8. Sette — «r. 118
«agolder Tagblatt .Der Gesellschafter-
Die«stag. de« 23. Mai ISS»
Notwendigkeit nnd BedentNNg des Weidegangs
MMMMWNMWM
Wenn unseren Zucht- und Nutzlieren in den letzten Jahren der Weidegang in immer größerem Umfange zugänglich gemacht wurde, so kann dies als Beweis dafür gewertet werden, daß man die Notwendigkeit und Bedeutung der Weide für die Gesunderh Haltung und Leistungsfähigkeit unserer Tierzucht und Tierhaltung mehr und mehr erkannt hat. Leistungssteigerung auf lange Sicht wird bei dauernder Stallho.ltung und vor allem bei ausschließlicher Staliauszucht der Jungtiere nicht gelingen, weil den erhöhten Anforderungen an die Gesundheit und Widerstandskraft der Tiere nicht in der erforderlichen Weise Rechnung getragen werden kann. Mißerfolge können dabei nicht ausbleiben, auch sind die Gefahren, die sich hieraus für die Weiterführung einer Zucht ergeben können, hinreichend bekannt. Je größer die Anforderungen an die Leistung der Tiere werden, um !o natürlicher müssen die Haltungs- und Fiitte- rungsverhältnisse gestaltet werden. Dies kann am besten und nachhaltigsten durch Erschließung neuer und durch Erweiterung bereits bestehender Weidemöglichkeiten erreicht werden. Weidegang und Ernährung auf der Weide bringen den Tieren jene L e b e n s b e d i n g u n g e u. die ihnen von Natur aus Zusagen. Die Stallhaltung ist an sich unnatürlich und schwächt die Gesundheit der Tiere und auch die Abwehr- kraft gegen Seuchen und Krankheiten. Die Tiere verlieren ihre natürliche Härte und Zähigkeit, sie werden verweichlicht und damit widerstandslos gegen jegliche äußere Einflüsse. Diese Mängel müssen aber um so stärker in Erscheinung treten, je kümmerlicher die Ernährung ist.
Wir sehen also, daß wir auf eine natürliche Haltung und richtige und ausreichende Ernährung größten Wert legen müssen, wenn wir die Gesundheit und Lebenskraft und damit die Voraussetzung für gute Leistungen der Tiere erhalten wollen. Diese Gesichtspunkte müssen in erster Linie bei unseren Zuchttieren beachtet werden, an die in der Regel auch die höchsten Anforderungen hinsichtlich der Leistung und Gesundheit gestellt werden. Bekanntlich finden wir dort die leistungsfähigsten Zuchten, wo genügend Weidemöglichkeiten als Voraussetzung hierzu gegeben sind. Die unbezahlbare Einwirkung des Weidegangs auf die Gesundheit der Tiere wird von den meisten Züchtern unterschätzt. Die Haltung in der feuchten, sauerstoffarmen Luft der im großen Durchschnitt unzweckmäßigen Stallungen wirkt zunächst schädlich auf den Stoffwechsel in den Lungen. Dazu finden die krankmachenden Kleinlebewesen, insbesondere die Tuberkelbazillen, bei dieser Luft geeignete Lebensbedingungen. Die Tuberkulose gilt daher auch als ausgesprochene Stallkrankheit. Unmittelbare Sonnenbestrahlung dagegen tötet die Krankheitserreger ab und vermehrt in Verbindung mit der sauerstoffreichen Luft im Freien die Stoffe im Blut, welche eine größere Widerstandskraft gegenüber Seuchen und Krankheiten gewährleisten. So ist auch die Tatsache allgemein bekannt, daß Weide- tiere einmal weniger anfällig gegen Maul- und Klauenseuche sind und zum andern auch leichter durchseuchen, weil sie Störungen des Herzmuskels und andere Nachkrankheiten infolge ihrer gesünderen Haltungsweise bester Lberstehen. Damit ist auch dort, wo sich die Er- richtung einer Heimweide nicht verwirklichen läßt, die Notwendigkeit der Erstellung eines Tummelplatzes bewiesen. In diesem Zusam
menhang sei auch erwähnt, daß eine vernünftige Kuhanspannung in gesundheitlicher Hinsicht in der gleichen Richtung wirkt wie Weidegang.
