Naqolder TagblattDer Gesellschafter

L Seite Nr. 76

Donnerstag, den 30 März igzg

Lieferungen sollen innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden.

Wehrpflicht sSr Achtzehnjährige in England

ader Keine allgemeine Dienstpflicht

London, 28. März. In der Londoner Morgenpresse hat plötz­lich wieder der Ruf nach energischen Maßnahmen, vor allem auf dem Gebiete der nationalen Verteidigung mit Wucht eingesetzt. Fast ausnahmslos fordern die Blätter von der Regierung drin­gend, daß England nicht nur noch verstärkt aufrüsten müsse, sondern daß auch vor allem die militärische Ausbildung entsprechend den Notwendigkeiten des Augenblicks umgestaltet werde. Allerdings gehen die Blätter meist nicht so weit, von der Regierung die sofortige Einführung einer allgemeinen Wehr­pflicht zu verlangen.

Beachtlich sind dabei die Ausführungen derTimes", die sich für eine Art zwangsmäßiger Uebungsperiode der Jugend, also für eine Art Wehrpflicht, einsetzt. Das Blatt meint, es wäre sehr ratsam, wenn man heute als erste Maßnahme zumindest ein allgemeines Training für die Jugend von 18 Jahren ein­führen würde. Technische Schwierigkeiten bestünden nicht. Diese Maßnahme würde die Schwierigkeiten der Ilebergangszeit zwi­schen dem Friedenszustand und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Kriegsfälle erleichtern.

2m übrigen rät das Blatt der Regierung, außer der Einfüh­rung der vorbereitenden Wehrpflicht für die Achtzehnjährigen die Stärke der sogenannten Territorialarmee zu ver­doppeln und eine großangelegte Rekrutierungskampagne zu unternehmen. Der politische Korrespondent desNews Chro- nicle" will aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, daß sich das Kabinett bereits mit dem Plan der Einführung der Wehrpflicht für die Jugend befasse.

Für die Freiheit der Nation gefallen

Das arabische Volk trauert um einen Vorkämpfer

Jerusalem, 28. März. Der Tod des Araberführers Abdulra- k> i ms, der im Kampfe um seine Heimat den brutalen englischen Terrormethoden zum Opfer gefallen ist, hat bei allen Arabern Palästinas tiefste Trauer ausgelöst. In Jaffa herrscht seit Dienstagmorgen als Protest gegen das rücksichtslose Vorgehen Ser Engländer General st reik. Sämtliche arabischen Blätter bringen die Meldung von dem Heldentod ihres Führers schwarz umrandet.Al Jihad" erklärt, die Trauer der Araber sei groß, denn Abdulrahim habe beispielhaft dem Vaterland gedient. Wenn Leid und Not des Vaterlandes vorbei sind, werde das ara­bische Volk dem gefallenen Vorkämpfer gegenüber die Dankes­pflicht erfüllen.

Bauernlaud Böhme« ««d Möhre«

Erzeugungsreserven der böhmisch-mährischen Landwirtschaft

Böhmen und Mähren, das Protektorat des Deutschen Reiches, zeigen trotz stärkerer Industrialisierung erheblich agrarischen Charakter. Von der etwa 50 000 Quadratkilo­meter umfassenden Fläche sind zwei Drittel landwirtschaft­lich genutzt, von der sieben Millionen Menschen umfassenden Bevölkerung sind 1,89 Millionen in der Landwirtschaft tä­tig. Beide Länder weisen eine hohe ernährungswirtschaft­liche Selbstversorgung auf. Die landwirtschaftlichen Pro­duktionsgrundlagen sind äußerst vielseitig, bedingt durch un­terschiedliche Höhenlagen und Bodenqualität. Die Niede­rungsgebiete mit schweren fruchtbaren Böden tragen vor allem Zuckerrüben, Weizen und Gerste. In höheren Lagen, die den größeren Teil Böhmens und Mährens einnehmen, werden neben Weizen und Gerste besonders Roggen. Hafer, Kartoffel und Handels- und Futterpflanzen gebaut. Dann folgt das Eetreide-Kartoffelbaugebiet, anschließend über 700 Meter Meereshöhe finden wir neben Feldfutterbau vor allem Wiesen- und Weidewirtschaft als mehr extensive Wirtschaftsweise. In besonders klimatisch begünstigten Ge­bieten haben sich Sonderkulturen entwickelt, so die Gersten­baugebiete Mährens und die Hopfengebiete Böhmens. Da der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche auf guten Boden entfällt, besitzt die Landwirtschaft Böh­mens und Mährens recht hohe Ertragsfähigkeit. Die Hek­tarerträge liegen nicht weit unter denen des Altreiches.

