5. Zette — Nr. 294 Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"_ Freitag, den IS. Dezember 1939
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Die „Bremen" ist wieder in der Heimat
(Erich Zander, Archiv, Zander-M.-K.)
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Verstärkung des Arbeitsschutzes
Die Kriegsnusnahmen wieder eingeschränkt. — Grundsatz: 'Achtstundentag. — Mehr-ArLeitszuschlag bei über zehnstündiger Arbeitszeit. — Verbot der Nachtarbeit sür Frauen und Jugendliche
Berlin, 14. Dez. Die Reichsregierung hat es immer für eine ibrer vornehmsten Pflichten angesehen, gerade in Zeiten der höchsten Beanspruchung des Einzelnen der Arbeitskraft einen bestmöglichen Schutz angedeihen zu lassen. Sie hat daher trotz der Fülle der in den letzten Jahren zu bewältigenden großen nationalen Aufgaben grundsätzlich an dem Acht-Stundentag restgehalten. Allerdings war es zu Beginn des Krieges unumgänglich notwendig gewesen, gewisse Lockerungen im Arbeitsschutz auszusprechen, um die Umstellung unserer Wirtschaft aus die Kriegswirtschaft zu erleichtern. Von vorneherein waren jedoch die Lockerungen als Notmatznahmen gedacht, die, so bald cs die Lage erlaubte, wieder aufgehoben werden sollten.
Nachdem die Umstellung unserer Wirtschaft im großen Ganzen vollzogen ist, konnte der Reichsarbeitsminister. nunmehr durch eine Verordnung vom 12. Dezember 1939 de« Arbeitszeitschutz wieder verstärke« «nd die infolge des Kriegsausbruches zugelassenen Ausnahmen wieder einschränke». Die Verordnung will damit eine übermäßige Arbeitszeit verhindern und vor allem den Schutz der arbeitenden Frauen und Jugendlichen sicherstellen.
Deshalb wird an dem Grundsatz, daß die regelmäßige tägliche Arbeitszeit von acht Stunde« ohne besonderen Anlaß nicht überschritten werden soll, festgehalten. Selbstverständlich mußten ebenso wie früher schon Ausnahmen da zugelassen werden, wo wirtschaftliche Notwendigkeiten dazu zwingen, z. V. wo kriegswirtschaftliche Aufgaben beschleunigt durchgeführt werden müssen. Die Arbeitszeitverlängerungen dürfe« jedoch nach der neuen Verordnung künftig nicht über zehn Stunden, bei regelmäßiger und erheblicher Arbeitsbereitschaft nicht über 12 Stunden hinausgehe». Mehrarbeit, die durch zweckmäßigere Regelung des Betriebes, durch Einstellung neuer Arbeitskräfte oder in anderer Weise vermieden werden kann, widerspricht dem Sinn der Verordnung. Der Betriebsführer ist außerdem dafür verantwortlich, daß die Eesundheits- und Arbeitskraft der Gefolgschaftsmitglieder nicht durch übergroße Beanspruchung gefährdet wird.
Ausnahmen von der Begrenzung der Arbeitszeit auf zehn bzw. 12 Stunden am Tage können nur noch in anßergewöhn- Ausnahme» durch das Gewerbeaufsichtsamt zugelasse» werden, lichen Fällen durch den Reichsarbeitsminister, bei kurzfristigen Für die über zehn Stunden hinaus oeleilt->t- M-r,,-- arbeit haben, abgesehen von Fällen der Arbeitsbereitschaft, die Eefolgschaftsmitglieder künftig wieder einen Anspruch auf ecuen Mehrarbeitszuschlag von 28 v. H. Für die Arbeitszeit bis zu zehn Stunden verbleibt es bei der bisherigen Regelung, wonach Zuschläge für Mehrarbeit nicht mehr zu zahlen sind. Die hierdurch ersparten Beträge find wie bisher an das Reich — Finanzkasse — abzuführen.
Weiter verbietet die neue Verordnung über den Arbeitsschutz die Beschäftigung von Frauen und Jugendliche« i« der Nachtschicht. Ausnahmen von diesem Verbot können ebenfalls nur noch in außerordentlichen Fällen durch den Reichsarbeitsminister, bei kurzfristigen Ausnahmen durch das Eewerbeaufsichtsamt zugelassen werden.
