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Nr. 144
Freitag, äen 23. Juni 1939
113. Jahrgang
Auch die dritte Begegnung im Kreml erfolglos
Moskau, 22. Juni. Am Mittwoch abend fand im Kreml die dritte Begegnung zwischen Molotow und den englisch- französischen Unterhändlern statt. Di« Unterredung dauerte nahezu zwei Stunden. Sie war auf einen Wunsch der Unterhändler hin angesetzt worden, die anscheinend neue Vorschläge zu machen hatten, und damit der Mitteilung von „Preß Association" entsprachen, daß englischerseits kein Wert auf Beschleunigung gelegt werde. Wie hier bekannt wird, ist eine vierte Begegnung vorgesehen, so daß auch diesmal die sowjetrufsische Zustimmung offenbar noch nicht erzielt werde« konnte.
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Begleiter Strangs fliegt nach London
Mühsamer Londoner Optimismus
London, 22. Juni. Zu der am Mittwoch zwischen Molotow und den Botschaftern Engands und Frankreichs und Strang stallgefundenen Aussprache verzeichnet die Londoner Presse eine Meldung der Sowjetagentur Taß. In dieser heißt es, daß dem Sow- jetautzenkommissar „neue" englisch-französische Vorschläge übermittelt worden seien, welche die vorangegangenen Vorschläge wiederholt hätten. In Kreisen des Außen- kommisfariats, so heißt es weiter in der Meldung der Taß, die übrigens bezeichnenderweise selbst das Wörtchen „neu" jedesmal in Anführungsstriche setzt, werde erklärt, daß diese „neuen" englisch-französischen Vorschläge keine Fortschritte gegenüber dem bisherigen Stand dar st eilten. Trotzdem versucht die englische Presse, ihren durchsichtigen Zweckoptimismus mühsam aufrechtzuerhalten. Der Moskauer Sonderkorrespondent der „Times" versucht, die Bedeutung der Besprechungen herabzumindern. Er schreibt, daß man britscherseits zu der Unterredung „nur" gesagt habe, daß ein weiterer Gedankenaustausch stattgefunden habe, und daß die Verhandlungen andauerten. Weiter teilt er ohne nähere Erläuterung mit, daß Roberts, der zusammen mit Strang nach Moskau gekommen sei, am Donnerstag nach London zurückfliegen werde. Abschließend bringt der Sonderkorrespondent die wenig überzeugende Hoffnung zum Ausdruck, daß, ehe nicht ein entscheidender Punkt in den Verhandlungen erreicht sei, alles, was man zweckmätzigerweise sagen könne, das sei, so meint er tröstend, daß keine Nachrichten „gute Nachrichten" bedeuten.
Moskau bestätigt Mißerfolg
Amtliches Communique
Moskau, 22. Juni. Sämtliche Blätter veröffentlichen das folgende amtliche Communique:
„Molotow hat am Mittwoch den englischen Botschafter, Herrn Seeds, den französischen Botschafter, Herrn Naggiar, und Herrn Strang empfangen, von denen „neue" englisch-französische Vorschläge überreicht wurden, die jedoch die früheren Vorschläge Englands und Frankreichs nur wiederholen. Ln Kreisen des
Außenkommissariats wird vermerkt, daß die „neuen" englisch- französische« Vorschläge keinerlei Fortschritt darstelleu im Vergleich zu den voraufgegangenen Vorschlägen."
Das neue Moskauer Communique ist noch schärfer gehalten als die bisherigen Verlautbarungen und läßt die eifrigen Bemühungen der englisch-französischen Unterhändler um das rasche Zustandekommen des Dreierpaktes in einem recht kläglichen Licht erscheinen. Man darf annehmen, daß die Hauptschwierigkeites nach wie vor in dem Problem der Hilfeleistung im Fernen Osten bestehen, wo Moskau mit äußerstem Nachdruck schriftliche Zusagen von den britischen Unterhändlern verlangt, die diese aber unter allen Umständen vermeiden wollen.
SMieigesaudler bei TWanOaWetz nach Moskauberu?eu!
