K. Sette - Rt. 118
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter'
Freitag, den IS. Mai 1S3S
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Dieb und Entführer ins Zuchthaus
Tübingen, 16. Mai. Der ans Reutlingen stammende 32jährige Wilhelm Zeeb ist ein häufig vorbestrafter Dieb. Trotz aller Strafen läßt er aber nicht vom Stehlen ab. Erst im August 1938 wurde er aus dem Gefängnis entlasten und schon einige Wochen später stahl er in Ludwigsburg wieder 40 RM. aus einem unverschlossenen Zimmer. Etwa um die gleiche Zeit lernte er auf dem Bahnhof in Ludwigsburg ein 17jähriges Mädchen kennen, mit dem er sich anfreundete, um es dann gegen den Willen seiner Eltern zu entführen. 78 RM. hatte das Mädchen bei seiner Entführungsreise in der Tasche. Aber schon nach wenigen Tagen stand das saubere Pärchen mittellos in Tübingen. Kurz entschlossen leistete sich daher Zeeb in Tübingen noch zwei weitere Diebstähle. Dann fuhr er mit seiner Geliebten nach Reutlingen, wo die Kriminalpolizei die beiden festnehmen konnte. Diesmal ging es aber bei Zeeb nicht mehr mit Gefängnis ab, sondern die Strafkammer erkannte gegen ihn auf zwei Jahre Zuchthaus und das nächstemal hat er mit Sicherungsverwahrung zu rechnen.
In Metzingen hat der verheiratete Albert Reichte aus Reutlingen zwei Anzüge und einen Mantel gestohlen. Als er seine Diebesbeute verpacken wollte, wurde er erwischt und sest- genommen. Das war bei Reichte nicht das erstemal, denn er hat schon eine Reihe von Vorstrafen wegen Diebstahls verbüßt. Das Gericht verurteilte ihn zu einem Jahr vier Monaten Zuchthaus.
Ein Kapitalverbrecher unschädlich gemacht
Memmingen, 16. Mai. Rach zweieinhalbtägiger Verhandlung fällte das Schwurgericht Memmingen das Urteil gegen den Massenbrandstifter Joseph Seitle von Markt Wald bei Mindel- heim. Es lautete wegen acht Verbrechen der schweren Brandstiftung und eines Verbrechens der einfachen Brandstiftung auf zwölf Jahre Zuchthaus, zehn Jahre Ehrverlust und Sicherungsverwahrung.
Während der Verhandlung hielt Seitle sein Geständnis aufrecht. Nach der Anklageerhebung legte er sogar noch das sensationelle Geständnis ab, daß er auch den zehnten Brand in Markt Wald gelegt hat. Wegen dieses Brandes war der 23jäh- rige Otto Strodel von Markt Wald bereits im Sommer 1938 verurteilt worden. Strodel wur^e inzwischen freigelassen, nachdem sich seine völlige Unschuld herausgestellt hatte. Er trägt allerdings selbst die Hauptschuld an der damaligen Verurteilung, da er in der Verhandlung selbst angegeben hat, den Brand gelegt zu haben. Aus welchen Gründen er dieses falsche Geständnis machte, enthüllte die jetzige Verhandlung nicht. Er hat nun neun Monate unschuldig hinter Eefängnismauern verbracht. Die Verhandlung ergab, daß der Angeklagte in zahlreichen Fällen selbst an den Löscharbeiten teilnahm, ja sogar an den Nachtwachen beteiligt war, die wegen der zahlreichen Brandfälle eingerichtet worden waren. Kein Mensch im Dorf hatte geglaubt, daß dieser Mann, der heute im 35. Lebensjahr steht, der Verbrecher war, nach dem so eifrig gefahndet wurde. Seitle gab an, daß er aus verschmähter Liebe und Verärgerung die Anwesen in Brand gesteckt habe. Der Schaden durch diese Serie von zehn Brandstiftungen beträgt insgesamt etwa 100 000 RM. In einigen Höfen legte Seitle auch deshalb Feuer, weil er beim Kain- merfensterln bei der „Angebeteten" kein Gehör fand. Einem Landwirt zündete Seitle den Hof gleich dreimal hintereinander an, weil der Besitzer den Leuten von dem nächtlichen Besuch Seitles bei seiner Magd erzählt hatte.
