Mittwoch, den 25. September 1919

z, Seite Nr. 225

Nagolder TagblattDer Gesellschafter-

Zndochina-Probleme

Wer die Meldungen liest, die in diesen Tagen über die Ver­schärfung der Lage in Französisch-Jndochina nach Eu­ropa gelangt sind, schlägt am besten eine Karte der malaiischen Inselwelt aus. die alle Anliegerstaaten und Anliegerinseln des liidchinesischen Meeres zusammenfaßt. Ein Blick auf diese Karte rerräk. das; es sich hier um einen der gefährlichsten Wetterwinkel der internationalen Politik handelt. Denn der gewaltige Mee- rcsarm, der sich östlich von Hinterindien erstreckt, ist keineswegs allein durch seine Beziehungen zu dem hinterindischen Raum von Interesse. In ihm schneiden sich die politischen Zielsetzungen aller Eroßmächte, die in Ostasien Einflug besitzen, vor allem die Eng­lands, Japans und Amerikas, dessen Besitz auf den Philippinen den langgestreckten östlichen Abschluß des südchinestschen Meeres darstellt. Von hier blicken die USA. in nordwestlicher Richtung hinüber nach der chinesischen Küste und dem englischen Besitz von Hongkong, in westlicher Richtung nach der weit in das Meer vor- pebogenen Küste von Französisch-Jndochina, deren nördlicher Teil, der Eolf von Tongking, durch die von den Japanern be­setzte Insel Hainan abgeriegelt wird. Unmittelbar im Anschluß an die Philippinen nach Südwesten aber erstreckt sich das wuchtige Massiv der teils im englischen, teils im holländischen Besitz be­findlichen Insel Borneo. Den eigentlichen Südwestabschluß des südchinestschen Meeres aber bildet die am Eolf von Siam ent­lang weit nach Sumatra und der Java-See vorspringende ma­laiische Halbinsel, an deren Siidspitze sich die große englische Lperrfeste Singapore befindet.

Dieses weite Meeresgebiet, das am besten durch das Hafen­dreieck Hongkong. Manila, Singapore bestimmt wird und heute im Zeichen des erzwungenen englischen Rückzuges aus Ostasien aktuellste Bedeutung erhalten hat, wurde bereits während des Lhinakrieges von Tag zu Tag mehr genannt. In dem Augen­blick, wo die Japaner an der chinesischen Südküste bis nach der Insel Hainan und zum Kols von Tongking vordrangen, tasteten sic sich an die letzten Verbindungswege heran, die eine Beliefe­rung Chinas vom Süden her ermöglichten. Hier aber stießen sie unvermeidlich auf den großen Landbesitz Frankreichs in Hinter­indien, dessen zusammenfassender Name Französisch-Jndo- ih i n a reichlich schematisch die vielseitige Zusammensetzung dieses Kolonialbesitzes verdeckt. Es handelt sich hierbei nämlich um die LchWtaaten Tongking im Norden, dann weiter südlich um das Königreich Annam, das fast die gesamte Ostkijste. des Landes.ein­nimmt, um den Schutzstaat Cochinchina im Südosten mit dem große Hinterland von Cambodja. Und entlang der Grenze des die Mitte von Hinterindicn darstellenden Staates Siam zieht sich dann poch der Schutzstaat von Laos, der gleichfalls zu Französisch- chidochina gehört, bis zu einer Art von Dreiländergrenze im Nordosten, die durch China, das englische Birma und den Nord­westteil von Jndochina gebildet wird.

Bei dieser geographischen Stellung war es selbstverständlich, daß Frazösisch-Jndochina früh als Verproviantierungsweg für Tschjangkaischek von großer Wichtigkeit wurde. Als Haupthafen für die Lieferungen, die über das französische Gebiet gingen, >am dabei der Hafen von Haiphong in Frage, der 32 Kilometer rem Meere entfernt im Delta des Songka liegt und ungefähr WM Einwohner besitzt. Von Haiphong läuft eine Bahn bis zur Hauptstadt des ganzen französischen Kolonialgebietes, Hanoi, einer Großstadt von über 150 060 Einwohnern. Noch wichtiger aber ist die vcrkehrspolitische Lage dieser französischen Metropole in Ostasien. Von hier laufen Eisenbahnlinien nach Nordwesten und Nordosten, die unmittelbaren Anschluß an chinesische Strecken haben, und eine weitere Linie nach Süden, die sich an der Küste entlang bis zum Hafen von Tourane zieht, der südwestlich von der Insel Hainan fast in gleicher Höhe mit der 1100 Kilometer weiter östlich gelegenen Philippinenhauptstadt Manila liegt. Die Verlängerung dieser Küstsnbahn weiter nach Süden ist im Bau. Ae ist dann voll benutzbar wieder vom Hafen Nhatrang, von wo eme Bahnstrecke den Hauptort im Süden von Jndochina, die Ttadt Saigon, erreicht. Zwischen dem Norden und dem Süden °on Jndochina zieht sich das Gebirgssystem der annamitischen Kordilleren, deren höchste Gipfel bis zu 3000 Meter emporragen, als ein Verkehrshindernis durch das Land. Flußtäler gestatten trotzdem den Uebergang nach Siam, das an Französisch-Jndochina W3 und 1896 die Provinz Laos und 1907 die Provinz Battam- bang und Angkor abgetreten hat.

