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Ragolder Tagblatt »Der Gesellschafter'

Die finanzielle Kehrseite

Auswirkungen der Kriegshetze auf Polens Finanzlage Mißerfolg der Luftabwehr-Anleihe

NSK. Der Mißerfolg der in Warschau mit so großem Lärm vor Ostern angekündigten Luftabwehr-An­leihe lenkt den Blick auf die finanzielle Lage des polni­schen Staates, in der sich die großen wirtschaftlichen Schwie­rigkeiten widerspiegeln, auf die die kriegerische Politik der polnischen Regierung jetzt bereits stößt. Es ist merklich still geworden um diese polnische Luftabwehr-Anleihe, deren Zeichnungstermin vor wenigen Tagen zu Ende gegangen ist. 400 Millionen Zloty von der ursprünglich vorgesehenen Milliarde wurden nur gezeichnet, ein Mißerfolg, der um so schlimmer ist, wenn man die wirtschaftlichen und morali­schen Druckmaßnahmen betrachtet, die die Zeichnung dieser Anleihe begleiteten. Die Verteilung von Abzeichen an An­leihezeichner, die zwangsweise Einbehaltung von Bezügen der Beamten, Angestellten und Rentner mußten herhalten, um überhaupt diese 400 Millionen zu sichern.

Daß den Polen selbst die wirtschaftlichen Folgen ihrer großsprecherischen Politik bedenklich werden und ihnen nach­gerade in finanzieller Hinsicht das Wasser bis zum Hals steht, beweisen die Stimmen des konservativenCzas" und des schwerindustriellenKurjer Polski", die in diesen Ta­gen erst ihren Lesern die Fragen vorlegten, woher die Mit­tel für die militärischen Belange genommen werden sollen, wenn nach so kurzer Zeit wirtschaftlicher Beanspruchung bereits die gesamtwirtschaftlichen Grundlagen ins Wanken geraten. Polens finanzielle Lage ist heute angesichts der mit der polnischen Mobilmachung verbundenen Aufgaben einerseits und dem Mißerfolg der inneren Finan­zierungsversuche andererseits wirklich bedrohlich ernst ge­worden, zumal von der berühmten 25-Millionen-Pfund- Anleihe, mit der London den Obersten Beck in das Ein­kreisungsnetz lockte, heute nicht mehr die Rede ist.

Fragt man in Warschau heute nach dieser vor dem Besuch Becks in London propagierten englrschenAnleihe. so findet man nur ein Achselzucken und die Beteuerung, daß England gewiß noch zahlen würde, nur müßten noch einige Vorfragen und technische Fragen der Finanzierung gelöst werden. Was davon zu halten ist angesichts des Schwei­gens, in das sich die Londoner City über den polnischen Anleiheplan hüllt, dürfte klar sein. Das Finanzinteresse der Westmächte an Polen ist nie sonderlich groß gewesen. 60 Millionen Pfund konnte sich der polnische Staat ins­gesamt seit seiner Gründung von England und Frankreich borgen. Es ist verständlich, daß Paris und vor allen Din­gen London im Augenblick nicht daran interessiert sind, Polen neue Gelder zu gewähren, nachdem sie mit den An­leihen, die sie ihren anderen Trabantenstaaten zur Ver­fügung stellten, so schlechte Erfahrungen machten, zumak die Londoner Finanzkreise wünschen, sich offensichtlich nicht in ein neues finanzielles Abenteuer in Warschau zu stür­zen, nachdem noch in keiner Weise feststeht, in welchem Aus­maß und ob überhaupt jemals in einem Ernstfälle Eng­land bereit und in der Lage sein wird, seinen polnischen Bündnispartner militärisch zu unterstützen.

