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Nr. 119 Mittwoch, äen 24. Mai 1939 113. Jahrgang

Das Wettecho zum deutsch-italien. Vertrag

Der deutsch-italienische Bündnispakt ist das Thema der ! Weltpresse. In London sucht man den Pakt zu verkleinern und ist mißgünstig über den raschen Vollzug. Paris regt sich auf und spricht von Weltherrschaftsabsichten und Plänen der Generale. Im tiefsten aber erkennt man die Bedeutung des Paktes für Europa.

Warschaus Mißbehagen

Warschau, 23. Mai. Der Abschluß des deutsch-italienischen Vertrages hat die polnischen Chauvinisten ziemlich aus den Wol­ken fallen lassen und hinterläßt überall den stärksten Eindruck. Bezeichnenderweise verzichten aber gerade die der Regierung näher stehenden Blätter auf eine eigene Stellungnahme zu die­sem Ereignis, das so ganz den geheimsten polnischen Hoffnungen und Wünschen zuwiderläuft. Das RegierungsblattExpreß Po- ranny" versucht, seine Leser durch die eifrige Versicherung zu be­ruhigen, daß das Abkommen in Europa und außerhalb Europa gar keinen Eindruck gemacht habe. Der schwerindustrielleKur- jer Polski" gibt die angebliche Auffassung der Warschauer politi­schen Kreise wider, in dem er das Stichwort Londons und Paris' nachbetet, wonach die deutsch-italienische Allianz keine neuen Elemente berge. Wie stark die Verärgerung und Besorgnis in Warschau über das Bündnis ist, geht aus folgender Feststellung desKurjer Polski" hervor: Polen wird sich Italien gegenüber entsprechend verhalten, wenn Italien die Unabhängigkeit sei­ner Politik wahren sollte; andernfalls müßte Italien von der polnischen Politik alle Konsequenzen erwarten!Kurjer Wars- zawski" räumt nach langem Wenn und Aber ein, die Meinung derer sei falsch, die meinen, daß Mussolini im entscheidenden Augenblick seine dem Bundesgenossen gegenüber übernommenen Verpflichtungen nicht einhalten werde.

Budapest: Eine glücklichere Richtung in Europa

Budapest, 23. Mai. Der halbamtlichePester Lloyd" sagt un­ter der lleberschristDeutschland und Italien eine unlösbare Gemeinschaft", der deutsch-italienische Vertrag schreibe der euro­päischen Entwicklung eine glücklichere Richtung vor. Die unbe­siegbare Macht der Leiden Reiche trage jenes gesunde Element der Dynamik in die Entwicklung des Geschehens hinein, das ge­eignet sei, zu verhüten, daß Mißverständnisse sich verlängerten und Unzufriedenheit das Leben der Völker verdüstere.

ImPesti Hirlap" heißt es, die Besiegelung der deutsch-ita­lienischen militärischen und politischen Einheit sei eine logische Folgeerscheinung jener Versailler Politik, die nach dem Ende des Weltkrieges von Paris ihren Ausgang genommen und sich statt der Schaffung eines wahren Friedens in der krampfhaften Auf­rechterhaltung des Status quo erschöpft habe.

Kopenhagen:Neue Epoche in der Geschichte Europas-

Wenn auch die Berichterstattung der Kopenhagener Zeitungen über den deutsch-italienischen Bündnisvertrag wegen der Vor­bereitung für die Volksabstimmung über die Verfassungsreform etwas zurücksteht, bringen doch sämtliche Blätter längere Augeu­zeugenberichte ihrer Berliner Korrespondenten über die feier­liche Unterzeichnung in der Reichskanzlei.National Tidende" schreibt hierzu, mit dem Vertrage, der nicht nur gegen die Po­litik der Einkreisung, sondern auch gegen den Status quo ge­richtet sei, würde eine neue Epoche in der Geschichte Europas eingeleitet.Politiken" sagt u. a., der nun zusammengeschweißte Block sei eine Realität, die in den nächsten Jahrzehnten der ent­scheidende Schwerpunkt in Europa werden könne.

Belgrad: Unerschütterliche Verbundenheit der Achsenmächte

Die Belgrader Blätter erkennen klar die Bedeutung des deutsch-italienischen Vündnispaktes. Sie berichten über den feier­lichen Akt der Unterzeichnung in größtem Umfange.Vreme" weist besonders darauf hin, daß aus dem Pakttext und aus den Ansprachen, die von den beiden Außenministern unmittelbar nach dem Paktabschluß gehalten wurden, die unerschütterliche Ver­bundenheit der beiden großen Nationen klar hervorgehe.