Frankreich hat an seinen ostasiatischen Besitzungen niemals b>otze Freude gehabt, da die nationalen Strömungen in den Tchutzstaaten ständig durch geheime Gesellschaften aufrechterhalten wurden und jede außenpolitische Zuspitzung innerpolitische Gä­rungen zur Folge hatte. Dies veranlatzte schon im Weltkrieg allen Ernstes Clemenceau, eine Abtretung Jndochinas an Japan ms Auge zu fassen, um auf diese Weise die Entsendung eines japanischen Hilssheeres auf den Kriegsschauplatz in Europa pr Mangen. Durch den gegenwärtigen Niederbruch der französi- tchen Machtstellung haben sich diese alten Auflösungserscheinungen wieder verstärkt. Vor-allem Japan, England und die Vereinigten Aaaten überwachen mit Argusaugen jede Bewegung ihrer Kon- urrenten, die auf eine Festsetzung im Golf von Tongking und » der annamitischen Küste hinauslaufen könnten. England strebt alurgemäß eine Sicherung Jndochinas als Norddeckung für mggpore an. Auf der anderen Seite wünschen die Vereinigten 7 . von Nordamerika jedtzr Ueberraschung aus dem indo- Mepschen Raum gegen die Philippinen vorzubeugen, wozu noch s amerikanische Interesse an Singapore tritt. Da aber beide. iiu ia auch in Südchina ihre Ausgangsstellungen ^

S!-ri ^"Ennst nicht völlig preisgeben wollen, stehen sie jedem in -r ? die Abriegelung Chinas durch ein Eindringen

lKgcniib« "" vervollständigen, mit unverhohlener Ablehnung,

König Georg am Mikrophon

Churchillphrasen aus dem bombensicheren Palastkeller

DNB Stockholm, 21. Sept. In der allgemeinen Rede-Inflation, ^ ö.n^ichen Bevölkerung mehr die Nervosität und regierenden Hetzerclique Bona/ ' ^ d.E Volk Trost und Mut im Hagel deutscher

ktall könnte, wird jetzt das letzte Pferd aus dem

Lucki» kKöri'Ü Eeoruist im bombensicheren Keller des linder ^ ° ans Mikrophon gestellt worden. Wie nicht

?^"*ien, hält sich der König als Sachwalter der Kriegstreiber an ihre Rezepte und setzt seinen bebraucki einen reichlich abgestandenen Ausguß, aus ab- ^ ) en Schlagwörtern vor, der genau das Gegenteil von

obachter, sondern auch das Zeugnis britischer Flieger hat ein­deutig ergeben, daß die Ziele vor dem Abwurf sorgsältig mit Leuchtschirmen ausgemacht waren.

England ist es, England und immer wieder England, dessen König sich nun nicht schämt, die Schuld anderen aufzuladen, die sein eigenes Gewissen bedrücken müßte.

Eine Erbärmlichkeit sondersgleichen ist es, wenn Georg VI. sich ans Mikrophon zerren läßt, um seinemKummer" über das torpedierte Kinderschiff Ausdruck zu geben. Wenn auch noch nicht seststeht, daß das Schiff tatsächlich von einem deutschen U-Boot torpediert wurde, so steht jedenfalls fest, daß sich an Bord des bewaffneten Schisses plutokratische Hetzer be­fanden, die die Kinder nur zur Tarnung gebrauchten, um von dem heißen Boden Englands ungestraft in sichere transatlan­tische Gefilde gelangen zu können.