Die Verordnung tritt am 1. Januar 1949 in Kraft, die Vorschriften über Mehrarbeitszuschläge jedoch schon ab 18. Dezember 1939. Ausnahmen nach der neuen Verordnung sind spätestens bis zum 1. Januar 1940 beim Eewerbeaufsichtsamt zu beantragen. Das Verfahren auf Ausnahmegenehmigung hat der Reichsarbeitsminister in einem Durchführungserlaß geregelt, der im Reichsarbeitsblatt vom 15. Dezember 1939 veröffentlicht wird, lieber die Einzelheiten erteilen die Eewerbeaufsichtsämter nähere Auskunft.
Frankreich trägt Hauptlast
London erleichtert sich von den Sorgen des Krieges
Berlin, 14. Dez. Der englische Schatzkanzler Sir John Simon hat im Unterhaus eine Erklärung über feine neulich stattgefundenen Besprechungen mit dem französischen Finanzminister Reynaud abgegeben und dabei vor allem mitgeteilt, daß zwischen beiden Ländern ein Finanzabkommen abgeschlossen würde. Als Hauptziel dieses Abkommens zeigt sich der britische Wunsch, mit Frankreich eine monetäre Solidarität zu erzielen, weshalb beschlossen wurde, während des Krieges ein „stabiles" Kursverhältnis zwischen dem französischen Franken »nd dem englische« Pfund zu halten und sich gegenseitig freie Devisenverwendung ohne Abdeckung der bestehenden Salden in Gold zuzusichern.
Es zeigt sich also, daß Frankreich jetzt mit England einen neuen Sterlingblock bildet, nachdem der alte Sterlingblock schon vor Wochen völlig zerfallen ist, weil die ihm angehörenden zahlreichen neutralen Länder sämtlich ihre Währung vom Pfunde lösten, als dessen Kurs in geradezu katastrophalem Ausmaß absank und es damit seiner lange Zeit inne gehabten Stellung als internationaler Rechnungseinheit beraubt war. In England wird man vielleicht glauben, daß es gelingen könnte, mit Hilfe des französischen Frankens und der hinter ihm stehenden immer noch beträchtlichen Goldreserven von nahezu 100 Milliarden Franken das schwankende englische Pfund zu stützen. Zweifellos wird die Entwicklung aber damit enden, daß das zu britischen Zwecken dienstbar gemachte französische Gold wegschmelzen und das nicht aufzuhaltende Absinken des englischen Pfundes auch den französischen Franken mit in den Abgrund reißen wird. Dafür wird allein schon die Bestimmung des Abkommens
sorgen, die besagt, daß beide Lander rne m gememicunem ^ucec- esse liegenden Ausgaben teilen müssen.
Nicht uninteressant ist auch die Absicht beider Länder, wegen der Preispolitik ständige Verbindung zu halten. Es ist bekannt, daß das englische Wirtschaftsleben einer hemmungslosen Preissteigerung auf allen Gebieten gegenübersteht. Die Wirtschaftszeitung „The Statist" vom 9. Dezember 1939 berechnet in einer mit Hilfe des Leiters der statistischen Abteilung im britischen Handelsministerium zusammengestellten Statistik die Preiserhöhung der pflanzlichen Nahrungsmittel allein bis Ende Oktober schon auf 37,5 v. H. und die der Textilerzeugnisse auf 24 v. H. Wenn man vergegenwärtigt, daß England in Lebensmitteln zu 80 v. H. und in industriellen Rohstoffen'zu 60 v. H. auf ausländische Zufuhren angewiesen ist, die jetzt durch Erhöhte Weltmar'tpreH. e-''s Seefrachten und --
Prämien, durch Ausfall vieler Lieferungen auf den von der deutschen U-Vootwasfe so sehr gefährdeten Seewegen und durch Mängel in der inneren Verteilungsorganisation des Landes ganz bedeutend teurer werden, dann ist seine Preisentwicklung keineswegs so sehr verwunderlich. In Frankreich, das in einer günstigeren Versorgungslage ist, ist der Preisstand jedoch, trotz ebenfalls teilweise starker Preissteigerungen für manche Warengruppen, noch fühlbar besser gehalten, als in England. Eine Anpassung der beiderseitigen Preispolitik ist unter diesen Umständen schwer vorstellbar und kann sicherlich für Frankreich nur mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein.
Nachdem Frankreich bis jetzt schon militärisch weit überwiegend die Hauptlast des englischen Krieges trägt, wird es künftig nach dem neuen Finanzabkommen auch finanziell und wirtschaftlich die ernste» Sorgen und Nöte Englands „erleichtern" dürfen.