Die gesamte Auslandsverschuldung Polens ist nicht sonderlich hoch, da sie nur 3 Milliarden Zloty be­trägt, von denen Warschau die Hälfte den Vereinigten Staaten, England und Frankreich und die andere Hälft, den Nordstaaten, Holland, der Schweiz, der zerfallenen Tschechoslowakei und Italien schuldet. Die erste Anleihe wurde den Polen im Jahre 1920 zum Aufbau des Staates und zur Aufstellung der polnischen Armee gegeben. Sie betrug 14,o Millionen Dollar, und man kann sich angesichts dieser Summe vorstellen, daß weder der Wirtschaftsaufbau noch die Ausrüstung und Bewaffnung der Armee über­wältigend gut davon finanziert werden konnten. Weitere Anleihen wurden in den Jahren von 1925 bis 1930 im Ausland untergebracht, wobei die Geldgeber angesichts der damals schlechten finanziellen Lage des polnischen Staates enorme Zinsen verlangten, die für Polen auf die Dauer nicht tragbar waren. So war es natürlich, daß der Zinsen­dienst und die Amortisation die polnische Wirtschaft Ende 1932 an den Rand des Ruins führten und Polen zur Auf­nahme von Konversionsverhandlungen zwangen, in deren Verlauf es gelang, die Zinssätze im allgemeinen um etwa die Hälfte zu senken. Die Tilgungsfristen der Anleihen wurden gleichzeitig stark, zum Teil über 40 Jahre, ver­längert.

Es ist verständlich, daß nach diesen finanziellen Schwierig­keiten das Vertrauen der Finanzmänner in die wirtschaft­liche Kraft des polnischen Staates schwer gelitten hat. Polen hat seit jenen Verhandlungen keine Auslandskredite mehr bekommen können, bis ihm Deutschland großzügiger­weise den 120-Millionen-Warenkredit gewährte, der es in die Lage versetzen sollte, auf wirtschaftlich einwandfrei fun­dierter Grundlage Wege der finanziellen Gesundung zu beschreiten. Nun hat sich Polen in das neue Abenteuer mili­tärischer Ausgaben, die schon immer im polnischen Staats­haushalt keinen geringen Raum einnahmen, gestürzt. Im Rahmen des polnischen 15-Jahres-Planes, der in fünf Teil­abschnitten zu je drei Jahren /".irchgeführt werden soll, war für die nächsten drei Jahre dre Investierung von 2 Mil­liarden Zloty vorgesehen, von denen allein 1200 Millionen für d.m Bau von Kasernen, Flugplätzen, Befestigungs­anlagen, Geschütz- und Munitionsfabriken bestimmt waren. Die restlichen 800 Millionen Zloty sollten dem weiteren Ausbau der Handelsflotte sowie Eisenbahn- und Kanal­bauten dienen. Die zusätzliche Belastung der polnischen Fi­nanzkraft durch dis neben diesem Plan laufenden Ausgaben sür die jetzt erfolgte Mobilmachung und erneute Auf- küstungswelle mußten angesichts der bereits im normalen Plan vorgesehenen hohen Ausgaben die wirtschaftlich an­gespannte Lage weiter verschärfen.

Waren es früher etwa 40 v. H. der gesamten Staatsein­nahmen, die für die Armee verwandt wurden, so kann man die Kosten für die gegenwärtige polnische Aktion auf rund 1 Milliarde Zloty beziffern, da die polnischen Truppen, die zusätzlich mobilisiert wurden, nun schon seit Wochen unter Waffen stehen. Die Gefahr, daß Polens militärische Gaukelspiele mit einem finanziellen Fiasko enden, wird von Tag zu Tag deutlicher, zumal England und Frankreich nach bewährter Methode 4>en polnischen Bundesgenossen finanziell aufs Trocken»- fetzen. War Polen im Jahre 1920 gut genug dazu, daß ihm die Alliierten zu hohem Preise Kriegsmaterial, das schon im Weltkrieg gedienst hatte und unbrauchbar geworden war, verkauften, so darf es heute wiederum die Kastanien für den Westen aus dem Feuer holen und sich vor den eng­lischen Einkreisungskarren spannen lassen.