Anscheinend ist es aber dem königlichen Scharfsinn Georgs entgangen, das; er seine Greuelmärchen selbst Lügen straft, wenn er erklärt: Die Männer und Frauen in den Fabriken und auf den Eisenbahnen, die ohne Rücksicht auf alle Gefahren ihre Arbeit erfüllen und alle Dienste und Notwendig­keiten unseres gemeinsamen Lebens aufrechterhalten, die unsere Frontstellung besetzt halten und ihr die Versorgungen und Waf­fen zuführen, verdienen ihren Platz mitten unter den Helden dieses Krieges. Damit ist dem König das unfreiwillige Geständ­nis entschlüpft, daß tatsächlich die deutsche Luftwaffe bei ihren Angriffen kriegswichtige Anlagen zum Ziele macht, daß Waffenfabriken und Verkehrslinien als ein Zentrum britischer Kriegsanstrengungen dem deutschen Vergel­tungsschlage zum Opfer fallen. Und nun zeigt Georg sein war­mes und mitfühlendes Herz für das Leid, das er, seine Hetzer und auch die Bevölkerung selbst über England gebracht haben. Der König hat nicht nur ganze 10 000 Pfund und alten Hausrat seines Palastes gestiftet, sondern, wie er sich in der Rede stolz rühmt, mit der Königin viele Stellen besichtigt (!), die aufs schwerste bombardiert waren, und sich sogar herabgelassen, mit den Leuten, die viel gelitten hatten, höchstpersönlich zu sprechen.

Ja der König tut ein übriges, er stiftet Orden, denen er seinen allerdurchlauchtesten Namen verleiht. Das Georgs-Kreuz und die Georgs-Medaille sollen Pflaster für die Wunden der Briten sein, die ihnen ihre Kriegshetzer und er selbst geschlagen haben.

Mehr Trost kann der König den gestraften Londonern aller­dings nicht geben; denn so schiieAk^er seine Rede:Wir leben in grauenvollen Zeiten, und es kann möglich sein, daß die Zu­kunft noch grauenvoller wird. Kalt und dunkel liegt der Winter

vor uns.

Britisches Bernichtungsprogramm

Gens» 21. Sept. Der Garrick-Club in London schreibt der Times" einen Brief, in dem er ein ganzes Vernichtungspro­gramm deutscher Kunstwerke aufstellte. Sein Wortführer Robert Byron erklärt, daß Europa zwar ärmer werden würde durch den Verlust Münchens und Nürnbergs. Die Drohung mit ihrer Vernichtung, wenn der Angriff auf London fortgesetzt werde, würde sich aber gleichzeitig auch als nützliche Warnung an Italien erweisen. Es sollte nicht schwer fallen, den Italienern ein paar Bauwerke zu nennen, deren Zerstörungsgefahr sie viel­leicht zurUeberlegung" bringen werde.

Soweit die Heucheleien des Earrick-Elubs, hinter dem Chur­chill deutlich sichtbar wird, der sich einen Freibrief für die Ver­nichtung von Kulturwerken verschaffen will.

Unerbittliche DergettungsschlSge

Flughäfen der englischen Südostküste zerstört Bomben­hagel auf Londons Industrieanlagen

Neuyork, 21. Sept Die unerbittlichen schweren Vergeltungs­schläge der deutschen Luftwaffe nahmen auch in derNachtzum Dienstag ihren Fortgang. Die militärischen Anlagen Lon­dons und Südostenglands sowie des Nordwestens waren wieder­um das Ziel der deutschen Bombenangriffe.

Darüber berichtet der Associated-Preß-Vertreter, daß deutsche Bombenflugzeuge auf die außerhalb liegenden Vororte im Osten und Süden von London und einen Distrikt im Zentrum Bomben abgeworfen haben.Während die Bomber fortgesetzt Stunde auf Stunde London überkreisen", so heißt es in dem auf Grund der strengen britischen Zensurmaßnahmen keinerlei Angaben über an­gerichtete Schäden enthaltenden Bericht weiter,wurden weitere Flugzeuge über Midlands, dem Südosten und Nordwesten und über Wales gesichtet.

Der militärische Mitarbeiter der ZeitungP.M." berichtet, daß die Dockanlagen mehrerer großer englischer Seehäsen bei den jüngsten Luftangriffen schwer beschädigt wurden. Näch st London habe Liverpool am meisten aelitten. Die

'-w erreichen Inß,

was beabsichtigt ist.

^britische Erbärmlichkeit ist wb-W. an der Ereuelhetze teil u

es, wenn sich sogar der König khün c" "" Ereuelhetze teilzunehmen, mit der England seine primae, "b" i"! Ausland auszuspielen versucht und vonZer- blindlinn-"" schönheitsreichen und interessanten Gebäuden und Me ö , ""gegriffenen kleineren Behausungen" spricht.

