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Nr. 145
Zamslag, äen 24. Juni 1939
113. Jahrgang
Der Türken-Vertrag als einziger Trost
Paris, 23. Juni. Die Pariser Presse hat im Zusammenhang mit den Moskauer Verhandlungen am Freitag wieder einmal das schwere Problem zu lösen: Wie sage ich's meinem Kinde?, da seit Tagen und Wochen die französische Oeffentlichkeit von ihrer Presse beschwindelt wurde. Eine Reihe von Blättern versucht, sich einfach dumm zu stellen. Zusammensassend kann man feststellcn, das; die optimistische Note aus der Pariser Presse ziemlich verschwunden ist.
Um die Lage für die Wcstdemokratien nicht allzu schwarz hinstellen zu müssen, klammert sich die Presse an das französisch- türkisch: Sandschak-Abkommen, auf das sie aus Anlaß seiner Uul: '.^ ibre Lobeshymnen an
stimmt. Die Abtretung des Sandschaks wird dabei von allen Zeitungen als absolute Selbverständlichkeit hingestellt, die „nur ein kleines Opfer gegenüber dem gewaltigen Gewinn einer Mitarbeit der Türkei und einem freien Durchfahrtsrecht durch die Dardanellen" sei.
Der Außenpolitiker der „Epoque" meint, mit den Moskauer Verhandlungen gehe es ständig auf und ab. Ueberhaupt muffe man feststellen, daß es in diesen Verhandlungen viel zu viel Vorschläge und Gegenvorschläge gebe. Der Londoner Vertreter des „Figaro" erklärt, jeder unvoreingenommene Beobachter müsse die Meinungsverschiedenheiten bedauern, die über die Sowjet-Verhandlungen im britischen Kabinett aufgetreten seien. Das gleiche gelte für die französische und die britische These, die niemals vollkommen miteinander llbereingestimmt hätten. Jedenfalls habe die Sowjetregierung keine Gegenvorschläge unterbreitet. Wieder einmal sitze man in der Sackgasse. Eine lleberschrift des „Excelsior" wirkt in ihrer Verlegenheit geradezu grotesk: „Die Sowjets sind mit den letzten französisch-englischen Vorschlägen nicht vollkommen einverstanden". „Ordre" jammert, die Eng
länder hätten bei weitem nicht so geschickt manövriert, wie man gewünscht habe. Wenn man heule noch einen Pakt unterzeichne» wolle, müsse man allen Moskauer Wünschen klein Leigeben. Dabei wäre aber ein derartiger Pakt mit allerhand Gefahren ver- bunden. „Jedoch — wenn das Haas brennt und die Türe ver» schloffen ist, ist der Sprung durchs Fenster eben die letzte Ret- tung." - -
London, 23. Juni. Die Londoner Blätter machen noch den allerdings sehr schüchternen Versuch, die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit Moskau durch krampfhafte zweckoptimistifche Bemerkungen zu verhehlen. So meint der diplomatische Korrespondent der „Times" treuherzig, man nehme die Taß-Ertlärung, die bekanntlich keinen Zweifel an der Tatsache ließ, daß die „neuen" englisch-französischen Vorschläge keinen Fortschritt bedeuteten, nicht allzu tragisch. Nach dem diplomatischen Korrespondenten der „Daily Mail" und dem politischen Korrespondenten des „Daily Expreß" habe das britische Außenamt bereits neue Anweisungen an den britischen Botschafter in Moskau entsandt, um, wie die „Daily Mail" es nennt, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich in den Verhandlungen ergeben habe».
Was Italien meint
Mailand, 23. Juni. Die italienischen Blätter stellen fest, daß sich die Verhandlungen Englands und Frankreichs in Moskau in Uferlosigkeit verlieren „Popolo d'Jtalia" überschreibt seinen Londoner Bericht: „Bestürzung und Niedergeschlagenheit in London, die Folge von Moskaus Ablehnung der englisch-französischen Vorschläge. — Bittere Demütigung der großen Demokratien". „Eazetta del Popolo" bringt die Schlagzeile: „London wird in Tokio gedemütigt". „Lorriere della Sera" schreibt: „Moskau steigert den Bündnispreis" und „Die Sowjets haben England eine neue Demütigung zugefügt".
Neuer Zwischenfall in Fernost
Tokio; 23. Juni. Die Kwantung-Armee meldet erneute Grenzverletzungen autzenmongolischer Flugzeuge an der Westgrenze Mandschnkuos. In erbitterten Kämpfen nördlich des Buinoor-Sees hätten di« japanischen Luftstreitkriiste am Donnerstag 49 von 150 Flugzeuge« abgeschossen. Die Japaner hätten fünf Maschinen verloren.
