Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"

samsrag, oeu «. November 19SS

Arbeit der Kleintierhalter? Auch heute.wäre es sinnlos, wenn jedermann zum Kaninchenzüchter oder Ziegenhalter würde. Das aus dem Weltkrieg bekannte Balkonkaninchen ist ebenso zu verwerfen wie die Kellerziege. Kleintiere sollen nur dort gehalten werden, wo die eigene Futtergrundlage gegeben ist und wo zugleich die richtigen Ställe und die richtige Pflege vorhanden sind. Der erfahrene Kleintier- halter, der über reichliche Bestände verfügt, mutz diese Bestände unter allen Umständen unter Vermeidung von Abschlachtungen der Allgemeinheit dadurch erhalten, daß er seine Tiere an die neuen Halter, möglichst unter Einschal­tung der Vereine, abgibt. Die Möglichkeit der Vermehrung liegt vor allem bei den Kleinsiedlern und Kleingärtnern, überhaupt jedem, der ein Stück Land oder Garten besitzt. Hier liegen die bisher noch ungenutzten Reserven der Klein­tierhaltung! Darüber hinaus bieten aber auch kleine und kleinste Flächen in Höfen, Vorgärten, Blumengärten, auf Bauplätzen, Wegrändern, Böschungen usw. die Möglichkeit neuer Kleintierhaltung, wobei die restlose Verwertung aller Haushalts- und Küchenabfälle im Zusammenhang mit spar­samster Fütterung von besonderer Bedeutung ist. In jedem Fall bleibt die richtige Unterbringung der Tiere, also der gute Stall, nach den Mustern des R. D. Kl. ausschlaggebend für den Erfolg. Wie in der Landwirtschaft, so wird auch in der Kleintierhaltung oft die Frau diese Mehrarbeit übernehmen müssen, der dabei die Vereine mit Rat und praktischer Unterstützung zur Verfügung stehen. Auf den einzelnen Gebieten ergeben sich nun folgende Gesichtspunkte:

Wie allgemein, so dürfen auch in der G e f l ll g e l w i r t - schaft gerade jetzt die Hennenbestände nicht verringert werden. Nur das Abschlachten nichtlegender und zu alter Hennen, also dreijähriger Tiere, ist zu verantworten. Gerade bis Geflügelhaltung läßt sich noch in vielen Kleingärten auf der Grundlage des Abfallfutters ausweiten, wobei frei­lich kleinere Haltungen von vier bis fünf Hühnern pro­duktiver sind als zu große. Lieber weniger Tiere, dafür ausreichende und richtige Fütterung! Bei der Futterberech­nung mutz man in den Eeslugelkleinhaltungen davon aus­gehen, datz zwei Drittel aus den Haushalts- und Garten abfällen zu decken sind. Praktisch wird je Tag und Tier empfohlen: 80 Gramm Kartoffeln, Kartofelschalen oder Haushaltsabsälle, 20 Gramm Legemehl oder Kleie, 30 Gramm Körner. Vrennesseln bieten übrigens einen guten Ersatz für Fischmehl und Eiweitzkonzentrate. Gute Erfolge versprechen gerade jetzt, auch vom aroeitswirtschaftlichen Standpunkt, Gemeinschaftsaufzuchten, die Rentnern und älteren Leuten eine wichtige Beschäftigung geben. Datz auch die Gänse- nnd Entenhaltung in geeigneter bäuerlichen Betrieben vermehrt werden mutz, ist ebenso selbstver­ständlich.

