrich, geb. 18. Oktober 1758 und am 23. September 1793 als Diakonus von Asildbad, in Nagold getraut mit Friederike geb. Klemm, wurde später Amtsdekan in Stuttgart und war der Vater der beiden durch ihre Predigten weithin bekannten Pfarrer Wilhelm und Ludwig Hofacker. Ein anderes der Kinder, Maria Henrika, geb. 27. September 1765, verehelichte sich 1793 mit dem Apotheker Christian Gottlieb Zeller in Nagold. Der erste Sohn dieser Ehe, geb. 1794, war der durch seine vielseitige Gelehrsamkeit wie durch sein tätiges Christentum weithin bekannte Bürger unserer Stadt Dr. Heinrich Zeller, der Stifter des ehemali­gen Vereinshauses.

Vovflwt im Luftschutzkeller

Die Erzeugung von Wein und Eärmost aus Obst und Beeren sit im Gau Württemberg-Hohenzollern in vollem Gang. Die bei der Gärung dieser Getränke ausgeschiedene Kohlensäure mischt sich der Kellerluft bei und findet sich, da Kohlensäure schwerer ist als Luft, hauptsächlich am Boden der Kellerräume vor Bei Luftschutzalarm besteht die Gefahr, datz in solchen Kel­lern, in denen neuer Most eingelagert ist, Gesundst ritsschädigun- gen, unter Umständen sogar Todesfälle, durch Kohlensäure ein- treten. Noch größer wird die Gefahr, wenn die übermüdeten, aus dem Schlaf gerissenen Kinder etwa auf Matratzen oder Decken auf dem Kellerboden zur Ruhe gebettet werden. Es wird daher dringend empfohlen, mit der brennenden Flamme eines Kerzenlichtes zuerst auszuprobieren, ob auch in den unte­ren Partien des Kellers noch genügend Sauerstoff für die Atmung vorhanden ist. Im übrigen sollten die Kellerräume Während der Eärungszeit tagsüber gründlich gelüftet werden. Noch zweckmäßiger wäre es, von vornherein Süßmost statt Eär­most in den Keller einzulegen.

«Dle Nostmeistevin vom Volfgangsee"

Die vielgenannte und auch in Nagold nicht unbekannte bayerische Theatergruppe Adolf Fastnacht gab gestern bei uns ein Gastspiel, und zwar führte sie das lustige StückDie postmeisterin vom Wolfgangsee" auf. Die Schauspieler, die auf Mogeren Bühnen zurzeit u. a.Das Spiel vom Jedermann" nasführen und damit einen durchschlagenden Erfolg erzielen, amteten ^ auch mit derPostmeisterin" einen recht ver­fugten Abend. Schallende Heiterkeit durchbrauste immer wie- er den bis auf den letzten Platz gefülltenTraubensaal" und ankbarer Beifall lohnte die Truppe für ihr wackeres Spiel, btück ist eine Anlehnung an dasWeiße Rößl", jenes ^ Lustspiel, das unsere Väter bereits mit Freude sahen, ei er haben jüdische Dichterlinge diesem so lustig trabenden Wem mit seiner Verwandlung in eine geschmacklose Operette >el Unehre zugefllgt. Umsomehr begrüßen wir seine Meta- r nn ^ einem kernigen Bauernstück, das bei allem bajuva- sichen Humor doch viel Lebensweisheit enthält. Die Post- ^ Witwe. Ein tüchtiger Oberkellner und Geschäfts- zur Seite. Aber die Postmeisterin sieht a ahn hinweg und ist dabei, ihr Herz an einen Hochstapler »,-n m-^En- Doch sie wird unter Mithilfe ihres alten Vaters Schären und zwei Herzen finden sich, die zusammen-

