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Zernsprecher Nr. S
verantwort!. Lchriftleksung: Zriedrich Han» Scheele Druck und Verlag der A. Oeychldger'schen Buchdruckerei.
Nr. 183
Montag, den S. August 1926.
101. Jahrgang
Unruhen in Sowjet-Rußland?
Gerüchte über Militürrevoiten.
TU Warschau, g. Aug. Trotz der vielen Dementis der russischen Botschaft in Warschau über die Nachrichten, die in den letzten Tagen in der polnischen Presse erschienen sind, bringt das polnische Büro Agencia Wschodnia neue sensationelle Nachrichten aus Moskau, in denen unter anderem gesagt wird, dag es in Leningrad und Kronstadt zu einer völligen Militärrevolle gekommen sei. Das Militär solle sämtliche Regierungsgebäude besetzt haben. Die Regierung habe in Leningrad und Kronstadt Len Belagerungszustand erklärt. Weiter behauptet die Agencia Wschodnia, daß Trotzki der eigentliche Führer dieser Revolte sei und gestern von Moskau nach Leningrad abreiste, um die militärische Leitung des Aufstandes zu übernehmen. Die genannte Agentur meldet schließlich, daß gestern mehrere unbekannte Personen versucht hätten, ein Attentat auf Stalin zu verüben. Als die Agenten der Tscheka, die Stalin bewachten, die Attentäter verhaften wollten, hätten diese eine Bombe geworfen und seien geflüchtet. Zwei der Tscheka-Leute seien durch die Bombe getötet worden.
Ausstand in der Ukraine.
Aus Bukarest berichtet ein Drahtbericht ein« Meldung des dortigen „Universul", wonach die Truppen des ukrainischen Generals Lessevici sich geweigert hätten, die Befehle der Regierung zu befolgen. Rebellierende Soldaten hätten den Ncgierungs- kommissar Dracenco getötet, ihm den Kopf abgeschlagen und ihn auf der Spitze einer Lanze in den Straßen von Odessa umhergetragen, indem sie riesen: „Nieder mit der Regierung des Terrors und des Zwanges!" Die Jnfanterieregimcntcr Nr. 20, 28 und SS hätten unter dem Kommando des Hauptmanns Katnikoff General Leslevici und die anderen von der Tscheka verhafteten Offiziere befreit und den Kampf mit den regierungstreuen Truppen ausgenommen. Die Stadt befinde sich in den Händen der Aufständischen. Die Sowjets müssen angeblich vor den Dc- gcnrevolutionären Schritt für Sckritt zurückweichen. Der Aufstand habe sich im Schwarzen Meer ausgcbrcitet und auch die
Schwarze Meer-Flotte ergriffen. Mehrere Städte der Halbinsel Krim seien von den aufständischen Kriegsschiffen hombardiert worden. Diq Regierung habe eine allgemeine Mobilisierung angcordnet, was große Panik hervorgerufen habe. Die Luftflotte sei auf der Seite der Sowjets.
Am die DMKerbundsraLsreform.
Mello Franco über die Natsfrugc und Brasiliens Bericht.