Von besonderer Bedeutung ist die Vermehrung der Kaninchenhaltung, die sich infolge der leichten Haltung, Fütterung und Unterbringung der Tiere auch jetzt in grossem Umfange schnell durchführen lätzt. Hier sind die Zahlen des Weltkrieges bestes Beispiel: 1913 gab es 2,5 Mill. Kaninchen, im Jahre 1918 14 Millionen! Das sagt allein schon genug. Man darf nicht vergessen, daß nur eine Häsin in der Lage ist, mit ihrer Nachzucht 25 Kilo­gramm Fleisch jährlich zu erzeugen. Wenn wir den Bestand von 5 Mill. Häsinnen (Dez. 1938) verdoppeln, was sich praktisch leicht erreichen lätzt, so werden wir bei einer Durch­schnittsleistung von 15 Kilogramm je Häsin 150 000 008 Kilogramm Fleisch erzeugen. Zu beachten ist, datz für die Vermehrung der Kaninchenhaltung allerdings nur Klein­haltungen in Betracht kommen. Die Fütterung der Tiere ist bekanntlich denkbar einfach, da sie nahezu alle Abfälle, vor allem die pflanzlichen Abfälle des Gartens restlos ver­werten. Durch das Kaninchen wird effektiv aus Unkraut Fleisch! Abfälle, die im Augenblick nicht auszunutzen sind, müssen durch Trocknung oder Einsäuerung für die Wipter- fütterung sichergestellt werden. Nicht zu vergessen ist schließ­lich die Bestandserhöhung der Angorakaninchen, deren Be­stände auf 500 000 verdoppelt werden sollen.

Angesichts der Bedeutung der Milch- und Fettfrage steht im Mittelpunkt des Programms des Reichsverbandes ver­ständlicherweise auch die Vermehrung der Zie­ge n h a l t u n a. deren Bedeutuna nicht aenua betont wer­

ben kann. Leider werden Ziegen noch viel zu wenig gehal­ten! 1938 hatten wir im Altreich nur 2,8 Mill. Ziegen, während 1920 4,5 Mill. gezählt wurden. Ziel ist heute, die Bestände zu verdoppeln, also auf 6 Mill. Ziegen zu erhöhen. Die dann anfallende Ziegenmilch und -butter wird eine sehr entscheidende Verbreiterung unserer Ernührungsgrund- lage sein. Wo können nun weitere Ziegen gehalten werden? Selbstverständlich gilt auch hier der Grundsatz der geschil­derten eigenen Futtergrundlage, die in der Tat noch bei vielen Kleinst- und Kleinbetrieben vorhanden ist, wo eine Kuhhaltung kaum in Betracht kommt. Aber auch in land­wirtschaftlichen Kleinbetrieben, wo die zusätzliche Haltung einer Kuh nicht mehr möglich ist, können 1 bis 3 Ziegen Las übrig bleibende Futter oft restlos ausnutzen. Darüber hinaus mutz vor allem der Landarbeiter, Kieinsiedler, Klein­landwirt der Reichsbahn, der auf denn Lande wohnende Handwerker oder Industriearbeiter prüfen, ob sich nicht Loch noch unter Heranziehung der erwähnten Futtermög- lichkeiten außerhalb des eigenen Grundstücks, also z. B. von Böschungen, Bahndämmen. Bauplätzen usw. 1 oder 2 zu­sätzliche Ziegen halten lassen. Zu beacht en ist, datz die Ziege auch Magermilch liefert und damit die eigene Grundlage der Schweinehaltung verbreitert. Man hat errech­net, datz sich allein durch die Magermilch der Ziegen ins­gesamt über 1 Million Schweine mästen lassen. Aus all diesen Gründen ist das Abschlachten von Ziegen jetzt, untragbar. Wer aus berechtigten Gründen Tiere abschaffen mutz, soll diese den örtlichen Vereinen anbieten. Ebenso müssen in diesem Herbst alle vorhandenen Ziegen belegt werden. Man rechnet damit, datz dann im nächsten Jahr etwa 1 Million Lämmer zur Verfügung gestehen. Deshalb find alle zuchttauglichen Lämmer aufzuziehen, die übrigen sind zu mästen. Wichtig ist. Latz sich der Ziegenhalter sofort einen genauen Futtervoranschlag aufstellt, damit die Fut­terwirtschaft die nötige Sicherheit erhält. Für eine Ziege (700 bis 800 Kilogramm Milch) rechnet man je Jahr: 450 Kilogramm Hru, 500 Kilogramm Runkelrüben, 200 Kilogramm Gärfutter, 1500 Kilogramm Grünfutter, 75 Kilogramm Trockenschnitzel. Danach sind für die Winter­fütterung je Tag vorzusehen: 1,5 Kilogramm Heu, etwa 3 Kilogramm Runkelrüben. Gärfutter und dergl. und etwa 0,4 Kilogramm Trockenschnitzel.