Erde sehr gut. Die zweifellos beste Figur war der stk ei ^r Schalk bei jedem Austritt mehr im Nacken

mit Wilhelmi, der übrigens schon vor 45 Jahren

stielte * Truppe bzw. deren Vorgängerin in Nagold

CS,»» " r b»" angenehme Erinnerungen mit unserem ^Edtchen verbinden, hatte denn auch mit seiner seiner ^ fst"l"-Philosophie die Lacher voll und ganz auf steiler ' auch alle anderen Darstellerinnen und Tar­

nung' '^besondere die Wirtin, verdienen Lob und Anerken-

TorrMmtAsaje« Nagold

Angelika"

ist der Titel des neuen Deka-Films, dessen Leitmotiv heißt: Eine Frau kämpft um ihr Glück". Der bekannte Autor E. Wal­ter hat den spannenden, dramatischen Stoff nach einem Original von Günter Rossoll gestaltet. Der Film führt in das interessante Milieu des Kunsthandels. Die Rolle der schwer geprüften An­gelika spielt die große Menschendarstellerin Olga Tschechowa. Ein temperamentvoller Anwalt, den Albrecht Schoenhals gibt, ist von der Unschuld der Frau und Mutter überzeugt, die im Zuchthaus saß, weil sie einen Menschen niedergeschossen batte. Energisch nimmt er gemeinsam mit ihr den Kampf um das Recht auf und schließlich wird die Ehre der Frau, die aus Liebe zu den größten Opfern bereit war, wiederhergestellt. Die so schwer geprüfte Angelika wird zum Schlüsse ein vollwertiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft und findet, nachdem sie einen furchtbar harten Weg gehen mußte, ihr Glück.

Vom SfL Nagold

Wieder sind zwei Aktive zur Wehrmacht eingerückt. Eng und enger schließen sich die Daheimgebliebenen zusammen und hal­ten das Haus in Ordnung bis zur siegreichen Heimkehr unserer Soldaten. Was kameradschaftlicher Geist und Pflichtgefühl ver­mag, zeigte die Sammlung am letzten Samstag und Sonntag. Bei dieser Gelegenheit kam auch die Ortssportgemeinschaft Na­gold zum erstenmal zum praktischen Einsatz. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Die Fußball-Abteilung hat in der neuen Pflichtrunde bereits 8 Kämpfe erfolgreich bestanden und steht am nächsten Sonntag vor einem schweren Spiel in Horb. Mit dem Kampf um die Deutschen Vereinsmeisterschaften zwischen Nagold und Horb am 15. ds. Mts. fand die leichtathletische Tätigkeit aus dem Sport­platz in diesem Jahr ihr Ende. - Die Kampfrichterorganisa­tion, die im vergangenen Sommer sich wiederholt, auch bei grö­ßeren Veranstaltungen, bewährte, triti kommenden Sonntag nochmals in Aktion bei dem Vergleichskampf des BdM.-zwischen Calw HorbFreudenstadt.

Eine ganze Anzahl feldgrauer Mitglieder konnte in letzter Zeit im Urlaub hier begrüßt werden, darunter auch Oberturn- und Sportwart Fritz Strauß, der in den nächsten Tagen wieder zu seinem Truppenteil zurückkehrt. Er wird bei der morgigen Monatsversammlung anwesend sein.

Schulbeginn nach nächtlichem Fliegeralarm Eine zusätzliche Anordnung

Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbil­dung hat in Erweiterung seines kürzlich veröffentlichten Erlasses über den Schulbeginn nach nächtlichem Fliegeralarm folgendes angeordnet:

Der Vormittagsunterricht für Schüler des schulpflichtigen Al­ters das heißt für die Volksschulen und die Klassen 1 bis 4 der Mittel- und höheren Schulen fällt aus, wenn in der Nacht vorher über 24 Uhr hinaus Fliegeralarm gewesen ist.

Dieser ausfallende Unterricht wird durch Nachmittagsunterricht, der in die Zeit von 14 bis 17 Uhr zu legen ist und nur wesent­liche Schulfächer umfassen soll, ersetzt, wenn die Belegung der Schulgebäude dies gestattet und der Unterricht anderer Schulen oder Klassen nicht geschädigt wird.