Brüssel: Bedeutung des Paktes klar erkannt

Brüssel, 23. Mai. Die belgische Presse steht ganz unter dem Eindruck des in Berlin unterschriebenen Paktes. Die Blätter be­richten im großen Umfang über die Einzelheiten der Unterzeich­nung. Dagegen treten oft die Vegrüßungsaufsätze über die heu­tige Ankunft der niederländischen Königin zum Brüsseler Staatsbesuch in den Hintergrund.Vingtieme Siecle" heÄ in der lleberschrist die Sätze hervor, daß Deutschland und Italien fest entschlossen seien, Seite an Seite mit ihren vereinten Kräf­ten ihren Lebensraum zu verteidigen und den Frieden sicherzu­stellen.Libre Belgique" unterstreicht die Worte150 Millionen Deutsche und Italiener bilden einen unbesiegbaren Block". Die Nation Belge" unterstreicht die jetzt nicht mehr fortzuleugnende vollständige Zusammenarbeit der beiden Völker auf diplomati­schem, politischem und militärischem Gebiet.

Neuyork:Ereignis von größter Wichtigkeit?"

Neuyork, 23. Mai. Der deutsch-italienische Vündniepakt hat in Amerika eine außerordentlich starke Wirkung. Die Nachrichten von der Unterzeichnung behaupten auch in den Dienstag-Früh­ausgaben noch weit den Vorrang vor anderen Meldungen, wie etwa vor den Berichten über die Veranstaltungen des englische« Königsbesuches in Kanada, der sich jetzt den Vereinigten Staa­ten nähert.Neuyork Times" nennt den Pakt dieoffenste und weittragendste Allianz in der neueren Zeit". Seine Bedeutung sei mit der des Vorkriegsdreibundes kaum noch vergleichbar.

Selbst wenn der Pakt keinen anderen Zweck erfüllen würde, als den letzten Zweifel an der Solidarität und der Bedeutung der Achse zu zerstreuen, müßte er als Ereignis von größter Wichtig­keit in dem aufgeregten Europa gewertet werden.

Französische Wut über den Dündnispakl

Eine italienische Zurechtweisung

Rom, 23. Mai. Das starke Echo des Auslandes zum Abschluß des deutsch-italienischen Freundschafts- und Militärpaktes wird von der italienischen Presse aufmerksam verzeichnet, wobei der starke Eindruck in London sowie die ohnmächtigen Wutausbrüche und böswilligen Entstellungsversuche in Paris als ein neuer Beweis für die Richtigkeit des italienisch-deutschen Vorgehens bezeichnet werden. Mit schärfsten Worten wendet sich dabei Eiornale d'Jtalia" gegen dieimpertinente Sprache" der Pa­riser Presse, in der die ganze Wut und Enttäuschung Frankreichs zum Ausdruck komme. Der Versuch, das deutsch-italienische Bünd­nis als ein Offensivbündnis zum Zwecke, die Welt durch Gewalt zu beherrschen, darzustellen, sei einfach grotesk. Der Pakt sei vor allem ein notwendiges Verteidigungsinstrument gegen die Demokratien, die, um ihre politische und wirtschaftliche Hege­monie aufrecht zu erhalten, sich verbündeten und danach trachte­ten, neue Bündnisse abzuschließen, um dann Italien und Deutsch­land anzugreifen. Frankreich und England scheuten nicht einmal davor zurück, Sowjetrußland für sich zu gewinnen, um gegen die berufenen Vertreter der europäischen Kultur Vorgehen zu kön­nen. Das deutsch-italienische Bündnis sei vor allem abgeschlos­sen worden, um Europa einen gerechten Frieden zu ge­ben, einen Frieden, der sehr wohl auch ohne Krieg zustande kom-

Rom, 23. Mai. Unter der lleberschristLetzte Einladung zur Zusammenarbeit" erklärt der Direktor des halbamtlichenGior- nale d'Jtalia", der deutsch-italienische Vündnispakt, der darauf abziele, nicht nur ein Kräftegleichgewicht, sondern auch die Gleichheit der Rechte und der Positionen herbeizuführen, wolle einen Frieden durch Zusammenarbeit erreichen, in dem die Kno­ten ohne das Schwert mit einer entschlossenen Revision der der­zeitigen unhaltbaren europäischen Spannungen gelöst werden.