Das Programm, das der Neichsverband deutscher Klein­tierzüchter aufgestellt, hat, enthält schließlich noch genaue Richtlinien für die Bienenzucht und den Seiden­bau, beides Betriebszweige der Kleintisrhaltung, aus denen sich für unsere Ernährungs- und Nohstoffwirtschaft noch sehr bedeutende Werte herausholen lassen. Als Ziel ist z. B. im Seidenbau eine Erweiterung um 1000 Maul­beerpflanzen in jeder Gemeinde gesteckt. So ergibt sich ins­gesamt für Millionen Volksgenossen, jung und alt, eine Aufgabe, die vom ernährungswirtschastlichen Standpunkt gesehen nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Klein­tierhaltung und Kleingarten sind in der Tat die zweite Produktionsreserve der Ernährungswirtschaft, deren Mobi­lisierung in größtem Ausmaße neben der Landwirtschaft zu einem entscheidenden Faktor ini Kamps gegen den Ver­such der Hungerblockade geworden ist.

Reisen im Kriege

Erzählung von Eva Gräfin von Vaudissin

In das Abteil, das bisher nur von zwer Herren besetzt war, trat zögernd ein junges Mädchen.Dies ist doch ein Nichtraucherabteil?" fragte sie.Gewiß!" antworteten die Anwesenden wie aus einem Munde, und der ältere der Herren wies lächelnd auf die Türschilder:Sehen Sie, Fräu­lein, da steht's Sie brauchen keine Angst zu haben, daß wir Sie einräuchern."

Ach, ich bin nicht ängstlich", versicherte sie und legte ihr Handgepäck ins Netz, während beide Herren sich gleichzeitig um ihre zwei Koffer bemühten, denen sie Platz verschaffen wollten.Uff, die sind aber schwer", meinte der eine, und der andere setzte etwas ärgerlich hinzu:Solche Lasten ge­hören eigentlich in den Gepäckwagen."

Erschrocken erwiderte das Mädchen:Ich darf sie ja auch nicht heben. Ich habe mir den Arm gebrochen, erst vor kurzem, und mutz ihn noch schonen beim Umsteiaen eben

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einen Armschutz. Der Professor konnte ihm natürlich wegen des Westwalls keinenbindenden" Bescheid geben, wohl aber, datz er ihn schon wiederhin"kriegen würde. i

Das Ergebnis der Untersuchung der einzelnen Fälle war, datz wir insgesamt acht Verletzte mit Kopf- und Nückrn- markschüssen zum Transport übernahmen. Ihre Verletzun- , gen sollten in einem Speziallazarett der Heimat behandelt ^ und ausgeheilt werden. i

Das Umladen der Tragen für die Verwundeten vom - Auto ins Flugzeug ging einfach vonstatten und unter grüß- ! ter Schonung der Verwundeten. Die Tragen für Kranken- i auto und Flugzeug sind einheitlich, so daß das lästige Um- > betten sich erübrigt. !

Der Start zum Rückflug war glatt. Ruhig lagen die : Verletzten in ihren Tragen; teils schlafend, teils interessiert : den Bewegungen des Flugzeuges folgend. War es doch bei ! allen der erste Flug. Bei der Landung im Heimathafen ! bemühten sich sofort die Rot-Kreuz-Schwestern der Luft- s waffe um sie mit warmem Tee und einigen Broten. >

Vieler Soldaten Leben gerettet !

Run liegen sie in einer Fachabteilung eines der Berliner ! Univsrsttätsklink angeschlossenen Luftwäffenlazaretts. Schon am übernächsten Tage konnte einer der Verletzten operiert werden ein Dutzend Splitter wurden auf Grund einer z Schutzverletzung aus dem Gehirn entfernt. Er befindet sich i schon wieder wohlauf und auf dem Wege der Gesundung ! - wie wir uns selbst später noch überzeugen konnten. !

Ihren ersten frontmäßigen Einsatz haben die deutschen ! Sanitätsflugzeuge im polnischen Feldzug erfahren. Viele ! Soldaten verdanken dieser Einrichtung der Luftwaffe Leben ! und Gesundheit. Auch hier ist der Sanitätsdienst der Wehr- j macht auf der Höhe und ringt mit dem Einsatz von Technik ! und Wissenschaft um jeden Soldaten. s

Willy Heudtlatz.

Die Weite ProduLtionsreserve -er ErMrWgswirtfchast

Welche Aufgaben stellt die Zeit der Kleintierzüchter?

Von Diplomlandwirt H. H. Freudenberger, Reichs­abteilungsleiter im Reichsnährstand.

ZdR. Ein bekannter nationaler Politiker stellte nach Schlug des Weltkrieges in der öffentlichen Diskussion ein­mal fest, datz Deutschland den Krieg ernührungswirtschaft- lich schon nach einem Jahr verloren hätte, wenn nicht die Arbeit der Kleintierzüchter und Kleingärtner gewesen wäre. Diese Feststellung läßt sich auf ihre zeitliche Stichhaltigkeit gewiß nicht nachprllfen, sicher ist aber, datz schon damals unter den völlig desorganisierten ernährungswirtschaftlichen Verhältnissen Kleingarten und Kleintierhaltung eine Pro­duktionsreserve von unerhörter politischer Bedeutung dar­stellten. Nur durch sie, durch ihre außerordentliche Auswei­tung und Intensivierung, war es möglich, Millionen vor l der Unterernährung zu bewahren. Heute liegen die ernäh- s rungswirtschaftlichen Verhältnisse erfreulicherweise ganz i anders, dennoch ist aber die Bedeutung dieserzweiten Pro­duktionsreserve der Ernährungswirtschaft" um nichts gerin- s ger geworden, denn durch ihre Ausnutzung haben wiederum ; Millionen die Möglichkeit, durch Selbsthilfe den Kampf § gegen die Ernährungsblockade aufzunehmen. Die Tatsache, ! datz zum Beispiel der Wert der Produktion der Kleintier- j Haltung rund 1200 Mill. RM. beträgt, das ist der zehnte ! Teil der in der Landwirtschaft erzeugten Güter, vermittelt s einen Begriff von der Bedeutung dieses Zweiges der s Ernährungswirtschaft. Alles, was zu seiner Förderung ^ getan werden kann, mutz daher in größtem Umfang, mit > peinlicher lleberlegung und stärkster Intensität gerade heute s einsetzen. f

Der Reichsverband deutscher Kleintierzüchter hat in i Zusammenarbeit mit den zuständigen Reichsfachgruppen in ! diesen Tagen Richtlinien herausgebracht, die die praktische ^ Arbeit unter dem Gesichtspunkt der akuten Eerfordernisse f so klar umreitzen, datz jede Zersplitterung und Unproduk- § tivität vermieden wird. Was ist das Wesentliche für die !

Offiziersksmdschafler Ln England

Am K. November 1914 wurde Karl Hans Lody erschossen

Ein Eedenkblatt von Herbert Caspers

Am 6. November 1914 früh um sieben Uhr peitschte eine Salve in die Morgenstille des Londoner Towers, jener Stätte der englischen Geschichte, die schon so viel Blut fließen sah. Acht Gewehrschüsse setzten dem Leben Karl Hans Lodys ein Ende. Ein tapferer deutscher Offizier hatte seinem Vaterland das höchste Opfer gebracht.

