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Nr. 275

Donnerstag, äen 28. November 1939

113. Jahrgang

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DNB. Berlin, 22. Nov. DerVölkische Beobachter" schreibt: Otto Strasse» ist der sachliche Organisator des Münchener Ver­brechens. Sein Lebensweg ergibt ein klares Bild des an Cha­rakterlosigkeit selten konsequenten Emigranten.

Am 18. 9. 1887 in Deggendorf-Bayern geboren, ist er der Bru­der Gregor Strassers und Paul Strassers, der wegen homo­sexueller Verbrechen in das Ausland emigrierte.

Der Beginn seiner politischen Tätigkeit sieht ihn im Jahre 1918 als überzeugten Sozialdemokraten, der nach kurzem Stu­dium der Volkswirtschaft die Leitung eines sozialdemokratischen Korrespondenzbüros übernimmt. Während des Kapp-Pntfches ist er Führer einer spartakistischen Hundertschaft. Zm Rahmen seiner Entwicklung zum Nationalrevolutionär stößt er im Jahre 1925 zur NSDAP. Daß die Gründe hierfür nicht weltanschau­liche, idealistische und selbstlose waren, beweist sein späterer Le­bensweg. Als Hauptschriftleiter einiger im Kampfverlag erschei­nender Zeitungen, an der SpitzeDer Nationalsozialist", bemüht sich sein Geltungsdrang und sein zügelloser Ehrgeiz darum, poli­tisch im Rahmen der NSDAP, eine besondere politische Rolle zu zu spielen. Als derrevolutionäre Sozialist", dem das Wort vomGemeinnutz geht vor Eigennutz" stets ein Fremdwort ge­blieben war, als er sich nicht einsiigen konnte, seine egoistischen Ziele nicht erfüllt sah, verließ er, um dem drohenden Ausschluß aus der Partei zu entgehen, mit der bekannten theatralischen Erklärung,die Sozialisten verlassen die NSDAP.", die Partei und gründete die sogenannte Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten.

Später führte ihn der Verräterweg mit dem Meuterer Sten- nes zusammen. Der erhoffte Einbruch i« die NSDAP, gelang nicht, so daß er lediglich ein Gerippe von persönlichen Einzel­gängern im Reich zurückließ, als er im Jahre 1933 zunächst nach Wiqn emigrierte. Sein bisher im Reich erscheinendes OrganDie Schwarze Front" erschien nun mit nur geringer Auflage als Schwarzer Sender" im damaligen Oesterreich. Zur gleichen Zeit wurde im Reich -er größte Teil seiner Organisation aus­gelöst und die Prominenten seiner Mitarbeiter, soweit sie nicht «migriert waren, hinter Schloß und Riegel gesetzt.

Als ihm auch in Wien der Boden zu heiß wurde, flüchtete Otto Straßer nach Prag, wo er sich unter Abstreifung des Schei­nes des Idealisten eindeutig als Hoch- und Landesverräter zum Kauf anbot, ein für Geld gedungenes Subjekt fremder Nachrich­tendienste und Organ der mit ihm täglich verkehrenden jüdischen Emigranten.

Sein engster Mitarbeiter war der unter dem Namen Heinrich Grunow auftretende Emigrant Friedrich Beer. Seine Zeitung hieß bezeichnenderweiseDie Deutsche Revolution", der Geldgeber war die damalige tschechische Regierung Venesch.

Strassers Haupttätigkeit in Prag war neben der Verbreitung von Hetzartikeln in Flug- und Zeitschriften der Versuch, eine einheitliche Ausrichtung aller Schattierungen der Emigranten herzustellen. Ob er dabei die Zahl des Restes seiner Anhänger im Reich mit Wissen oder ohne Kenntnis überschätzte, ist be­langlos. Es steht jedenfalls nicht fest, ob zu dieser Zeit Otto Straffer selbst auch nur im geringsten noch an die Möglichkeit einer Revolution in Deutschland glaubte. Strasser lebte jeden­falls seit Jahren schon ausschließlich von den Geldzuwendungen ausländischer Nachrichtendienste, denen er versprach, in Deutsch­land eine Revolution zuwege zu bringen, zumindest aber den Führer zu beseitigen. So machte er im Juni 1934 eine Reise nach Paris, um die französische Regierung zur Unterstützung eines Putsches im Saargebiet zu bewegen, durch den die Saar- Rückgliederung unmöglich gemacht werden sollte. Nach seinen eigenen Angaben, die in dem gleichzeitig veröffentlichten hand­schriftlichen Brief dokumentarisch festgehalten find, hat damals die französische Regierung diesen Plan abgelehnt, da sie den durchzuführenden Umsturz im Reich ohne außenpolitische Bela­stung 1934 billiger zu erreichen hoffte.

Im übrigen kamen schon damals die gleichen Gedanken zum Ausdruck, die später den Verhandlungen mit den Leitern des englischen Secret Service in den Jahren 1938/39 zugrunde lagen.

Im Rahmen seiner verräterischen Arbeit setzte Otto Strasser einen in Zahori bei Prag mit Unterstützung des tschechischen Nachrichtendienstes gebauten sogenanntenFreiheitssender" an» der neben der propagandistischen Arbeit schon damals die den Attentatsabsichten Otto Strassers und seiner Helfershelfer ent­sprechenden Parolen gab. So schlossen z. B. fast alle Aufrufe dieses im Jahre 1934/35 arbeitenden Senders wörtlich mit der immer wiederkehrenden Aufforderung, daßAdolf Hitler sterben müsse«.

Die deutsche Regierung hat damals offiziell von der tschechi­schen Regierung die Beseitigung dieses zum Mord an deutschen Regierungsmitgliedern auffordernden Senders gefordert. Nach­dem die tschechische Regierung behauptete, von der Existenz dieses Senders keine Kenntnis zu haben, wurde ihr der Standort des Senders genauestens angegeben. Da Venesch naturgemäß auch dann nicht bereit war, den vom tschechischen Gelds ausgezogenen Sendedienst einzustcllen, mußte von deut­scher Seite selbst eingegriffen werden, um diese fortgesetzte Mord­propaganda zu unterbinden. Zwei //-Führer des Sicherheitsdien­

stes haben befehlsgemäß am 26. Januar 1935 diesen Sender zer­stört.

Im Vollzug der ihm von seinen damaligen Prager Geldgebern erteilten Aufträge versuchte nun Otto Strasser, die «ach Deutsch­land aus dem Funkweg gesendeten Parolen auch praktisch zu verwirklichen.

1936 fanden Vorbereitungen für de« ersten Sprengstoffanschlag statt. Er sollte ursprünglich im olympischen Stadion in Berlin während der Olympiade, später anläßlich des Parteitages 1936 in Nürnberg und schließlich anläßlich des Besuches des Duce 1937 zur Ausführung kommen.

Otto Strasser bediente sich dabei durch Vermittlung seines eng­sten Mitarbeiters Fritz Beer (Deckname Heinrich Grunow) eines ehemaligen Studenten der Baukunst namens Helmuth Hirsch.

Dieser Prager Jude erklärte sich bereit, den Sprengstosfan- schlag auszusühren. In zahlreichen eingehenden Besprechungen war der Plan des Anschlages genauestens festgelegt worden. Als Hirsch mit zwei Höllenmaschinen, die durch ein Uhrwerk zur Explosion gebracht werden sollten und zehn Kilogramm Spreng­stoff enthielten, die deutsche Grenze überschritt und sich nach Stuttgart begab, konnte er von Beamten der Gestapo noch rechtzeitig festgenommen werden. Hirsch wurde der Staatsan­waltschaft überstellt und am 8. 3. 1937 zum Tode verurteilt. Das Urteil ist vollstreckt und damals in der deutschen Presse ver­öffentlicht worden.

Nach diesem mißlungene« Anschlag versuchte Otto Strasser noch immer im Dienste der damaligen tschechischen Regierung einen neuerlichen Sprengstosfanschlag, der auf einer Großveran­staltung der NSDAP, zur Ausführung gelangen sollte. Er be­diente sich dieses Mal seiner engsten Mitarbeiter, des ehemaligen Hoteldieners Karl Döpking und des Kaufmannes Helmuth Kre-

Oer Zunk mit clem

DNB. Berlin, 22. Nov. Mit dem von de» Vertretern des britischen Intelligence Service den /--Führer« als den ver­meintlichen Abgesandten einer innerdeutschen Opposition über­gebenen Gerät gelang es, unter Benutzung des von dem Vertre­ter des Intelligence Service, Kapitän Stevens, in Den Haag den Beamten der Sicherheitspolizei ausgelieferten Geheimcode die Verbindung mit der englische» Regierung bzw. dem britischen Intelligence Service aufzunehmen und volle 21 Tage aufrecht zu erhalten.

Der Inhalt der dabei gewechselten Funksprüche mit der ver­meintliche» Revolutionsgruppe in Deutschland ist ebenso auf­schlußreich wie dumm. Sie werden bei ihrer Veröffentlichung einen Einblick in die trostlose Geistesverfassung der regierenden Schicht des heutigen Englands gebe».

Dieser Verkehr der deutschen Sicherheitspolizei mit der briti­schen Regierung bzw. dem englischen Secret Service in London wurde am 22. November, 16.10 llhr von unserer Seite mit fol­gendem Abschiedsfunkspruch beendet:

Auf die Dauer ist die Unterhaltung mit eingebildeten und

törichten Menschen langweilig. Sie werden verstehen, daß wir

abbrechen. Es grüßt herzlich die Euch wohlgeneigtedeutsche

Opposition". Die deutsche Gestapo".

Da die Aufdeckung der englischen Spionageaktion trotz der deutschen Verösfentlichung um diese Zeit anscheinend der Funk­stelle des englischen Geheimdienstes noch nicht bewußt geworden war, haben die beide» englischen Funker Jnman und Walsh auch diesen letzten Funkspruch «och ebenso bieder wie stupide quittiert.

Zur Allsdeikimg des Münchener Ber- drechens

Entrüstung AVer die hinterhältigen Methoden des britischen Geheimdienstes »Ein Meisterstück der Geheimen Staats­polizei-

Rom, 22. Nov. Die Aufdeckung der Hintergründe des Atten­tats von München und die präzisen Ergebnisse der bisherigen amtlichen Untersuchung weiden von der römischen Presse unter größter Aufmachung auf der ersten Seite veröffentlicht. In hie­sigen politischen Kreisen hat man mit lebhafter Genugtuung da­von Kenntnis genommen, daß es der deutschen Polizei in kür­zester Zeit gelungen ist, des erbärmlichen Attentäters habhaft zu werden und den unwiderleglichen Beweis da­für zu erbringen, daß das Intelligence Service hinter dem ruchlosen Anschlag auf das Leben des Führers steht. Geradezu ein Meisterstück der Geheimen Staatspolizei sei auch die Verhaftung des Leiters des englischen Geheimdienstes für Westeuropa und eines seiner engsten Mit­arbeiter an der deutsch-holländischen Grenze.

min. Auch dieser neuerliche Anschlag mißglückte. Die Höllen­maschinen, die nach Deutschland gebracht und auf den Bahnhöfen in Dresden und Leipzig aufLewahrt worden waren, konnten sichergestellt werde». Döpking und Kremin wurden am 25. 5. 38 festgenommen und durch das Urteil des Bolksgerichts vom 22. 9. 1939 zum Tode verurteilt.

Schon im Herbst 1938 versuchte Straffer von Prag aus, ein neues Attentat zu organisieren. Nach dem Sturz von Beuesch verließ Strasser Prag und trat nunmehr in engste Beziehung zum britischen Geheimdienst.