TU Paris, 9. Aug. Der brasilianische Delegierte beim Völkerbund, Mello Franco, hat einein Vertreter des Excelsior gegenüber Erklärungen über seine Teilnahme an der nächsten Vül- kerbundssitzung und über die brasilianische Völkerbmidspolitik gemacht. Mello Franco erklärte, er werde nur nach Genf kommen, um Motla und seinen Kollegen im Völkerbund seinen offiziellen Besuch zu machen. Er werde sich sodann nach Brasilien zurückbegeben, um an den Bundeswahlen teilnehmen zu können. Brasilien werde auf der Septembertagung des Völkerbundes nicht vertreten sein. Die brasilianisthe Regierung habe nur mit tiefer Trauer darauf verzichtet, an einem Werke, das ihr am Herzen liege, mitzuarbeiten. Es gebe in der Frage der ständigen Natssitze ein tiefes Mißverständnis. So berechtigt vom nationalen Standpunkt die brasilianische Forderung sei, so trete sie doch zurück hinter dem moralischen Gedanken und dem Prestige des amerikanischen Kontinents. Brasilien käme cs micht darauf au, daß es selbst einen Ratssitz erhalte, sondern, daß ein Staat Amerikas dauernd im Rate vertreten sei. Auch Bolivien und Peru schwauklen, sich auf der Septcmberlaguug des Rates vertreten zu lassen. Mello Franco erklärte zum Schluß, er habe zuvor nicht mit Driand beraten, aber er werde Paris nicht verlassen, bevor er Briand einen Besuch gemacht habe. Auf die Frage, ob die Reorganisierung des Völksrbundsrates nicht bis nachdem inEtritt Deutschlands verschoben werden könnte, erklärte Mello Franco, di« Löäuig des snrii,i'cken Komitees, wonach drei weitere zeitweilige Sitze geschaffen werden sollten, für die die Wiederwahl zulässig sei, scheine niemanden zu befriedigen. Für Brasilien bleibe die Frage dieselbe wie sie im Herbst gewesen sei.
Poineares TirmnzprojeLte im Senat.
Dienstag Tagung der NKiisrmLverzKmmLrmg.
Die Finanzprojekte im französischen Senat angenommen.
TU Paris, 9. Aug. Der Senat hat am Samstag in einer kurzen Vormittagsfitzung die beiden Finanzprojektc der Regierung über die Schaffung der AmortisationSknssc und über den Devisenkauf der Bank von Frankreich angenommen.
Der Berichterstatter der Finanzkommission teilte mit, daß die Senatskommission gewisse Abänderungen des Projektes vorgesehen habe, wonach in Zukunft die Amortisationskasse die gesamte öffentliche Schuld lverdc tilgen können. Poin- care erklärte, daß ein Teil der vom Parlament bcrcitgestelltcn Summen aus d.en neuen Slcuerprojekten der AmortisationS- kasse zur Verfügung gestellt würde und zwar werde die Kasse über 2,7 Milliarden Einkünfte aus den Erbschaftssteuern und 800 Millionen Einkünfte aus den Grundstückssteuern jährlich verfügen. Die Kasse habe somit zunächst einen Jahresbctrag von 3,5 Milliarden jährlich zur Verfügung. Ferner würden der Kasse die Einkünfte aus dem Tabakmonopol zugeführt werden. Der Ministerpräsident betonte, daß kein Zweifel bestehen könne, daß durch eine überstürzte Tilgung der inneren Schulden der ganze Staat in Gefahr geraten könne. Zunächst würden nur die kurzfristigen Bonds der nationalen Verteidigung und des Schatzamts getilgt werde». Ferner bleibe nach den Gesetz- Projekten den Kammern das Recht Vorbehalten, jedes "Jahr die Höhe der Steuern, sowie auch die Zinssätze zu revidieren, die der Amortisationskasse zuflicßen sollen. Tie finanzielle Autonomie und ein bestimmtes Minimum an Beträgen, die dieser Kaffe zur Verfügung gestellt werden sollen, würden jedoch außerhalb der Rechte des Parlaments verfassungsmäßig geregelt werden. Die Ausbeutung des Tabakmonopols bedeute keinen Angriff oder eine Abänderung des bestehenden Staatsmonopols.
Vor der Debatte war noch ein Gesetzentwurf der Regierung über die Dienstpflicht der Elsaß-Lo'thringer und der in Frankreich naturalisierten Ausländer entsprechend den Bestimmungen des Versailler Vertrags angenommen worden. Nach diesem Gesetz wird den Elsaß-Lothringern und den in Frankreich naturalisierten Ausländern der Dienst, den sie in Deutschland bezw. ihren Heimatländern geleistet haben, bei der Dienstpflicht in Frankreich angerechnet werden. Der Ministerpräsident beantragt darauf, daß der Senat noch einmal um S Uhr zusammentreten möge, um den Antrag der Regierung
auf Einberufung der Nationalversammlung zum 10. oder 11- August zu beraten. Um 3 Uhr wird die Kammer zusammentreten, um zu dein gleichen Vorschlag der Regierung Stellung zu nehmen. Ferner tritt die Finanzkommission der Kammer zusammen, um einen Berichterstatter für die Frage der ausländischen Schuldcnabkommcn zu ernennen. Es scheint, daß die Regierung die Absicht hat, die gesamte Vorarbeit für die Ratifizierung der Schuldcnabkommcn nunmehr soweit durchzuführen, daß bei der neuen Parlamentssessiion am 15. September oder 1. Oktober sofort die Ratifikation der Zlbkommen 'durchgeführt werden kann.
Die Einberufung der Nationalversammlung.
Wie die Morgenbläiter aus Paris melden, hat Senats- Präsident De Scsvcs in seiner Eigenschaft als Präsident der Nationalversammlung diese auf Dienstag, den 10. August vormittags 914 Uhr nach Versailles einberufen. Man nimmt allgemein an, daß die Nationalversammlung nur einen Tag dauern wird. Heute vormittag wird im Elysee ein Ministerrat statt- finden Nach Schluß der Nationalversammlung will Poin- carc Smat und Kammer in die Ferien schicken.
Amfall Poinearös in der Schuldenfrage.
Keine Rctisizicrung der Schuldenablommen vor de» Parlamente seriell.
Der Widerstand der parlamentarischen Kreise gegen die Ratifizierung der Schuldenablommen mit Washington und London hat zu einer schnelleil Lösung der Frage geführt. Die Regierung hat jetzt klar gestellt, daß sie die Ratifizierung nicht mehr vor den Ferien verlangen wird, daß aber schon jetzt ein Berichterstatter ernannt werden muß, der mit der Regierung in Verbindung tritt. Briand und Poincare, so heißt es in einer offiziellen Mitteilung der Regierung, werden der Finanzkommisfion schon jetzt zu Auskünften zur Verfügung stehen. Die Ansicht der Regierung über die Frage der interalliierten Schulden habe niemals geschwankt. Sie sei bereits in der Regierungserklärung angedeutst. Die Negierung erwarte die Sanierung von den Maßnahmen, die sie bis jetzt ergriffen habe und an deren Erfolg die Gläubiger Frankreichs ebenst) interessiert seien wie die Französin selbst.
Ei» offener Brief Clemenceaus an Toolidge.
Clemenceau hat an den Präsidenten Toolidge einen offenen Brief gerichtet, der sich auf die Frage der französischen Kriegsschulden an Amerika bezieht. Das Schreiben geht davon ans, daß die Regelung der Schuldenfrage zwischen den drei alliierten und assoziiertem Ländern Meinungsverschiedenheiten geschaffen habe, die die Zukunft der zivilisierte« Wett schwer bedrohten. Wem di« Nationen nur Geschäft-Häuser wären, so kömüe« die
Tages-Spiegel.
Das Reichskabinett wird am Donnrrstag seine erste Sitzung nach den Ferien halten.
Bei der nächsten Sitzung des Reichskabinetts werden außenpolitische Fragen und besonders Deutschlands Eintritt in den Völkerbund besprochen.
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Die Reichsregicruilg will durch Darlehen an die Länder den Wohnungsbau fördern.
Die Finanzprojckte Ponrcares sind vom Senat gebilligt worden. Ter Zusammentritt der Nationalversammlung wurde auf morgen festgesetzt.
Clemeuccau wendet sich in einem Brief an der: amerikanischen Präsidenten und fordert die Erlassung der französischen Schuld.
Aus Rußland werden Ullrichen in Leningrad und Kronstadt gemeldet, die Trotzki leiten soll, und ebenso aus der Ukraine-
Polen erhält keinen amerikanischen Kredit, da seine wirtschaftliche Lage nicht genügend gesichert erscheint.
In Athen versuchte ein Geistesgestörter ein Attentat auf de« griechischen Präsidenten Pangalos.
Eine Versammlung von 65 Drusenfiihrrrn hat beschlossen, de« Krieg gegen die Franzosen fortzusetzen und syrische Gesandte sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa zu ernennen.
Geschicke der Welt durch Bankkonten geregelt werden. Amerika verlange keine Handelsschuld, sondern eine Kriegsschuld zurück und es wisse, daß di« französischen Kassen leer seien. Im ersten Falle unterzeichne der Schuldner Wechsel. Aber in diesen: Falle sei es das Geheimnis der Komödie, daß es sich nur um angebliche Verfalltermine handle, um zu einer Hypothek auf die territorialen Güter Frankreichs zu kommen. Clemenceau fährt fort: Herr Präsident! Ich muß Ihnen sagen, daß wir dies niemals annehmen werden. Frankreich ist nicht zu verkaufen, auch nicht für seine Freunde. Wir haben es unabhängig erhalten und wir werden es unabhängig verlassen. Fragen Sie sich nach dem Vorbilds des Präsidenten Monroe, ob Sie ayders für den amerikanischen Kontinent empfinden würden. Hier haben wir auf unsere Festungen Deutschland gegenüber verzichtet? Sollten wir auf unsere Feffungen Deutschland gegenüber verzichten, wie es dies von uns unter der Drohung einer Kriegserklärung verlangte? Ja wir haben alles in den Abgrund geworfen: das Blut uiü> auch das Geld, wie es ihrerseits auch England und die Vereinigten Staaten getan haben. Aber das französische Gebiet ist es, das wirtschaftlich verwüstet wurde. Drei Jahre lang haben wir auf das amerikanische Wort gewartet: Frankreich ist die Grenze der Freiheit. Wie Rußland in Brest Li- towsk hat Amerika mit Deutschland einen Separatfrieden geschlossen. Dies war der Friedendes Mutes mit dem gemeinsamen Feinde. Heute soll man einen Frieden des Geldes mit den assoziierten und alliierten Mächten schließen. Warum haben wir nicht unter den Granaten einen Berwaltungsrat von Kriegsgewinnlern zusammengerufen, um die Frage zu entscheiden, ob wir die Verteidigung der schönsten Eroberung der Geschichte sortsetzen sollten? Soll die Lüge von den Reparationen zu amerikanischen Eintreibungen führen? Ich habe frei zu dem geehrten Führer eines großen Volkes gesprochen, dem ich 50 Jahre hindurch das beste meiner Achtung und meiner Freundschaft bewahrt habe. Heute ist es an ihm, sich über sich selbst avsm- sprechen.
Amerikanische Anleihesperre für Frankreich.
Nach einer Meldung der Deutschen Tageszeitung aus London teilt das amerikanische Staatsdepartement amtlich mit, daß die amerikanischen Geldmärkte für Frankreich geschloffen sind, bis das Schuldenabkommen ratifiziert worden sei. Das Staatsdepartement erwartet von den Bankiers der Union, daß sie alle ihre Mithilfe für französische Anleihen verweigern werden.
Vereiteltes Attentat auf Pangalos.
TU Berlin, 9. Aug. Wie die Morgenblätter aus Athen melden, ist am Sonnabend auf den zur Erholung in Spetzae weilenden Präsidenten Pangalos ein Attentatsversuch unternommen worden, der aber glücklicherweise gescheitert ist. Der Täter wurde festgenommen und gab seine Absicht zu. Nach amtlichen Berichten ist der Täter ein aus dem Gefängnis entwichener Sträfling, der wegen Mordes an einem Gendarmerieoffizier verurteilt ist. Alle Anzeichen weisen darauf hin, daß es sich nicht um ein organisiertes Attentat sondern um die selbständige Handlung eines Geistesgestörten handelt. Der Präsident hat zahlreiche Glückwunschtelegramme erhalten.