In den Protektoratsgebieten sind die klein- und mittel­bäuerlichen Betriebe vorherrschend. Ihr Anteil am gesam­ten Geldwert der landwirtschaftlichen Erzeugung und am Arbeitseinkommen beträgt etwa zwei Drittel. 72 v. H. der Gesamtfläche Böhmens und Mährens entfallen auf Be­triebe bis zu 20 Hektar; 46,2 o. H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden von den bäuerlichen Betrieben zwischen 5 bis 20 Hektar bebaut. In den Parzellenbetrieben bis zu 2 Hektar liegen 30 v. H. der gesamten Produktion im Pflan­zenbau und 70 o. H. in der Viehhaltung. In den Betrieben von 2 bis 5 Hektar belaufen sich diese Anteile auf 36,1 v. H. im Pflanzenbau und 73,9 v. H. in der Viehhaltung. Bei den Großbetrieben, die vor allem starken Waldbesitz haben, fin­den wir 35 v. H. der gesamten Produktion auf die Viehhal­tung und 56 v. H. auf den Ackerbau entfallend. Hier be­trägt der Anteil der industriellen landwirtschaftlichen Pro­duktion etwa 9 v. H. Diese landwirtschaftliche Industrie setzt ifich vor allem aus Zuckerfabriken und Brennereien zusam­men. Die Kleinstbetriebe unter 2 Hektar werden meist als Nebenbetriebe von Nicht-Landwirten betrieben. Die klein- mnd mittelbäuerlichen Betriebe sind fast ausschließlich von ssamilieneigenen Kräften bewirtschaftet, erst bei den Erößen- stassen über 20 Hektar findet man im stärkeren Maße fremde jllrbeitskräfte. Dies ist wichtig im Hinblick auf die auch in jdiesen Gebieten allmählich «insetzende Landflucht. Ungün­stig wirkt sich bei den bäuerlichen Betrieben die starke Zer­stückelung und Zerstreuung der einzelnen Feldstücke aus. In Böhmen und Mähren fallen auf die Betriebe bis zu 2 Hek­tar je 3,9, auf die Größenklasse 5 bis 20 Hektar durchschnitt­lich je 12,8 Parzellen. Der Weg zu den einzelnen Feldstücken »«trägt im Durchschnitt 1 bis 1,4 Kilometer. Bei der in die­sen Besitzgrötzen stark vorherrschenden Kuhanspannung »ringt dies eine Vergeudung von Arbeitszeit und Arbeits- jkaft mit sich. Deshalb wird hier neben der Aufhebung Ätancher, durch die Lag» der tschecho-slowakischen Wirtschaft -verursachten Erzeugungsbeschränkungen eine umfangreiche Flurbereinigung, eine verstärkte Intensivierung und Bera- Mng viele Erzeugungsreserven freimachen. Dies gilt vor allem in der Viehwirtschaft, die ja, wie oben angedeutet, ähre Grundlage im bäuerlichen Betrieb hat. Eine Auswei­sung der wirtschaftseigenen Eiweißfutterbasis muß eine ge­scherte Grundlage für den im Steigen begriffenen Schweine- und Milchkuhbestand bilden.