Ein Brautpaar als Straßenränder
Stuttgart, 16. Mai. Wegen gemeinsam verübten schweren Raubs standen der 26jährige, in Ehescheidung lebende Alfred Reuß aus Obereßlingen und seine Braut, die gleichaltrige verwitwete Margarethe Bayer aus Straßburg, vor der 5. Strafkammer. Reuß, der schon eine Reihe von Strafen wegen Eigentumsdelikten aufzuweisen hat, war am 19. Januar d. I. in Begleitung seiner Braut mit einem ihm flüchtig bekannten Handwerker auf der Straße in Eßlingen zusammengetroffen. .Dieser hatte sich dem Paar angeschlossen und mit ihm von mittags 12 Uhr bis abends 11 Uhr insgesamt sechs Wirtschaften besucht, wobei er stets für die beiden andern mitbezahlte. Das saubere Paar hatte weder Geld noch ein Unterkommen und zog ohne feste Wohnung umher. Um seine „Betuchtheit" zu erweisen, prahlte der Geschäftsmann vor den beiden mit einem Hundertmarkschein, den er bei sich trug. An diesem Nachmittag und Abend ließ er sich seine Spendierlaune 18 RM kosten. Damit gaben sich jedoch die beiden Eutedel nicht zufrieden. Reuß verlangte wiederholt noch Geld zum Uebernachtcn. was aber ab-
! gelehnt wurde. Als man nun die letzte Wirtschaft zu Dreien : verlassen hatte, schlug der Angeklagte seinem Gönner plötzlich . mit der Faust ins Gesicht, so daß dieser rücklings zu Boden fiel, j und entriß ihm den noch über 115 RM enthaltenden Geldbeutel aus der Gesäßtasche. Dann warf er den Geldbeutel der dabei- ! stehenden Bayer zu. Diese entfloh dann mit dem Geld zum ! Bahnhof. Ein vorbeikommender Radfahrer beobachtete den Vor- s fall und trennte Reuß von seinem Opfer. Hierauf nahm er die ! beiden Männer zur Polizeiwache mit. Das Geld konnte am gleichen Abend noch beigebracht werden. Die Strafkammer ver- ! urteilte Reuß wegen Straßenraubs in Tateinheit mit gefährlicher ! Körperverletzung unter Zubilligung mildernder Umstände, die ! in dem provozierenden Auftreten des Beraubten erblickt wurden, ! zu zwei Jahren Gefängnis und drei Jahren Ehrverlust, und die ! Bayer wegen erschwerter Begünstigung zu fünf Monaten Ee- ! fängnis.
! Verbrecher wandert ins Gefängnis
! Heilbroan. 16. Mai. Die Strafkammer des Landgerichts Heil- j bronn verurteilte den erst 21jährigen Otto Kraft aus Bie- : righeim wegen Erregung öffentlichen Aergernisses, mehrerer ! Diebstähle und eines Ausbruchsversuchs aus dem Besigheimer , Amtsgerichtsgefängnis zu zwei Jahren sechs Monaten Gefängnis ; abzüglich vier Monaten Untersuchungshaft, sowie Tragung der s Verfahrenskosten. Kraft hatte sich nicht nur in mehr als einem s halben Dutzend Fällen gegenüber Frauen und Mädchen auf der i Straße Bietigheim-Bissingeu schamlos benommen, sondern auch ! zwei Fahrräder gestvhlen, aus einem fremden Keller 15 Flaschen ' Wein abgefiillt und nach einer halsbrecherischen Kletterei den i Blitzableiter einer Bietigheimcr Fabrik abgesägt, weil man ihm gesagt hatte, die Spitze wäre aus Gold. Das Gericht gab dem ! noch so jugendlichen und doch schon so verdorbenen Burschen Ge- ' legenheit, zweieinhalb Jahre lang über seine Missetaten hinter . Schloß und Riegel nachzudenken.
