ü. Seite Nr. 148
Nagolder Tagblatt .Der Gesellschafter"
Mittwoch, den 28. Juni 1938
Aus dem GerichLssual
Sieben Kraftwagen von jugendlichen Automarder« entwendet
Alm, 26. Juni. Vor dem hiesigen Schöffengericht hatten sich drei Angeklagte, 19- bis 20jährige Burschen aus Ulm, wegen Autodiebstahls zu verantworten. Sie waren erst im vergangenen Jahr wegen Autodiebstahls verurteilt worden, was jedoch nicht viel nützte. In den Monaten April und Mai 1939 entwendeten die Angeklagten nicht weniger als sieben Kraftwagen und machten damit ohne Führerschein Spazierfahrten bis Geislingen und Tettnang. Die Wagen stellten sie nach der Fahrt irgendwo in der Stadt ab und überließen sie ihrem Schicksal. Auch kam es vor, daß sie die Wagen auf offener Straße abstellten und die Rückfahrt mit dem Zuge antraten. Natürlich wurden die Wagen von ihnen auch ausgeplündert. Der Staatsanwalt bezeichnte die Burschen als Automarder, denen einmal ganz energisch gezeigt werden müsse, wohin solche Taten führen. Die beiden Haupttäter erhielten je vier Monate Gefängnis und müssen zudem die früheren Strafen, bei denen ihnen Bewährungsfrist bewilligt war, ebenfalls abbüßen. Der dritte Angeklagte kam mit drei Wochen Gefängnis davon.
Auszeichnung für den unbekannten Helfer
Das vom Führer gestiftete Ehrenzeichen für deutsche Volkspflege schafft auch die Möglichkeit, den unbekannten Helfer der NSV. und des WHW. für besondere Verdienste auszuzeichnen. Bisher gab es keine Möglichkeit, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich um die nationalsozialistische Volks- wohlsahrt besondere Verdienste erworben haben, durch die Verleihung einer Auszeichnung zu ehren. Im „NS.-Volksdienst", dem Organ des Hauptamtes für Volkswohlfahrt, wird festgestellt, daß der in der Stiftungsverordnung genannte Begriff der Volkspflege nicht ohne weiteres gleichbedeutend sei mit Volkswohlfahrtspflege. Unter Volkspflege feien alle jene Maßnahmen im kulturellen Leben unseres Volkes zu verstehen, die sowohl nach ihrer Aufgabenstellung als auch nach der Art ihrer Erfüllung stärkste Persönlichkeitsmomente aufweisen und von den einzelnen volle Bereitschaft, Einsatzfähigkeit und Opferfreudigkeit erfordern. So würden zur Volkspslege im Sinne der Verordnung über das Ehrenzeichen gerechnet die Gebiete der Volkswohlfahrt, des Winterhilfswerks, der Pflege der Kranken und Verwundeten im Frieden und im Kriege, des Rettungswesens, der Pflege des deutschen Volkstums sowie der Fürsorge für deutsche Volksgenossen im Anslande. Das Ehrenzeichen für deutsche Volkspflege werde künftig die ehrenvolle äußere Anerkennung für Verdienste auf diesen Gebieten sein. Das Ehrenzeichen habe nicht den Charakter einer Treudienstauszeichnung, werde also njcht ohne weiteres nach einer bestimmten Zahl von Dienstjahren verliehen. Die Verleihung setze vielmehr immer ein besonderes Verdienst voraus, wobei naturgemäß auch die Dauer der Mitarbeit von wesentlicher Bedeutung sein dürfte. Der Artikel weist abschließend darauf hin, daß der unbekannte Helfer der MSV. und des WHW. entscheidenden Anteil an der Schaffung der Volksgemeinschaft habe. Seine Auszeichnung für Verdienste bei der Lösung dieser Aufgaben werde für ihn nicht nur Ehrung, jondern auch Verpflichtung bedeuten.