Durch den Anschluß an die Ernährungswirtschaft des Deutschen Reiches haben die Agrargebiete des Protektorats die Möglichkeit erhalten, die Erzeugung über die Höhe der Selbstversorgung hinaus zu steigern und ihre Hektarerträge*

an die des Altreiches anzugleichen, ohne Befürchtungen um Absatzschwierigkeiten. Das Protektorat ebenso wie" Groß­deutschland werden daraus den gemeinsamen Nutzen ziehen.

ZdR.

Kleine Nachrichten

Keine Hetzblätter mehr in Prag. Das Prager Innenmi­nisterium hat mit Anordnung die Verbreitung und Förde­rung aller auf dem Gebiete der Sowjetunion erscheinenden periodischen und nichtperiodischen Druckschriften sowie 479 periodische und nichtperiodische Druckschriften der übrigen Staaten auf dem Gebiete des Protektorats verboten. Unter das Verbot fallen sämtliche kommunistischen und marxisti­

schen Blätter, sowie die gesamte Emigrantenpresse und'alle jene ausländischen Zeitungen, deren hetzerische Tätigkeit sattsam bekannt ist.

Explosionsunglück in einer belgischen Munitionsfabrik.

In Lüttich ereignete sich in einer Munitionsfabrik eine hef­tige Explosion. Sechs Personen w»^en dabei getötet und neun verwundet.

Stapellauf in Kiel. Auf der Krupp-Eermania-Werft in Kiel lief das zweite der aus vier U-Booten bestehenden AP-Klafse der türkischen Kriegsmarine glücklich vom Sta­pel. Die Gattin des türkischen Botschafters in Berlin taufte das U-Boot auf den NamenBatiray" (Versenker).

Zum Reichsbaurat für Linz ernannt. Der Führer hat den Architekten Prof. Roderich Fick zum Neichsbaurat für die Stadt Linz an der Donau bestellt.

Eindrücke einer Fahrt durchs Memelland

Durch die Rückgliederung des Memelgebietes an das Deutsche Reich kehrt im Verhältnis etwa zu Böhmen, Mäh­ren oder dem Sudetenlande ein kleiner nicht sehr volksrei­cher Eebietsstreifen in den Verband Großdeutschlands zu­rück. Ein Landstrich von 2656 Quadratkilo- metermit150 OOOEinwohnern, das ist der nord­östliche, dreieckförmige Zipfel Ostpreußens nördlich der Me­mel und Ruß, der unter dem Namen desMemelgebietes" zwei Jahrzehnte lang viel Staub in der internationalen Politik aufgewirbelt hat und nun durch die weitschauende Politik Adolf Hitlers wieder der größeren deutschen Heimat zurückgegeben wurde. Aber so klein auch das Memelgebiet ist, so gering auch die Zahl der Memelländer im Vergleich zu den Millionen Bewohnern des großdeutschen Reiches sein mag, die Freude über die Befreiung des Landes ist ebenso groß, als wenn es sich um ein Gebiet von vielen zehntausend Quadratkilometern mit mehreren Millionen Menschen ge­handelt hätte. Sie ist es deshalb, weil dieser Nordostzipfel Deutschlands ein kerndeutsches Gebiet seit Jahrhunderten gewesen ist, das landschaftlich eine eigentümliche Schönheit aufweist, von einer aufrechten deutschen Bevölkerung be­wohnt ist und einen lebendigen, nie auszulöschenden Anteil an der preußisch-deutschen Geschichte genommen hat.