Die Schulferien bis Ostern 1341

Der Kultminister setzte an den Orten mit achtklassigen höheren Schulen (Vollanstalten) die Herbst- und Weihnachtsferien 1949 sowie die Osterferien 19>1 für die Volks-, Mittel- und höheren Schulen sowie für die ländl. Berufsschulen folgendermaßen fest:

Herbstferien vom 7. bis 16. Oktober (10 Tage),

Weihnachtsferien vom 23. Dezember bis 6. Januar (15 Tage),

Osterferien vom 3. bis 15. April (13 Tage).

An den übrigen Orten sino für die Volks-, Mittel- und höhe­ren Schulen sowie für die ländlichen Berufsschulen die Weih- nachts und Osterferien grundsätzlich die gleichen wie oben. An den Volksschulen der Landorte und an den länd­lichen Berufsschulen können durch örtlichen Beschluß die Weih­nachtsferien zugunsten der Herbstfenen um einige Tage (höch­stens sechs) gekürzt werden In diesem Falle kann der Unterricht schon vor dem 7. Januar, frühestens jedoch am 2. Januar, wieder ausgenommen werden.

Lehrgänge für ungelernte Waldarbeiter. Ein neuer Lehr­beruf entsteht in den Schulungslehrgängen für Waldarbeiter, die in Ausbildungslagern, deren Zahl gegenwärtig 30 beträgt, zusammengefaßt werden.

Dem lieben Alter!

Rohrdorf. Recht gern greifen wir aus dem Kalender Daten heraus, die mit dem vorgerückten Alter unserer Mitbürger in Zusammenhang stehen. Heute, am 27. September, darf, wir hätten es kaum zu hoffen gewagt, Mühlebesitzer Johannes Schill sich im großen Kreis seiner Familie des 71. Geburts­tages erfreuen. Ernstlich im letzten Jahr erkrankt, ist die Ge­sundheit doch wieder so weit zurückgekehrt, daß Vater Schill auf sein kann und sich zu betätigen bemüht.. Zum 1. Geburts­tag im 8. Lebensjahrzehnt auch unsererseits herzlichen Glück­wunsch !

Mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet

Verneck. Das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhielt Ober­leutnant Wilhelm Renner, Kompanieführer in einem Schützen- regiment. Er ist der Sohn des Oberstleutnants Renner und seiner verstorbenen Gemahlin Karola, geb. Freiin von Gültlin- gen, und Enkel des im Weltkrieg gefallenen Oberstleutnants und Kommandeurs des Ulanen-Rgts. 19, Wilhelm Freiherr von Gültlingen, Erbkämmerer. Bei den schweren Kämpfen um die starke Seefestung Boulogne leistete die Kompanie, mit ihrem tapferen Führer stets in vorderster Linie, ganz Hervorragendes. Bereits im Polenfeldzug wurde Oberleutnant Renner für her­vorragende Heldentaten mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse aus­gezeichnet. Am 20. Juni wurde er mit seiner Kompanie zum Endsieg auf das Fort Parmont, der befestigten Stadt Remire- mont eingesetzt. Vollkommen auf sich selbst angewiesen, entledigte er sich dieses Auftrages erfolgreich mit vorbildlichem Schneid und überlegener Führungskunst. Er kämpfte die weit überlegene Besatzung nieder und zwang sie zur Uebergabe. Nur hierdurch wurde das Vorgehen und die Eroberung des wichtigen und stark befestigten Platzes Remiremont durch seine Division er­möglicht, nachdem dieselbe vorher unter dem schwersten Ar­tilleriefeuer das Fort Parmont lag.