Warschau, 22. Juni. Die polnische Presse, die langsam die Folgen der Anlehnung des englischen Freundes-an Moskau erkennen muß, beschäftigt sich in größter Sorge mit der ständigen Ausweitung der Moskauer Verhandlungsbasis. „Kurjer Warszawsry" macht darauf aufmerksam, daß trotz der gestrigen Verlautbarung der „Taß" über die angebliche Ausschaltung fernöstlicher Fragen aus den Moskauer Verhandlungen größtes Interesse für asiatische Angelegenheiten an den Tag gelegt wird. Dieses Interesse sei neuerdings weit stärker als bisher. Das Warschauer Blatt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der sowjetische Gesandte bei der Regierung Tschiangkaischeks, der geheimnisvolle LuZauiec-Orlenicki, nach Moskau berufen worden ist.
Kein Einlenken Moskaus
Sowjet-Antwort auf die „neuen" Vorschläge überreicht
Moskau, 22. Juni. Die Botschafter Seeds und Naggiar sowie der Londoner Unterhändler Strang sind Donnertagnachmittag 17 Uhr Moskauer Zeit wieder von Molotow empfangen worden. Die Unterredung dauerte nur eine knappe halbe Stunde. Wie verlautet, wurde den Botschaftern von Molotow die offizieele Antwort der Sowjetregierung auf die letzten „neuen" Vorschläge übergeben.
In hiesigen unterrichteten Kreisen nimmt man an, daß mit der Ablehnung der letzten von Strang ausgearbeiteten Kompromiß- formeln, welche die Antwort Molotows zweifellos enthält, d i e Verhandlungsmöglichkeiten Strangs zunächst erschöpft sind. Wenn es vielleicht auch verfrüht wäre, vom Scheitern der Mission Strangs zu sprechen, so muß doch festgehalten werden, daß für das Foreign Office jetzt doch nur eine Alternative bleibt: Die sowjetischen Bedingungen entweder vorbehaltlos anzunehmen oder abzulehncn.
Schachergeschäft um den Sandfchak
Ein Querschnitt durch die Pariser Presse
Paris, 22. Juni. Das außenpolitische Bild der Pariser Presse ist am Donnerstag wieder einmal außerordentlich verworren.
Belgische Enthüllungen
Englische Erprefsermethoden sollen auch Belgien gefügig machen
Brüssel, 22. Juni. Unter der Ueberschrift „Belgien ein britisches Dominion?" veröffentlicht das rexistische Blatt „Pay Reel" hoch bemerkenswerte Enthüllungen über geheime Machenschaften des britischen Botschafters in Brüssel. Es handle sich um nicht mehr und nicht weniger als um die Absicht Englands, einen wirtschaftlichen Druck auf Belgien auszuüben, um es wie Pole« zur Aufgabe seiner Unabhängigkeitspolitik zu bewegen. Verschiedene Mitarbeiter des britischen Botschafters hätten dahingehende Drohungen an die Adresse belgischer Persönlichkeiten gerichtet. Die englische Auffassung gehe dahin, daß die Erklärung des Ministerpräsidenten Pierlot über die belgische Unabhängigkeit in der Kammer „ein Skandal" gewesen sei. Belgien dürfe nicht erstaunt sein, wenn seine Ausfuhren nach den Ländern des britischen Weltreiches in beschleunigtem Tempo abgedros- seit würden.
Die belgische Neutralität verursache das Mißbehagen Englands, London wolle die belgische Politik kontrollieren, um stets über einen Brückenkopf auf dem Festlande verfügen zu können. Das Blatt fordert hierauf die belgische Regierung auf unverzüglich die belgische Wirtschaft derart zu organisieren, daß durch sie die Unabhängigkeitspolitik wirksam unterstützt werden könne. Es sei daher erforderlich, daß Belgien seine wirtschaftlichen Beziehungen mit den anderen Staaten intensiv ausbaue, um nicht auf die Gnade oder Ungnade Englands angewiesen zu sein.