Wer kann Bauer im Osten werden?
In erster Linie -er deutsche Soldat
Berlin, 14. Dez. Zu der Frage, wer in den heimgekehrten Provinzen Posen und Westpreuhen, also in den Reichsgauen Danzig- Westpreußen und Warthegau, in erster Linie als Bauer angesetzt werden soll, nimmt Staatssekretär Willikens vom Reichsernährungsministerium im „Völkischen Beobachter" das Wort. Ein Raum, der früher als die Kornkammer des Deutschen Reich"? bekannt war, dann durch die Polenwirtschaft in seinen Erträgnissen erheblich zurückging, stehe nun wieder den deutschen Bauern zur Bearbeitung zur Verfügung. Dieses deutsche Land solle, sobald es die Umstände erlauben, wieder die Existenzgrundlage für Zehntausende tüchtiger deutscher Bauernfamilien werden. Zur Klärung müsse aber mit allem Nachdruck gesagt werden, daß selbstverständlich auch hier die Grundsätze der nationalsozialistischen Agrarpolitik durchgesührt werden. Der deutsche Boden sei keine Ware und nicht dazu da, Kapitalanlage für irgend welche interessierten Kreise zu bilden. In erster Linie sei der deutsche Soldat, der diesen Boden mit der Waffe in der Hand und mit seinem Blute zurückgewonnen hat, berechtigt, Ansprüche anzumelden. Daraus folge, daß, solange der uns im Westen aufgezwungene Kampf nicht siegreich beendet ist, an eine Ansetzung deutscher Bauern als Eigentümer in den neuen Provinzen nicht gedacht werden könne. Vis dahin müsse also die bisherige treuhänderische Bewirtschaftung des'Bodens beibehalten werden. Lediglich den bäuerlichen Familien unter den auf den Ruf des Führers zurückkommenden Volksdeutschen müsse schon vorher in diesem Raum eine neue Heimat und neue Existenz gegeben werden. Die Durchführung der Neubildung deutschen Bauerntums sei auch in den neuen Reichsgebieten Danzig-Westpreußen, Warrhegau, Suwalki- zipfel, Regierungsbezirk Zichenau und Kattowitz Sache des Reichsernährungsministers, der diese Arbeit im engsten Einvernehmen mit dem Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, Reichsführer ^ Heinrich Himmler, nach dessen allgemeinen Anordnungen vornehmen werde.
GefundheitssürsorgederLandesverstcherungsanstalL
Stuttgart, 14. Dez. An der Gesundheitsfürsorge der Rentenversicherung im Jahre 1938 im ganzen Reich ist, wie Dr. Müller im Amtsblatt der Landesversicherungsanstalt Württemberg ausführte, diese Anstalt mit einem ansehnlichen Kostenaufwand vertreten. Die erste Aufgabe der Invalidenversicherung ist noch immer, einen Ausgleich zu schaffen für den durch Invalidität oder Tod eines versicherten Volksgenossen herbeigeführten wirtschaftlichen Schaden. Es geschieht dies durch die Pflichtleistungen der Zabluna von Renten. Daneben aber kommt
den freiwilligen Leistungen der Invalidenversicherung von Jahr zu Jahr eine größere Bedeutung zu. Die Träger der Invalidenversicherung haben es von jeher als ihre vornehmste i Aufgabe angesehen, freiwillige Leistungen als vorbeugende Ee- ! sundheitsfürsorge zur Förderung der Gesundheit and zur Stär- ! tüng der Arbeitsfähigkeit in Form einer Heilfürsorge, einer Jn- i validen- oder einer Waisenhauspflege an Versicherte, ihre An- ! gehörigen und Hinterbliebene zu gewähren.