,Das Außenamt Mandschukuos überreichte der außenmongolischen Regierung einen scharfen Protest. Hsingking würde im Falle weiterer Grenzverletzungen seitens der Außenmongolei zu schärfsten Gegenmaßnahmen greisen.
Die Lage in Tientsin versteift
England fühlt sich „unerträglich beleidigt"
London, 23. Juni. Ministerpräsident Chamberlain berichtete im Unterhaus über neue Fälle „unwürdiger Behandlung" von britischen Staatsangehörigen durch japanische Soldaten in Tientsin. Außenminister Lord Halifax, so teilte Chamberlain mit, habe daher den japanischen Botschafter in London gebeten, ihn im Laufe des Freitags aufzusuchen. Zweifellos werde Halifax dem japanischen Botschafter „deutlich erklären", wie Großbritannien über diese „unerträglichen Beleidigungen" denke. - .......
Ueber die Lage in Swatau konnte Thamberlain noch nichts sagen, da noch keine neuen Berichte Vorlagen. Auf die Frage, ob man an die sofortige Ankündigung von Vergeltungsmaßnahmen denke, sagte er: nein, er glaube, daß es noch nicht so weit sei. Eine Frage nach der Zahl der in Tientsin ansässigen britischen Staatsangehörigen überging der Ministerpräsident und
,agre nur, es wuroen Vorkehrungen für die Auffüllung an unverderblichen Lebensmitteln getroffen. Die britische Konzession erhalte nur 10 v. H. ihres normalen Bedarfs.
Amerika stärkt England den Rücken
London, 23. Juni. Nach einer Reutermeldung aus Schanghai hat die britische Behörde das Ersuchen Japans auf Zurückziehung der britischen Schiffe und Staatsangehörigen aus Swatau abgelehnt. Diese „starke Geste" son England, mit der die eigene Schwäche im Fernen Osten verschleiert werden soll, ist ohne Frage auf die von Amerika an- yekündigte Entsendung weiterer Kriegsschiffe in die chinesisches Gewässer zurückzusühren.
Peinliche Lage für Hüll
Washington. 23. Juni. Die Siollnngnahme des Admirals Parnell hat die Leitung der amerikanischen Außenpolitik in ein peinliches Dilemma gebracht. Die hiesige Hetzpresse griff di« Sache sofort mit riesigen Schlagzeilen auf und schlägt einen sehr großen Ton gegen Japan an. Demgemäß wurde die Pressekonferenz des Außenministers Hüll mit größtem Interesse erwartet. Hulls Erklärungen bewegten sich aber ganz im zurückhaltenden Stil der letzten Wochen. Er betonte, daß die japanische Aufforderung zur Zurückziehung der Kriegsschiffe durchaus nichts Neues darstelle. Die Amerikaner in Swatau leien nicht bedroht und weitere Kriegsschiff-Entsendungen nach China nicht vorgesehen. Diese betonte Zurückhaltung habe wohl weiter ihren Grund in dem Versuch der Roosevelt-Regierung, die Abänderung des Neutralitätsgesetzes zu ereichen.
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Zu den Vorgängen in Swatau
Ein Blick auf die Kialotstraße, die Hauptstraße von Swatau.
(Presse-Bild-Zentrale, Zander-Multiplex K.)
Schachergeschaft um den Sandschak beendet
Frankreich gibt ihn der Türkei zurück Ankara, 23. Juni. Frankreich hat am Freitag den Sandschak Alexandrette an die Türkei zurückgegeben. Der Rückgabeoertrag wurde vom türkischen Außenminster Saracoglu und dem französischen Botschafter in Ankara, Massiglia, unterzeichnet.
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Rem, 23. Juni. Die Verschacherung des Sandschaks an die Türkei ist in Rom mit besonderem Interesse verfolgt worden, weil Frankreich damit seinen Tribut an die Türkei für einen Pakt bezahlt, dem man einen offenkundig anti-italienischen Charakter beimißt. Außerdem stelle die Abtretung auch ein großes Unrecht gegenüber Syrien dar. Keine Revision der Genfer Beschlüsse sei, wie der Spezialist des „Popolo di Roma" für Fragen des nahen Orients betont, willkürlicher gewesen als diese, zumal wenn man bedenke, daß dasselbe Frankreich, wenn ein Deutschland dis Rückgabe von Danzig verlange, empört sei und vergesse, daß Berlin für die Rückgabe einer rein deutschen Stadt eintrete, während der Türkei ohne weiteres ein nichttürkisches Gebiet zurückgegeben wurde. Für die arabische Welt zeichne sich aber heute ein Problem von großer Tragweite am Horizont ab, das Problem der Wiederaufnahme des türkischen Vormarsches gegen jene Gebiete, die einst zum ottomanischen Reich gehörten. In der Türkei sei die Phase der Konzentration und Gegenorganisation beendet. Jetzt beginne ein neues Kapitel, und England, das diesmal die Forderungen von Ankara gegen Paris unterstützt habe, werde sich früher oder später mit der Türeki über Angelegenheiten, die es direkt angehen, auseinandersetzen muffen.