Verschiedene;
^ Das Ende des Hotels Cavour
j Für das neue Verlagsgebäude des Popolo d'Jtalia mußte in Mailand Platz geschaffen werden. Man hat zu diesem Zweck das s Hotel Lavour abgebrochen. Damit ist eines der bekanntesten und / vornehmsten Gasthäuser Europas verschwunden. Die berühmte- : sten Staatsmänner Europas, Künstler, Maler, Sänger und ^ Dichter haben hier geweilt. Man hat die seltenen Wandtafeln s und das Gästebuch einem Museum überwiesen, während das ' wundervolle Silbergeschirr öffentlich versteigert wurde.
Lebensabend im Luxushotel
Unter Beteiligung einer Anzahl schweizerischer Hoteliers, Bankiers und anderer Unternehmer ist eine interessante Gesellschaft gegründet worden. Ihr Ziel ist es, sehr reichen Leuten ein ruhiges Lebensende in einem Luxushotel zu garantieren' Geboren wurde der Gedanke aus der Unruhe, die manche Großkapitalisten zur Zeit in bezug auf ihre Gelder erfüllt. Ein Engländer soll die Anregung gegeben habe«. Die Kunden zahlen einen allerdings recht hohen Bettag ein und können von ihrem 60. Lebensjahr ab ihre Tage in den Hotels der betreffenden Gesellschaft in Nizza, Paris, Florenz, Neapel, Lausanne oder Et. Moritz verbringen. Dann brauchen sie natürlich nichts mehr M bezahlen. Ferner haben sie das Recht der Nutznießung schon früher, wenn das eingezahlte Kapital entsprechend hoch ist und eine Verarmung vorher eingetreten ist.
Erdbeben oder roter Mond?
Selbst Frankreich beklagt sich über das ungewöhnlich kalte Wetter dieses Frühjahrs. Es greift bereits zu abergläubischen Vorstellungen, um die kalten Duschen des Frühjahrshimmels zu .erklären, nachdem die Auskünfte der Wettermacher über Hoch- und Tiefdruckgebiete so nüchtern und unbefriedigend lauten. Zu den neuesten Versionen zählen gegenwärtig in Paris die Zusammenhänge zwischen kaltem Frühjahrswetter und den Erdbebenkatastrophen. Man führt das Erdbeben von Chile, das Beben in Japan und die jüngsten Erschütterungen in der französischen Landschaft Ariege an und weist dann auf das denkwürdige Jahr 1902 hin. Der Frühling des Jahres 1902, in dem die furchtbare Erdbebenkatastrophe von Martinique sich ereignete, zeichnete sich durch ein geradezu winterlich kaltes Wetter mit Schnee und Eisstürmen aus. Andere wollen übrigens auch den roten Mond der ersten Maiwochen für die kalten Winde verantwortlich machen und klammern sich an das Datum des 19. Mai, an dem die Herrschaft des roten Mondes abläuft. Aber gleiviel, ob Erdbeben oder roter Mond, das Wetter könnte nun wirklich wärmer werden.
Farbenblind
Der berühmte Arzt und Menschenfreund Virchow machte einmal eine Eisenbahnreise durch das schöne Deutschland. Ihm gegenüber im Abteil saß ein junger, aufgeblasener Fant, der sich sehr wichtig vorkam und Virchow dauernd mit seinem Geschwätz belästigte. Als Virchow auf nichts einging, versuchte er es mit Witzeleien. „Ach, verzeihen Sie", meinte er, »ist der Ort dort drüben Rotenburg oder Erüneberg. Ich bin nämlich farbenblind, und da kann ich wirklich nicht unterscheiden, welches vo» beiden Städtchen es ist." „Sehen Sie", erwiderte da Virchow. „da leiden wir beide an dem gleichen Fehler. Bei mir ist er vielleicht noch schlimmer als bei Ihnen, denn ich kann tatsächlich nicht einmal unterscheiden, ob mir gegenüber ein Naseweiß >cher ein Grünschnabel sitzt!"
