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Nr. 148
Mittwoch, äen 28. Juni 1939
113. Jahrgang
Die ganze chinesischeKüste von Japan blockiert
Schanghai, 27. Juni. Der japanische Generalkonsul Miura überreichte am Dienstag dem dänischen Generalkonsul Scheel als Doyen des Konsularkorps eine Note, in der dem Konsula/- korps mitgetcilt wird, daß die japanische Flotte neue Operationen bei Futschau und Wentschau an der Küste der Provinz Tientsin begonnen habe. Die ausländischen Mächte werden daher in der Note gebeten, bis zum 29. Juni mittags ihre Kriegs- und Handelsschiffe aus den genannten Häfen zurückzuziehen.
London, 27. Juni. Mit Bestürzung hat man in London, wie Reuter zugibt, die Meldung zur Kenntnis genommen, datz die Japaner mit der Besetzung der Häfen Futsch au und Wentschau begonnen haben. Zur Tröstung für die Heimat sucht das Büro dann den Eindruck zu erwecken, die britischen Stelle» im Fernen Osten würden sich nicht binden. Aus Schanghai werde nämlich berichtet, man habe den Japanern bereits mitgeteilt, England weigere sich, seine Schiffe und Staatsangehörigen aus den beiden Häfen zurückzuziehen.
Die Londoner Presse bringt ihre Beunruhigung über diese neue Hiobsbotschaft aus dem Fernen Osten in sensationeller Aufmachung auf den Titelseiten zum Ausdruck. Die Blätter enthalten Meldungen, daß britische Schiffe in der Nähe von Futsch au und Wentschau durch japanische Flieger davor gewarnt worden seien, die beiden Häfen anzulaufen.
Futschau ist die Hauptstadt der Provinz Fukien und hat rund 320 066 Einwohner; die Stadt ist befestigt und liegt an der Mündung des Flusses Min. Sie ist einer der Hauptmärkte in China für Tee und Textilien. Wentschau, das nur 206 Meilen nördlicher in der Provinz Tschekiang liegt, hat 200 006 Einwohner und ist ebenfalls ein bedeutender Teemarkt. Die Befestigung der japanischen Positionen in Swatau schreitet unaufhaltsam weiter. Japanische Truppen besetzten am Dienstag vormittag Tschautschau, mit dem Swatau durch Line Eisenbahn verbunden ist.
Britischer Küstendampfer vor Tientsin festgehalte«
Wie die Reuter-Agentur aus Tientsin meldet, ist den britischen Paffagieren an Bord des britischen Küstendampsers „Adriane Möller" gestattet worden, an Land zu gehen. Der Dampfer war von den Japanern bei seiner Ankunft in Tientsin zum Zwecke der Untersuchung festgehalten worden.
Cham-erlain antwortet nicht!
Neugierige Unterhaus-Abgeordnete
London, 27. Juni. Ministerpräsident Cham b e rlackn wurde im Unterhaus von der Labour-Abgeordneten Greenwood um eine Erklärung zu den jüngsten Berichten aus dem Fernen Osten ersucht. Lhamberlain erklärte, zur Lage in Tientsin habe er im Augenblick nichts Neues zu sagen, aber er hoffe, daß er dem- uäW in der Lage sei» werde, weitere Erklärungen abzugeben.
Greenwood fragte darauf, ob man beabsichtige, im Hinblick auf die Lage den evtl, betroffenen Schiffen Instruktionen zu erteilen und ob der Premierminister sich um die Mitarbeit anderer Staaten bemühen wolle, deren Schiffe auch in Futschau und Wantscha« in Mitleidenschaft gezogen wurden, und ob die britische Regierung angesichts der zunehmend drohenden Lage Fortschritte in der Ausarbeitung von Vorschlägen zur Aenderung der Lage gemacht habe. Lhamberlain antwortete hierauf ausweichend: „Leider kann ich diese Anfrage nicht so aus dem Handgelenk beantworten, da ich die Information erst jetzt im Unterhaus erhalten habe. Alle diese Angelegenheiten werden aber erwogen werden." Auf eine weitere Anfrage verneinte Cham- berlain: ob er noch im Laufe des heutigen Tages weitere Erklärungen abgeben werde.