Polnischer Terror geht weiter
Deutsche Krankenhäuser, Kindergärten und Vereins- Häuser geraubt
Warschau, 22. Juni. Der Raub deutschen Besitzes in Polen nimmt Formen und Ausmaße an, die nur zu sehr an die „Traditionen" von Versailles erinnern. So hat der Wojwode von Posen der dortigen deutschen Genossenschaft des St. Johanniterordens mitgcteilt, daß er ihre „Existenz" nicht anerkenne. Gleichzeitig wurde ein polnischen Liquidator eingesetzt, der die drei
deutschen Vereinshäuser des Ordens in Kolmar, Pinne und Pa- kosch in Besitz nahmen. Eine ähnliche Verfügung erließ der Wojwode von Pommerellen gegen die deutsche Wojwoder Genossenschaft. Dann sind auch die beiden deutschen Krankenhäuser des Ordens in Dirschau und Briese, für die polnische Liquidatoren eingesetzt worden sind, in polnischen Besitz übergegangen. Bei den fünf deutschen Krankenhäusern handelt es sich fast ausschließlich um vorbildliche Einrichtungen, die Deutschen in Polen zur Verfügung gestanden haben. Gleichzeitig geht die Enteignung deutschen Besitzes in Ostoberschlesien und anderen Landesteilen unaufhaltsam weiter. In Myslowitz wurde das Gebäude des deutschen Hilfsvereins beschlagnahmt. In dem Gebäude befanden sich die einzige deutsche Haushaltungsschule Ostoberschlesiens, ein Kindergarten und verschiedene Versammlungsräume. Sämtliche deutschen kulturellen Organisationen von Myslowitz sind nunmehr ohne jede Möglichkeit, ihre Arbeit, die durch die polnische Staatsverfassung verbürgt ist, fortzusetzen. Auch die Ausrottung deutscher Kindergarten nimmt ihren Fortgang. Nachdem bereits über 100 deutsche Kinder durch die zwangsweise Räumung der Kindergärten in Kattowitz und Zawodzie ihrer Spielschulen beraubt worden sind, haben die polnischen Behörden nunmehr auch den Kindergarten in
der großen Jndustriegemeinde Janow im Landkreis Kattowitz durch Kündigung der Räume geschloffen. Ein sog. „Rationalkomitee" stellt schwarze Listen auf, auf denen Me vorhandenen Beamten, Angestellten und Arbeiter verzeichnet find, die deutschen Organisationen angehören oder ihre Kinder in die deutschen Schulen schicken. Diesen neuen Methoden sind in den restlos polo- nisierten Pleßschen Betrieben bereits mehr als SV deutsche Augestellte zum Opfer gefallen. Auch bei dem in englischem Vefitz befindlichen Donnersmark-Konzern wurde zehn deutsche« Angestellten gekündigt. Bei den Pleßschen Werken und der Ruderer» Braunkohlengesellschaft sind die berüchtigten schwarzen Liste» bereits ausgeferttgt. Die Kündigung und Entlassung von etwa 90 deutschen Angestellten in beiden Betrieben steht vor der Tür. In allen Fällen handelt es sich um Reichsdeutsche, die 20 und mehr Jahre in den Betrieben tätig waren uud zum Dell kindx» reiche Familien zu ernähren haben.
Die meisten Zeitungen fühlen sich genötigt, sich in Leitartikeln mit der bevorstehenden Unterzeichnung des französisch-türkische» Vertrages, mit den englisch-sranzöstsch-sowjetischen Verhandlungen und mit der Lage im Fernen Osten zu befassen.
Wie schnell man sich in Paris umstellen kann, beweisen die Pariser Blätter, die bisher „niemals" und „um keinen Preis" — wie sie selbst schrieben — etwas von irgend einer Gebietsabtretung hören wollten. Sie machen aus der Rot eine Tugend, indem sie sozusagen über Nacht den Sandfchak von Äle- xandrette ausgeben. um das Schachergeschäft, das mit einigen Schwierigkeiten zw: Heu Paris und Ankara ausgeklügelt wurde, abzuschließen, Dtt beglückwünscht sich förmlich "da
zu. Der Außenpolikiker des halbamtlichen „Petit Parisieu" sucht seinen Lesern den Um fall Frankreichs schmackhaft z« machen, wenn er schreibt, man brauche nur die Landkarte anzusehen, um sich von der Bedeutung des französisch-türkischen Abkommens zu überzeugen. Dank ihrer strategischen Lage garantiere die Türkei im Kriegsfälle die Verbindung Frankreichs und Englands mit Rumänien und der Sowjetunion. Die englisch« französisch-türkische Zusammenarbeit werde von entscheidendem Wert für die Aufrechterhaltung des Status quo im östlichen Mittelmeer und für den Schutz der Anliegerstaaten Syrien, Palästina, Aegypten und Griechenland sowie für den Suez-Kanal sein. Das Blatt muß schließlich zugeben, daß der Verlust de» Sandschaks ein beträchtliches Opfer sei.