Sunaerm^ Krieg erklärt? We» hatte die Absicht, durch "'nae»» M ^"Esche Frauen und Kinder auf die Knie zu ^u«iw-k,ü?." öat ungeschützte Wohnviertel nnd einsam« iche Kir»-n monatelang mit Bombe» belegt? Wer hat deut- rechört? -i»' ntstätten und Nationalheiligtümer bewußt "wohl, bewußt zerstört. Nicht nur einwandfreie Ve-

Brennend stürzt er in die Tiefe

F Mur kurze Zeit hatte der Luftkampf zwischen dem Messerschmitt- A Zerstörer und der englischen Spitsire gedauert, dann fing der Z (Engländer Feuer und sackte ab. Im letzten Moment versucht der Ä isZilot die Maschine zu verlassen.

H ' (PK. Zeichner Filipowsky, Atlantic, Zander-M.-K.)

Rom» 21. Sept. Der Korrespondent der Agentur Stefan! in Lissabon meldet, daß die neue Verschärfung der englischen Schi­kane bei der Kontrolle des portugiesischen Schiff­fahrtsverkehrs in Lissabon lebhaften Unwillen hervor­ruft. Außer dem DampferSerpa Pinta", der den Waren- und Personenverkehr zwischen Lissabon und Rio de Janeiro versteht und unlängst von zwei englischen Patrouillenschiffen 50 Meilen von der portugiesischen Küste entfernt angehalten und gezwun­gen wurde, Gibraltar anzulaufen, seien jetzt auch die Dampfer Cassequel" undPungue" von den Engländern angehalten worden.

Hunderte von französischen, polnischen und englischen Flücht­lingen, die bisher ihren Wohnsitz in Frankreich hatten, seien in Lissabon eingetroffen, in der Hoffnung, sie könnten sich demnächst nach Süd-Amerika einschiffen.

Reichsmlnlster Sewte zur Altersversorgung

Dem 22. Heft der ZeitschriftDie Arbeiter-Versorgung" hat Reichsarbeitsminister Franz Seldte ein Geleitwort gewidmet. Darin kommt er auch auf den Einwand zu sprechen, der gegen die Sozialversicherung erhoben worden ist und noch er-, hoben werde, daß sie nämlich keine hinreichende Versorgung für die Tage des Alters bzw. der Arbeitsunfähigkeit sei. Es ist, so erklärt der Minister, zweifellos richtig, daß insbesondere die Rente in der Invalidenversicherung heute noch nicht so groß ist, daß sie im Alter einen ruhigen Lebensabend garantiert. Die Invalidenversicherung hat seit ihrem Bestehen dieses Ziel auch nicht angestrebt. Sie hat stets damit gerechnet, daß der Invalide neben seiner Rente noch Ersparnisse aus seiner Arbeitszeit zur Verfügung hat und daß er den Rest seiner ihm verbliebenen Ar­beitskraft noch verwertet. Heute stellen wir allerdings höhere Ansprüche an eine Versorgung des schaffenden Volksgenossen für die Tage des Alters. Nach dem Schreiben des Führers an den Reichsorganisationsleiter Dr. Ley gehöre hierher auch die For­derung auf eine umfassende ausreichende Altersver­sorgung des deutschen Volkes. In welcher Form und in wel­chem Rahmen sie durchzusühren ist, werde zur Zeit von den be­rufenen Stellen sorgfältig überlegt. Das Reichsarbeitsministe­rium arbeite eng mit dem arbeitswissenschaftlichen Institut der DAF. zusammen, das über einen bewährten Stab von Sach­kennern und über einen guten Apparat verfüge, um die Vor­bereitungsarbeiten leisten zu können. Der Volksgenosse dürfe also die Ueberzeugung haben, daß keine soziale Einrich­tung blindlings zerschlagen wird, ohne daß etwas Besseres gefunden ist. In ernster, mühsamer Arbeit werde die Klarheit gewonnen werden, die notwendig sei, um in einer für Millionen von Volksgenossen so wichtigen Frage zur richtigen Entscheidung zu kommen. Diese werde aber heute dadurch erleichtert, daß schon jetzt zwei wichtige Voraussetzungen gegeben sind: 1. sind in unserem Reich alle Schaffenden von dem Gefühl der Gemeinschaft durchdrungen. Das Füreinander-Ein- stehen, also die Kameradschaft aller Schassenden, ist selbstver­ständliches Gebot geworden, ebenso wie die Forderung, daß der Mensch im Mittelpunkt der Dinge zu stehen habe. Es könne des- halb darüber keine Diskussion mehr geben, daß für den Volks­genossen, der im Dienst der Volksgemeinschaft pflichtgetreu be­dient har und aus den Reihen der Schaffenden vorübergehend oder dauernd ausscheiden muß, in jeder Hinsicht ausreichend zu sorgen sei. 2. ist jetzt schon die wichtige Voraussetzung der wirt­schaftlichen Sicherheit erfüllt. Die Sozialversicherung sei bis 1933 dem Auf und Ab der Konjunktur ausgesetzt gewesen. Die neue Altersversorgung werde nunmehr in einem Staat errichtet, der seine Wirtschaft nicht dem Spiel der freien Kräfte aussetze und der infolgedessen auch auf sozialem Gebiet auf wette Sicht Maß­nahmen treffen könne, die früher unmöglich gewesen sind.