Eine peinliche Anfrage des Labour-Abgeordneten Bellenger, ob nicht im Hinblick auf die, verschärfte Lage im Fernen Oste« entschiedenere Maßnahmen ergriffen werden können, oder ob die Regierung nicht wenigstens einen entsprechenden Wink geben wolle, blieb, wie schon vor einigen Tagen, abermals unbeantwortet. Als Bellenger werter drängte und fragte, „will der Premierminister eine Antwort auf diese Frage geben, da viele von uns darauf ernsthaft interessiert find?", erhielt er wieder keine Antwort. Ebenso erging es dem Kommunisten Eallacher, der fragte, wie es komme, datz Beleidigungen, die der Ministerpräsident als unerträglich bezeichnete, geduldet würden.
*
London wieder optimistischer
London, 27. Juni. In London beginnt man die Aussichten auf eine Bereinigung der Schwierigkeiten in Moskau günstiger zu beurteilen. Der diplomatische Korrespondent von Preß Association meldet, die neuesten britischen Vorschläge würden binnen 24 Stunden nach Moskau abgehen. Man könne annehmen, daß die Moskauer Beratungen «och in dieser Woche wieder ausgenommen werden würden. I» London hofft man zuversichtlich, daß die neuen britischen Vorschläge die letzten Ern- wände der Sowjetunion beseitigen würde».
Borwürfe an die Adresse Moskaus
Werden die englischen Zugeständnisse ansreichen?
Paris, 27. Juni. Aufgrund der Meldungen aus London, wonach das Foreign Osfice neue Instruktionen an seinen Vertreter Strang in Moskau gesandt habe, ist das Thema der Dreierpakt-Verhandlungen in der Pariser Presse am Dienstaa
wiener etwas in den Vordergrund gerückt. Dabei sind sich die Blätter durchweg darüber klar, daß angesichts der bekannten Schwierigkeiten in der Fernostfrage die Hoffnungen auf einen baldigen Abschluß sehr gering sind, und allgemein kommt die bange Frage zum Ausdruck, ob die Sowjets sich mit den Zugeständnissen Großbritanniens begnügen werden.
Der „Jour" glaubt, daß Moskau aufgrund der neuen Instruktionen in allen seinen Wünschen einen vo llkomme- neu Erfolg zu verzeichnen habe. Die baltischen Staaten würden gegen ihren Willen in einem Sonderprotokoll garantiert werden, so daß Sowjetrußland allein der Richter darüber sein werde, ob es angegriffen sei oder nicht. An anderer Stelle meint der Leitartikler des gleichen Blattes zum selben Thema, die britische öffentliche Meinung fange angesichts der Haltung Sow- jetrutzlands langsam zu revoltieren an. Es gebe kein Beispiel von Vündnisverhandlungen, die in einer derartigen Atmosphäre von Mißtrauen und Zweideutigkeit abgerollt seien. Während die Diplomaten verhandelten und diskutierten, lege die Sowjet- preffe ihren zukünftigen Verbündeten gegenüber einen unglaublichen Sarkasmus an den Tag, und der Leiter der britischen Delegation Strang erhalt seine Antwort auf dem Wege über Agenturmeldungen. Das „Seuvre" meint, daß man in England die Ergebnisse der neuen Instruktionen mit einer gewissen Aengstlichkeit abwarte. Man frage sich dort, ob die Sowjetrussen die neuen Vorschläge anzunehmen beabsichtigen, oder neue Forderungen stellen würden. An anderer Stelle schreibt das Blatt, selbst die entschlossensten Anhänger des englisch-franzö-
Jerusalem, 27. Juni. Wie wir bereits meldeten, ereignete sich in dem Jerusalemer Syrischen Waisenhaus, das unter deutscher Verwaltung steht, eineschwere Explosion, die durch eine in einem Poftbrieskasten befindliche Bombe verursacht wurde. Die Explosion, die sich am nordwestlichen Hügel Jerusalems ereignete, konnte in der deutschen Kolonie, die sich im südwestlichen Teil der Stadt befindet, auf eine Entfernung von etwa 3 Kilometer gehört werden. Durch die Sprengwirkung wurde auch das zum Waisenhaus gehörige Gesellenwohnheim beschädigt. Wie ein Augenzeuge erklärte, versuchte nach der Explosion eine Gruppe von Juden vor das Waisenhaus zu ziehen. Dabei wurden Schmährufe auf das Reichsoberhaupt ausgestoßen.
Zwei deutsche Journalisten aus Jerusalem ausgewiesen
Berlin, 27. Juni. Die Vertreter des Deutschen Nachrichtenbüros in Jerusalem, Dr. Reichert und Vollhardt, sind von den englischen Behörden aus dem Mandatsgebiet Palästina ausgewiesen worden. Erüad' für diese Maßnahme wurden nicht mitgeteilt. Beide DNV.-Vertreter haben das Land inzwischen verlassen, ohne von der ihnen zugestandenen Verlängerung der Ausweisungsfrist Gebrauch zu machen.