Unter den vom Führer mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichneten Offizieren befindet sich auch wieder ein Württemberger: der Kommandeur eines Infanterieregiments Major Dr. Lan z. Major Dr. Albrecht Lanz wurde am 25. Fe­bruar 1898 zu Entringen (Kreis Herrenberg) als Sohn des Forst­rats Otto Lanz geboren. Er trat 1914 als Fahnenjunker ins Erenadierregiment 119 ein, rückte 1915 als Unteroffizier ins Feld und wurde noch im gleichen Jahre zum Leutnant beför­dert. Er machte die Kämpfe an der Ost- und Westfront mit und wurde zweimal verwundet. Nach dem Zusammenbruch nahm er den Abschied und studierte an der Technischen Hostschule sowie an der Handelshochschule und Universität in München und Würz­burg. 1923 wurde er als Justitiar bei der Diskontgesellschaft in Kaiserslautern, im Jahre 1924 als Generalsekretär beim Alpen­ländischen Bankgeschäft in München angestellt. Nach verschiedenen kaufmännischen Posten ließ er sich 1924 als beratender Volkswirt und Syndikus in Stuttgart nieder. Ende 1934 wieder eingestellt, wurde er-1936 als Hauptmann im Infanterieregiment 17 in das aktive Offizierskorps übernommen. 1939 wurde er »um Major befördert.

Dor 7V Jahre«

Am 27. September 1870 übergab der Kommandant der Zita­delle von Straßburg. der General Uhrich, Straßburg dem Be­fehlshaber des deutschen Belagerungskorps, General Werder.

Schon am 8. August, zwei Tage nach der Schlacht von Wörth, war die badische Reiterei vor den Toren Straßburgs er­schienen und ihr waren als Belagerungskorps bald darauf ge­folgt: die badische Division, die preußische Eardelandwehrdiviston, die 1. preußische Reservedivision, 37 Kompagnien Festungsartil­lerie, nämlich 2 bayerische, 2 württembergische, 4 badische und 29 norddeutsche, ein preußisches Pionierbataillon und eine baye­rische Pionierkompagnie. Der Oberbefehl darüber wurde dem preußischen General von Werder gegeben. General von Decker befehligte unter ihm die Velagerungsartillerie, General von Mertens das Eeniekorps. Am 24 August begann Werder die Zitadelle von Straßburg zu bombardieren. Am rechten Rhein­user bei Kehl hatte er 40 preußische und 32 badische Belagerungs­geschütze aus Rastatt aufgestellt,' dazu kam noch die badische Feld­artillerie.

Werder war der Hoffnung, die Bürgerschaft werde bei dem Mangel an bombeniesten Räumen den Kommandanten zur lleber- gabe zwingen, sobald das Bombardement einmal Dgonnen haben werde Werder ging durchaus rücksichtsvoll vor: er ließ von sei­nem Vorhaben Uhrich zuvor unterrichten und forderte ihn auf, die Stadt, die doch nicht haltbar sei, zu übergeben, ehe sie das Unglück einer Beschießung erfahre. Der General Uhrich, ein 68- jähriger Pfalzburger, einer der wenigen Kerngenerale aus den französischen Feldzügen in Spanien, Afrika, der Krim und Ita­lien, berief sich auf das französische Militärgesetz für Festungs- temmandanten, wonach kein Befehlshaber den ihm anvertrauten Platz übergeben dürfe, solange nicht solche Breschen geschossen feien, daß er unhaltbar geworden sei. General Werder stellte daraus an General Uhrich die Bitte, das militärische Observato­rium von dem Münster zu entfernen, er würde sonst die Deut­schen zwingen, auf dieses Observatorium zu feuern und dieses herrliche Denkmal der christlichen Baukunst des Mittelalters zu schädigen. Da man von seiner Plattform auf einen weiten Um­kreis die Ebenen des Elsaß' und des badischen Landes überschaut, hatte Uhrich gerade auf dem Münster sich und seinem Stab eine Warte zur Beobachtung der Arbeiten und der Bewegungen der Belagerer errichtet und er ging auf diese Bitte Werders nicht ein. Das französische Militärspital lag nicht weit von der Zitadelle. Werder ersuchte Uhrich, die Kranken daraus wegzuverlegen, da das Gebäude in der deutschen Schußrichtung liege und da es zu­dem von dem Standort der deutschen Artilleristen aus nicht genau gesehen werden könne. Uhrich erklärte auch das für untunlich. So blieb nach feinen Weisungen dem General von Werder nichts anderes übrig, als das Bombardement am 24. August auszu­führen.