Ueberlegt man, daß trotz des geringfügigen Zinsen- und Amortisationsdienstes in Höhe von jährlich knapp 200 Mil­lionen Zloty die Devisenlage Polens geradezu katastrophal ist und daß schließlich die Ausschöpfung des inneren Geld­marktes durch die letzte Anleihe nur 400 Millionen Zlotn

Dienstag, den 18. Mai 1S3S

j erbrachte, so kann man ermessen, daß Bargeld für de« Polen eine seltene Angelegenheit geworden ist. Warschaus neue Finanzpläne, die sich auf einen größeren Erfolg der Jnnen- Inleihe gegründet haben, dürften ins Wasser gefallen sein. Trotz der verzweifelten Bemühungen des Staates, trotz des Appells an die nationalen Gefühle der Bevölkerung war diese erste polnischeKriegsanleihe" ein totaler Mißerfolg. Sie sollte für die Warschauer Regierung Anlaß sein zur wirtschaftlichen, politischen und militärischen Vernunft zu- rückzukehren und der Wirtschaftskraft des polnischen Volkes nur das zumulen, was sie tatsächlich leisten kann.

H. St«.

Weltkongreß m Wein nnd Tranke

Der Internationale Weinbaukongreß 1939 wird auf Ein­ladung der Reichsregierung in Deutschland stattfinden. Als Tagungsort ist das alte, stimmungsvolle Weinstädtchen Kreuznach an der Nahe ausersehen, weil es im Schnittpunkt der wichtigsten deutschen Weingaue am ehesten ein eingehen­des Studium der deutschen Weinbaugebiete ermöglicht. Seit der Durchführung der letzten Weinbaukongresse in Lau­sanne, Paris und Lissabon hat die Weinbauwirtschaft Deutschlands eine durchgreifende Wandlung erfahren. Mit der Ostmark und den Sudetengebieten hat die deutsche Wein­baufläche eine Ausdehnung um mehr als 30 000 Hektar er­fahren. Die großdeutsche Weinbauwirtschaft hat damit in­nerhalb der internationalen Weinbauwirtschaft eine be­deutende Stellung errungen, die dazu verpflichtet, den aus­ländischen Gästen einen umfassenden Einblick in die Aufga­ben und Probleme der deutschen Weinbauwirtschaft zu ge­ben.

Nach dem bisher vorliegenden Programm werden auf dem Internationalen Weinbaukongreß die führenden Weinfach- leute der Welt zu Worte kommen. All diese Probleme des

Weinbaues und des Weinmarktes, die, international gese­hen, weitgehend die gleichen find, werden Gegenstand beson­derer Arbeitstagungen sein. Diese fachlichen und wissen­schaftlichen Arbeiten werden von besonderen Fachausschüs­se» vorbereitet und ausgewertet. Für die Fachgruppe Weinbau" sind fünf Sektionen gebildet, die im einzelnen die Fragen des Standortes und der Rebe, der Rebenzüch­tung, der Krankheiten und Schädlinge der Rebe, der Reb­lausbekämpfung und Rebenveredlung und der Kellerwirt­schaft behandeln. Die ArbeitsgruppeVerwertung und Ab­satz von Weinbauerzeugnissen" ist in vier Sektionen unter­teilt und bearbeitet im einzelnen die Fragen der Markt­ordnung, des Weinhandels, der Weinein- und -ausfuhr und der Verwertungsmöglichkeiten von Weinbauerzeugnij- sen.

Diese hier nur in groben Umriffen skizzierten Arbeitsta­gungen werden durch eine ganze Reihe von Studienfahrten in die verschiedenen deutschen Weinbaugebiete ergänzt. Ne­ben dem interessanten Aufbaugebiet der Nahe mit seiner anerkannt guten Kellerwirtschaft werden insbesondere die Weinbaugebiete an Rhein und Mosel, in Rheinheffen und Rheinpfalz besichtigt. Die ausländischen Gäste werden da­mit nicht nur ein weinfachlich interessantes Gebiet, sondern auch altes deutsches Kulturland kennenlernen. Die Vorar­beiten für diesen Weltkongreß, der im Rahmen der inter­nationalen Veranstaltungen dieses Jahres besondere Be­achtung findet, sind schon weit gediehen. Das Interesse des Auslandes ist außerordentlich groß, nicht nur in den Wein­bauländern, sondern auch in den Weinkonsumländern.

