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RagolLer Tagblatt „Der Eesellschafter
Verschiedenem
Die reichsdsutsche Exklave Büfingen inmitten der Schweiz
Es ist nur wenig bekannt, daß zu Eroßdeutschland eine Ortschaft gehört, die nur 5 Kilometer von Schasfhausen entfernt und ringsum von Schweizer Boden umgeben ist: Büfingen, ein Dorf mit fast 1000 Einwohnern. Schon im 10. und 11. Jahrhundert kam der Ort lehensrechtlich und pfarramtlich zum Kloster Allerheiligen. Daran änderte sich auch nichts, als Büfingen später österreichisch und 1810 badisch wurde. Ein Teil der Bewohner war in der Schweizer Industrie beschäftigt, da die zugehörige Bodenfläche der zunehmenden Bevölkerung nicht genügend Lebensunterhalt durch Ackerbau allein bot. Die meist kleinbäuerlichen Betriebe bauen vorwiegend Weizen — kaum andere Getreidesorten an. Da die Exklave seit Beginn des vorigen Jahrhundert Zollausschluhgebiet ist, entwickelten sich notgedrungen die wirtschaftlichen Beziehungen nur zur Schweiz hin. Büfingen lieferte landwirtschaftliche Produkte und bezog dafür Schweizer Maschinen und Lebensmittel. Auch die täglichen Besorgungen werden meist in Schaffhausen erledigt. Die Krisenjahre der Inflation brachten für die Büsinger keinerlei wirtschaftliche Störungen, da die Erwerbstätigen ihren Lohn in Franken erhielten. Gelegentlich versuchten sie auch, politischen Anschluß an die Schweiz zu gewinnen. Die Versuche scheiterten aber daran, daß die Schweiz Deutschland keine „Ersatz-Exklave" anbieten konnte. Inzwischen hat sich aber die Ortschaft mehr Großdeutschland zugewandt, denn dort fanden die aus Schweizer Diensten entlassenen Arbeiter Arbeit und Brot. (Doz. Dr. Siedentopf in „Umschau in Wissenschaft und Technik", Frankfurt a. M.)
„Blitzwunder" bei Livorno!
In einem Bauernhaus bei Livorno schlug vor wenigen Tagen mit mächtigem Getöse ein Blitz ein. Der Blitz ging durch den Schornstein des großen Hauses, zerstörte diesen gänzlich und lief dann quer durch das Zimmer, wo ein Mitglied der Familie noch im Bett lag und um ein Haar von den Trümmern begraben wurde. Der Bauer wachte mit jähem Schrecken auf, als er einen Teil seines eisernen Bettes schmelzen sah und die Laken, die ihn bedeckten, in Brand gerieten. Der Blitz lief nun weiter bis in die Küche, wo er einen kleinen Tisch, der in der Mitte des Raumes stand, vollkommen einäscherte. Darauf lief er zum Eeschirr- schrank und zertrümmerte sämtliches Geschirr. Sogar die Stühle, die in den verschiedenen Ecken des Raumes standen, wurden auf dem Wege von ihm verbrannt, ebenso wurde die Petroleumlampe, die an einem Eisendraht von der Decke hing, zertrümmert. An diesem Eisendraht entlang stieg der Blitz zum höheren Stockwerk auf. Er durchstieß die Decke, riß das Dach fort, so daß die Ziegel herunterprasselten, und da von dort aus ein Draht zu einem Speicher führte, in dem Stroh aufgehciuft war, fuhr er auch dort hinein, so daß das Stroh lichterloh aufflammte. Von dort sprang der hartnäckige Zerstörer auf eine andere Scheuer über, die ebenfalls in Flammen aufging. Nachdem er dann noch eine dritte Scheuer in Brand gesetzt hatte, war sein unheilvoller Weg beendet.
Eiffelturm 5V Jahre alt
Das Wahrzeichen von Paris, der 300 Meter hohe Eiffelturm, kann in den nächsten Tagen seinen 50. Geburtstag feiern. Dieses Jubiläum wird durch eine offizielle Festlichkeit begangen werden. Der Sohn des Staatspräsidenten Carnot, der zur Zeit der Errichtung des Eiffelturmes amtierte, wird die Trikolore auf der Spitze des Turmes hissen.
Nur beim „Lernen" hapert's
In der Universität von Südkalifornien beschloß eine junge Studentin ihr Studienjahr mit geradezu hervorragenden Ergebnissen. Sämtliche Lehrfächer bestand sie mit „vorzüglich" und „ausgezeichnet". Nur in einem Fach haperte es. Sie erreichte hier mit knapper Not ein „Kaum genügend". Das Lehrfach nannte sich: „Die Grundsätze des Lernens".