Kurze Sportrundschau
Fußballkamps Schweiz — Ostmark 0:0. Im Rahmen der Landesausstellung in Zürich wurde am Sonntag vor 10 000 Zuschauern ein Fußballkampf zwischen den Auswahlmannschaften der deutschen Ostmark And der Schweiz ausgetragen. Das Spiel bot bei allen technischen Feinheiten nur wenig Höhepunkte.
Deutsches Derby in Hamburg. Das von Reichsminister Dr. Goebbels als ein reichswichtiges sportliches Ereignis bezeichnete Deutsche Derby wurde am Sonntag aus dem Horner Moor zum 71. Male gelaufen. „Wehr dich" unter Jockey W. Streit siegte nach hartem Kampf über den überraschend gut laufenden „Sonnenorden" und „Octavianus"; der Favorit „Organdy" wurde nur Vierter. Der Schlenderhahner Sieger bewies damit, daß er
trotz seiner Niederlage durch „Organdy" in der „Union" weiterhin an der Spitze der Dreijähigen steht. Bei idealem Rennwetter, Massenbesuch und in Anwesenheit zahlreicher führender Männer von Staat und Partei sowie ausländischer Diplomaten gab es auf der 2400-Meter-Strecke einen spannenden Kampf, der sich am Ende zu einem dramatischen Zweikampf zwischen „Sonnenorden" und „Wehr Dich" zuspitzte. Mit kopflangem Vor- sprnmg ging „Wehr Dich" durchs Ziel. Zehn Pferde waren am Start, der Toto zahlte 34.
Hans Stuck siegte im Auto-Preis von Bukarest auf seinem Auto-llnion-Rennwagen mit einem Durchschnitt von 112,6 Stundenkilometer mit sechs Minuten Vorsprung vor dem Rumänen Christen, der einen BMW.-Svortwaaen iubr. "
Ergebnisse der LeichiaihlM-GüNmeisterschasteu ln SIMgarl
Fünfkampf: 1. Schnabel-TB. Stuttgart, 3228 Punkte,- Zehnkampf: 1. Strohmaier-UFV. Rlm, 5359 P.; Weitsprung: 1. Staib-Stutt- garter Kickers, 7.00 Meter; Hochsprung: 1. Haag-Tschft. Göppingen, 1.85 Meter; Stabhochsprung: 1. Müller-TV. Kuchen, 4.00 Bieter; Dreisprung: 1. Rapp-Stuttgarter Kickers, 13.93 Meter; Kugelstoßen: 1. Leitner-SpG. Fellbach, 13.43 Meter; Hammerwerfen: 1. Seeger-Stuttgarter Kickers, 46.74 Meter; Diskuswerfen: 1. Marktanner-Stuttgarter Kickers, 42.92 Meter; Speerwerfen: 1. Fischer-UFV. Ulm, S5.35 Meter.
Frauen: 100 Meter: 1. Hafenmaile-TE. Viberach, 12,5; 200 Meier: 1. Harst-Rb. u. PSE. Stuttgart, 27,0; 80 Meter Hürden: 1. Dietl-TB. Stuttgart, 12,1; Weitsprung: 1. Unkauf-SpVgg. 03 Tübingen 5.30 Meter; Hochsprnng: 1. Stiegler-TV. Backnang, 1.48 Meter; Kugelstoßen: 1. Wittmann-TB. Stuttgart, 11.76 Meter; Diskuswerfen: 1. Hassauer-TB. Stutgart, 36.07 Meter; Speerwersen: 1. Eberhardt-TV. Eislingen, 43.14 Meter; Fünfkampf: 1. Eberhardt-TV. Eislingen, 276 Punkte; viermal-100- Mcter-Stafsel: 1. TB. Stuttgart I 50,3.
