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Nagolde, Tagblatr »Der Gesellschafter

Dienstag, den 14. März ISA»

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* In einer Zeit, in der viele deutsche Frauen und Mädchen die Ausbildung nn Luftschutz durchlaufen, ist das Augenmerk der Bevölkerung ganz besonders allen Fragen der Luftgefährdung und ihrer Minderung zuge­wandt. Unter diesen Umständen gewinnt da­her die Aufstellung einer neuen Luftabwehrwafse durch unsere Wehr­macht verdoppeltes Interesse.

Als in den Tagen der Tschechenkrise die Londoner Bevölkerung durch die Sensations­presse mit Meldungen über angebliche deutsche Ancxiffsabsichten unter nervenmäßigen und moralischen Druck gesetzt wurde, als die eng­lischen Minister sich der schweren Vorwürfe der Oeffentlichkeit, die Insel und insbesondere die Großstadt London gegen solche Möglich­keiten nicht genügend gesichert zu haben, er­wehren mußten, entstanden ans den gepflegten Rasenflächen des Hydeparks plötzlich und über­stürzt Luftschutz-Unterstände. Ter Ruf der Oeffentlichkeit nach Sicherheit wurde darum nicht geringer und forderte Abwehrbatterien und Kampfgeschwader und führte ernsthaft zu der Erwägung, die Gesamtheit der Londoner Bevölkerung im Kriegsfälle aus der Großstadt zu entfernen und auf dem flachen Lande dezen­tralisiert wieder anzujetzen.

In diesen Streit traf die außerordentlich beruhigende Mitteilung der Regierung Groß­britanniens, nunmehr ein Mittel gefunden zu haben, das die Luftgefährdung gerade der Großstadt in hohem Maße herabsetzt und vor allem jene überraschenden Angriffe von Bombcnfliegern ausschließt, die der Londoner Bevölkerung aus den Tagen des Weltkrieges noch in deutlicher und überaus unangenehmer Weise erinnerlich sind. Wenige Tage später stand um die englische Großstadt ein Kranz silberner Bal­lon s, die an ihren dünnen Halteseilen in ver­schiedenen Höhen im Winde hin- und herpen- oelten.'Tie Presse nahm sich dieses Ereignisses sofort an und aus einigen hundert Spcrr- ballons wurde binnen Kurzem: die unüber­windliche Maginotlinie der Lüfte, das elel trisch bewehrte, mit Minen bestückte Sperrnetz, ein undurchdringlicher Zaun um das Objekt., jedenfalls eine äußerst raffiniert ausgeklügelte Angelegenheit, die geeignet war, dem Volk von London seinen ruhigen Schlaf wiederzugeben.

Für die deutsche Bevölkerung bestand in jenen Tagen der Spannung keine Veran­lassung zu einer ähnlich düsteren Betrach­tungsweise. Ihr Vertrauen zur Führung des Staates schloß die Gewißheit mit eins daß alle notwendige Vorsorge für ihren Schutz getroffen war. Sie wird daher mit inter­essierter Gelassenheit zur Kenntnis nehmen, daß unsere Großstädte und lebenswichtigen Industrien ebenfalls durch Luftsperren einet! zusätzlichen Schutz erhalten haben. Zur Ergänzung der Flakartillerie, die zuweilen durch Wetterverhältnisse, schlechte Sicht oder ungünstige Aufstellung an der Abwehr ge hindert ist, wird sich der Ring der Sperr ballvns in langer Kette oder nach der Ties: gestaffelt gleichfalls um die Schutzgebiete le­gen. In unendlicher Reihe pendeln die fil- dergrauen Sperrballons an ihren dünnen Halteseilen im Winde. Sie verschwinden in der Wolkendecke. Die Mannschaft an der Motorwinde am Boden verändert ab und an die Höhe, um die Tarnung vollständig zu machen. Bei den hohen Fluggeschwindigkeiten ist ein genaues Erkennen der Hindernisse nicht möglich, die dünnen Drahtseile wirken bei einer Berührung wie eine scharfe Säge.

Eine feindliche Fliegereinheit befindet fick; auf dem Anfluge auf ein Ziel, das durch Bomben zerstört werden soll. Der Führer hat sich auf der Karte einen Flugweg ein gezeichnet, der über gut erkennbare Punkte der Landschaft führt. Ein Flußlauf, eine Autobahnkreuzung, das feine Netz der Schie­nen eines Eisenbahnknotenpunktes sollen die Richtungspunkte seines Weges sein. Da er kennt er vor sich, teils höher, teils niedriger die Ballons einer Luftsperre, in unregel mäßigen Abständen, tiefgestaffelt. D a kommt kein geschlossener Ver­band hindurch! Also Abweichen vom Kurse und versuchen, um das Hindernis her­umzufliegen. Zeitverlust, Brennstoffverlust ist entstanden. Die Flieger verschwinden in einer Wolkenbank. Die Anspannung, blind zu fliegen, belastet die Nerven, mehr noch aber die ständige Ungewißheit, wann der Verband mit 400 Stundenkilometern blind in die nächste dieser tödlichen Sperren hineinbraust. So gibt das Führerslugzeug den Befehl, über die Wolkendecke heraufzugehen.

Ohne Sicht nach unten, rein nach Be­rechnung von Richtung und Geschwindigkeit wird das Ziel überflogen. Die Spitzen­maschine drückt steil nach unten, alle übrigen kippen hinterher. Hinein in die Wolken. Ueble, blinde Sekunden. Nun nach unten durch auf das Ziel zu! Die erste klare Sicht zeigt wieder die stlberweißen Bäll­chen. Alle reißen ihre Maschinen hoch, um steil darüber hinweg zu kommen. Aber das Ziel ist überflogen, ein gezielter Bomben­wurf nicht mehr möglich. Der Verband bricht auseinander, als nun auch die Erd­abwehr einsstzt. Ein Teil der Maschinen dreht schleunigst ab, ein anderer wird ein Opfer der gegnerischen Jagdmaschine, die in größerer Höhe die Sperre zu bewachen haben. Der Auftrag der Bombenflieger konnte nicht durchgeführt werden!

Wieder bestätigt sich das alte Gesetz, daß jede Angriffswaffe die Entwicklung eines Vertsidigungsmittels erzwingt. Auch hier besteht ein leistungsfähiges Abwehrmittel: Einfach in der Konstruktion, einfach in der Handhabung, billiger als die Granaten der Flakartillerie, überall einsatzfähig: D i e Luftsperrballons. v. T.

Jamals md heule

* Für einen jeden, der während des blu­tigen Ringens der Weltkriegsjahre einmal an der Westfront weilte, bleibt diese Zone von Flandern bis zu den Vogesen von magischer Anziehungskraft. Von dem Erleben in ihr kommt man nicht mehr los, und ein Wieder­sehen mit dieser zerwühlten Erde ist nur mit tiesergreifendeu inneren Eindrücken möglich. Nur wenigen ist solches Wiedersehen vergönnt. Um so mehr werden jetzt die alten Frankreich- Kämpfer nach-einem Buche greifen, das ihnen den ersehnten Besuch an der Westfront in ge­wissem Sinne zu ersetzen vermag.

Damals und heute an der W e st fron t" ist der Titel eines vor kurzem

WM md Ver-Wlmg.

* Der Ruf ist ergangen Reichs- kriegertag 1939, Kassel, 3. bis 5. Juni! Deutschlands Soldatentum hat diesen Ruf gehört und wird ihm folgen, wie es chm Folge geleistet hat an allen vergangenen Reichs­kriegertagen. In der Reihe dieser größten Sol­datentreffen wird auch der Aufmarsch in Kassel 1939 nur Glied in einer Kette sein, in Rück­schau und Ausblick jedoch dürfte gerade der kom­mende Appell weit, weit über alle ihm voran­gegangenen und noch folgenden Reichskrieger­tage hinausragen.