Ohne Gras keine Kultur!
Die wichtigste Pflanze — 25Ü VVV verschiedene Arten
Wenn man einen Botaniker fragt, welche Pflanze er für die wichtigste auf dieser Erde halte, wird er ohne weiteres sagen, daß das Gras diesen Namen verdient und diese Rolle spielt. Denn das Gras wird nicht nur als Futter vom Tier gefressen. Das Gras ist auch die Grundform des Getreides, das wir verzehren. Sogar der Bambus und gewisse Riedgräser fallen unter den Begriff des Grases, wenn wir natürlich auch diese weit entwickelten Formen kaum mehr als Gräser erkennen.
Wenn man sich nun in Amerika entschließt, ein sogenanntes Gras-Institut einzurichten, dann geschieht dies vor allem des
halb, weil das Gras in einer ganz bestimmten Form für Ame- s rika eine ganz gewaltige Bedeutung hat. Einst war Amerika j auf weiten Strecken von Gras bedeckt. Man schuf dort Kultur- ^ land, konnte teilweise dieses Kulturland nicht dauernd bewirt- ^ schasten, Trockenperioden kamen hinzu: das Land, das man seiner Bindung durch die Grasnarbe enthoben hatte, verwandelte sich s in Sand, der zu wandern begann. j
Man will nun den amerikanischen Boden, der in weiten Ge- s bieten in Wüstenbildung übergegangen ist und ständig neue ! Strecken erobert, wieder durch eine Grasnarbe binden. Und des- ! halb sucht man nach der besten und leichtesten Grasform, die ! imstande wäre, das wieder gutzumachen, was vorher von der s Menschheit in Amerika gesündigt wurde. Die Grundlage für j das geplante amerikanische Gras-Institut ist eine große Eras- sammlung, die von einem gewissen Dr. Hitchock angelegt wurde. ^ Diese Sammlung umfaßt nicht nur alle Gräser, die in Amerika s und in den übrigen Weltteilen erreichbar waren, sondern außer- ! dem 6000 Bücher und längere Abhandlungen über die Gräser ! dieser Welt. !
Man schätzt heute die Zahl der verschiedenen Grasarten auf ! 250 000. Bis zu einem gewissen Grade sind diese Grassorten > schon in dem Gras-Institut beisammen, sorgfältig geschieden ! und mit Aufschriften versehen. Viele Jahre hat Dr. Hitchock ! darauf verwendet, diese Sammlung zusammenzubringen. Ein ! großes Vermögen, das er von seinem Vater erbte, verbrauchte i er auf seiner Jagd nach Grassamen, — eine I>,a . die ihn : rund um die Welt führte.
wirtschlls.
Zentralkasse Wiirttembergischer Genossenschaften. In der o.
HV. wurde der Abschluß für das Geschäftsjahr 1338 genehmigt (wieder 5 Prozent). Außerdem beschloß die HV. die Äenderung der Firma in „Zentralkasse wiirttembergischer Volksbanken, eGmbH.". Anstelle des verstorbenen Direktors Karl Schumacher wurde ^-Oberführer Robert Zeller-Stuttgart zum Vorstandsmitglied bestellt. Neu in den AR. gewählt wurde dann Direktor Hartmann (Württ. Bank, Stuttgart).
Vereinigte Filzfabriken AG., Giengen-Brenz. Die 58. o. HV. der Vereinigte Filzfabriken AG., Giengen-Brenz, genehmigte einstimmig und ohne Aussprache die Regularien des Abschlußes 1938 und beschloß die Einziehung der Vorzugsaktien (5000 RM.), sowie die dadurch bedingte Herabsetzung des Grundkapitals sauf 3,15 Mill. RM.) und Äenderung der Satzung. Aus dem Vorstand der Gesellschaft ist nach langjähriger Tätigkeit Direktor Max Haehnle ausgeschieden. An seine Stelle trat sein Sohn Peter Haehnle. Aus dem Aufsichtsrat der Gesellschaft ist im übrigen Geheimer Kommerzienrat Otto Fischer, Stuttgart, ausgeschieden, er hat 29 Jahre lang seine Fähigkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, was in der Versammlung mit befände- - rem Dank hervörgehoben wurde. Auch Direktor Max Haehnle, ver dem AR. nunmehr zugewählt worden ist. durfte den Dank für seine bisherige Tätigkeit entgegennehmen. Außerdem wurde dem AR. hinzugewählt Direktor Karl Dörr. Stuttgart. — Zu der Entwicklung der Filiale Brünn der Gesellschaft wurde mitgeteilt, daß der ganze Betrieb ohne Einschränkungen und ohne unangenehme Zwischenfälle während der schwierigen Zeiten des Vorjahres weitergeführt worden sei. Der Absatz habe natürlich gelitten, es sei aber im großen und ganzen nichts verdorben worden.