Ausscheidungskämpfe der SA. in Mm
Ergebnisse. Mannschastswchrkampf (Schießweltbewerb, 30- Kilometer-Eepäckmarsch. Wehrknmpfbahn, ein Führer 36 Mann): 1. Standarte 119 Stuttgart; 2. Standarte 121 Wasseralfingen; 3. Standarte 120 Ulm; 4. Standarte 121 Schwäb. Gmünd. Rad- sahrstreise (Orientierungsfahrt, Handgranatenzielwurf, Schießwettbewerb, ein Führer 8 Mann): 1. Standarte 250 Bruchsal, 1. Mannschaft: 2 Standarte 124 Aschaffenburg; 3. Standarte 119 Stuttgart; 4. Standarte 250 Bruchsal, 2. Mannschaft; 5. Standarte 114 Konstanz. Örientierungslauf (1 Führer 3 Mann, Geländeskizzen, Schießen auf Ballone, Uebermittlung einer Meldung): 1. Standarte 119 Stuttgart; 2. Standarte 109 Karlsruhe; 3. Standarte 169 Ravensburg; 4. Standarte 113 Freiburg.
Westdeutscher Rundflug beendet
Beim Westdeutschen Rundflug des NS.-Fliegerkorps vom- 23. bis 25. Juni konnten die Klemm-Maschinen wiederum hervorragend abschneiden und den ersten, zweiten, fünften, siebenten und achten Platz belegen. Sieger wurden Sturmführer Winter und Gruppenführer Zahn-Hamburg auf Klemm; Zweiter: Truppführer Wilbert und Hermann auf Klemm. Von der Gruppe 15 des NSFK. (Stuttgart) belegten Sturmsührer Hasenmayer und NSFK.-Mann Ott auf Klemm den fünften und Obertruppführer Helmer und Gruppenführer Erbacher, ebenfalls auf Klemm, den siebenten Platz. Flugzeugführer Voy mit Orter Glaser auf Klemm konnten sich an achter Stelle placieren.
Neichsbank in der dritten Jnninwche
Der Ausweis der Deutschen Reichsbank ist für den 23. xmnl 1939 erstmals nach den Bestimmungen des neuen Vankgesetzes vom 15. Juni 1939 aufgestellt worden. Die Veränderungen im Ausweisschema treten äußerlich in einigen Positionsverschiebuu-, gen in Erscheinung. In der Berichtswöche hat sich die Kapitalanlage der Bank um 60 Millionen auf 8704 Millionen RM. ermäßigt. Die Bestände an deckungsfähigen Wertpapieren stellen
sich bei einer unbedeutenden Erhöhung auf 921 Mkmonen RM. Der Deckungsbestand in Gold und Devisen beträgt bei einer geringen Zunahme um 0,17 Mikl. RM. rund 77 Mill. RM. Der gesamte Zahlungsmittelumlauf verminderte sich auf rund 10 006 Mill. RM. gegenüber 10124 Mill. RM. am Ende der Vorwoche.
Die GdF. Wüstenrot in 1938. Auch die Bausparkaffe Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot, Gemeinnützige GmbH, in Ludwigsburg hat, wie im Geschäftsbericht 1938 mitgeteilt wird, im vergangenen Jahre die zur Durchführung der neuen Richtlinien für die Bausparkaffen notwendigen Maßnahmen eingeleitet. Es konnten 4614 Bausparverträge mit 55,43 Mill. RM. Vertragssumme abgeschlossen werden (i. V. 5356 Bausparverträge mit 58,9 Mill. RM.) und die Zuteilungen wurden auf 24,03 (17,59) Mill. RM. erhöht. Noch größer war die Steigerung in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres, in denen 19,69 Mill. RM. für 1834 Bausparverträge zugeteilt werden konnten. Der Gewinn des Geschäftsjahres mit 0,29 (0,64) Mill. NM. wird wie in früheren Jahren den planmäßigen Rückstellungen zugewiesen.
E. Brenninger AE. wieder 8 Prozent. Bei der E. Vreuninger AG., Stuttgart, ist der Jahresgewinn trotz vermehrter Personalaufwendungen, Steuern und sonstiger Kosten durch den gesteigerten Umsatz etwas erhöht. Die HV. nahm den Abschluß für das Geschäftsjahr 1938 zur Kenntins und beschloß, aus einem Reingewinn einschließlich Vortrag von 307 343 (268 588) RM. eine Dividende von wieder 8 Prozent zu verteilen.