Seit gestern sei Europa an einem entscheidenden Wendepunkt seiner Geschichte angelangt. Nunmehr erhebe sich die Frage, wäh­rend die beiden westlichen Demokratien nun die Initiative zur Blockbildung ergriffen haben, ihren Einkreisungsblock blind­lings bis zum Kriege führen oder werden sie vielmehr unter richtiger Abschätzung der sich gegenüberstehenden Kräfte eine neue vorsichtigere und großzügigere Politik in Angriff nehmen? Es bestehe nunmehr kein Zweifel darüber, daß der deutsch-ita­lienische Block, zu dem noch die Mittel der befreundeten Staa­ten hinzukommen, dem Eegenblock der Versailler Einkreisungs­mächte überlegen sei. Deutschland und Italien hätten nicht im Sinne, die Initiative der Gewaltanwendung zur Lösung der schwebenden Fragen zu ergreifen. Sie wünschten, daß Europa sich erneuere und endgültig von einem System politischer Un­gleichheiten befreit werde, das in den internationalen Bezie­hungen zu einer regelrechten Diktatur der westlichen Demokra­tien über die sogenannten Diktaturen der Achsenmächte führe und das Recht der beiden Nationen auf ihren Lebensraum igno-

London, 23. Mai. Angesichts der großen Erfolge des neuen Europas, vertreten durch Deutschland und Italien, wird das Drängen Londons zu einem Abschluß mit Moskau koste es, was es wolle immer intensiver. Die Londoner Dienstag- Presse kann es sich nicht verhehlen, daß die Volschewiki sich so teuer wie möglich verkaufen. Es läßt sich im übrigen heraus­lesen, daß die Franzosen mit Vonnet wieder einmal vorgeschickt worden sind, weil die Halifax-Maisky-Besprechung vom Sonn­tag nichts zeitigte. Der diplomatische Korrespondent derTi­mes" schreibt, in Genf werde über das Ergebnis der britischen Kabinettssitzung hin und her beraten. Fast alle Delegationen sehen in einem englisch-französisch-fowjetrussischen Abkommen fast die einzige Hoffnung zur Verhinderung eines Krieges (!!). Die Besprechung Bonnet-Mais ky habe sich weniger auf die eng­lisch-sowjetrussischen Verhandlungen bezogen als vielmehr auf die Verwirklichung der englisch-polnischen Versicherungen.

Der Korrespondent desDaily Herald" (marxistisch) meldet seinem Blatt aus Genf, die Chancen eines englisch-sowjetrusfi- schen Abkommens seien im Augenblick schwer abzuschätzen und spricht vomvölligen Pessimismus sowjetrussischer Kreise". Aehn- lich urteiltDaily Mail". Das Blatt betont, wie auch die übrige Presse, daß alles von dem Maß von Entschlossenheit abhänge, das Halifax vor dem Kabinett aufbringe.

Paris, 23. Mai. Vergeblich bemüht sich die Pariser Presse am Dienstag, die Genfer Besprechungen Paris-London mit Moskau als sehr bedeutungsvoll hinzustellen. Die Blätter müsseu aber

men könnte, wenn die französische und englische Regierung dem italienischen und dem deutschen Volke das Recht auf seinen Le­bensraum und auf die seiner Zahl und seinen produktiven Kräften entsprechenden Rohstoffe zugestehen würden. Die großen Demokraten handelten wie der Wegelagerer, der den Wanderer hindern wolle, auf seinem Wege vorwärtszuschreiten. Hinter der Wut der französischen Presse, die das Bündnis mit den Sowjets verlange, verberge sich die Angst. Man schreie um Hilfe, in­dem man die verlogene Behauptung aufstelle, daß die Achse die Welt beherrschen wolle und weil man vor diesem unbesiegbaren, gewaltigen deutsch-italienischen Block Angst habe, der Europa auf der Grundlage des Rechtes wieder aufbauen wolle und dazu imstande sei. Mögen sie schreien, das Ende sei nahe und der Ausgang sicher.