Das größte Heiligenbild der Welt
In wenigen Wochen wird ein kleiner Vorort von Lyon den Vorzug haben, die größte religiöse Statue der Welt in seiner Kirche einzuweihen. Es handelt sich um eine Plastik der Gottesmutter, die vom Scheitel bis zur Sohle einschließlich des Sockels 32,60 Meter mißt. Allein der Kopf hat eine Höhe von 3 Meter. Auf der Waage würde man dem Heiligenbild ein Gewicht von nicht weniger als 440 Tonnen, also von 8800 Zentnern, zubilligen. Das Bildnis steht in einer Kapelle an einem Ott, an dem sich früher eine römische Festung aus der Zeit des Julius Cäsar erhob und von dem aus man einen Blick ins Rhonetal und auf die Höhen Savoyens hat.
Hauptversammlung der Daimler-Benz AG. Stuttgart
I In der HV. der Daimler-Venz AE., Stuttgart-Untertürkheim, s gedachte der AR.-Vorsitzer, Staatsrat Dr. von Stauß, zu- j nächst des plötzlich verstorbenen Leiters der Frankfurter Filiale von Daimler-Benz, Schulze-Steprath, und gab sodann in Ergänzung des Geschäftsberichts noch nähere Erläuterungen über die Leistungen der Gesellschaft im äbgelaufenen Geschäftsjahr und in den ersten Monaten des neuen Jahres. Es sei gelungen, iu den letzten sechs Jahren mehr als 100 Mill. RM. Investitionen für den Ausbau der Werke und für die Beschaffung von Produk- j tionsmitteln aus eigenen Kräften zu finanzieren und den Um- j satz von 65 Mill. RM. auf 400 Mill. RM. zu steigern. Es sei
- klar, daß in dieser Entwicklung eine Menge von Problemen und ! Schwierigkeiten bewältigt werden mußten, von denen der Außenstehende nicht viel sieht. Er si.hr nur, daß die Wagen immer
s schöner und billiger und ihre Leistungen immer besser werden, j In Wirklichkeit sei es ein hartes Stück unermüdlicher Arbeit ei- i ner sorgfältig durchdachten und gut eingespielten Organisation, in der vom Vorstand bis zum jüngsten Lehrling jeder Mitar- i beiter mit Lust und Liebe beim Werk ist. So sei in der Daimler- ! Benz AE. der Geist einer vorbildlichen Werksgemeinschaft und ! das Bewußtsein einer unauflöslichen Einheit zwischen Führung ' und Gefolgschaft entstanden.
! Die Gesellschaft werde weiter alle Kräfte anspannen, um durch : sparsame und zielbewußte Wirtschaft mit den Mitteln hauszu-
- halten, und er zweifle nicht, daß auch auf das erhöhte Kapital den Aktionären eine angemessene Verzinsung geboten würde. Das neue Geschäftsjahr habe sich wieder gut angelassen, die Umsätze seien weiter im Steigen begriffen, erfreulicherweise auch im Export, dem immer der volle Einsatz der Werke gelte. So dürfe man nicht nur mit Befriedigung auf die vergangene Arbeit zurückblicken, sondern auch mit Zuversicht den weiteren Aufgaben
^ entgegen sehen.
i Die Regularien wurden darauf ohne weitere Aussprache genehmigt und Aufsichtsrat und Vorstand Entlastung erteilt (wie- j der 7,5 Prozent Dividende). Die HV. wählte sodann neu in den Aufsichtsrat das frühere VorstandsrMglied Carl Schippert-Stutt- gart-Untertiirkheim.
> NSU.-Werke AG., Neckarsulm. In der in Berlin abgehaltenen o. HV. der NSU.-Werke, Neckarsulm, wurde der Abschluß für das Geschäftsjahr 1938 ohne Aussprache genehmigt. Es gelangte bekanntlich eine Dividende von 8 Prozent (i. V. 7) auf das erhöhte AK. zur Verteilung. Auf Grund des Anleihestockgesetzes wird 1 Prozent an die Deutsche Golddiskontbank abgeführt. Der Umsatz ist in den ersten Monaten des Geschäftsjahres weiter gestiegen. Auch das Auslandsgeschäft Habs sich bisher günstig angelassen.