Ein Außenstehender mag vielleicht die Tref­fen in der kurhsssischen Hauptstadt als Wieder- sehenstage großen Stils auffassen, als u,age, die dem Austausch von Erinnerungen an großes gemeinsames-Erleben dienen. Läge der Sinn die­ser Soldatenaufmärsche allein hierin, so wäre es schwer, eine Notwendigkeit für die Reichs­kriegertage zu sehen. Denn man kann ja die Hunderttäusende nicht für knappe drei Tage an eine lange Tafel setzen, damit sie sich nun über das unterhalten, was jahrelang ihnen gemein­sam war. Wer das Geschehen in Kassel so deu­ten möchte, der hat das mag ganz klar aus­gesprochen werden von dem' ungeheuren Er­lebnis des Soldatentums auch nicht einen Hauch verspürt. Denn im Soldatentum wurzelt

m der Westfront.

im Verlag Scherl, Berlin, erschienenen Wer­kes, das den Münchener Militärschriftstellcr Franz Peter Weixler zum Verfasser hat und zwar sowohl nach der textlichen wie auch nach der bildlichen Seite. Weixler, auch ein alter Frontkämpfer, hat zweimal die West­front in ihrer ganzen Ausdehnung von der Schweizer Grenze bis zur Nordsee bereist und überall im einstigen Kampfgelände photogra­phiert, und zwar so eifrig, daß er sogar als spionageverdächtig mit den französischen Ge­fängnissen Bekanntschaft machen mußte. Kurz daraus ist das Photographieren im Bereich der ehemaligen Westfront überhaupt verboten worden.

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Das unter so vielen und großen Schwie­rigkeiten gewonnene reiche Bildmaterial ist durch zahlreiche Photos ergänzt worden, die während des Weltkrieges in derselben Gegend, zum Teil sogar an genau den gleichen Stellen ausgenommen worden sind. Aus dem vor­handenen Bestände von 800 Bildern sind 250

Fotos: Weixler.

Straßenbild in Soissons nach der Wiedereinnahme der Stadt im Juni 1918.

Bild links:

Wenige Jahre später an derselben Straßenecke.

in dem Werk Weixlers zu einem Gesamtdoku­ment der West - front vereinigt worden, das fürwahr eine erschüt­ternde Sprache spricht und einen jeden Betrachter zu neuer Besinnung und in­nerer Einkehr mahnt. Den Bildern ist ein knap­per Text vorausgcstellt worden, der in Einzeldar­stellungen die wichtig­sten Ereignisse an der Westfront einprägsam zur Darstellung bringt und die Eindrücke fest­hält, die den ehemaligen Frontsoldaten bestür­men, wenn er nach so langen Jahren die Stätten wiedersieht, an denen er selbst im Sturm der Materialschlachten gestanden, ge­kämpft und gelitten hat.

tief und unerschütterlich das Wesen der Män­ner, die in der Stadt der Reichskriegertage mar­schierten und wieder marschieren werden.

Kassel 1939. Sie alte Armee und die neue Wehrmacht werden zum Appell antreten au' der Karlswiese, die schon so oft die Männe- des Reichskriegerbundes sah. Und im Angefich: der gesamten Nation wird jeder der Marschie rer dort vor sich selbst Rechenschaft ablegen, ob das, was er als Vermächtnis von zwei Millio­nen toter Kameraden trägt, noch so lebendig in ihm ist. daß er es täglich vorzuteben vermag dieses hohe heiliae Vermächtnis: Treue, Mur Kraft und Einsatzbereitschaft! Und wenn ihn der Alltag, zermürbend, aufreibend vielleicht einmal unterkriegen müsste, dann soll und wird ihm dieser Appell beim Reichskrieger tag die Tuchfühlung mit dem Nebenmann ge ben, wird ihm die Gewißheit verleihen, daß er nie allein stellt, sondern immer wieder Glied einer großen Gemeinschaft ist.

Knapp zwei Jahre trennen die beiden Reiclls- kriegertage 1937 und 1939. Aber in diesem selbst in einem Menschenleben kurzen Zeitabichnit: lieat geschichtlich Ewiges, liegt das Jahr 19 3 8. Wenn wir diese Kahl nennen, dann stehr lebendig vor uns, als fei es gewesen, die Er­innerung an die größten Taae. die je ein Mensck vollbringen konnte. Die Heimkebr Oesterreichs und des Sudetenlandes, vor altem neben der machtvollen Steiaeruna unserer Wehrkraft und dem starken Ausbau unsrer WiR'-llaft. lie kün­den den Namen eines Mannes Adolf Eit­ler! Der da einst als einsamer Meldengnaer wagemutia und des eiaenen Lebens nicht ach­tend die Trichterfelder durckmaß. der den Krieg meisterte und ans ZulammenbrnSi und Bruder- febde den Knaben an sein Volk beimtrug, aber auch den Willen und die K^aft. für eine Idee zu kämpfen, dieser Mann fübrt nnn ein- ge­schlossene. starke Nation von 8V Millionen Men­schen.