Mittelschwäbische Ueberlandzentrale AG., Giengen-Br. Die HV. der Mittelschwübischen Ueberlandzentrale AG.. Giengen-Br., deren Kapital zu 42 Prozent dem Vezirksverband Oberschwäbischer Elektrizitätswerke Viberach gehört, hat über Genehmigung des-Verschmelzungsvertrages mit der Kraftwerke Untere Mindel AG., Burgau, sowie über Erhöhung des Grundkapitals von 2,50 auf 3.20 Mill. RM. ZU beschließen. (19. Juli.)
Mn WM
Donnerstag, 29. Juni: 5.45 Morgenlied, Zeitangabe, Wetterbericht, Wiederholung der 2. Abendnachrichten, Landwirtschaftliche Nachrichten, 6.00 Gymnastik, 6.30 Frühkonzert, Frühnachrichten, 8.00 Wasserstandsmeldungen, Wetterbericht, Marktberichte, 8.10 Gymnastik, 11.30 Volksmusik und Bauernkalender mit Wetterbericht, 12.00 Mittagskonzert, 13.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes. Wetterbericht, 13.15 Mittagskonzert, 14.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, 14.10 Heiterkeit und Fröhlichkeit, 16.00 Nachmittagskonzert, 18.00 Volks.musik, 18.45 Aus Zeit und Leben, 19.00 Mal Er — mal Sie, 19.45 Kurzberichte, 20.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, 20.15 Unterhaltungskonzert, 21.15 Menschliches, Allzumenschliches, 22.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetter- und Sportbericht, 22.30 Volksund Unterhaltungsmusik, 24.00 Nachtmusik.
Freitag, 3V. Juni: 5.45 Morgenlied, Zeitangabe, Wetterbericht, Wiederholung der 2. Abendnachrichten, Landwirtschaftliche Nachrichten, 6.00 Gymnastik, 6.30 Frühkonzert, Frühnachrichten, 8.00 Wasserstandsmeldungen, Wetterbericht, Marktberichte, 8.10 Gymnastik, 8.30 Morgenmusik, 9.20 Für Dich daheim, 10.00 Weißes Band über die Berge, 10.30 Stimmen aus Uebersee, 11.30 Volksmusik und Bauernkalender mit Wetterbericht, 12.00 Mittagskonzert, 13.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetterbericht, 13.15 Mittagskonzert, 14.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, 14.10 Nordische Musik, 16.00 „Und nun klingt Danzig auf! , 17.00 Musik zum Tee, 18.00 Wir spielen altitalienischh Meister, 18.45 Aus Zeit und Leben, 19.00 Konzert. 19.45 Kurzberichte, 20.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, anschließend: Hier spricht die Reichsgartenschau, 20.15 Unsere Wehrmacht mal ganz anders, 21.15 Leichte Kammermusik, 22.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetter- und Sportbericht, württem- bergische und badische Sportvorschau.
Samstag, 1. Juli: 5.45 Morgenlied, Zeitangabe, Wetterbericht, Wiederholung der 2. Abendnachrichten, Landwirtschaftliche Nachrichten, 6.00 Gymnastik, 6.30 Musik am Morgen, Frühnachrichten, 8.00 Wafserstandsmeldungen, Wetterbericht, Marktberichtes 8.10 Gymnastik, 8.30 „Wohl bekomm's", 9.20 Für Dich daheim. 10.00 „O heilig Herz der Völker, o Vaterland", 11.30 Volksmusik und Bauernkalender mit Wetterbericht, 12.00 Mittagskonzert, 13.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wetterbericht, 13.15 Mii- tagskonzert, 14.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, 14.16 Bunte Volksmusik, 15.00 Gute Laune!, 16.00 Uebernahme, 18.00 „Tonbericht der Woche", 19.00 Sommer, See und Sonnenschein!, 20.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, 20.15 Mt dr schwäb'- sche Eisebah!, 22.00 Nachrichten des Drahtlosen Dienstes, Wstter- und Sportbericht. 22.30 Wir tanzen in Len Sonntag.
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„Richtig, ich fürchte fast, Sie bilden sich mit der Zeit zur Konkurrenz aus meinem Gebiet aus... Aber jetzt mutz ich Sie leider zum zweitenmal rausschmeitzen, muß mich nämlich beim Chef abmelden, und dann geht's schnellstens nach Altschönau... Sorgen Sie sich inzwischen weiter um Rudi und Konsorten...!"
„Was bleibt mir bedauernswertem Kerl schon anders übrig!"
Wie Overbeck den wartenden Kraftwagen besteigen will, in dem schon Lhrenschall neben dem Führer Platz genommen hat, sieht er gerade den Assessor Birkner, der im Begriff ist, das Portal des Polizeipräsidiums zu betreten.
„Hallo! Herr Assessor!" ruft er ihn zurück und beginnt nach kurzer Begrüßung auch schon mit seinem Bericht: „Etwas mehr weiß ich schon, die Kugel stammt aus einem Gewehr älterer Konstruktion..."
„Das haben wir bereits festgestellt..."
„Jawohl, aber ich kenne das Modell ganz genau!"
„Nanu? Erzählen Sie schnell!" .
„Expreßbüchse, Kaliber 11,li Millimeter!"
„Ist das so was Besonderes, diese Expreßbüchse?"
„Ja, Herr Assessor, waren früher sehr teuere Gewehre, befanden sich also annehmbar nur in den Händen bemittelter Jäger, in diesem Falle also wohl: in Händen von Gutsbesitzern... und wo ich nunmehr nach der Mordwaffe zu suchen hätte ..."
„Ich verstehe Sie, Herr Kommissar, so kommen wir vielleicht ans Ziel, Sie meinen, daß man irgendwo in einem der Herrenhäuser in der Umgebung von Altschönau diese bewußte Büchse finden müsse ..."
„Ja, oder doch mindestens gewinnt man Anhaltspunkte, wohin man die Suche ausdehnen kann."
„Kluger Gedanke", nickt der Assessor zustimmend. „Aber Ihr Hinweis bringt mir jetzt etwas anderes wieder in Erinnerung. Ich habe es erst gar nicht be
achtet. Aber vielleicht kann es in Zusammenhang mit Ihrer Feststellung nun doch richtig sein..."
„Sie machen mich neugierig, Herr Assessor!"
„Also hören Sie her! Ich habe über den vorläufigen Ausgang unserer Untersuchung der Schwester des Toten, Fräulein von Facius, Bericht erstattet. Und wie ich davon sprach, daß es sich um ein Geschoß von einer Waffe veralteter Konstruktion handeln müsse, wurde sie auffällig unruhig. Erst schien mir das weiter nicht wichtig, man konnte denken, daß sie noch irgendeine bestimmtere Erklärung erwartete, wem die Waffe gehöre, oder so etwas Ähnliches. Aber nachdem Sie nun glauben, daß das Gewehr nur aus dem Besitz einer Gutsbesitzersfamilie aus der Umgebung stammen könne, da möchte man dieser Erregung vielleicht doch einige Bedeutung beimessen, vielleicht weiß sie sogar, wo man das Gewehr zu suchen hätte ..."
„Hm, wissen Herr Assessor sonst noch irgend etwas über diese junge Dame?"
„Nichts, höchstens noch, daß sie verlobt ist..."
„Und wer ist der Glückliche?"
„Ich lernte ihn auch kennen, ein junger Rittergutsbesitzer aus der Nachbarschaft, ein Herr von Rögg aus Zinnberg."
Overbeck blickt eine Sekunde lang vor sich hin.
„Nun möchte man aus Ihrer Beobachtung fast folgern, daß sie für ihren Verlobten fürchtete, als sie so erregt ward..."