Württ. Metallwarenfabrik AG» Geislingen-Steige. In der Aufsichtsratssitzung wurde der Abschluß für das Geschäftsjahr 1938 gebilligt und beschlossen, der am 10. Juni in Stuttgart stattfindenden HV. eine Dividende von wieder 8 Prozent auf das AK. von 11,25 Mill. RM. vorzuschlagen. Weiter wurde beschlossen, der neu gegründeten Unterstützungskasse der Württ. Metallwarenfabrik eV. 2,10 Mill. RM. zuzuweisen, außerdem zur besonderen laufenden Unterstützung bisheriger Pensionäre im Betriebe 175 000 RM. zurückzüstellen, sowie sämtlichen ein Jahr im Betriebe tätigen Gefolgschaftsmitgliedern eine einmalige außerordentliche Zuwendung von insgesamt 535 000 RM. zukomme zu lasse«.
Roman von Klara Laidhausen.
Urheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, Regensburg. 18. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Ditha nickte freundlich Gewähr und wandte sich dann den Freunden zu, der Assessor aber zog Franz Hormann einen Schritt zur Seite. „Franz, hättest Du wenige Minuten Zeit für mich? Ich möchte Dich um eine kleine Unterredung bitten."
Dr. Hormann sah den Freund forschend an: „Genügt der Weg von hier bis zur Restauration, Achim, oder soll ich mich länger beurlauben?"
„Nein, danke," entgegnete Friede! rasch, „ich werde ganz ohne Umschweife reden." Sie folgten in kurzem Abstand den voranschreitenden Freunden. „Ich liebe Fräulein Lore und möchte sie bitten, meine Frau zu werden."
Franz mußte einen Augenblick stehenbleiben, eine namenlose Aufregung legte sich wie ein dichter Schleier vor seine Augen. 2n jähem Schwindelgefühl griff er haltsuchend nach einem tief herabhängenden Zweig. „Fräulein Lore?" Seine Stimme klang heiser.
Der Assessor sprach lebhaft, ganz in seine eigenen Gedanken und Wünsche eingesponnen, weiter: „Du wunderst Dich wohl, wie das so schnell gekommen ist — ich weiß es ja selber kaum. Ich weiß nur, daß ich dieses Mädchen liebe, wie ich noch keine Frau geliebt habe."
Franz Hormann machte eine rasche Bewegung, aber Friede! ließ ihn noch nicht zu Wort kommen. „Ich kann mir denken, was Du sagen willst, Franz. Ja, Du hast recht — ich war bisher nicht sehr beständig in meinen Neigungen. Aber glaub mir, das kam nur daher, weil alle Frauen, denen ich bis jetzt näher trat, mich nach kurzer Zeit enttäuschten, weil keine den Anforderungen entsprach, die ich an meine künftige Gattin stelle. Lore Berger aber wird mich nicht enttäuschen!"
^ Mit eiserner Energie zwang Franz seine Schwäche nis- ' der und setzte mechanisch wieder einen Fuß vor den anderen. Ein heißer Schmerz war in seiner Brust, ein quälendes ! Bohren, ein verzweifeltes Suchen nach der Losung des Rätsels, das er sich selber war.
Also doch, doch! Wie hatte Frau Ilse vorher gesagt? Ein großes Glück für Lore! Ob sie selbst das wohl auch so empfand? — Und er — warum nur wehrte sich alles in ihm so sehr, das einzusehen? !
Es konnte nur einen Grund dafür geben — den Wunsch, ! die tüchtige Hilfskraft, die liebe Hausgenossin nicht schon wieder zu verlieren. Also Egoismus, häßlicher, nackter Egoismus! Nein, das war kein Gefühl, dem ein Franz Hormann auch nur eine Minute länger Raum gab.