Wenn in der Zeit vom 21. bis 30. August die Weinsach- lcute der Welt in Kreuznach zusammenkommen, dann wer­den der fachlichen Arbeit sicherlich bedeutsame Erfolge be- fchieden sein. Darüber hinaus aber ist auch das.persönliche Sichkennenlernen, das gemeinsame Erlebnis geselliger Stunden für die internationalen Beziehungen und das freundschaftliche Verhältnis der Völker untereinander von besonderem Wert.

AmerikasZuckerkönig" - ein Hannoveraner

WPD. Mit zwölf Mark barem Gelbe ist der niederdeut­sche Bauernjunge Klaus Spreckels aus dem hanno­verschen Ort Lamstedt in Charleston angekommen, als viel­facher Millionär und anerkannterZuckerkönig" ist er in den letzten Tagen des Jahres 1908 in San Franzisko gestorben. Amerika war noch das Land der unbegrenzten Möglichkei­ten!

Die Anfänge Spreckels gleichen denen der anderen Wirt­schaftspioniere des 19. Jahrhunderts. Angestellt gegen Be­köstigung und Nachtquartier, dann gegen Lohn, schließlich Besitzer eines Spezereiladens. Aufstieg zu immer größeren Betrieben, schließlich Kauf einer Brauerei in Kalifornien, das noch unter dem Goldfieber litt. Spreckels läßt sich durch die vielen Glücksritter, durch die Spekulationen mit Gold­minen nicht verführen: er geht den soliden Weg. Mit gu­tem Gewissen verkauft er die Brauerei, um sich dann ganz der Aufgabe zu widmen, die er in der Zuckerwirtschaft ge­stellt sah.

Ueberaus bezeichnend ist für diesen Plattdeutschen die Ar­beitsmethode. Bevor er sich an den Aufbau des Zuckerge­schäfts auf den Hawai-Jnseln wagt, geht er nach Neuyork, um von Grund auf in den dortigen Raffinerien die Praxis der Fabrikation zu erlernen. Und nach der Gründung der einflußreichenBay Sugar Refining Company" fährt er in die alte Heimat, um neue Maschinen und Methoden kennen­zulernen. Trotz seines Reichtums verdingt er sich in einer Magdeburger Fabrik, lernt dort alles, was es zu lernen gibt und kehrt nach Amerika zurück. Auf seine Anordnung hin werden neue Maschinen gebaut und Arbeitsmethoden entwickelt, die seine Betrieben in Kalifornien und Hawai bald eine Aeberlegenheit geben, die die Konkurrenz nicht einholen kann. Seine Fabriken stellen Hartzucker in einem Tage her, während man bisher mehrere Wochen dazu ge­braucht hat.Würfelzucker" wird von ihm zuerst auf den Markt gebracht.