Deutsch-niederländischer Warenverkehr. Die seit dem 13. März 1939 in Berlin zwischen einer deutschen und einer niederländi- scqen Delegation in freundschaftlichem Geist geführten Verhand-. Zungen über die Regelung des deutsch-niederländischen Waren- i Verkehrs haben am 25. März 1939 zu einer vollen Einigung geführt. Der neue Vertrag tritt am 1. Avril 1939 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 1940.
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endigte die Regularien für das Geschäftsjahr 1938 eiw stimmig und ohne Aussprache entsprechend den Vorschlägen de,
^ k^rden 7 (6) Prozent Dividende auf 1,961 Mill. RM. umlaufendes AK. ae.mült.
Die Handschuhe der Glücks
SkiM von Herbert Eckert.
Irgendwo auf der Straße begegnete Fritz Morland ihr.
Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erkenntnis, daß er eben dem Glück begegnet sein mußte. Und was für einem Glück! Schlank und rank war es, blond und blauäugig, und ein Mund, nur dazu geschaffen, Zärtlichkeiten zu geben und zu empfangen!
Daß Fritz Morland diesem Glück folgte, ist selbstverständlich. Er folgte ihm aber eine halbe Stunde, folgte ihm in
Dourerstag, den 30. März 1939
den großen Park der Stadt, wo es sich auf einer Bank nir- derließ, ein Buch hervorholte und zu lesen begann.
Es gab ja wohl noch manch andere, ähnliche Sitzgelegenheit im Park, aber Fritz fand, keine bot eine so bezaubernde Sicht wie gerade jene, auf der das Glück saß. Da gab er seinem schon halb und halb entschlossenen Herzen den letzten Schwung und landete auf eben der gleichen Bank. Er lüftete den Hut mit lächelndem Gruß.
Das junge Mädchen namens Jsott blickte eine Sekunde — nicht mehr — auf, murmelte etwas Unverständliches, was ebenso wie ein Gruß wie auch der Ausdruck des Unwillens über die Störung sein konnte, und zog sich wieder in die Lektüre zurück.
Das war durchaus nicht nach dem Sinn Fritz Mailands. Und überdies war er ein unternehmungslustiger junger Mann! Mit gespielter Umständlichkeit holte er sein Zigarettenetui hervor.
„Es stört Sie doch nicht, gnädiges Fräulein, wenn ich rauche?"
Wieder ein blitzschneller Blick ohne jede Freundlichkeit.
„Mich stört es nicht!"
Fritz Morland glaubte die Stimme eines Engels zu hören und wagte einen weiteren Vorstoß.
„Vielleicht rauchen Sie selber eine Zigarette mit mir? Ich würde sehr glücklich sein!"
Ganz große Niederlage! Weder ein Blick noch eine Antwort folgte. Das engelstimmenbegnadete Mädchen schien sei« Anerbieten geflissentlich zu überhören und las weiter.
Aber Fritz Morland war zäh und ließ nicht locker. Er wußte, solch ein Glück fällt einem nicht auf Anhieb in den Schoß. Er rückte wie unbeabsichtigt ein wenig näher.
„Verzeihen Sie, mein gnädiges Fräulein, gewiß eine sehr spannende Lektüre?"
„So spannend, daß ich nicht wünsche, von Ihnen dauernd belästigt zu werden!"
Peng! Das war deutlich.
Fritz Morlands ganzer Mannesstolz bäumte sich hoch. Doch nur einen Augenblick!
Engel mit kleinen Fehlern! ging es ihm durch den Sinn. Aber auch dieses Noli me tangere ist bezaubernd!
Irgend ein unbedeutender Anlaß bewog ihn, sich umzn- wenden. Und was sah er auf der Erde hinter der Bank? Einen charmanten, fantastischen perlgrauen Wildlederhandschuh, das Gegenstück zu dem, der neben der reizenden, kleinen Kratzbürste lag. Er brauchte nur ein wenig mit der Hand nach hinten zu langen und schon hatte er ihn geangelt. Nun würde sie wohl endlich ein wenig zugänglicher werden?