„Um Gottes willen, Herr Kommissar, das habe ich denn doch nicht behauptet!"
„Tue ich auch nicht, Herr Assessor. Ich werde jedenfalls zuallererst Fräulein von Facius aufsuchen, vielleicht kriege ich es fertig, daß sie mir ihre Aufregung zufriedenstellend erklärt."
„Dann wüßten wir ja, ob wir ihrem damaligen Zustand Beachtung schenken müssen oder nicht."
„Allerdings, aber nun muß ich fahren..."
„Hals- und Beinbruch, Herr Kommissar!"
O-
„Einen Korn, Herr Wirt!" ruft der gerade eingetretene Gast dem dicken Mann zu, der sich hinter der braungestrichenen Theke zu schaffen macht.
„Gleich, Herr Nachbar!" erwidert dieser gleichgültig und greift nach der Flasche im Regal. „Inspektor von 'nem kleinen Gut oder so was Ähnliches", folgert er aus dem Äußeren des Gastes.
Und so sieht dieser auch wirklich aus. Unter dem reichlich pomadisierten Scheitel dehnt sich «in wettergegerbtes Gesicht in die Länge und Breite, zwei Ohren stehen weit davon ab. Ein hoher, altmodischer Stehkragen, um den fich eine schreiend-bunte Krawatte
schlingt, verbindet dieses Gesicht mit einem kräftigen, ja fast athletischen Körper, der in einem Konfertions- anzug dritter Güte steckt, der erstens zu knapp für seinen Träger und zweitens von einer Farbe ist, die früher einmal ein leuchtendes Lilablau gewesen sein mochte, jetzt aber durch die wohltätige Wirkung der Sonne zu einem für die Augen eher ertragbaren Blaugrau gedämpft worden ist. Ein paar kräftige Stiefel von respekterweckender Nummer schließen den ganzen Kerl nach unten zu ab.
„Wenig Betrieb jetzt, was?" beginnt er ein Gespräch, als der Wirt ihm das Glas an den Tisch bringt.
vNa, 's ist immer ruhig hier. Nur die letzten Tage waren 'n paar Leute mehr da."
„Was Besonderes los gewesen? Kirmes?"
„Ach wo! Wegen dem Mord! Darüber haben sie doch alle gesprochen..."
„Mord? Was für ein Mord?"
„Na, wo doch hier der Baron erschossen worden ist. Haben Sie nichts davon gehört?"
„Nee, bin noch fremd hier."
„Da können Sie natürlich nichts wissen. Der Baron Facius ist ermordet worden, mitten in seinem Wald, Schuß in die Brust..."
„Doch sicher Wilddiebe, was?"
Der Wirt zieht die linke Schulter hoch, das ist bei ihm ein Zeichen des Zweifels.
„So sagen sie wohl, aber hier ist lange keiner mehr schwarzgegangen. Mir scheint's nicht recht wahrscheinlich."
„Wer soll's denn sonst gewesen sein?"
„Tja, wenn man das wüßte!"
„Hat er denn Feinde gehabt, euer Barou?"
„Ach nee, das kann man eigentlich nicht sagen, er ist ganz gut ausgekommen mit den Leuten hier herum."
„Ob er irgendwo auswärts einen gehabt hat?"
„Keine Ahnung!"
„Ja, man erlebt manchmal komische Sachen. Da hat er sich nun mit allen Leuten gut gestanden, und doch knallt ihn einer über 'n Haufen ..."
„Na ja, mit allen Leuten, das stimmt nun wohl auch wieder nicht so ganz..."
„Warum denn? Sie sagten doch gerade..."
„Ich meinte, mit den Bauern hier stand er sich ganz gut, aber da ist einer, der Herr von Rögg, drüben auf Zinnberg, mit dem ist er früher gut Freund gewesen, aber in der letzten Zeit muß mal was losgewesen sein!"
„Da gab's wohl so 'ne richtige Feindschaft, so mit Forderung und Duell, wie's bei den feinen Leuten immer ist?"
(Fortsetzung folgt.)