Wenn die aedienten Soldaten am 3. Inn' in der Hauvtstadt des schönen Kurbelten zum Novell antret-n. dann werden sie aurll dort eine Tat des Führers verwirklicht finden: di- Einigung des Soldatentums. In de- Reihen d-m NS. Reicbskrieaerbundes stellt naa seinem Willen nunmehr das gesamte aedient Soldatentum als aeiMmsener. einsot-bereite- Block. Der Frontsoldat Adolf Eitler allen wird fm Geiste unter allen stellen, die einst Kamvt Und Not mit illm da draußen von hem Jeinde aemeinsam hatten, als der aroße R'chtmonn der Nation.Dem Führer folaen". dieses Befehls­wort ist die Verpflichtung. die der ReiGskrieger- tag 1939 allen gedienten Soldaten auferleat.

Meinhart Holl.

* Gar oft im Volksmunde, sonderlich im alten Berlin, hörte man dieses etwas seltsam klinaende Wort. Was es eiaentlich bedeutete darüber baben sich wohl weniae. die es ivrach lich im Munde führten, viel Konfterbrecllen ge­macht; was man aber mitPepiniere" meinte, darüber war sich ja jeder Berliner ohne weiteres klar.

Die Pepiniere lag in der Jnvalidenstraße in der Nähe oes Lehrter Bahnhofes; das war eben so und nach Berliner Gedenken immer so ge­nesen: und in der Vepiniere waren die jungen Medizinstudenten, die später Militärärzte wer­den wollten, zuhause. Im übrigen hatte diesc Neviniere ihren alten ehrwürdigen und lange Jahre aeführten Namen bereits in der Vor­kriegszeit in ..Kaiser Wilhelms-Aka­demie" abgeändert, war auch in militärischen Kreisen unter diesem Namen beimisch geworden nicht aber so ganz im zivilen Publikum, das nach wie vor anPepiniere" festhielt.

Pepiniere kommt, wie so vieles im militä­rischen Sprachgebrauch, aus dem Französischen und bedeutet schlechthinPflanzstätte", und diese Pflanzstätte wurde im Jahre 179- durch König Friedrich Wilhelm II. zur Ausbil­dung junger Chirurgen für die Armee ins Le­ben gerufen. Besonders erwähnenswert aber ist daß sie sich nicht auf chirurgische Ausbildung der Eleven beschränken, sondern auch die innere Me­dizin pflegen sollte. Diese Vereinigung beider Disziplinen im Unterricht war. wie Prof. Dr. Paul Diepgen in seiner Festrede im Jahre 193-t anläßlich des Stiftungsfestes der heutigen Militärärztlichen Akademie hervorhob, eine Tai von Bedeutung für Wissenschaft und Praris: denn nur wenige umsichtige Aerzte erkannten damals ihre Unerläßlichkeift Besonders aber für die ärztliche Betätigung im 5>eere wurde viel­fach die Ansicht vertreten, daß hier mehr oder minder lediglich der Chirurg seines Amtes zu walten habe und unter seiner Leitung der et­was berüchtigteFeldscher" am Platze sei.

Heute ist das anders und allenthalben wirkt im Interesse des Soldaten und damit der Volks­gesundheit überhaupt in Krieg und Frieden ei» mustergültig ausHebildetes' Sanitäts - ofsizrerkorps rn unserer Wehrmacht. Die­ses Offizierkorps aber ergänzt sich zum großen Teil aus Studierenden der heutigen Militär- ärztlichen Akademie, der früheren Kaiser-Wil- Helm-Akademie, die ihrerseits wieder aus der Pepiniere. deren Name auch heute noch nicht vergessen, hervorgegangen ist. l).