„Mein gnädiges Fräulein..."
Weiter kam er nicht. Denn das gnädige Fräulein stand brüsk auf und wollte gehen. Sie nahm den einen Handschuh und sah sich suchend nach dem zweiten um. Auch ihn blickte sie dabei an.
Fritz Morland gab seinen Fund nicht her.
Such nur noch ein Weilchen! dachte er. Und ärgere dich nur ein wenig über den Verlust! Das ist wohlverdiente Strafe!
Das junge Mädchen zuckte mit den Schultern und ging dann den Weg, den es gekommen war, zurück. Möglich, daß sie ihn auf diesem Weg verloren hatte.
er, wie sie vom Hauptweg abbog, und er begann schneller auszuschreiten, um sie nur nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Am Geländer der Brücke blieb sie stehen, die über das Flüßchen führte, das durch den Park floß. In tiefen, wie es schien, wehmütigen Gedanken. Fritz Morland näherte 'hr und trat dann entschlossen auf sie zu.
aber ich nehme an, Sie werden diesen Handschuh suchen!" sagte erllächelnd und reichte ihn mit galanter Bewegung hin.
holten gruben sich in ihre glatte Stirn, und ihre Augen schoflen Zornesblitze.
„Sie gemeiner Kerl!" zischte sie den Fassungslosen an. „Eine bodenlose Unverschämtheit, mir so lange den Fund des Handschuhs zu unterschlagen! Dort, in dem Fluß Ichwrmmt der andere! Eben habe ich ihn reingeworfen, um nicht mehr an den Verlust erinnert zu werden! Und jetck kommen Sie! Wissen Sie, was Sie sind? Sie sind..., ach. es lohnt nicht!"
Wütend warf sie ihm den Handschuh ins Gesicht und eilte davon.
Fritz Morland starrte ihr mit offenem Munde nach, was ganz gut zu seinem in diesem Augenblick wenig geistreichen Gesicht patzte
Roman von Klara Laidhausen.
Arhebcrrechtsschutz durch Verlagsanstalt Man,, Regensburg. S. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Freundlich erwiderte Ditha den Gruß der Frau und faßte dann liebevoll nach den beiden zarten Kinderhändchen: „Hast Du nun ausgeschlafen, Anneli? Und bist Du auch ganz schön still und brav gewesen?"
Das Kind nickte mit den Augen und zog mit rührend zärtlicher Gebärde die Hand der Ärztin an die heiße Wange. — Die Mutter trat bescheiden näher: „Doch, Frau Doktor, sie ist ganz ruhig gelegen und ich habe sie auch nicht sprechen lassen. Nur ganz still Hab' ich neben ihr gesessen und ihr Händli gehalten."
„Dann ist's gut, Frau Bürklin," nickte Ditha. „Ich habe ja auch gewußt, daß man sich auf eine Mutter wie Sie verlassen kann, sonst hätte ich nicht erlaubt, daß Sie bei Anneli blieben. Im übrigen wird's ja nun jeden Tag besser werden und das Anneli wird bald wieder mit den andern Kindern draußen herumspringen können. Das wird schön fein, gelt Anneli?"
„Frau Doktor" — mit verkrampften Händen stand die Frau vor Ditha — „ist's denn wirklich, wirklich wahr? Wie ich heute gekommen bin, hat mir die Schwester gesagt, daß die Gefahr vorüber ist und das Kind wieder gesund werden wird. Ach, ich getrau mir's ja gar nicht zu glauben!"
„Doch, Frau Bürklin," sagte Ditha froh, „ich glaube wirklich, daß wir ohne Sorge sein dürfen. Das Anneli wird sicher wieder ganz gesund."
Die Augen der Mutter füllten sich im Übermaß ihrer Bewegung mit Tränen und ehe Ditha es hindern konnte, hatte sie sich über ihre Hand gebeugt und sie geküßt. „Frau Doktor — danken kann man für so etwas nicht. Aber Gott möge Ihnen an Ihren Kindern einst lohnen, was Sie an dem unsren getan haben!"
Sie sollen nicht mir danken, Frau Bürklin," wehrte Ditha ruhig ab. „Wir Arzte sind nur Werkzeuge in' Gottes Hand. Wir tun unser Bestes, Las ist schließlich nicht mehr als unsere Pflicht, das Leben aber kommt von Gott. Ihm müssen Sie danken, daß er Ihnen Ihr Kind gelassen hat."