Die Stadt Memel, die mit dem Einmarsch deutscher Trup­pen zur nördlichsten Stadt des Reiches wurde, blickt auf eine fast 700jährige Geschichte zurück. Sie wurde 1252, also zur Zeit der letzten Hohenstaufenkaiser, bei der Memelburg gegründet, erhielt 2 Jahre später lübecksches Recht und ein halbes Jahrhundert später die wesentlichen Befestigungen. Anfänglich zu Kurland gehörend, erwarb sie der Deutsche Orden im Jahre 1328. In der wechselvollen Geschichte durch die Jahrhunderte machte sie alle großen und alle trüben Zeiten des Deutschtums als wesentlickies Glied und wichtiges Bollwerk germanischen Wesens mit. Sie litt in den Kriegen zwischen Litauen und Polen und brannte wiederholt ab; in den Stürmen des 17. Jahrhunderts, des Dreißigjährigen Krieges, geriet die nördlichste Stadt Ostpreußens zeitwei­lig unter schwedische Herrschaft; im Siebenjährigen Krieg setzten sich fünf Jahre hindurch die Russen darin fest. Nach der Niederlage von Jena und Auerstädt war Memel der letzte Zufluchtsort der preußischen Königsfamilie. In ihr kam nach der historischen Unterredung zwischen Napoleon und dem preußischen Monarchen auf einem Floße im Me- melflutz der Friede zwischen Preußen und England zu­stande, der der Verstümmelung Preußens durch den vorher­gegangenen Tilsiter Frieden folgte.

Der deutscheCharakterdes Memelgebiets, der sich aus seiner Geschichte erklärt, hat sogar in einem Bericht sei­nen Niederschlag gefunden, den ein gemischter englisch-fran- zöstsch-italienischer Ausschuß im Jahre 1923 nach der li­tauischen Besetzung verfaßte. Darin heißt es u. a.:Memel, die älteste Stadt in Ostpreußen, hat niemals zu Litauen gehört. In der Stadt wohnen fast nur Deutsche. Anders kann es ja auch nicht sein, da die deutsche Grenze seit 500 Jahren unverändert geblieben ist. Die Ostgrenze des Me­melgebietes, die früher russisch-deutsche Grenze, stellt eine wirkliche Scheidung ohne llebergang zwischen zwei verschiedenen Zivilisationen dar. Min­destens ein Jahrhundert trennt sie voneinander. Es ist eine richtige Grenze zwischen West und Ost, zwischen Europa und Asien. Hier ist die Bildung so weit fortgeschrit­ten, daß nicht einmal unter den Dorfbewohnern, von denen eine Anzahl litauisch und deutsch zugleich spricht, Aanalpha- beten zu finden sind... Die Bewohner Groß-Litauens sind Katholiken, dagegen sind die Bewohner des Memelgebiets Protestanten. Die litauische Sprache hat sich in gleicher Weise dies- und jenseits der Grenze entwickelt. Ein großer Teil der Litauer memelländischen Stammes fürchtet sich vor einem Anschluß an Litauen ohne genügende autonome Ga­rantie, denn sie wissen ganz gut, was sie dann zu erwarten hätten."

So wie es ein Wahn war, von einerWiedervereinigung" des Memelgebiets mit Litauen zu sprechen, so ist das Wort von der Heimkehr des Memelgebiets ins Deutsche Reich be­rechtigt. Keinem litauischen Staate ist das Memelland je­mals zugehörig gewesen. Es war bei der Ordensbefetzung zum größten Teil Wildnis. Soweit es randbesiedelt war oder wurde, müssen seine Stammbewohner als Kuren (Let­tin) oder Schalauer (Preußen) angesprochen werden. Nörd­lich und südlich des Memelstroms gab es in Ostpreußen kei­nen »»litauischen Landstrich. Die heutige Grenze des Me- mellandes gegen Groß- und Niederlitauen wurde dem Deut­schen Orden von den Litauern im Eewaltfrieden am Mel- noer-See 1422 aufgezwungen. Erst nach diesem Ereignis haben der Orden und später die Landesfürsten litauische Ansiedler und Auswanderer in größerer Menge ins Land gezogen. Sie wurden schnell zu Deutschen; sie optierten völ­lig freiwillig für die deutsche Kultur und damit für die deutsche Nation. Ihr kärgliches Sprachgut wurde durch deut­sche Gelehrte und durch die evangelische Kirche gerettet.