Diese natürliche Widerstandskraft künstlich noch zu vermehren, ist die Aufgabe des Tierbesitzers; er muß seine Tiere, besonders in der Jugend, abhärten. Ein Verwöhnen der Jungtiere und das Abhaltcn jedes Luftzuges vom Jungtier mag noch so gut gemeint sein, es verstößt aber gegen die Regeln der Natur. Oeffnen der Fenster und Gewöhnung an frische Luft sind in Verbindung mit der Errichtung einer Laufboxe die ersten Maßnahmen zur Abhärtung. Wo die Möglichkeit besteht, sollen die Jungtiere, sowohl Rinder, als auch Fohlen, als auch Läufer in einem kalten, aber trockenen Raum untergebracht werden und auch im Winter Auslauf erhalten. Derartig rauh aufgezogene Tiere bringen die erste Voraussetzung für eine gute Dauerleistung mit, auch wenn sie durch ihr langes Haarkleid etwas rauh und grob erscheinen Eine derartige Haltung ist gleichzeitig die beste Vorbereitung für die Sommerweide.
Vorteile des Weidegangs für die Aufzucht
der Tiere
Der Weidegang selbst ist für die Entwicklung des Tieres von großem Wert. Er entspricht dem Zustand in der freien Wildbahn, daß das Tier mit rauhem Haarkleid auf die Weide kommt, auf der ihm alle für den Aufbau notwendigen Stoffe geboten werden. Das Haarkleid von gut vorbereiteten Tieren glättet sich und wird glänzend. Der Eesamtzustand des Tierkörpers bessert sich, das Wachstum wird angeregt. Die Bewegung in der frischen Luft regt den Stoffumsatz an, so daß mit dem Weidegang ein besserer Muskelansatz, besonders an den Gliedmaßen, eine Weitung des Brustkorbs, erkenntlich an der besseren Rippenwölbung, verbunden ist. Schmalbrüstige Tiere sind daher in Weidebetrieben selten anzutreffen. Die Verdauungsorgane werden an die Aufnahme großer Futtermengen gewöhnt und dadurch für die späteren Leistungsforderungen vorbereitet. Eine tiefe Flanke ist das äußere Zeichen dafür. Da das Weidefutter auch die für den Knochenaufbau nötigen Stoffe enthält, entwickeln sich die Knochen und Gelenke oft zu einer geradezu überraschenden Stärke, wobei rachitische Erkrankungen ausgeschlossen sind. Auch Rachitis ist demnach als ausschließliche Stallkrankheit zu werten. Stellungs- und Eangfehler werden durch die Bewegung auf der Weide häufig wieder ausgeglichen. Ein räumender Gang ist überhaupt nur durch Weidegang zu erzielen. Da hierzu noch eine Härtung der Klauen und Hufe kommt, sind Weidetiere später die besten Arbeitstiere, zumal sie auch infolge ihres ruhigen Temperaments leichter einzugewöhnen sind. All diese Vorzüge sollten jeden Züchter bewegen, seine Jungtiere auf Weiden aufzuziehen. Wo eine Heimweide nicht zur Verfügung steht, sollten die Vorteile einer öffentlichen Jungviehweide ausgenützt werden.
Bevor die Tiere, gleichgültig ob jung oder alt, auf die Weide kommen, müssen sie schon durch die Stallfütterung entsprechend darauf vorbereitet werden. Grundsätzlich sollen die Tiere nie in fettem Zustande auf die Weide verbracht werden. Die Folge ist ein Abmagern in den ersten Wochen, also gerade in der Zeit, in welcher entsprechend dem Nährstoffgehalt der Gräser am meisten an Gewicht zugelegt werden könnte. Häufig haben sich
diese Tiere erst an die Weide gewöhnt, wenn in den Sommermonaten das Weidegras schon schnell verholzt. Eine starke Zunahme ist dann aber ausgeschlossen. Deshalb sind für den Weidcgang bestimmte Tiere vorher etwas knapp, vor allem ohne Kraftfutter zu halten. Heu und Sommerstroh, sowie Saftfutter jeder Art (Rüben, Gärfutter) sind für die vorbereitende Weidefütterung am besten geeignet.
Ist Weidegang für die Aufzucht unbedingt erforderlich, so ist die Weide für die älteren Tiere, insbesondere Zuchtkühe, Zuchtstuten und Zuchtsauen von größtem Wert. Auch hier ist die gesundheitsfördernde Wirkung an erster Stelle zu nennen. Außer zur Hebung der Ee- samtverfassung dient die Weide als beste Bekämpf u n g s m a ß n a h m e gegenüber der sogenannten biologischen Unfruchtbarkeit, also jener Form der Unfruchtbarkeit, die nicht auf Ansteckung durch Kleinlebewesen zurückzuführen ist. Stallkühe zeigen bckannrlich vielfach Störungen der Funktionen des Ee- schlechtsapparates; die Brunst tritt unregelmäßig oder nicht genügend stark auf. Häufig bleibt infolge der degenerierend wirkenden Stallhaltung auch eine Befruchtung aus Gründen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, aus. Die Bekämpfung dieser Mängel erfolgt durch naturgemäße Haltung und Fütterung, also am besten und billigsten durch Weidegang. Dadurch sind regelmäßige alljährliche Kalbungen, die Grundlage jeder guten Dauerleistung, am leichtesten zu erreichen.