Sowohl in der amerikanischen Zuckerwirtschaft als auch in der Erschließung Hawais durch moderne Plantagenbe­triebe hat Spreckels deutsche Vorgänger gehabt, von denen man in ihrer Heimat noch weiß. Im Osten spielten die Ha- oemeyers eine ähnliche Rolle, wie im Westen Amerikas Spreckels. Als Wilhelm Havemeyer 1799 Bückeburg, die kleine Residenzstadt des Fürsten von Schaumburg-Lippe, verließ, war Herder, der hier mehrere Jahre tätig gewesen war, schon nach Weimar weitergewandert. Wir wissen nicht, ob der spätere Zuckerfachmann ihn einmal hat predigen hö­ren, oder ob seine Eltern ihm von diesem merkwürdigen, in Bllckeburg recht unbeliebten Führer des Geistes erzählt ha­ben. Wir können jedoch sagen, daß das Vückeburg, das sie verließen, sich nur wenig geändert hatte: Es war das Spie­gelbild eines in sich zerrissenen, ohnmächtigen Deutschlands, ein leichtes Opfer napoleonischer Weltherrschaftspolitik. Wie konnte ein schlichter Mann wie Wilhelm Havemeyer Stolz auf seine Heimat empfinden, wenn ein Herder davon sprach, daß unser Vaterland nur Phantom und Schatten unserer Väter ist?" So ist es nicht verwunderlich, daß der junge Bllckeburger zusammen mit seinem Bruder in der Neuen Welt ausschließlich wirtschaftlich tätig war, obwohl ihm of­fenbar die Fürsorge für das Wohl des Ganzen, also ein po­litisches Handelnlag". Jedenfalls ist ein Enkel des ersten Havemeyer mehrfach Major von Neuyork gewesen, während die anderen Nachkommen sich weiter wirtschaftlich betätigten und schließlich die American Sugar Refining Company schu­fen, die über ein Kapital von 300 Millionen Mark verfügte.

Im Kampf mit Havemeyer hat Spreckels sich durchgesetzt. Er konnte das vor allem durch seinen Einfluß in Hawai. Ein Besitz in der Größe des Kreises Birkenfeld machte ihn zu dem mächtigsten Pflanzer. Künstliche Bewässerung er­höhte den Ertrag. Eine eigene Dampfschiffahrtslinie brachte die Ernte rasch und billig auf den Markt, außerdem erhöhte sie die Abhängigkeit der übrigen Pflanzer Hawais von die­sem zielbewußten Hannoveraner.

Wenig ist bekannt, daß es auch in Hawai eine größere Anzahl von deutschen Ansiedlern gibt, die im Zusammen­hang mit der Zuckerwirtschaft ins Land kamen. Heute erin­nern nur noch einige Reste an diese Einwanderer, die einst Wesentliches zur Ausschließung der Inselgruppe leisteten. Sie sind zwischen 1881 und 1897 in einer Gesamtzahl von rund 1300 eingewandert und stammen vor allem aus Nie­dersachsen (besonders aus der Gegend um Nienburg an der Weser), zum kleineren Teile (13 v. H.) aus Westpreußen. Geworben wurden sie durch die Firma Hackfeld, die 1849 in Honolulu gegründet wurde und vor Spreckels den größten Einfluß in 5er Zuckerproduktion der Inseln besaß. Diesen Deutschen ist es nicht gut gegangen, weil sie als Arbeiter

aus den Plantagen keine Möglichkeiten des sozialen Auf­stiegs hatten und auch unter ungünstigen Umständen tätig waren, abgesehen von einer Gruppe auf der Insel Kauai, die ab 1892 deutsche Lehrer und Geistliche hatte.

Doch zurück zu Spreckels! Er war von einem unbändigen Tatendrang erfüllt und hat deshalb auch außerhalb der Zuckerbranche eine führende Rolle gespielt. Einer seiner Söhne wurde Bankier, er selbst schuf für San Franzisko, das zu seinem Wohnsitz wurde, Gas-, Licht- und Stromge­sellschaften, die sowohl die reichen als auch die armen Ein­wohner der Stadt versorgten etwas, was es bis dahin noch nicht gegeben hatte. Ein Musikpavillon im Golden Gate Park der kalifornischen Hafenstadt hält die Erinne­rung an seinen Stifter wach, an den großen Niederdeutschen Claus Spreckels aus Lamstedt in Hannover, den Zuckerkö­nig des Westens und Erschließers Hawais für den ameri­kanischen Zuckermarkt. B. Landschoff.