So stellt also die Heimfllhrung des Memellandes durch Adolf Hitler einen Akt geschichtlicher Gerechtigkeit dar, wie er kaum besser gedacht werden kann. Mit der Heimkehr der 150 000 Memelländer erhält Deutschland auch eine Land­schaft voll von eigentümlicher Schönheit zurück. Die Land- fchaftsform des Gebietes ist in der Hauptsache eine flache Erundmoränenebene. Mehrere mündungsreiche Flüsse, darunter die Dange, Minge, Jura und Ruß, zer­schneiden sie kräftig. Der ganze Westrand der Ebene ist von nur teilweise kultiviertem Grünland- und Flachmoortorfen bedeckt, die oftmals den Anblick einer holländischen Land­schaft bieten. An die großen unbewohnten Einöden des Schwenzelner und Auguftumaler Moores schließen sich feuchte, ungangbare Wälder an, in deren Dickicht noch Elche Hausen. Zum Memelgebiet gehörte nach der Grenzzie­hung von 1919 auch der Nordteil der Kurischen Nehrung und des Kurischen Haffs und damit eine Landschaft von

! einmaliger unübertroffener Schönheit. Die gewaltigen ! Wanderdünen und Elchgebiete auf der Kurischen Nehrung, ! die Badeorte Nidden und Schwarzort. diese ganze ! Haff- und Ostseekllste mit ihren langen, ein wenig schwer- ! mutig anmutenden Fischerdörfern gehört wieder zu Deutsch, land.

^ Gesundes und krankes Blut

! Von Dr. med. Georg Kaufmann

j Das rote Blut, das in urrseren Adern kreist, hat vielerlei i Aufgaben zu erfüllen. Es ist einerseits ein Verkehrsmittel, i das die Nahrungsstoffe überall im Körper zu verteilen und ° Abfallstoffe aufzunehmen hat, aber es kann auch Krank- § heitsstoffe weiterverbreiten und Gegengifte enthalten. Mit , fast allen Lebensvorgängen und Stoffwechselfunktionen steht das Blut in engster Beziehung. Es muß ferner als ein be­sonders aufgebautes Organ angesehen werden, das, wie die Haut, das Nervensystem und die großen Drüsen, nur so lange richtig arbeitet, wie es in.allen seinen Teilen gut in Ordnung ist. Nur wenn diese Voraussetzung nicht zutrifft, sprechen wir von krankem Blut in» eigentlichen Sinne. Fehlt es an geeigneten Nährstoffen, an Sauerstoff oder Gegen­giften, so können wir das Blut ebenso wenig für diesen Mangel verantwortlich machen, wie wir einen Lastkraft­wagen als betriebsuntauglich bezeichnen dürfen, weil er ungeeignete Ladung führt, zu wenig oder übermäßig be­lastet ist.

Wenn wir also von Blurkrankheiten sprechen, so verstehen wir darunter eine Störung in der Zusammensetzung oder Verteilung der Blutelemente, vor allem der Blutzellen. Die Blutuntersuchungen, die der Arzt vorninimt, beziehen sich aber sowohl auf das, was das Blut sozusagen als Fracht mit sich führt, als auch auf die Zusammensetzung des Blutes. Bei der Untersuchung des Blutes auf Krankheitserreger und deren Produkte, z. B. der der Wassermannschen Re­aktion, bei der Bestimmung des Blutzuckers oder des Alko­holgehalts, prüft man lediglich die Fracht, die das Blut führt. Entnimmt man aber einem sehr blassen Menschen ein Tröpfchen Blut aus dem Ohrläppchen und zählt unter dem Mikroskop die roten Vlutzellen, so will man wissen, ob in dem Transportorgan selbst etwas nicht in Ordnung ist. Erscheint die Zahl dieser roten Blutzellen stark ver­mindert, ohne daß die roten Blutzellen selbst verändert sind, so liegt einfache Blutarmut vor, die durch einen län­geren oder auch einmaligen starken Blutverlust bedingt sein kann. Das Blut selbst ist nicht krank. Es erneuert sich bald; wenn der Verlust sehr rasch eintrat, wird durch Blutüber­pflanzung der kritische Zustand schnell überbrückt. Findet man dagegen veränderte Vlutelemente, z. V. kernhaltige rote Blutzellen, so besteht eine krankhafte Blutarmut, die durch besondere Heilmittel ausgeglichen werden kann.