Außerdem findet das erwachsene Tier, vor allem die Milchkuh, auf der Weide die benötigten Nährstoffe in der am leichtesten aufnehm- baren Form. Die beste Erholung für Kühe, die besonders bei hoher Leistung trotz bester Fütterung abgemagert sind, ist immer die Weide, auf der das Tier das ihm zusagende Futter selbst heraussucht. Eine Beifütterung erübrigt sich deshalb meistens, mit Ausnahme jener Weiden, bei denen zur Weitung dos Eiweißverhältnisses eiweißarmes Futter beigefüttert werden mutz.
Welche Weidemöglichkeiten lassen sich schaffen?
Die Frage des Weideganges ist heute auch von der betriebswirtschaftlichen Seite her zu betrachten, da die Weide eine arbeitsertensive Kulturart darstellt. Sie erfordert im Verhältnis zum Ackerland wenig Arbeit. Deshalb ist die Errichtung von Dauerweiden und die Versorgung der Viehbestände mit Saftfutter auf der Weide zweckmäßiger als der Anbau von Erünfutter zu Mähzwecken. Die Weide erfordert nur die Anlage und Instandhaltung der Zäune, richtige Düngung und Verteilung des Mistes, während der Zwischsn- futterbau jeweils die Bodenbearbeitung, ebenso Düngung, dann Ausgaben für Saatgut, das Mähen und alltägliches Einholen des Erünfut- ters mit sich bringt. Natürlich setzt die Anlage ertragsfähiger Weiden auch einen genügend hohen Erundwasserstand oder entsprechende Niederschläge voraus.
Alle genannten Vorteile des Weideganges müssen es dem Bauern, vor allem aber dem Züchter, zur Gesunderhaltung seines Viehbestandes und zur billigeren Erzeugung der tierischen Erzeugniste nahelegen, möglichst für alle Tiere Weidemöglichkeiten zu schaffen. Die in Süd- und Westdeutschland anzutreffende Parzellierung und die Dorfbauweise stehen hier vielfach hindernd im Wege. Jedoch lasten sich bei gutem Willen — und dieser müßte eigentlich überall vorhanden sein — fast allenthalben entsprechende Lösungen finden. Es gibt Gemeinden, die durch gemeinschaftliche Rodung von Waldstücken oder Zusammenlegung benachbarter Grundstücke Gemeindewiesen geschaffen haben. In vielen am Rande eines Dorfes gelegenen Betrieben ist außerdem eine Heimweide ohne weiteres möglich. Erst wenn alle Möglichkeiten, selbst eine Weide zu schaffen, erschöpft sind, sollte das Vieh, besonders das Jungvieh, auf öffentliche Weiden verbracht werden.
Zum Schluß sei noch auf eine Weidemöglichkeit hingewiesen, die sich überall ausnützen läßt, die Herbstweide auf den Wiesen nach dem zweiten Schnitt. Der Ertrag hieraus ist natürlich bei weitem nicht so hoch, wie etwa aus einer Dauerweide. Jedoch sind die Vorteile des Weideganges in beschränktem Maße auch hier wahrnehmbar. Außerdem ist durch den Tritt und den Biß der Tiere eine Verbesterung der Grasnarbe nicht zu verkennen.
(Landesbauernschaft Württemberg. Stuttgart) Verantw. Schriftleiter: O. Willig, Vaihingen-F.
Was man von den Unkräutern wißen muß
In der Bekämpfung der Unkräuter, denen die Gunst des Wetters nicht weniger zustatten kommt als den Kulturgewächsen, liegt für den Bauern und Landwirt eine große und oft recht schwierige Aufgabe, denn seine Anstrengungen müssen nicht selten ohne den gewünschten Erfolg bleiben, wenn nicht auch der Nachbar dabei mithilft. Viele Unkrautsamen werden nämlich durch den Wind auf die benachbarten Grundstücke übertragen. Diese Gefahr ist namentlich groß bei zerstückeltem Grundbesitz. Unser Ackerboden ist meist sehr stark mit Unkraut- samen vermischt. Eine Hederichpflanze trägt z. V. 4000 bis 5000 Samen, eine Wucherblume sogar etwa 13 000 Samen, die alle wieder aus- fallen und nur zum geringsten Teil sofort aui- gehen; sie werden unts-gepflügt und harren in der Tiefe wohlgeborgen auf ihre Auferstehung, welche erfolgt, wenn sie wieder einmal durch unsere Ackergeräte nahe an die Oberfläche gelangen. Auch mir selbst geben dem Ackerboden eine Menge Unkrautsamen zurück, beispielsweise in schlecht gereinigtem Saatgut, im Dünger usw.