Mit warmem Druck faßte er die Hand des Freundes und zwang ihn, stehen zu bleiben, suchte im Dunkel forschend seine Augen.
„Du hast recht, Achim, sie wird Dich nicht enttäuschen! Ich wünsche Dir von Herzen Glück zu Deinem Entschluß — Frauen wie Lore Berger sind selten und wohl dem Manne, dem Gott eine solche Lebensgefährtin zur Seite gibt. Nur an eines möchte ich Dich mahnen — erlaube mir, dem Älteren, dieses offene Wort: Laß sie von dieser Stunde an die Einzige in Deinem Herzen sein — Frauen wie sie betrügt man nicht."
Schmerzhaft preßte der Assessor die Freundeshand. „Hab' Dank, Franz, für Deinen Glückwunsch und für Deine lieben Worte. Und sei ohne Sorge! Du hast recht — ich war bis jetzt ein Bruder Leichtsinn, aber ich war es nur, weil ich frei und ungebunden war — weil ich dauernd suchte, ohne das Nichtige zu finden. Der Frau aber, die einmal meinen Namen trägt, werde ich die Treue halten, für Lore von Friede! wird es keine Nachfolgerin in der Liebe ihres Mannes geben." Aber nun die Hauptsache, Franz, das, was mich eigentlich bewogen hat, mich Dir mitzuteilen: Du weißt, ich leide durchaus nicht an allzu großem Mangel an Selbstgefühl, noch weniger an so etwas wie Schüchternheit vor dem schönen Geschlecht — Lore Berger gegenüber bin ich aber von einer quälenden Unsicherheit, So sehr, daß ich es nicht wage,
die entscheidende Frage an sie zu richten. Sie ist wöhl liebenswürdig, heiter, aber immer gleichmäßig — da ist auch nicht eine Nuance, die mich hoffen ließe, daß ich ihr in den Stunden unseres Beisammenseins auch nur einen Schritt näher gekommen wäre. Nichts, was mich nur im mindesten zu einer Werbung ermutigen könnte. Und darum, Franz — na kurz heraus: Ich habe ganz einfach Angst, mir einen Korb zu holen!"
Dr. Hormann lachte — wie frei und hell er plötzlich wieder lacken konnte. „Ich soll wohl den Freiwerber für Dich machen, Achim?"
„So ähnlich, ja! Wenigstens sondieren, ob ich für meine Werbung Boden finde: ich möchte nicht mit beiden Füßen ins Ungewisse springen."
Sie waren auf den hellerleuchteten Restaurationsplatz hinausgetreten und sahen, daß es Lindners und Ditha bereits gelungen war, ein rundes Tischchen zu erobern. Da drückte Franz dem Assessor abschiednehmend die Hand. „Verlaß Dich auf mich, Achim, ich werde Dir baldigst Bescheid sagen."
-Es wurde für Franz Hormann eine reichlich
lange Stunde um den runden Tisch. Wohl zwang er sich, an der heiteren Unterhaltung der anderen teilzunehmen, aber seine Gedanken gingen innrer wieder andere Wege. Und je mehr er sich äußerlich Gewalt antat umso stärker wurde die Unruhe in seiner Brust.
Immer wieder ruhten seine Blicke prüfend auf seiner holden Nachbarin im Märchenkleid. Die Worte des Freundes, daß sie ihm noch keinerlei Beweise einer besonderen Zuneigung gegeben habe, hatten ihm eine Zeitlang ein Gefühl der Befreiung und Erleichterung gebracht — nun aber kehrten die Zweifel mit verstärkter Macht zurück.
Er sagte sich, daß ein Mädchen von Lore Bergers Art ihre Zurückhaltung einem Manne gegenüber auch dann nicht aufgibt, wenn es mehr für ihn empfindet, daß es im Gegenteil auch seine Liebe scheu in sich verschließt bis zu dem Augenblick, wo ihm dieser Mann als Pfand seiner Gegenliebe Hand und Namen bietet.
(Fortsetzung folgt.)