Die Zählung der weißen Blutkörperchen kann sehr ver­schiedenartige Vlutkrankheiten aufdecken, denn die weißen Blutzellen sind an sich recht verschieden und stehen gewöhn­lich in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Es gibt eine Krankheit, die sogenannte Weißblütigkeit (Leukämie), bei der sich die Zahl der weißen Btntzellen ungeheuer ver­mehrt hat. Die Leidenden sehen sehr blaß aus. Bei ihnen steht aber nicht der Mangel an roten, sondern das Ileber- maß an weißen Zellen im Vordergrund. Unter den weißen Blutzellen gibt es eine Art, die im gefärbten Blutausstrich eine starke Körnelung aufweist. Sobald sich eine schwere Eiterung im Körper zeigt, treten diese Zellen in ungeheu­ren Massen auf. Sie sind die Abwehrsoldaten im Kampf gegen eitrige Zellgewebsentzündungen (Wundinfektionen). Seit etwa fünfzehn Jahren kennt inan nun eine Krankheit, die durch einen auffallenden Mangel an diesen gekörnten weißen Vlutzellen gekennzeichnet ist. Sie trägt den zwar zutreffenden, aber etwas schwerfälligen Namen Agranulo- cytose, d. h. zu deutsch: Mangel an gekörnten Vlutzellen. Wodurch sie entsteht, ist noch nicht einwandfrei geklärt, ob­wohl man eine Anzahl auslösender Ursachen erkannt hat, aber diese Ursachen, Eiftwirkungen verschiedenster Art, äußern sich nur bei einzelnen Menschen in einer Erkrankung der weißen Blutzellen, während die überwiegende Zahl der Menschen gleiche Vergiftungen durchmacht, ohne daß eine so gefährliche Aenderung des Blutbildes auftritt. Es liegt also vielleicht noch eine besondere krankhafte Anlage der blutbildenden Organe vor Wie dem auch sei, die Krankheit ist lebenbedrohend und muß energisch bekämpft werden. Bei der Suche nach einem Heilmittel hat man auch das Blut von Kranken verwendet, die an einer bestimmten Form der Weißblutkrankheii (Leukämie) litten. Diese Ver­suche haben in einigen Fällen tatsächlich Heilung gebracht. 2m Blut der Weißblütigen ist ja eine übergroße Menge gekörnter weißer Vlutzellen enthalten, und wir erleben damit die einzigartige Tatsache, daß eine Vlutkrankheit durch eins andere bekämpft wird. Nur ist dieses Verfahre« selten anwendbar. Man hat eben nicht immer gleich eine« Kranken mit der erforderlichen Form von Leukämie in er­reichbarer Nähe. Statt dessen kann das Blut Gesunder übertragen werden, oder man verwendet Stoffe, welche die Bildung weißer Blutkörperchen anregen.

Als blutbereitendes Organ kommt hier vor allen Dingen Las Knochenmark in Fra"«> und so hat man auch aus tie­rischem Knochenmark Heilstoffe hergestellt. Die neue Blut­krankheit äußert sich beim Kranken gewöhnlich in recht ver­schiedenartiger Weise. Es treren schwere Mandelentzün­dungen, Zellgewebsvereiterungen, Lymphdrüsenkrankheiten auf, bei denen die natürlichen Heilvorgänge infolge des Blutzellenmangels versagen und die daher oft einen un­glücklichen Ausgang nehmen. E.anz hilflos steht aber der Arzt heute auch diesen Krankheitszuständen nicht mehr gegenüber, und manches kann er tun, um sie zu verhüten oder abzuschwächen.