Wollen wir einen erfolgreichen Feldzug gegen die Unkräuter machen, so mästen wir n a ch einem wohlüberlegtenPlan handeln und ihre Natur genau kennenlernen, denn nur dadurch sind wir imstande, ihnen das Handwerk auf die Dauer zu legen. Die Unkräuter gewinnen, namentlich in ärmeren Böden, gerne die Oberhand, weil sie in ihren Ansprüchen an die Bodenkraft bescheidener sind und dort um so üppiger wuchern, wo jene nur ein ärmliches Fortkommen haben. Hinzu kommt, daß die meisten Unkräuter sich an bestimmte Kulturpflanzen angepaßt haben.
Wir wissen, daß sich die Unkräuter entweder nur durch Samen fortpflanzen, also einjährige oder zweijährige Pflanzen sind, wie der Hederich, der Hahnenfuß, die Wucherblume, die Kornrade, die Kornblume, oder aber, daß sie sich sowohl durch Samen als auch durch Stockausschläge vermehren und dadurch doppelt gefährlich sind. Diese Unkraut,-flanzen, wie die Distel, die Quecke, der Huflattich, der Ackerschachtelhalm, der Knöterich, die Ackerwinde usw. besitzen unterirdische Stammteile, welche gewöhnlich auch Wurzeln genannt werden und in ihren Vlattachsen Knospen tragen, mit denen sie sich fortpflanzen. Ihre Ausrottung ist deshalb um so schwieriger, weil sie immer wieder neue Stockausschläge bilden; sie kann nur durch langes, fortgesetztes Ausziehen und Verhinderung des Samentreibens erfolgen.
Die Unkräuter breiten sich um so rascher aus,, je öfter sie Gelegenheit haben, Samen zu treiben und je häufiger sie auf dem Felde aus- fallen. Deshalb ist das Getreide besonders geeignet zur Vermehrung der Unkräuter, weil deren Samen eben meist vor der Getreideernte reif werden. Wir wissen, daß mehrere aufeinanderfolgende Getreidearten für das lleber- handnehmen der Unkräuter besonders günstig sind.
Fehler beim Versetzen
der Pflanze»
Beim Herausnehmen der jungen Pflänzchen aus den Saatbeeten wird hierbei oft höchst unsachgemäß vorgegangen. Ein Hauptfehler, der bei der Pflanzengewinnung immer wieder gemacht wird, ist das „Aufziehen". Die zarten Pflänzchen sollen nicht aus dem Boden herausgezogen werden, sondern im Samenbeet mit einem Spaten unterstochen und nach vorsichtigem Auf- und Abbewegen desselben so weit im Boden gelockert werden, daß sie sich mit fast allen Faserwurzeln und starken Erdbällen mit den etwas unterschobenen Fingern leicht ausheben lasten. Denn auch bei vorsichtigem Ausziehen büßen die Pflänzchen mehr als zwei Drittel ihrer feinen und gerade für das schnelle Anwachsen so wertvollen Faserwurzeln ein. An dem dürftigen Wurzelrest haftet dann nur noch wenig Ballenerde. Weil so das Wurzel- und Vlattverhältnis schwer gestört ist, verdursten diese Pflanzen um so eher, je mehr Blätter daran sind und Wasser verdunsten kann. Viele Landleute helfen sich, indem sie beim Auspflanzen einen Teil der größten Blätter abdrehen, ebenso wie der Gärtner besonders einen schon älteren umzupflanzenden Baum an den Laubästen stark zurückschneidet, damit aus den bleibenden Blättern nicht mehr Wasser verdunsten kann, als das stark verminderte Wurzelnetz auch bei gutem Angießen nachschaffen kann. Eine derartige Behandlung muß sich natürlich nachteilig auf den Ertrag auswirken.
Photo: K. Köble., Dettingen-Teck.
Der Prüfling hat es hier nicht leicht, denn Landarbeit will gründlich erlernt sei«.