Eine italienische Stimme
Mailand, 22. Juni. „Stampa" stellt fest: Durch die vollständiges französische Abtretung des Gebietes von Alexandrette auf Koste»! Syriens an die Türkei, so fährt das Blatt soll, erhalte der Status quo im Mrttelmeer an einer für das Gleichgewicht! bedeutenden Stelle einen schweren Schlag. Dieses Kapitels sei daher noch lauge nicht abgeschlossen, «mso mehr, als die Türkei in das Einkreisungssystem eingeschaltet werden sollte, da»! man vom Odessa bis nach Tobruk (Lyrenaica) ausdehnen wolle! und dessen italienfeindliche Haltung in Paris und London nicht verborge« werde. Dieser Einkreisungsplan habe jedoch zwei- wunde Stellen, nämlich Bulgarien und Arabien.
Englische Verbeugungen vor Tokio
Eine kleinlaute Rede von Halifax
London, 22. Juni. Der „Klub der Neunzehnhundert" gab zr? Ehren des Außenministers Lott> Halifax ein Esse«. Nachdem Churchill eine Lobrede auf Halifax gehalten und sich zur derzeitigen Außenpolitik der britisches Regierung bekannt hatte, ergriff Lord Halifax das Wort z» bemerkenswert sanften Ausführungen über den Status in Tientsin. Es geht daran» die völlige Hilflosigkeit Englands schlagend hervor, das zähneknirschend gute Miene znm böse» Spiel macht.* Er zögere, z» glauben, so erklärte Halifax, auf die Vorgänge iu Tientsin Bezug nehmend, daß die Regierung in Tokio bewußt die ganze Stellung und Politik Großbritanniens herausforderu wolle. Er glaube vielmehr, daß sich di« Lage aus einem Mißverständnis^ vielleicht infolge einer Verschiedenheit der Auffassungen ergebe« habe. Wie auch immer GrvtzLMaunien im allgemeinen über di« Vorgänge iu China geurteilt haben mag, so sei es niemkls seiue Absicht, die Konzessionen iu Tientsin als Basis für Betätigungen benutzen zu lassen, die für d« militärischen Interessen Japan» abttäglich sind. Wenn die Japaner dahin gebracht werden können, dies zu glauben, und wenn sie ihre wiederholten Erklärungen unter Beweis stellen würde«, daß sie nicht auf die Vernichtung britischer Interessen im Fernen Osten abziele», so möchte Halifax hoffen, daß die Angelegenheit beigelegt werden kann
„Amerikanische Belang nicht gefährdet"
Washington, 22. Jum. Im Zusammenhang mit de» jüngsten Ereignissen in China gab Hüll wieder beruhigende Erklärungen ab, in denen «: s. a. ausführte, daß dir amerikanisches Belange in China durch die neueste Entwicklung wicht gefährdet seien. Alle Amerikaner iu Swatau seien unverletzt. Die Versorgung Tientsins mit Nahrungsmittel» sei zwar knapp, oder besser als während des erste» Blockadetages. Ferner ginge» jetzt wie üblich während der heißen Jahreszett die Familien der Beamten und der dort stationierten amerikanische« Trnppea in di« kühlere Sommerkolonie. Hüll erklärte weiter, daß es daher nicht nötig sei, de» Urlaub des amerikanischen Botschafters Grew, der augenblicklich in den USA. weüt, vorzeitig abzubreche».
Swatau-Truppen sichern sich «ach Norde»
Schanghai, 22. Juni. Die japanischen Truppen dringe« nordwärts in Swatau weiter vor, um sich selbst vor lleberraschungs- angriffeu chinesischer Truppe» zu schützen. Der Oberbefehlshaber! der japanische» Landungstruppen iu Swatau erließ eine» Ausi-, ruf an die chinesische Bevölkerung, der er den Schutz von Leben und Eigentum garantiert, wenn sie sich loyal verhält. De» Horden der Kuomintang dagegen werden schärfste Strafe» angedroht. Bei der Besetzung von Swatau habe» die Ausl«»i«k weder an Leben noch an Eigentum Schadeu ge nom ine«.
Lhamberlain über den Fernen Osten
Die Schwierigkeiten für England dnnern an
London, 22. Juni. Ministerpräsident Chamberlain gab im Uu- -terhaus wiederum eine Erklärung zu den jüngsten Vorgängen im Fernen Ollen ab. Lbamberlain stellte fest, daß die Tientlln auk-