Die Frau trat schweigend zurück, aber in dem Blick, mir dem sie Ditha umfaßte lag eine verehrungsvolle Inbrunst.
Scheinbar gelassen wie immer gab Ditha der inzwischen eingetretenen Schwester die nötigen Verhaltungsmaßregeln für die Nacht und verabschiedete sich dann mit einem leisen Kuß auf die weiße Stirn von dem s.llig lächelnden Anneli. — Draußen aber schritt sie hastiger als sonst und sichtlich von einer tiefen, inneren Erregung gepackt durch den weiten Gang und die Treppe hinunter zu ihrem Ordinationszimmer.
Schweigend folgte Doktor Römer. — Erst als sie schon die Hand auf die Klinke legte, um die Türe ihres Zimmers zu öffnen, bat er mit halberstickter Stimme: „Darf ich einen Augenblick mit Ihnen eintreten, Frau Doktor?"
„Bitte!" nickte Ditha. Und drinnen, während sie schon den Hahn der Waschtoilette öffnete, wie um durch irgend eine äußerliche Tätigkeit ein Ventil für den inneren Aufruhr zu finden: „Haben Sie noch etwas zu besprechen, Herr Kollege?"
Doktor Römer war an das breite, halboffene Fenster getreten und sog einen Augenblick lang die feuchte, duftschwere Luft des warmen Maitages in die Lungen. Dann schloß er das Fenster mit leise bebender Hand und wandte sich um: „Ja, ich möchte noch etwas sprechen mit Ihnen, Frau Doktor, möchte eine Frage an Sie richten."
Cr zögerte einen Moment, wartete wohl darauf, daß sie sich umwenden und ihn auffordern würde, sich zu setzen. Ditha dachte in ihrer nervösen Unruhe aber gar nicht daran, sondern ging hastig und zwecklos zwischen dem Schreibtisch und der Waschtoilette hin und her, hier wie dort alle möglichen unnötigen Handgriffe verrichtend.
Der junge Arzt erinnerte sich nicht, die immer so beherrschte, gleichmäßige Kollegin jemals so aufgeregt gesehen
zu haben. Aber er glaubte ihren Seelenzustand richtig zu deuten und für seine Wünsche günstig, als er mit einiger Anstrengung weitersprach: „Sie wissen wohl, was ich Eie fragen will, Frau Doktor — nein, bitte, unterbrechen Sie mich nicht gleich! Sie täuschen mich nicht, Ditha, auch in Ihrem Herzen haben die Worte, die Frau Bürklin vorhin zu Ihnen sagte, den gleichen starken Widerhall gefunden wie in dem meinen."
Wie eine weiche, warme Welle klang seine Stimme vom Fenster herüber an ihr Ohr: „Gott möge Ihnen an Ihre» eigenen Kindern lohnen, was Sie an dem unseren getan haben! — An Ihren eigenen Kindern, Ditha — wann werden Sie eigene Kinder haben?"
Ditha hatte keinen Versuch mehr gemacht, ihn zu unterbrechen. Sie stand abgewandt an ihrem großen Schreibtisch und zerzupfte in nervösem Spiel eine der herrlichen dunkelroten Nelken, die in einer hohen Vase dort standen. Nun aber wandte sie in jähem Ruck den Kopf zu ihm herüber. Wie durfte er es wagen, an so Zartes und Heiliges mit plumpen Worten zu rühren!
Heftig, in tiefster Erschütterung hervorgestoßen, sprang es von ihren Lippen: „Das soll also wohl heißen, Doktor, daß Sie sehr gern die Liebenswürdigkeit hätten, mir zur Erfüllung dieses schönen Wunsches zu verhelfen?"
Der junge Arzt zuckte wie von einem Peitschenschlag getroffen zusammen, seine warmen braunen Augen färbten sich ganz dunkel. Doch ehe er noch ein Wort der Abwehr finden konnte, stand Ditha schon bei ihm und streckte ihm abbittend beide Hände entgegen: „Nein, nein, verzeihen Sie mir, Gert, das — das habe ich bei Gott nicht gewollt! Ich weiß, wie wenig Ihre zarte, treue Liebe solchen Spott verdient!"
Zögernd ergriff Doktor Römer die dargebotene Hand. „Ditha! . - ." Seine Stimme brach in Erregung.
„Ich fühle die ganze Schwere Ihres Vorwurfs, Gert, und ich bitte Sie nochmals, verzeihen Sie mir! Ich war von Sinnen, ich . . ."
(Fortsetzung fotzt ).