Verteidigung der großen Industriestädte und Häsen außerhalb Londons werde nicht durch den Umstand erleichtert, daß Piloten, Flugzeuge und Flak aus anderen Gegenden Englands heute im Londoner Bezirk eingesetzt würden. Als vor fünf Wochen die großangelegten deutschen Luftangriffe begannen, stießen die bri­tischen Jagdflugzeuge bereits über dem Kanal auf den Gegner; das sei heute nicht mehr der Fall. Der Schauplatz der Zusammen­stöße habe sich zum Inland hin verlegt. Die Flughäfen der eng­lischen Südostküste seien unbenutzbar gemacht und ihre Repa­raturwerkstätten und Tankstellen zerstört warten.

lieber die pausenlosen deutschen Luftangriffe, die im Laufe des Montags auf wichtige Londoner Industrie­anlagen durchgeführt wurden, berichtet Associated Preß aus Lon­don, daß während des ganzen Tages deutsche Bomberformatio- uen die Londoner Westseite mit Bomben überschütteten. Die deutschen Angriffe seien noch heftiger gewesen, und die davon betroffenen Industrieanlagen und Gebäude seien über ganz Lon­don verteilt. Ein aus London vorliegender privater Bericht ver­mittelt außerdem einen aufschlußreichen Einblick in die tatsäch­liche gegenwärtige Situation.EroßeTeilevonLondo n", so heißt es in dem Bericht wörtlich,sind heute schon sogutwie unbewohnbar. Falls die deutschen Angriffe im gleichen Umfange andauern oder sich, wie man befürchtet, sogar noch ver­stärken, kann man fast mit mathematischer Sicherheit den Tag vorher berechnen, an dem die britische Hauptstadt nicht mehr in der Lage sein wird, ihren acht Millionen Einwohnern eine Wohn­stätte zu bieten. Die größte Gefahr liegt in der Vernichtung der (0 a s - und W a s s e r a n l a g e n, da eine moderne Erotz- stadtbeoölkerung ohne diese lebensnotwendigen Einrichtungen einfach nicht zu existieren vermag. Man kann sehr viel vom Wi­derstandsgeist und vom Widerstandswillen sprechen, was die eng­lische Regierung ja auch in jo reichlichem Maße tut, aber ohne Wasser und ohne die Möglichkeit, ein warmes Essen zu bereiten, kann auch der stärkste Widerstandswille nicht aufrechterhalten werden."

In den letzten Tagen sind, wie es in oem Bericht weiter heißt, besonders viele Wasserwerke und Kanalisotionsanlagen von Bomben getroffen worden, ohne daß es gelungen wäre, die Schä­den im vollen Umfange zu beheben. Mehrere Wohnviertel können zur Zeit nur mühsam mit Gas und Wasser versorgt werden.

Nach einem weiteren englischen Bericht kam es dieser Tage in London zu wüsten Szenen, als die Polizei gegen Obdachlos« Vorgehen mußte, die sich Zugang zu einem Friedhof verschafft hatten. Dort hatten sie verschiedene Erbbegräbnisse erbroch e n und waren in die Grüfte hineingestiegen, um hier Schutz vor den Fliegerangriffen zu suchen. Die Flüchtlinge hatten mitten zwischen den Särgen ihr Lager aufgeschlagen und weiger­ten sich hartnäckig, ihren improvisierten Luftschutzkeller zu ver­lassen. Die Polizei mußte schließlich mit Gewalt Vorgehen und nahm mehrere Verhaftungen vor.

Auch das Londoner Po st wesen ist nach einem Bericht eineinzigesChaos. Jede normale Briefzustellung hat auf­gehört, da in zahlreichen Bezirken eine Zustellung nicht mehr möglich, ist und mehrere Postämter in der Näh«' wichtiger In­dustrieanlagen schwer beschädigt worden sind. Zahllose Brief­schaften wurden vernichtet und riesige Mengen liegen unsortiert in den Postämtern, da ein^ geregelte Abwicklung der Arbeit nicht mehr möglich ist.