Vom Deutschen Nachrichtenbüro wird hierzu festgestellt, daß sowohl Dr. Reichert als auch Vollhardt den Weisungen der Berliner Zentrale des DNV. gemäß sich bei ihrer Berichterstattung jeglicher Uebertreibungen oder tendenziöser Entstellungen der Vorgänge in Palästina enthalten haben. Alle ihre Meldungen und Berichte entsprechen den Tatsachen und der Wahrheit. Der Grund der Ausweisung kann daher lediglich der sein, daß man sich englischerseits zweier unbequemer Zeugen des englischen Vorgehens in Palästina entledigen wollte.
Die illegale jüdische Einwanderung
Wie die Engländer morden
Beirut, 27. Juni. Im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen Len britischen Polizcioffizier Goddard, der wegen Begünstigung der illegalen jüdischen Einwanderung vor Gericht stand und mit der lächerlichen „Strafe" einer Kautionsstellung von 260 Pfund Lei zweijähriger Bewährungsfrist davünkam, wird ein Vorfall bekannt, der selbst im'Rahmen der berüchtigten englischen Palästina«ethodeu als einzig dastehend bezeichnet werden muß.
Unter den Zeugen, Me der Staatsanwalt für diesen Prozeß beibriuge« wollte, befanden sich auch der Dorfvorsteher des arabischen Dorfes Esch Scheik Muwannis mit feinem Sohn Achmed und einer seiner Reffen, die alle im Dienste der Küstenpolizei zur Abwehr Mischer Analer Einwanderung standen. Alle drei kannten daher die Methoden des britischen Polizeioffiziers und seiner jüdischen Helfeshelfer genau.
In der Nacht zum 14. Juni erschienen im Dorf Esch Scheik Muwannis Unbekannte und schaffen in die Wohnung des Dorfvorstehers hinein, wodurch sein Sohn Achmed und sei» Neffe verwundet wurden. Auf die Schüsse hin eilten sofort arabische Polizisten herbei und vertrieben die Angreifer. Die beiden Verwundeten wurden in daß Krankenhaus des arabischen Arztes Fuad Dejani geschafft und dort ärztlich versorgt.
Dort erschienen am nächsten Tage um 22 Uhr abends sechs englische Zivilisten und verlangten Einlaß, der ihnen vom Torwächter verwehrt wurde. Die sechs Engländer gaben sich nun als Kriminalbeamte zu erkennen, ohne jedoch den Torwächter beeinflusse» zu können. Alle sechs kletterten nun über die Mauer und drangen mit vorgehaltenem Revolver in das Hospital ein, wo der diensttuende Arzt Dr. Said Dejani gerade seine ärztliche Nacht-
sisch-sowjetruffischen Abkommens begännen, sich zu frage», w ä»j für ein Spiel eigentlich gespielt werde, und ob es nicht zumindest ein doppeltes Spiel sei.
London, 27. Juni. Die Londoner Presse vom Dienstag steht im Zeichen der ängstlichen Erwartung, ob die „aller» neuesten" Vorschläge, die England nunmehr in Moskau unterbreiten will, endlich bei den Sowjets Gnade finden werden. Im übrigen versuchen die Blätter wieder, vo» den Hauptschwierigkeiten, die in dem Fernostproblem beschlossen liegen, abzulenken, indem sie die praktisch längst erledigte Frage der baltischen Garantien in den Vordergrund stellen. „Times" berichtet, die Sowjetunion habe alle ihre Bedingungen für das Abkommen aufrecht erhalten, die sie in ihrem letzte« „Entwurf für das Dreimächteabkommen" aufgestellt hatte. Nach einer eingehenden Erörterung durch den Kabinettsausschuß sei beschlossen worden, dem britischen Botschafter und Strang schnellstens neue Instruktionen zu senden, um den Abschluß des Abkommens dadurch möglichst zu beschleunigen. „Daily Telegraph" meint, daß die neuen Instruktionen den britischen Botschafter in die Lage versetzen würden, Molotow um eine weitere Unterredung zu bitten. „News Chronicle" deutet an, daß man englischerseits bereit ist, über die Wünsche der drei baltischen Staaten glatt zur Tagesordnung überzugehen. „Daily MM" nimmt an, daß England die baltischen Staaten garantieren wolle, daß ihre Namen jedoch nicht in den Vertrag selbst, sondern in einem besonderen Protokoll genannt werden sollten. Die Regierung werde sich auch zu sofortigen General st absbe- sprechungcn nach Unterzeichnung des Vertrages bereit erklären. Zweck dieser Gespräche werde sein, die Umstände sestzu- legen, unter denen man sich automatisch gegenseitig Hilfe geben werde.
runde machte. Er wurde von den sechs Engländer« mit vor ge» > haltenem Revolver aufgefordert, das Zimmer zu zeigen, wo der verwundete Achmed liege. Als der Verwundete die sechs Engländer eindringen sah, warf er sich vom Bett herab auf de» Fußboden, wurde jedoch indeuKopfgeschosse».