Auf Weisung dieser seiner neuen Londoner Auftrag- und Geld­geber gelang es ihm nunmehr, den dritten verbrecherischen Ver­such auf das Leben des Führers ausführen zu lassen. Dieses Mal hat nun wirklich nur die Vorsehung das volle Gelingen des verbrecherischen Anschlages in seiner ganzen grauenhaften Eud- zielsetzung verhindert. In der Nacht vom 8./9. November 1939 versuchte der Verbrecher Elser in der Nähe von Konstanz in die Schweiz zu gelangen. Dabei wurde er verhaftet. Otto Straffer» der auf die Ankunft seines Werkzeuges gewartet hatte, und nunmehr nach 24 Stunden erfuhr, daß

1. der Anschlag aus den Führer doch wieder mißglückt und

2. der Täter selbst anscheinend beim Ueberschreite» der Grenze abgesangen worden war, verließ daraufhin am 16. November sofort überstürzt die Schweiz, um nach London zu seinen Auf­traggebern znrückzusahren.

Der Brief eines Verräters

DNB. gibt den Wortlaut des im obigen Artikel erwähnten handschriftlichen Briefes wieder, in dem Otto Strasser auf seine Pläne, die Saar-Rückgliederung unmöglich zu machen, eingeht. Eine Namensliste der in dem Brief durch Nummern bezeichnete« Personen wird beigefügt.

bril. Seheimäienst

Sofia, 22. Nov. Die Erklärungen des Reichsführers // Himm­ler über die Verhaftung des Attentäters von München und die Hintergründe des Anschlages stehen am Mittwoch im Vorder­grund der Morgenpresse und des allgemeinen Interesses der bul­garischen Hauptstadt In den lleberschriften der Blätter wird der aufsehenerregende Umstand hervorgehoben, daß der Atten­täter mit führenden Vertretern des englischen Geheimdienstes in Verbindung stand und daß der Sprengstoffanschlag im Vürger- bräukeller vom Secret Service unter Beihilfe von Emigranten organisiert wurde.

Amsterdam, 22. Nov. Die Verhaftung des Attentäters von München hat in Holland einen überaus starken Eindruck hinter­lassen, und die Blätter bringen ausführliche Berichte. Größtes Aufsehen hat ferner die Feststellung gemacht, daß der britische Geheimdienst den Auftrag zum Verbrechen gegeben habe, und daß von dort aus Mittel zur Verfügung gestellt worden sind, um den feigen Anschlag zu ermöglichen. Auch die Tatsache, daß als Organisator des Attentats Otto Straffer ausgetreten sei, wird stark hervorgehoben. 2n nicht geringem Maße erregt die deutsche amtliche Mitteilung über die Tätigkeit der Zentrale des englischen Intelligence Service im Haag die Aufmerksamkeit in ganz Holland. Allgemeine Beachtung findet die Darstellung, wie es der deutschen Geheimen Staatspolizei gelang, die Pläne des britischen Geheimdienstes aufzudecken und die beiden führenden Beamten des Intelligence Service bei Venlo festzunehmen in dem Augenblick, als sie die deutsche Grenze zu überschreiten ver­suchten.

*

Der Organisator des Münchener Verbrechens verlieb die Schweiz

Otto Straffer hat sich nach England begeben

Berlin, 22. Nov. Ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Hinter­gründe des Münchener Attentates und die enge Zusammenarbeit zwischen Otto Straffer und dem britischen Geheimdienst wirft die Tatsache, daß bereits am 16. November die Agenzia Stefan, aus Bern meldete, es werde in dortigen Kreisen davon gespro­chen, daß OttoStrasser, derinZLrichwohnte, in das Münchener Attentat verwickelt sei. Daraus erkläre sich auch der Umstand, daß Otto Straffer plötzlich die Schweiz verlassen und sich nach England begeben habe.

Keine englischen Kommentare zur Aufklärung des Münchener Attentats

Amsterdam, 22. Nov. Die gesamten Londoner Morgenblätter bringen, zum Teil in großer Aufmachung, die deutschen Fest» stellungen zum Münchener Attentat, aus denen die Mitschuld Englands hervorgeht. Außer einer noch am Dienstag abend aus­gegebenen amtlichen Stellungnahme, die zudem für einige Zei- tungen auch noch zu spät kam, bringen die Blätter keine eigenen Kommentare, sondern begnügen sich mit der Wiedergabe der DRB.-Meldung und mit einer Darstellung der Verhaftung der britischen Agenten.