8. Sette - Nr. 276
Nagolder Tngblatt „Her Gesellschafter*
Freitag, de« 24. November 193g
Sperrgebiet England
Wenn die Engländer bisher aus der Karte Europas ihre § Jnsellage betrachteten, jo waren sie stolz und zuversichtlich ! zugleich. Kein Krieg konnte nach ihrer Meinung diese > „splendid Isolation" gefährden. Feindliche Luftwasfen- Angrisfe mutzten durch die weiten Entfernungen von den Abflughäfen scheitern. Gegen lleberraschungen zu Wasser und zu Lande aber war das Mutterland des Empir durch die gewaltige Flotte und umfassende Minensperren gesichert. Auch die Lebensmittelzufuhr und die Rohstoffversorgung schien unerschütterlich, da U-Voote angeblich gegen die Erfindung des Konvoisystems nichts ausrichten konnten. Noch vor genau elf Wochen galten diese Feststellungen als Binsenwahrheit. Sie waren das A und O der britischen Kriegsgesetze gegen Deutschland. Im Vertrauen auf sie wagte man die Herausforderung und die Bedrohung des Erohdeutschen Reiches. Heute sind alle diese Hoffnungen vom scharfen Herbstwind des Jahres 1939 zerblasen. lieber den englischen Küsten genau so wie über dem Binnenlande des weiten Jnselreiches donnern die deutschen Flugzeugmotoren. In den englischen Flutzmündungen tobt der Minenkrieg. Seine Verluste sind in den letzten Tagen ungeahnt hoch für England. Auf den Wasserstraßen der Handelszufuhr kreuzen die deutschen U-Voote. Die britische Flotte ist in ihren verstecktesten und bestgeschützten Häfen selbst im hohen Norden nicht mehr sicher. Kein Tag vergeht ohne Sirenengeheul, Torpedoschüsse, Dampferexplosionen, ohne schwere und allerschwerste Nackenschläge. Die Milchmädchenrechnung der Herren Chamberlain und Churchill ist zerfetzt, kaum datz sie aufgestellt wurde. Der Druck einer tiefen Besorgnis legt sich lastend auf die irregeleitete Bevölkerung Erotz-Britanniens. Selbst USA. ist laut Zeitungsmeldungen davon überzeugt, datz Englands Seeherrschaft bedroht ist. Und dies alles nicht nach einem Jahr oder zwei Jahren Krieg, sondern nach knapp elf Wochen! Eins gefährliche Bilanz zeichnet sich ab. Sie wird noch schlimmer, wenn man Habei die Ereignisse auf dem Festland, den Zusammenbruch der Einkreisungsfront, die wirtschaftlichen Erfolge Deutschlands im kontinentalen Handelskrieg mit in Rechnung stellt.
Es ist wesentlich, diesen Zusammenbruch der englischen Hoffnungen und Wunjchträume durch alle Nebel der britischen Hetzpropaganda hindurch ganz klar zu sehen, weil nur so die Besonderheit der deutschen Kriegsführung und der schon jetzt von ihr erzielten Erfolge voll gewürdigt werden kann. Denn der jetzige Krieg ist anders als alle vorhergehenden. Er ist vergleichslos. Er besitzt sein eigenes Gesicht. Und es bedeutet außerordentlich viel, wenn an der deutschen Westfront bisher von keiner Seite Offensivstötze erfolgten, sondern die wirklichen Kämpfe auf eine ganz andere Ebene gestellt, auf ganz andere Ziele bezogen wurden. Bei allem Stolz, den Deutschland schon in Friedenszeiten auf seine junge Kriegsmarine und seine Luftwaffe empfand — wer hätte angenommen, datz nach dem Sieg in Polen diese beiden Waffen in der Hauptsache allein ihre schweren Schläge gegen England führen würden? Kaum einer in Deutschland und England. Ihr Einsatz war eine
große llebecraschung. Und es gehört zu Len Ereignissen, über die wir selbst staunen, wenn wir jetzt fast täglich im Heeresbericht von den Erfolgen deutscher Aufklärungsflüge ! oder davon lesen, datz in oön Monaten September und ^ Oktober deutsche Ueberwa-Mrstreitkräfte gemeinsam mit Luftstreitkräften mehrere hundert Handelsschiffe auf Bannwaren untersuchten und insgesamt 127 Schiffe mit 215 455 Vruttoregistertonnen in deutsche Häfen zur genaueren Prüfung ihrer Ladung einbrachten. Auch dies sind ia nur Teilzahlen! Die Erfolge des U-Boot- und Minenkrieges sind weit größer. Und auch die erstaunlichste Zahl läßt immer nur ahnen, welche Wirkung tatsächlich damit verbunden ist. wie schwer der Gegner getroffen wurde und welche Schwierigkeiten wirtschaftlicher, handelspolitischer und personeller Art mit jedem Verlust für ihn verbunden waren.
Immerhin, das Eine ist gewiß: Mögen sich die britischen Minister noch so sehr im. Hochgefühl ihrer Jnsellage blähen, mögen sie jüdische Ministerreisen nach Frankreich veranstalten, in den USA. zum Krieg Hetzen und den Neutralen täglich mehr an Brutalitäten ihrer Kriegshetze zumuten — um das Eingeständnis ihrer in elf Krisgs- wochen aufgetretenen Nöte und Enttäuschungen kommen sie nicht mehr herum. Es gibt überdies ein Stimmungsbarometer, das die wirkliche Lage sehr viel deutlicher signalisiert als die künstlichen Wettermacher in London. Dieses Barometer sind die Neutralen. Man frage heute einen holländischen, dänischen, amerikanischen, jugoslawischen oder griechischen Matrosen, ob er gern auf einem Schiff in britische Gewässer fährt. Sie zucken die Achseln und setzen sich der Gefahr aus. wenn man ihnen das Doppelte und Dreifache ihrer üblichen Heuer verspricht. Aber ihre Reeder sind selbst durch ungewöhnliche Risikoprämien nicht mehr einzusangen. Sie kennen das Risiko, das der englische Angriffs- und der deutsche Abwehrkrieg allen Staaten Europas auferlegt. Cie wissen, daß dieser von England entfesselte Krieg kein Geschäft, sondern eine furchtbare Gefahr ist, und daß die Seewege nach England heute jeden mit Tod und Verlust bedrohen, der sich leichtsinnigerweise im Dienste der Londoner City ihnen anvertraut.
Buntes Allerlei
Wo es am kältesten ist
Soweit bisher ermittelt wurde, liegt der kälteste Punkt der Erde in Oimekou, einem sibirischen Ort am Oberlauf der Jndi- girka. Hier wurde in kalten Wintern eine Temperatur von 78 Grad Celsius unter Null gemessen.
Aufenthaltsverbot für 5VÜ Jahre
Einen eigenartigen Rekord stellte dieser Tage eine Französin namens Suzanne Sevestre auf. Ein Gericht in Rouen verurteil» sie wegen einer Betrügerei zu zwei Monaten Gefängnis und zu einem Aufenthaltsverbot von 25 Jahren. Da bereits sämtliche größere Städte Frankreichs gegen Suzanne gleiche Strafen ausgesprochen haben, beläuft sich jetzt das Aufenthaltsverbot auf nicht weniger als 500 Jahre. Dieser Rekord soll bisher noch von keinem anderen aufgestellt worden sein.
Kluge Hunde retten ein Kind
In einem norditalienischen Gebirge verschwand kürzlich ein fünfjähriges Kind aus dem bäuerlichen Anwesen seiner Eltern. Man suchte es den ganzen Tag und Nacht, ohne die geringste Spur zu finden. Auch eine nächtliche Suche, die die Mutter mit mehreren Nachbarn bis 2 Uhr nachts durchführte, blieb ohne jeden Erfolg, obwohl Vollmondschein herrschte. Am nächsten Morgen hörte ein Bergbewohner das durchdringende Bellen eipes Hundes. Es klang so seltsam, daß er etwas Außergewöhnliches vermutete. Er wandte sich also der Egend zu, wo der Lund sein mußte, wobei er in einen Kastanienwald gelangte Dort fand er auch den Hund vor und dieser begann sogleich ihn am Zipfel seiner Hose in eine bestimmte Richtung zu zerren. Der Mann ließ sich von dem Hunde führen und fano bals unter einem Baum das vermißte Kind und daneben einen zweiten Hund, der seinen Kopf nahe an das Kind gedrängt hatte, um es zu wärmen. Offenbar hatten beide Hunde schon längere Zeit das Kind während seines Herumirrens begleitet, und, als es vor Müdigkeit nicht mehr weiter konnte, es die Nackt hindurch bewacht und mit ihren Leibern gewärmt.
Bevölkerimgszunahme in Dänemark
Nach einer amtlichen dänischen Statistik ist seit dem vergangenen Jahre eine Vevölkerungszunahme in Dänemark zu verzeichnen. Sie hält sich allerdings in engen Grenzen. Im Vorjahre wurden in Dänemark 3 777 000 Einwohner gezählt und in diesem Jahre betrug die Gesamtzahl der dänischen Staatsbürger 3 805 000.
' Anekdoten
Es war eine Schwäche Friedrichs des Großen, daß er bürgerliche Offiziere nicht sonderlich schätzte. Bei einer großen Revue in Breslau sagte er zu einem Major, der sich bei ihm meldete: „Er ist ja gar nicht von Adel!"
Schlagfertig gab der Offizier zur Antwort: „Euer Majestät, schon Kaiser Maximilian I. hat jeden, der an dem Adel meiner Familie zweifelte, mit einer Buße von 50 Unzen puren Goldes bedroht."
Lachend wehrte der König ab: „Das ist mir zu teuer, mein lieber Major, da will ich ihm seinen Adel doch lieber glauben."
Bei einem Manöver vor Friedrich dem Großen schoß ein sonst sehr tüchtiger Leutnant einen gewaltigen Bock, so daß durch diese Unachtsamkeit das ganze Husarenregiment regelrecht umschmitz. In einem Anfall von Jähzorn preschte der alte König mit erhobenem Krückstock auf den Unglücksmenschen los. Da der Leutnant es weder mit seiner, noch mit der Ehre des Königs vereinbar hielt, sich verprügeln zu lassen, warf er seinen Gaul herum und fegte im Marschtempo davon. Hinter ihm galoppierte, immer noch den Stock schwingend, wutentbrannt der König. Aber er erwischte ihn nicht.
Vor der am nächsten Tage stattfindenden Parade erfuhr Friedrich, daß der junge Offizier seinen Abschied eingereicht habe. Als s die Regimenter unbeweglich und schnurgerade vor ihrem obersten ! Kriegsherrn standen, sprengte der Königs abermals auf den ^ Leutnant zu, blitzte ihn an und sagte: „Hör Er, Leutnant, ich ! Hab Ihn zum Rittmeister ernannt. Ich wollte Ihm das schon ! gestern sagen, aber ich konnte Ihn ja nicht einholen." A. v. C.
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Puddingpulver und Zucker mit Master oder Milck lt. Vorschrift anrükrsn. die Milch unter ftükron mit einer Prise Salz zum kacken bringen, von der Kochstelle nehmen, das ongecükrto Puddingpulver kineingebon und einige Male aufkocken lassen. puüüin a ouloor aibt es auf dle klbscknllto llll. ll 12 . II 2 ) uad ll 28 der lläbrmittelkarte.
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( 18 . Fortsetzung.)
Mehrmals wollte Klaus eine Aussprache mit dem Bruder herbeiführen, aber er fand nicht die rechten Worte
Werner hatte Studium und Sport in den beiden letzten Wochen völlig vernachlässigt, sehr zum Kummer Kerpens, der die Brüder bestürmte, doch ja das Training energisch fortzuführen Werner traf er meist nicht an.
So gingen die Tage hin.
Bis der Tag kam, der den Auftakt zu einer bunten Folge von Ereignissen bildete, die das Leben der Brüder in völlig andere Bahnen lenkten.
Am Dienstag, der dem Sonntag folgte, gerade als die Brüder schwelgend ihr Frühstück verzehrten, kam der Briefträger und brachte Werner einen eingeschriebenen Brief.
Werner zitterte, als er den nach Heliotrop duftenden Brief öffnete. Er war von der Geliebten-
Er las den Brief.
Es waren vier engbeschriebene Seiten Dreimal, viermal las er sie.
Dann stand er stumm auf und verließ das Zimmer.
Klaus hatte kein Wort gesprochen und doch krumpfte sich sein Herz zusammen. Er fühlte, man hatte dem Bruder wehe getan.
Er wartete eine lange Zeit auf Werner, als er aber immer noch nicht erschien, trat er in das gemeinsame Schlafzimmer
Werner stand am Fenster. Hart waren seine jungen Züge, wie aus Stein gemeißelt Er hatte sich in der Gewalt. Keine Miene zuckte in seinem Antlitz.
„Was ist dir. Werner^"
Der schüttelte den Kopi und machte eine abweisende Gebärde.
„Sprich dich aus, Bruder!"
Der weiche Ton Klaus' löste das Harte in Werners Seele
„Es ist aus. alles vorbei. Klaus!" Hilflos sah er den Bruder an
„Ich wußte es. Werner. Der schöne Traum mußte ein Ende haben — Ich wußte es. daß du dich mit der Erinnerung zufrieden geben mußt Mag's eine köstliche sein "
Bitterkeit und Zorn kämpften in Werners Antlitz. Be jchümung färbte ihm die Wangen dunkel-
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Er stöhnte auf und legte seine Hände aus des Bruders Schultern.
„Erinnerung, Klaus! Sie hat nur alles gegeben, was eine Frau geben kann. Wie köstlich war der Sonntag — Und heute schreibt sie mir. daß sie den Doktor Wälfuna heiraten will, den Rous, den Mann, der nicht wert ist, ein so hohes Nichteramt zu bekleiden. Eine Vernunftehe!"
„Und —
Werner kämpfte mit sich, eine ungeheure Scham zwang seine Lippen zusammen
„Sie ist schlecht. Klaus! Spottschlecht!" schrie er den Bruder an.
Da wußte Klaus, wie furchtbar es seinen Bruder getroffen hatte.
„Ihr Geliebter soll ich bleiben!"
„Das wird ein Michael nie tun!"
„Nein, das tut ein Michael nicht Und wenn er verreckt!"
Seine Augen loderten voll Trotz und Zorn, und er reichte dem Bruder die Hand
Klaus atmete auf. Endlich einmal wieder ein echter, rechter Händedruck.
„Nicht unterkriegen lassen — und nicht jammern, Bruder. „Wir wollen das Leben am Genick kriegen. Wir! Nicht umgekehrt"
„Ja. Bruder!" Werner rief es fast übermütig — und doch zuckte lein Herz nach von dem eben erlittenen Schlage.
„Aber aller Jugendtrotz war wachgerüttelt.
„Was willst du tun. Werner?"
„Nichts. Klaus. Den Wisch verbrennen Und dann kein Wort mehr darüber Kein Wort!"
» »
*
Sie gingen am Nachmittag in den Deutschmeister-Sportklub
Kerpen war überglücklich, als er die beiden Michaels zusammen kommen lah
Die Begrüßung, die den Brüdern im Klub zuteil wurde, war herzlich.
Das weibliche Geschlecht freilich erkannte sofort mit feinem Gefühl, daß mit Werner eine Veränderung vorgegangen war. Der spielerisch-leichte Zug. der manchmal in dem schönen Gesicht oorgeherrscht hatte, schien verschwunden.
Schöner dünkte er ihnen.
lieber sein Verhältnis zu Frau von Syrtinghall kursierten die verschiedensten Gerüchte. Heute war bekannt geworden.
! daß sich die schöne Frau mit dem Staatsanwalt Dr. Wallung verlobt hatte
» „Und Werner Michael?" fragten sich alle.
So kam es, daß das gemeinsame Erscheinen der Brüder wie eine Sensation wirkte.
Fräulein stud Weißgerber, die ein großes Interests für die beiden Brüder hatte, konnte es sich nicht verkneifen, ihnen die Neuigkeit brühwarm mitzuteilen.
Klaus nickte und lächelte dann iah er den Bruder an Und sein Blick war wie ein Befehl: Sprich, lache darüber, zeige denen, daß du gering darüber denkst.
Und Werner konnte lächeln Er sagte leichthin:
„Der Staatsanwalt ist sicher eine gute Partie, und schöne Frauen haben oft sonderbare Geschmäcker Jedem das. was er sucht."
Maßlos erstaunt sah ihn das junge Mädchen an War's möglich, daß Werner Michael — ? Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
Aber die Brüder Michael waren an diesem Tage für Gespräche nicht zu haben
Unverzüglich begannen sie mit dem Training Werner fiel es schwer, das gewohnte Wirbelwindtempo — so nannten sie es im Klub —, das der Bruder vorletzte, zu halten..
Aber er biß die Zähne zusammen und war dem Bruder dankbar, daß er nicht voll aus sich herausging und ihn schonte.
So schlugen sie Kerpen in den Trainingsläufen nur knapp
„Sie sind ein wenig außer Uebung. meine Herren," ries ihnen der Trainer zu.
„Ich wenigstens," entgegnete Werner. „Aber ich schaff's schon wieder Warten Sie nur drei Tage, dann will ich Ihnen beweisen, datz ich noch der Alte bin."
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Frau Maya ließ sich von ihrer Zofe frisieren. Müde und gleichgültig tat die es.
„Ist keine Nachricht von Werner eingegangen Thea?"
„Nein, gnädige Frau. Nur der Glückwunsch zu Ihrer Verlobung von den Brüdern Michael."
„Ob er kommen wird, Thea?"
„Nein, der nicht"
Angstvoll starrte die schöne Frau in den Spiegel. Ihre Augen brannten. Ein unerklärliches Angstgefühl kroch in ihr empor.
„Thea, er muß kommen. Ich habe ihn doch lieb! — Ich müßte vergehen ohne ihn."
„Mußten Sie ihm das antun. ihn so betrügen?"
„Thea!"
„Ich bin schon still, gnädige Frau. — Ich möchte zum Fünfzehnten gehen."
Erschrocken drehte sich Frau Maya um. (Fort! folgt.)