Die Engländer verlangte» die Telephouzelle und verband«»^ sich mit einer unbekannten Nummer. Ihr Gespräch wurde vo»j Zeugen gehört; es bestand in der kurzen Mitteilung: alles P erledigt.
Inzwischen war der Chefarzt Dr. Fuad Dejaui ans de« SchrH hin herbeigeeilt, hielt die sechs Engländer mit feinem Revolver! in Schach und verlangte von Men, sich auf der Stelle still zu verhalten, er werde die Polizei anrufeu. Ihm wurde geantwortet: „Wir Md Kriminalpolizei! Sie brauchen nichts zu berichte», das besorge» wir selbst." Dr. Dejani ließ sich nicht beirren Md. veranlaßt« die Herbeiholuug der Polizei. Es erschien ein brW»i scher Polizeiofstzter, der sich in das Zimmer des in seinem Wutr^ liegenden Sterbende« führen ließ. Der Polizeioffizier verlangte von Dr. Dejani eine« Totenschein. Dr. Dejani untersuchte Achmed und stellte fest, daß er noch nicht tot sei. Der Offizier rieP sodann das Regiernngshospital an, verlangte einen Sanitätswagen und setzte durch, daß der Verwundete in den Wagen ge», schafft und abtra ns par t i e r t wurde. Unterwegs ist Achmed gAar- Len.
Auf diese Weise ist etuer der Hauptzeugen gegen den britische» Polizeioffizier kaltblütig ermordet worden. Nach namhaften brr-> Ksihen Zeugen vor Gericht, darunter sogar des sogenannte» „Kronzeugen" Polizeihauptman» Eilpin (der zum Scher» sich, « das Komplott der Angeklagten eingelassen hatte, um sie schlieWch z» entlarven) find hohebritischePersöulich- ketten in den Einwandererschmuggel mit verwickelt, darunter sogar zwei britische Minister. Polizeihauptmann Eilpi» sagte vor Gericht aus, datz der angeklagte Polizeioffizier Goddord ihm erklärt habe, zwei britische Minister, darunter Kriegsmiub- ster Kore Belisha, hätten einer Deputation jüdischer Revisionisten gegenüber erklärt, sie wäre» mit der illegale« Einwau» derung einverstanden, wenn sie aus militärisch geschulten Personen bestehe» würde. Es gelte, soviel illegale jüdische Einwanderer ins Land zu bringen, daß noch in diesem oder im nächste» Jahr die jüdische Einwandererschaft Palästinas eine MiMo« Köpfe betrage. (Bisher waren es rund eise halbe Million^
So schützt der englische Kriegsminister sein« Nassege«offen Araber erbarmungslos ermordet, Juden mit ElacLhaud- schuhe« augefaßt
Beirut, 27. Juni. Auf Befehl des britischen Kriegsministeriums hat der Oberstkommandierende in Palästina, General Haining, seinen Truppen angeordnet, bei den sogenannten „Durchsuchungen" einen sichtbaren Unterschied zwischen Arabern und Juden zu machen. Die „Durchsuchungs-Methoden der britischen Truppen in arabische« Dörfern in Palästina sind hinreichend bekannt Eine endlose Kette bilden die Fälle der Häusersprengnnge«, der Sprengung ganzer Stadtviertel, der Vernichtung lebenswichtiger Dorsbrnnnen, (so datz Mensch und Dieh im heißen Sommer dem Verdursten preisgegeben sind), der Ermordung willkürlich herausgeholter, unabgenrteilter Araber, des Zusammentreibens der Dorfbewohnerschast aus freiem Feld und ihr tagelanges Dortbelassen ohne Wasser und Brot, des Raubens von Geld und Schmuckfachen durch die wild gewordene Soldateska und anderer Schandtaten mehr.
Nach dem jüngste» Befehl aus London dürfen Durchsuchung«» Mischer Ort nur „zart", wie es wörtlich heißt, also mit Glace-
Attentat auf das Syrische Waisenhaus