Schon die ersten Tage des. Velagerungsfeuers wirkten zer­störend auf die Stadt. Kostbare Handschriften und seltene Bücher, unersetzlich, wenn sie zugrunde gingen, barg die Straßburßer Bibliothek. Auf den Antrag, wenigstens die Handschriften und die seltenen Bücher in bombenfeste Orte zu verbringen, ant­wortete heftig der Direktor, eine Kreatur des Bonapartismus: Wir haben jetzt wichtigeres zu tun." Die Bibliothek, eine der berühmtesten der Welt, ist deshalb in Flammen aufgegangen, aber nicht durch deutsche Barbarei, sondern durch den Stumpfsinn eines französischen Beamten, welcher mit hohem Gehalt als Laie Direktor dieser Bibliothek war.

Als auch hinter der Bibliothek die Privathäuser der Stadt io Brand gerieten, als das Volk der Stadt sich in die Keller flüchtete und als von denen, die keine feste Kellerzuflucht hatten, schon viele durch Geschosse getötet oder verstümmelt waren, kam der Bischof von Straßburg heraus als Vermittler, am Abend des

25. August. General Werder stellte das Bombardement ein: am

26. August tat er keinen Schuß von 4 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags. Uhrich aber erklärte,Zugeständnisse könne er nicht machen, und wenn die Bürgerschaft die Deutschen in die Stadt einlasse, so werde er sich in die Zitadelle zurückziehen und sei­nerseits die Stadt bombardiere n".

Als Werder sah, daß der Kommandant von der Bürgerschaft nicht zur Uebergabe gezwungen werden konnte und daß diese ihn auch nicht zwingen wollte, ging er auf eine regelrechte Belagerung ein. Inzwischen waren ihm dazu in reichem Maße die Mittel zugeführt worden. Schon am 28. August ver­fügte er über 241 Belagerungsgeschütze zur schrecklichen lleber- rafchung derer in der Festung, als am 30. August in der Morgen­frühe diese zu spielen anfingen. Die Belagerungsarbeiten kosteten das deutsche Korps schon in der ersten Woche über 400 Tote und Verwundete. Wiederholte Ausfälle der Belagerten wurden zu­rückgeschlagen und die Deutschen rückten immer näher, während ihre Mörser die Zitadelle zusammenschosscn, ebenso bereits die unteren Verteidigungswerke, leider auch einen großen Teil der Stadt, in Trümmer legten Am 27. September war so viel zu­sammengeschossen, daß die Werke der Angriffsfront unhaltbar ge­worden waren. Ilm 6 Uhr nachmittags zog Uhrich auf dem Münsterturm und auf zwei Bastionen die weiße Fahne auf. Aus den deutschen Batterien waren seit dem Anfang der Be­lagerung 193 722 Schüsse und Würfe auf die Stadt und die Zi­tadelle gefallen. Als Besatzung der weitläufigen Festung hatte Uhrich 18 000 Mann zur Verfügung gehabt. Die französischen Linientruopen und Mobilgarden wurden Kriegsgefangene

Die Bombardierung der Stadt Straßburg, die durch Jahrhun­derte eine deutsche Stadt gewesen war und die schon in jenen Ta­gen so viele Stimmen wieder zum neuen Deutschen Reich her­überholen wollten, hat in Deutschland damals bitteren Tadel ge­funden, weil man dadurch die Bürgerschaft abstoße statt gewinne und weil bei der geringen Zahl der Besatzung und deren Zu­sammensetzung aus allerlei Volk der Fall der Zitadelle nicht lange ausbleiben könne. Von einer derartigen Zerstörung, zu der im Krieg von 1870/71 die militärischen Verhältnisse ge­zwungen halten, blieb in dem neuen durch England und Frank­reich uns aufgezwungenen Krieg die Münsterstadt dank der Strategie der deutschen Führung bei der Bezwingung der Ma- ginot-Linie verschont und die angerichteten Zerstörunaen sind allein auf französisches Konto zu verbuchen.