«Noch unannehmbar-, sagt Molotow
Reuter sucht sich zu tröste«
London, 23. Juni. Wie Reuter aus Moskau zum CommunlquS über die am Donnerstag erfolgte lleberreichung der sowjetrussischen Antwort auf die letzten englisch-französischen Vorschläge meldet, soll Molotow bei der lleberreichung der Note dem bri» tischen und dem französischen Botschafter mitgeteilt haben, daß auch die letzten englisch-französischen Vorschläge für die sowjet» russische Regierung noch unannehmbar seien.
Das bedeutet aber, schreibt Reuter, noch keinen Zusammenbruch der Verhandlungen. Es sei wahrscheinlich, daß die Verhandlungen unterbrochen würden, bis neue Instruktionen vom Foreign Office und dem Quai d'Orsay in Moskau eingetroffen feie«.
Wieder dieselbe Walze
Polnische Regierungsblätter lügen über Daszrg
Warschau, 23. Juni. Die polnischen Regierungsblätter „Ga-' zeta Polska" und „Kurjer Poranny" haben sich nach Ueberwindung des ersten Schrecks über das machtvolle Bekenntnis der Bevölkerung Danzigs am vergangenen Wochenende jetzt endlich zu einer „Verteidigung" des polnischen Standpunktes in der Danziger Frage aufgerafft. „Eazeta Polska" glaubt feststellen zu muffen, daß Danzig zu einem Instrument geworden sei, das von dritter Sette benützt werde, um auf die polnische Außenpolitik einen Druck auszuüben. Gleichzeitig behauptet das Blatt, das bisher doch immerhin Wert darauf! legte, zu den ernsthaften Zeitungen gerechnet z« werden, „Wen» man die Meinung der Danziger ohne Beeinflussung von außen feststellen würde, dann würden die Anhänger des statns guo, also die Anhänger der freien Stadt, 70—80 v. H. der Bevölkerung bilden." (!) Um diesen Blödsinn noch zu übertrumpfen^ fährt „Eazeta Polska" dann fort, wenn aber unter diesen Vor-j aussetznngen die Bevölkerung vor die Frage: Entweder die Re-^ publik Polen oder Deutschland gestellt werden würde, danm würde eher die erst« Möglichkeit das Uebergewicht erhalten, dw die Stadt Danzig ein Hafen sei. Hafen bedeute aber Polen. (!^
Der „Kurjer Poranny" stellt- die kühne Behauptung auf, diÄ 950 000 Deutschen in Danzig erfreuten sich „größerer Freiheiten"! als ihre Volksgenoffen im Dritten Reich. Das Blatt wiederhol^ dann die von der polnischen Agitation in der letzten Zeit ofb angeführte Greuellüge, daß Deutschland über Danzig die Herr-s schaft über Mittel- und Osteuropa und über den ganzen europäischen Kontinent erringen wolle. Aber solche „realen Tatsa-l chen" wie die Richtung des Flußbettes der Weichsel, so erklär^ das Blatt in erneuter Aufwärmung der oft widerlegten unsinnigen polnischen These, vermöge keiner zu ändern.
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Wenn die polnischen Regierungsblätter nichts anderes zur Verteidigung ihres Standpunktes in der Danziger Frage Vorbringen können, als derartige unsagbar blödeBehauptun- gen, ist es um die polnische Sache wirklich schlecht bestellt. Halten diese Blätter, die ja doch schließlich auch auf die Weltöffentlichkeit einwirken wollen, ihre Leser für so dumm, daß sie derartige Märchen glauben? Es ist dieselbe mißtönende Walze, die der Welt schon einmal vorgedreht wurde, als der Kampf um die deutsche Saar im Gange war. Auch damals faselten die deutsch-feindlichen Gazetten in aller Welt, daß das Volk an der Saar den status quo vorziehen oder gar die Vereinigung met Frankreich ersehnen werde. Und wie Nein und häßlich wurden diese Hetzblätter nach dem überwältigenden Wahlsieg in der alten deutschen Westmark. Wie die Bevölkerung der alten deutschen Stadt Danzig wirklich denkt, hat sie unzählige Male et»-