Ba-e«

Heiratsschwindel und Mord

Basel, 14. Mai. Am 14. April wurde von Augsburg eine Ver­mißtenmeldung über eine 1904 geborene deutsche Staatsangehö­rige, Julie Schubert, Küchenmädchen, und in Basel in Stellung, aufgegeben. Von dem Mädchen hatte man 12 Tage keine Nach­richt mehr erhalten. Sie ist am 25. März ins Tessin gereist, um sich dort mit einem Hans Hegener zu verehelichen, Die Nachfor­schungen der Basler Staatsanwaltschaft ergaben, daß Hegener identisch ist mit einem 1899 geborenen Schreiner Karl Seiler aus Basel, der neunmal zum Teil schwer vorbestraft ist und bis im Frühjahr dieses Jahres in Basel im Gefängnis saß. Seiler mietete sich nach der Entlastung aus dem Gefängnis in Alters­heim ein, verreiste vier Wochen später, und seine Zimmerfrau erfuhr nur noch, daß er in Bergamo tödlich verunglückt sei. Durch die Vermißtenanzeige aus Augsburg wurde eine Untersuchung veranlaßt, in deren Verlauf festgestellt wurde, daß Seiler eine Villa im Tessin in der Nähe von Ponte Tressa besaß. Seiler wurde in Lugano verhaftet. Obwohl er die ihm zur Last geleg­ten Einzelheiten bestreitet, darf heute doch auf Grund eines rei­chen Jndizienmaterials angenommen werden, daß er sich meh­reren Frauen und Mädchen gegenüber als Heiratsschwindler betätigte und den Opfern mehrere tausend Franken abnahm. Er hat am 2. April aller Wahrscheinlichkeit nach die ihm lästig gewordene Julie Schabert in seiner Villa erschossen und dar­aufhin in den Luganersee geworfen.

Wolfach, 14. Mai. (Arbeitsunfall Zwei To­desopfer.) Freitagnachmittag ereignete sich in de« hie­sigen Möbelwerken ein folgenschwerer Unfall, dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen. Mehrere Arbeiter waren damit beschäftigt, in einem Holzschuppen eine nasse Wagen­decke mittels eines Drahtseiles zum Trocknen hochzuziehen. Dabei hatten sie offenbar nicht beachtet, daß an dem Bal­ken, /Iber den das Drahtseil zum Hochziehen gelegt worden war, eine elektrische Leitung entlang lief. So durchschnitt das schwer belastete Drahtseil beim Hochziehen das Lei­tungsrohr und die Arbeiter erhielten durch die Berührung des Seiles mit dem elektrischen Draht einen Schlag, wobei der 36 Jahre alte verheiratete Arbeiter Franz Dieterle von Wolfach, Vater zweier Kinder, und der 24jährige ledige Ar­beiter Karl Haug aus Oberwolfach auf der Stelle getötet wurden. Ein dritter Arbeitskamerad wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.

Karlsruhe, 14. Mai. (Vom D-Zug überfahren.) Samstagmittag wurde im Bahnhof Karlsruhe-Hagsfeld der als Streckenläufer Dienst tuende Bahnwärter Wilhelm Füßler aus Friedrichstal durch einen D-Zug überfahren und getötet.

Karlsruhe, 13. Mai. (Arbeitskameraden be­stohlen.) Das Karlsruher Schöffengericht verhandelte gegen den wegen Rückfalldiebstahls angeklagten 26 Jahre alten Karl llrbiks aus Dortmund. Der mehrfach und ein­schlägig vorbestrafte Angeklagte wurde beschuldigt, im Ja­nuar d. I. einem Arbeitskameraden einen Geldbetrag von 30 RM. entwendet zu haben. Der Angeklagte leugnete hart­näckig die Täterschaft und suchte durch romanhafte Dar­stellungen den ehrlichen Erwerb des Geldes glaubhaft zu machen. Das Gericht hatte auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme keinen Zweifel an der Schuld des An­geklagten und sah ihn als überführt an. Das Urteil lau­tete wegen erschwerten Diebstahls im Rückfall auf eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren.