5. Seite Nr. 275

Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter*

Donnerstag, den 23. November 133S

Ungarns Außenpolitik

Graf Csaky über die herzliche Freundschaft zum Reich Voraussetzungen einer Blockbildung im Oste«

Budapest, 22. Nov. Im Rahmen der Debatte über den Haus­halt des Außenministeriums gab am Dienstag Außenminister Graf Csaky im Abgeordnetenhaus einen umfassenden Rückblick über die Stellung und die Probleme Ungarns in der gegenwär­tigen Weltlage. Einleitend rechnete Graf Csaky scharf mit der Nachkriegspolitik der Siegerstaaten des Weltkrieges ab.Nie­mand war gewillt einzuschen", betonte Graf Csaky,daß die neue Ordnung ohne Einbeziehung Deutschlands oder gar mit einer gegen diese Macht gerichteten Spitze nicht nur höchst gefährlich, sondern geradezu unmöglich ist." In seinen weiteren Ausfüh­rungen sprach der Außenminister über das Verhältnis Ungarns zu seinen Nachbarstaaten und betonte an erster Stelle, die unga­rische Nation habe mit aufrichtigem Dank die vom deutschen Führer in seiner großen Rede vom 6. Oktober an Ungarn gerich­teten freundschaftlichen Worte ausgenommen, mit denen er die traditionelle herzliche Freundschaft und die Endgültigkeit der deutsch-ungarischen Grenze festlegte.

Im heutigen gigantischen Ringen der deutschen Nation wollen wir für keinen Augenblick vergessen", sagte Graf Csaky,daß die Söhne dieses großen Volkes im Weltkrieg zu Tausenden mit den «»seren an den ungarischen Grenzen gefallen sind. Doch haben überdies die bitteren Erfahrungen der nahen Vergangenheit uns auch die Lehre eingeschärst, was eine Schwächung des Reiches für ganz Europa bedeuten würde. Vom ungarischen Gesichtspunkt aus konnten wir sehen, wie die Stärkung des Deutschen Reiches die Vermehrung unseres eigenen Landes zur Folge hatte, indem sie natürlicherweise die Auslösung des künstlich zusammengefiigten tschechoslowakischen Staates herbeiführte."

Mit Italien verbinde Ungarn vertrauteste Freundschaft. Ungarns Verhältnis zu Jugoslawien sei in erfreulicher Besserung begriffen, da die gemeinsamen Jnieressen der beiden Staaten sich näherten. Es gebe keinen solchen Interessengegen­satz zwischen den beiden Ländern, den die Zeit nicht lösen könne. Ein starkes Jugoslawien sei geradezu ein ungarisches Interesse. Die Entwicklung des befreundeten Bulgarien werde vom Ungartum mit aufrichtiger Sympathie verfolgt. Rumänien gegenüber habe Ungarn die Initiative zur Entgiftung der Atmo­sphäre zwischen den beiden Ländern ergriffen. Ungarn sei ge­duldig und nachgiebig, solange es seine Rechte nicht gefährdet sehe, doch sei die Verwirklichung dieser Rechte eine Vorbedingung der ungarischen Zukunft.

Zu der Frage einer südosteuropäischen Blockbil­dung betonte der Minister:Wir sind bereit, mit jedermann zum Wohle des Friedens zusammenzuarbeiten, wie wir es des öfteren bewiesen haben, doch hat eine eventuelle Zusammen­arbeit von ständigerem Lharkter unsererseits zwei Vorbedingun­gen: 1. Sie kann sich nicht gegen dritte Staaten richten. 2. Vor­erst müssen die Gegensätze zwischen uns und den an der Zusam­menarbeit teilzunehmen gewillten Staaten abgestumpft werden.

Rußland gegenüber betonte Graf Csaky, die Worte des russischen Staatsoberhauptes, die dieser an den neuen ungarischen Gesandten richtete, deckten sich vollkommen mit der ungarischen Ansicht, daß sich Interessengegensätze zwischen den beiden Völkern kaum denken lasten und daß die russisch-ungarischen Verbindun­gen auf wirtschaftlichem Gebiet statt ausgebaut werden könnten.

Da Ungarn nicht am Krieg teilnehme, hätten sich seine Be­ziehungen zu Frankreich und England nicht verändert. Hierbei gab Graf Csaky der Hoffnung Ausdruck, daß die Presse dieser Länder die wie er sagte von den Herren Benesch und Osusky geleitete Agitation in der Beleuchtung gewähre, in die . sie aus der Märchen- und Fabelwelt vor 20 Jahren durch die nüchterne Wirklichkeit gerückt wurde. Es müsse festgestellt wer­den, daß in breiten Schichten der ungarischen Oeffentlichkeit die Tatsache starke Bedenken ausgelöst habe, daß über dieTschecho­slowakei" Erklärungen laut werden, als ob die verflossenen un­glücklichen 20 Jahre noch' immer nicht genügt hätten. Erfahrungen zu sammeln.

Das kürzlich mit der Slowakei abgeschlossene wirtschafts­politische Abkommen könne zum Ausgangspunkt einer erneuten Besterung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn werden.

Abschließend wies Graf Csaky auf den schweren Kampf Un­garns um die Erhaltung seiner wirtschaftlichen Sicherheit hin und betonte, der gegenwärtige Vlockadekampf bedeute für das ungarische Wirtschaftsleben eine schwere Belastung. Auch die gemäßigt ruhige, verläßliche Außenpolitik Ungarns müßte ins Wanken geraten, wenn der Rohstoffmangel Stockungen in der Kontinuität der wirtschaftlichen Erzeugung bewirken sollte. Einer Kontrolle, die auf Kosten der ungarischen Selbstän­digkeit oder des ungarischen nationalen Selbstbewußtseins aus­geübt würde, könne sich Ungarn nicht unterwerfen.

Posens neues Gesicht

Eindrücke aus der neuen Hauptstadt des Warthsgaues, Auch die Valtendsutschen fassen bereits Fuß

Von unserem Dr. K. W.-Sonderberichterstatter.

Posen, im November 1939.

Der Portier im Hotel macht ein undurchdringliches Gesicht Wenn er nicht sprechen würde, könnte man ihn für eine Attrappe halten. Sein dichter Schnauzbart scheint den Zweck zu haben, seine Gedanken zu verbergen. So weiß man nicht, ob er Deut­scher oder Pole ist, ob er den Wandel der Zeit begrüßt oder verdammt. Mechanisch waltet er seines Amtes. Aber die weni­gen deutschen Worte, die sich seinem bärtigen Munde entringen, sind immer richtig und einwandfrei.

So ist es überall hier in Posen. Wenn man auch auf der Straße die Polen deutlich von den Deutschen zu unterscheiden glaubt, so wird in den Geschäften die Erkenntnis schon müh­samer. Daß jemand nicht deutsch versteht, kommt kaum vor, wenigstens in den größeren Geschäften gewiß nicht. Aber der Grad der Sprachkenntnis ist nicht immer ohne weiteres zu ermitteln. Denn wo die Gewöhnung fehlt, muß der gute Wille, der dem Kaufmann aus dem Vorteil seines Berufs erwächst, nachhelfen, und bei .der bekannten Sprachbegabung der Polen bringen die wenigen Wochen der Wiederkehr deutscher Ord­nung mehr zuwege, als zwanzig Jahre verschüttet haben.

Man weiß nicht, ob die Inhaber aller geschmückten Geschäfte auch wirklich Volksdeutsche sind. Ihr Verkaufspersonal jedoch wendet, als hätte es nie etwas anderes gekannt, mit ungezwun­gener Selbstverständlichkeit den deutschen Gruß an und spricht geläufig deutsch. Schlangen vor den Verkaufsstellen sind wenig zu beobachten. Der wirtschaftliche Vorkehr spielt sich reibungslos ab. Nur dort, wo gerade eine Buttersendung eingetrosfen ist, stauen sich die Kauflustigen. An ihrer geduldig wartenden Reihe darf der Deutsche mit seinem Ausweis ohne weiteres vcrüber, um zuerst bedient zu werden. Kaffee ist nicht mehr zu haben, und auch von Schokolade gibt es nur noch hier und da kleine Restbestände von Vrucknvare. Was sich aber bei de«

zahlreichen Deutschen, die aus dem Reich zum Verwaltungs­dienst hergekommen find, besonderer Beliebtheit erfreut, das sind die berühmten polnischen Gänse, die in vorzüglicher Quali­tät zu angemessenen Preisen zum Verkauf stehen. In Posen kennt man auch noch den wundervollen russischen Borschtsch, die berühmte, mit roten Rüben angesetzte kernige Fleischbrühe, zu der unbedingt ein kräftiger Schnaps gehört, wie zum Bei­spiel der klare Ebereschenschnaps, dessen Wiege wohl in Ruß­land gestanden hat. Tichauer Bier aus Oberschlesien ist rein und klar. Das gehört aber bereits ohne Einschränkung auf die deutsche Karte.

Am besten haben sich die Straßenbahnschaffner und Fahrer an die neue Zeit gewähnt. Sie sind selbst den unerfahrenen Fremden gegenüber beim Wechseln des Kleingeldes von einer geradezu verblüffenden Ehrlichkeit. Manche mögen unter ihnen fein, die aus deutschem Blut stammen, ohne es selbst zu wissen.

Eine Uhr ist stehen geblieben. Das Geschäft, an dem sie angebracht ist, hat seine Tür geschlossen. So bedeuten die Zeiger eine Zeit, die nicht mehr gilt. Das ist wie ein Symptom. Aber man sollte daraus nicht den Schluß ziehen, daß nun eine längst verflossene Vergangenheit wieder rückgängig gemacht wird, daß der Zeiger der Uhr sich wieder rückwärts dreht, nein, das Heute, das zwischen gestern und morgen liegt, ist weder ein Stehenbleiben auf dem alten Fleck, noch ein behagliches Selbst­versinken in Empfindungen, die keinen Kurswert mehr haben. Was sich in Posen, der Hauptstadt des neuen Warthegaues vor aller Oeffentlichkeit und doch mehr in der Stille als mit lauten Worten vorbereitet, das ist nichts anderes als der mutige Entschluß zum Aufbau einer völlig neuen Zukunft.

Die Zahl der aus den baltischen Ländern herbeigerufenen Volksdeutschen, die bereits in Posen eingetroffen sind, ist als Ansatz einer neuen Entwicklung groß genug, um zu zeigen, daß in der Eindeutschung dieses alten deutschen Kolonialbodens mit voller Absicht neue Wege eingeschlagen werden. Deutschland will es niemals wieder zu einer ähnlichen Probe aufs Exempel kommen lassen, wie sie 1919 versucht wurde, als ein übler Hetz­journalist seine angeblichen Beziehungen zu den Polen im Auf­träge der damaligen roten Reichsregierung dazu mißbrauchte, um eine schmachvolle Kapitulation Deutschlands mit dem Ver­zicht auf Posen herbeizuführen. Eine Volksabstimmung hätte auch damals trotz der etwas mehr als 57 v. H. Einwohner mit polnischer Muttersprache in Posen zweifellos keinen polnischen Anspruch auf die Stadt erbracht. Denn auch unter denen, die polnisch sprechen, waren viele, die deutsch dachten.

Ueber den Menschen, die eine gewissenlose und unverständige polnische Staatssührung nach Posen verpflanzt hat, liegen die Schatten einer Tragik, die man nicht zu verkennen braucht, auch wenn man sie als unrechtmäßige Eindringlinge und Volks­feinde betrachtet. Aber diese' große Frage ist nicht mit Nach­sicht oder Mitleid zu lösen. Wenn die klaren Verhältnisse geschaffen werden sollen, die eine sichere deutsche Zukunft braucht, dann gibt es nichts anderes, als wieder Deutsche auf diesen Boden zu bringen, den Deutsche einst der westlichen Kultur erschlossen haben.

Die deutschen Straßenschilder bezeichnen den Weg durch die Stadt, und wer sich nach ihnen richtet, kann unmöglich auf den Gedanken kommen, daß einmal fremdsprachige Laute diesen Straßenzügen andere Namen gegeben haben könnten, Namen, gegen die sich jedes geschichtliche Empfinden und jedes Kultur- bewutztsein sträuben mußte. Man muß daran denken, daß jenes Posen, in dem Hindenburg geboren wurde, noch einen verhält­nismäßig geringen Einschlag polnischen Volkstums zeigt. Heute ist der Weg wieder frei. Was vormals dank seiner robusteren Geschäftigkeit das Deutschtum zurückzudrängen verstand, wird seine erschlichenen Plätze wieder räumen müssen.

Die Geschichte der Erschließung des Posener Landes durch deutsche Siedler ist alt. Nicht viel später, als die Ordensritter Ostpreußen und Livland der Ostwanderung freimachten und

70 Jahre Suezkami

WPD. Es ist im allgemeinen nicht üblich, daß wegen eines Kanals eine Oper gedichtet wird; eher schon kann sich ein Skandal um einen Kanal entwickeln, wie das zum Bei­spiel bei Panama der Fall gewesen ist. Immerhin war es der Suezkanal, der vor 70 Jahren eröffnet wurde und dem zu Ehren Giuseppe Verdi im Auftrag des Vizekönigs von Aegypten die OperAida" ins Werk setzen mutzte. Mit märchenhaftem Prunk wurde der Kanal am 17. November 1869 in Gegenwart von 30 000 geladenen Gästen seiner Bestimmung übergeben. Unter den Ehrengästen befanden sich auch Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, der Kron­prinz von Preußen, der nachmalige Kaiser Friedrich III. und die Kaiserin Eugenie von Frankreich. Der große Pomp war begreiflich, denn ein welthistorischer Tag war der 17. No­vember 1869. Eine lange gehegte Sehnsucht war in Er­füllung gegangen, eine direkte Wasserverbtndung zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer und damit ein stark verkürzter Weg nach dem Osten, vor allem nach Indien, geschaffen. Verhältnismäßig einfach und ohne allzu viele technische Schwierigkeiten konnte diese Wasserrinne an der Grenze zwischen Afrika und Asien geschaffen werden; an der Mole von Port Said steht stolz das Denkmal des Planers und Erbauers, des Franzosen Ferdinand von Lesseps, der später auch für das Projekt und den Skandal des Panama- kanals verantwortlich zeichnete. Der Suezkanal ist eine schleusenlose Wasserstraße, 171 Kilometer lang, 12 bis 13 Meter tief und etwa 120 Meter breit. Auf ihm können also Schiffe aller Größen verkehren. Die Durchfahrt dauert 15 bis 20 Stunden und wird absichtlich etwas verlängert, um durch den stärkeren Wellenschlag bei höheren Geschwindig­keiten die sandigen Uferböschungen nicht zu stark in Mit­leidenschaft zu ziehen.

Es verlohnt sich, über dieses eigenartige Projekt noch etwas aus Vergangenheit und Gegenwart zu erzählen, denn hier handelt es sich nicht nur um eine Schiffahrtsstraße, sondern um einen Brennpunkt weltpolitischer Interessen. Bei der Wichtigkeit dieser Verbindung ist es nicht verwun­derlich, daß sie in früheren Zeiten, als dort noch Weltreiche herrschten, schon bestanden hat. Vor 3500 Jahren hatten die Äegypter schon eine Wasserverbindung zwischen Mittel­meer, Nil und Rotem Meer. Im Laufe der Zeit verfiel der Kanal, wurde jedoch später von dem Perserkönig Darius (521485 vor der Zeitwende) wieder schiffbar gemacht. Einzelheiten kann man bei Herodot Nachlesen. Wegen der großen Unterhaltungskosten verfiel jedoch der Kanal immer wieder.

Den letzten Versuch hatte der bekannte Kalif Harun-al- Raschid, ein Zeitgenosse Karls des Großen, gemacht. Dann ruhte das Kanalprojekt ein Jahrtausend, bis 1847 auf Ver­anlassung Metternichs eine internationale Studiengesell- schaft für einen neuen Suezkanal gegründet wurde. Der Hauvtveriechter des Projektes war der Franzose Lestevs.

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damit der Hansa ein neues großes Feld des Handels und der ^ Kolonisation öffneten, zogen auch in das Land an der Warthe Scharen unternehmungslustiger deutscher Einwanderer. Die polnischen Fürsten selbst waren damals so weitsichtig und klug, den Nutzen der deutschen Kulturarbeit für ihr dahinträumendes ! Volk zu erkennen. Die älteste deutsche Stadtgrllndung lehnte sich am Warthe-Ufer an eine polnische Niederlassung an, die man als sehr rückständig anzusehen hat. Im Jahre 1253 erhielt dieses älteste Posen das Magdeburger Recht. Dadurch wa.-- ihm eine deutsche Selbstverwaltung und die Befreiung von polnischen Einflüssen in der Verwaltung und im Recht gesichert. Es wäre aber falsch, wenn man annehmen wollte, daß eine Art Insel im polnischen Raum mit dieser Stadtgründung beabsichtigt war. Vielmehr sollte sie ein Mittelpunkt auch für ein deutsches Hinterland werden und von einem Kranz von 17 deutschen Dörfern umgeben sein. Dieser Mittelpunkt wird Posen nunmehr wieder werden.

! Ein Sozial-Gewerk sür Handwerker

! Stuttgart, 21. Nov. Soziale Einrichtungen aller Art für die ! Betriebsgefolgschaft kannte man Lieber nur bei industriellen , Großbetrieben oder sonstigen großen Unternehmen. Das Hand- ! werk dagegen verfügte über keine derartigen Einrichtungen.

> Die Tätigkeit des auf Veranlassung des Deutschen Handwerks in der DAF. gegründeten Sozial-Eewerks nr Handwerker nimmt nunmehr auch in Württemberg seine Arbeit auf. Ueber die Ziele des Sozial-Eewerks erfuhr man Näheres auf einer Tagung des Sozial-Gewerks für Handwerker von Stuttgart und Umgebung e. E. m. b.H., die unter reger Beteiligung der ! Handwerksmeister und Vetriebsobmänner der größeren Srutt- , gartsr Handwerksbetriebe, der Obermeister und ihrer Beiräte, der Gau- und Kreisfachschaftswalter sowie der Ortshandwerks­meister des Deutschen Handwerks in der DAF. Kreis Stutt­gart stattfand, und wobei die Vorstandsmitglieder Fritz und Schäfer sprachen. Die Aufbringung der Mittel für die von dem Sozial-Gewerk durchzuführenden Maßnahmen soll so geschehen, daß sich jede Bstriebsgemeinschaft, Meister wie Gesel­len, verpflichtet, jede Woche freiwillig eine bestimmte Zeit, wenn möglich eine Arbeitsstunde zusätzlich zu arbeiten und für diese Arbeit auf einen Lohn zu verzichten. Dieser soll vielmehr vom Betriebssichrer an das Sozial-Gewerk überwiesen werden. Jeder Beteiligte erhält vom Sozial-Gewerk als Quit­tung über die geleisteten Arbeitsstunden Marken, sogen. Arbeits­punkte, durch die er Anspruch auf Erfüllung von sozialen ! Leistungen aus dem gemeinsam geschaffenen Sozialfond erwirbt.

! Das Stuttgarter Sozial-Gewerk, das nunmehr seine Tätigkeit ' aufnimmt, hat sich alr Sofortprogramm die Erfüllung nach- ! stehender Ziele zur Aufgabe gemacht: Stärkung der Vetriebs- ^ Verbundenheit aller Eefolgschaftsmitglieder, in erster Linie der an der Front stehenden Handwerker, Errichtung von Altershei- ! men für nicht mehr arbeitsfähige Handwerker sowie von Wohn­heimen für alle im Handwerk Tätigen, Schaffung von Betriebs­küchen und Gemeinschaftsverpflegungen, Bildung von Betriebs­kosten zur Unterstützung von Meistern und Gesellen, Uebernahme von Bürgschaften für die Errichtung einer eigenen Existenz befähigter Junghandwerker, Schaffung von Eemeinschafts- und Unterkunftsräumen, Fachbüchereien und Lesezimmern sowie Räumen für die Durchführung der Berufserziehung. Wenn von den über 8000 Stuttgarter Handwerksbetrieben mit ihren rund 40 000 Beschäftigten vorerst auch nur ein Teil dem Sozial- Gewerk beitritt, so steht zu erwarten, daß dieses gleich im ersten württ. Kreis einen verheißungsvollen Auftakt nimmt. Weitere Sozial-Eewerke sind zunächst für die Kreise.Eßlingen und Ulm und für spater auch für die Kreise Heilbronn und Reutlingen geplant. ^

, dem es gelang, von dem befreundeten KhedivenSaid Pascha ! die Bau- und Vetriebskonzession für 99 Jahre zu erhalten. ! Am 25. April 1859 tat Lesseps den ersten Spatenstich, der ^ Bau dauerte also zehn Jahre. Es berührt heute seltsam, ! daß es gerade die Engländer waren, die der Ausführung ! des Planes alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg leg- j ten und dieHohe Pforte" in Konstantinopel, unter deren i Souveränität damals der Vizekönig von Aegypten offiziell ! stand, für ihre Zwecks mißbrauchten, bis durch ein Macht- ! wort Napoleons der Vau ohne weitere Zwischenfälle vor> ! statten gehen konnte. England hatte damals an dem Bau i deshalb kein großes Interesse, weil es befürchtete, daß es i durch eine für alle Staaten offene Wasserrinne in seinem ! Geschäft beeinträchtigt werden könnte. England hatte näm- . lich für seinen Jndienverkehr längst eine kombinierte Wasser- § und Landverbindung geschaffen. Die britischen Dampfer fuhren durchs Mittelmeer bis Alexandrien, von wo aus Post und Waren von einer englischen Transitgesellschrft zum Roten-Meer-Hafen Suez geschafft wurden. In Suez standen die Schiffe für den Jndienverkehr bereit. Schon seit 1842 war hier ein regelmäßiger Postdienst unter dembri­tischen" Leutnant Waghorns errichtet worden. 2500 Ka­mele, 440 Pferde und 46 Postwagen waren zur Bewälti­gung des Verkehrs bereitgestellt. England hat heute diese Gegnerschaft längst vergessen, hat sich vielniehr maßgeben­den Emfluß auf den Kanal gesichert. Das Zupacken wurde dem britischen Löwen durch die Ungunst der Verhältnisse so­gar sehr erleichtert. Der Kanalbau verschlang insgesamt 640 Millionen Franc. Der Vizekönig von Aegypten kam in finanzielle Bedrängnis und mußte sein großes Aktienpaket auf den Markt werfen. Englands Ministerpräsident Dis- raeli läßt Rothschild im Jahre 1875 zugreifen und seitdem ist der überragende britische Einfluß statutenmäßig fest­gelegt. Obwohl in den ersten Jahren sich das Kanalgeschäft nicht gut anließ, ist es inzwischen zu einer wahren Gold­grube geworden. Die Kanalgesellschaft, aus der Deutschland durch den Versailler Vertrag verdrängt worden ist, betreibt ein lukratives Monopolgeschäft, gegen das bekanntlich von Italien in den letzten Jahren hartnäckig Sturm gelaufen wird. Seitdem Jtalienisch-Ostafrika besteht, ist Italien einer der Hauptbenutzer des Kanals. Der Eesamtverkehr ist groß. Im Jahre 1938 wurden 6171 Schiffe durchgeschleust mit ins­gesamt 34 418 000 Nettotonnen. 1937 waren es infolge des Abessinien-Krieges sogar über 36 Millionen Tonnen. An Fahrgästen wurden 479 802 im Jahre 1938 und 697 800 ini Jahre 1937 gezählt. England benutzt den Kanal in der Hauptsache dazu, um die Schiffahrt der anderen Staaten zu kontrollieren und wenn es für erforderlich gehalten wird einen finanziellen und politischen Druck auszuübcn. Denn England läßt in der Hauptsache nur den Jndienver­kehr durch den Kanal fahren, das Ostasiengeschäft vollzieht sich nach wie vor ums Kap der Guten Hoffnung, weil sür den Fernen Osten der Umweg um Afrika teilweise nur 10 v. H. beträgt, die überhöhten Kanalkosten also reichlich aufwiegt.