Schweizer Presse im Pariser Fahrwasser

Genf, 23. Mai. In ihren Betrachtungen zum deutsch-italieni­schen Bündnisvertrag halten sich die schweizerischen Zeitungen im wesentlichen an die Gedankengänge der Pariser Jnforma- tionspresse, was zur Genüge charakterisiert. DerBund" ver­sucht nach französischem Vorbild den Pakt zu bagatellisieren, der angeblich weder überrasche noch zugrundsätzlichen Erörterun­gen" Anlaß gebe. Immerhin muß das Blatt feststellen, daß an der militärischen Stärke des Blockes, an seiner Einsatzbereit­schaft und Entschlossenheit nicht zu zweifeln sei. DieSuisse" läßt in ihren geifernden Betrachtungen die Katze aus dem Sack. Sie schreibt u. a., der deutsch-italienische Vertrag beeinträchtige die Aussichten auf eineEntspannung", indem er jeder Mög­lichkeit eines getrennten Einwirkens auf Rom und Berlin den Boden entziehe. (!) Es komme nur noch Zusammenstoß oder so ringt sich das Blatt ab Zusammenarbeit in Frage.Jour­nal de Eeneve" warnt immerhin vor deroberflächlichen Auf­fassung", daß das Bündnis nur einen bestehenden Zustand be­stätige.

Revision des Versailler Systems

riere, ja sogar bestreiten wolle und dagegen an der ungerecht­fertigten Verteidigung überflüssiger, von Frankreich und Groß­britannien an sich gerissener Räume festhalte.

Italien und Deutschland", so sagt das angesehene römische Blatt u. a. weiter,verlange» die Revision des in Versailles geschaffene» Systems, das von London »nd Paris in de« letzten drei Jahre« auf die Spitze getrieben wurde. Diese Revision mutz auf ihre natürliche» Elemente und in ihre« geographischen Rah­me« zurückgeführt werden. Dies interessiert in Europa einerseits Deutschland und Italien sowie audererseits Erotzbritannien «nd Frankreich. Es bedarf hierzu weder von Vermittlungen »och der Entstellungen durch grohe internationale Konferenzen oder durch Einkreisungssysteme» die darauf abzielen, die Verantwortungen auf Nationen abzuwälzen, die nichts mit dem Wese« des Kon­fliktes zu tun haben und im Interesse ihrer eigeueu Freiheit lediglich an einem Kräftegleichgewicht in Europa interessiert find."

Dies sei, wie der Direktor des halbamtliche« Blattes abschlie­ßend betont, das gesamte nunmehr offiziell gestellte Problem. Der Augenblick seiner Lösung sei gekommen. ,2-Dhne Ungeduld, aber ohne schwächliche Toleranz warten Deutschland und Italien, auf ihr Bündnis und auf die Macht ihrer Mittel gestützt, dar­auf, für welche Lösung sich die beiden westlichen Demokratien entscheiden".

feststellen, daß das englisch-sowjetische Problem in Geist keinen Schritt vorwärts gekommen ist. Man kann oft lesen, daß der sowjetische Vertreter Maisky sich durchaus unnachgiebig gezeigt habe. Seit dem Abschluß des deutsch-italienischen Vertrages glaubt man hier, daß eine Rettung nur noch Lei den Bolsche­wisten in Moskau zu finden sei. Ungeschickt bereiten die Zei- tungen ihre Oeffentlichkeit darauf vor, daß London letzten Endes doch allen sowjetischen Wünschen Nachkommen würde. Ein großer Teil der Presse bringt nach wie vor starke Bedenken gegen eine «och größere Abhängigkeit von Moskau zum Ausdruck.

Polen sollreif gemacht- werden

Diplomatische Aktivität

Warschau, 23. Mai. London und Paris machen verstärtteAn- strengungcn, die letzten starken Bedenken Warschaus g e- gendieSowjetszu zerstreuen. Der polnische Außenminister empfing Montag sowohl den französischen wie den britischen Warschauer Botschafter. Gleichzeitig ist der Londoner polnische Botschafter in Warschau eingetroffen. Das RegierungsblattEx- -preß Poranny" gibt die Meinung Londoner Pressestimme» wie­der, daß der Botschafter im Zusammenhang mit den englisch­französischen Bemühungen um den Pakt mit SoMetrußland nach Warschau berufen wurde.

Letzte Einladung zur Zusammenarbeit

Deutschland und Italien verlangen

Londons Kampf um Moskaus Gunst

Das englische Kabinett unter Druck