I Zu den wichtigsten Leistungen dieser Art gehören die Heil -
> verfahren. Die Landesversicherungsanstalt Württemberg hat s schon seit vielen Jahren ihr Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung
> der Lungen- und Kehlkopftuberkulose als einer der gefährlichsten Volksseuchen gerichtet. Dies geschieht nicht nur durch Heilverfahren in den eigenen vier Heilstätten, durch Unterstützung des Landesverbands zur Bekämpfung der Tuberkulose, durch Beiträge an Organisationen, die sich dasselbe Ziel gesetzt haben, sondern auch durch Förderung des Wohnungsbaues durch Hingabe verbilligter Darlehen an die Versicherten und an gemeinnützige Bauvereine. Im Jahre 1938 erhielten wegen Lungen- und Kehlkopstuberkulose 1596 Personen abgeschlossene Heilverfahren, was einen Kostenaufwand von fast 1 Million NM. erforderte. Die Heilbehandlungen wegen Knochen- und Gelenktuberkulose, ferner wegen Lupus und sonstiger Tuberkulose, sind nicht so zahlreich wie die wegen Lungen- und Kehlkopftuberkulose gewesen. Immerhin wurden zur Bekämpfung dieser Krankheiten über 100 000 RM. für Heilverfahren aufgewendet. Zu den Heilbehandlungen gehören auch die Heilverfahren wegen Geschlechts-, Krebs- und anderen Krankheiten. Zu den anderen Krankheiten zählen u. a. die Nervenkrankheiten, Erschöpfungszustände, Herz- und Eefäß- krankheiten, Zucker- und Frauenkrankheiten, Zahnbehandlung usw. Zur Bekämpfung dieser Krankheiten wurde an 3597 Personen Heilbehandlung mit einem Kostenaufwand von mehr als 400 000 RM. gewährt. Die Rheumaerkrankungen sind bei den Versicherten der Anstalt von Jahr zu Jahr in der Zunahme begriffen. Dementsprechend haben auch die vorbeugenden Maßnahmen der Anstalt eine Steigerung erfahren. Wegen rheumatischer Erkrankungen wurden 1127 Personen in Heilbehandlung genommen, was einen Kostenaufwand von rund 228 000 RM. verursachte. Auf die gesamte Heilbehandlung entfällt ein Kostenaufwand von 1,7 Millionen RM., der 6491 Versicherten zugute kam. Die mit den Heilverfahren erzielten Erfolge waren im allgemeinen gut.
Bei der vorbeugenden H ei lfürf o r g e, der sich die Versicherungsträger erst seit 1933/34 wieder erfolgreich zuwenden konnten, handelt es sich um die Fürsorge für Nichtverficherte, um die Tuberkulosefürsorge, die Geschlechtskrankenfürsorge, die Gemeindekrankenpflege, Trinkerfürsorge, ferner um den Mütterschutz, die Fürsorge für Säuglinge, Kinder und Jugendliche, hygienische Volksbelehrung und andere Zweige der Volkswohlfahrtspflege. Einschließlich der Ersatzleistungen wurden hierfür nahezu 750 000 RM. ausgegebcn. Ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Kosten entfällt dabei wiederum auf die Bekämpfung der Tuberkulose bei erwachsenen Nichtversicherten und bei nichtver- sicherten Jugendlichen und Kindern. Bei der Kinderfürsorge ist hervorzuheben, daß die Landesversicherungsanstalt inzwischen zwei Uebungslager für Jugendliche eingerichtet hat.
Nach der Reichsversicherungsordnung können die Landesversicherungsanstalten einen Teil ihres Vermögens in Darlehen für gemeinnützige Zwecke anlegen. Mit dieser Art Darlehensgewährung werden zwei große Ziele verfolgt: Linderung der Wohnungsnot im allgemeinen, was bevölkerungs- und staatspolitisch von großem Wert ist, und Bekämpfung der Tuberkulose durch Verhinderung der Ansteckungsgefahr. Während in den Jahren 1930 bis 1933 von dieser Anlagemöglichkeit infolge der mißlichen allgemeinen Wirtschaftslage kein Gebrauch gemacht werden konnte, ist dies infolge der seit 1933 durchgeführtsn wirtschaftsfördernden Maßnahmen der Reichsregierung anders geworden. Nach dem Stand vom 31. Dezember 1938 hat die Landesversicherungsanstalt Württemberg im Jahr 1938 allein zum Vau von Arbeiterfamilienwohnungen an Genossenschaften. Gesellschaften, Bauvereine, sonstige gemeinnützige Vereine und ferner unmittelbar an versicherte Arbeitnehmer 4,89 Mill. RM. hergegeben. Dabei Lber- wiegen die Darlehen an versicherte Arbeitnehmer. Die Gesamtsumme der gemeinnützig verwendeten Beträge aber erreicht die Summe von 5,6 Mill. RM. Dabei ist noch besonders hervorzuheben, daß die Landesversicherungsanstalt Württemberg ihre Darlehen in den meisten Fällen zu einem verbilligten Zinssatz gewährt, der viele Versicherte erst in die Lage versetzt, dem Vau eines Eigenheims näherzutreten
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