Lodys Leben war ein Heldenschicksal. Der Mann, der unerschrocken in die feindlichen Eewehrläufe sah, als seine letzte Stunde gekommen war, lebte ein Dasein des Kampfes.

Am 22. Januar 1877 in Berlin geboren, stammt er väter­licherseits aus einer Beamten- und Juristenfamilie, mütter­licherseits der preußischen Offiziersfamilie von Hartung. Als Zehnjähriger schon stand Lody elternlos in der Welt und wurde in der Waisenanstalt der Franckeschen Stiftung in Halle erzogen. Frühzeitig also schon packte den Knaben -das Leben hart an.

Der Dreiundzwanzigjährige bestand auf der Navigations­schule zu Geestemünde sein Steuermannsexamen und wurde damit Schiffsoffizier der Handelsmarine. Er schloß gleich bei der 4. Kompagnie der 2. Matrosendivision in Wilhelms­haven seine militärische Dienstleistung an, die ihn auf Kreu­zerViktoria Luise" und das ArtillsrieschulschiffMars" führte. Rastloser Eifer und natürliche Begabung brachten ihm 1904 das Kapitänspatent mit Auszeichnung, und in­zwischen war der arme Waisenknabe, der als Fünfzehnjäh­riger froh war, Schiffsjunge werden zu können, auch Re­serveoffizier der Kriegsmarine geworden.

Von 1905 ab fuhr Lody als Offizier auf den Schiffen der führenden deutschen Reederei, der Hapag. Er sah alle Län­der der Erde, und neben seinen rein seemännischen Eig­nungen lobte man an ihm vor allem seine gesellschaftlichen Gaben und die vollkommene Beherrschung der englischen und der französischen Sprache. Eine Schwächung der Seh­kraft und eine schwere Operation veranlaßten Lody, in die Stellung eines Reiseleiters überzuwechsrln. Er fuhr einige Weltreisen mit einem amerikanischen Reisebüro und lernte im gleichen Dienst später bei der Hapag auch eine Deutsch- Amerikanerin kennen, die er heiratete. Sein Englisch ge­wann in diesen Jahren jenen amerikanischen Akzent, der später im Kundschafterdienst ermöglichte, Lody als einen Amerikaner auszugeben.

Als der Weltkrieg ausbrach, kam Lody von einer Reise in die Fjorde Norwegens zurück. Sein Entschluß stand fest: er konnte wegen seines Leidens dem Vaterland nickt mit

der Waffe in dc-r Hand an der Front dienen, aber er wollte dennoch kämpfen und den höchsten Einsatz bringen! So fuhr der Oberleutnant zur See der Reserve Lody am 29. Juli 1914 zum Admiralstab nach Berlin und bot sich als Offizierskundschafter in England an. Sein Antrag wurde angenommen, und am 16. August reiste der amerikanische Staatsbürger Charles A. Jnglis mit ordnungsmäßigem Paß und dem Regiftrierschein des Konsuls der Vereinigten Staaten über Hamburg nach Norwegen. Lodys Kundschafter­tätigkeit hatte begonnen. Ganz auf sich selbst gestellt, über die Gefährlichkeit seines Tuns vollkommen klar, reiste Lody als Charles A. Jnglis von Bergen nach England aus unter der Vorgabe, auf dem Heimweg nach den Vereinigten Staa­ten zu sein. Es herrschte in Deutschland zu Anfang des Weltkrieges Unklarheit über den Aufenthatl der englischen Flotte. Als Lody englischen Boden betrat, wandte er sich sofort nach Edinburgh und stellte am Firth of Forth mit dem starken Flottenstützpunkt Rosyth fest, was bereits ver­mutet wurde: ein großer Teil der englischen Flotte lag vor dem Firth of Forth. Nach tagelangen genauen Beobach­tungen ging am 30. August an eine Deckadresse in Stockholm zur Weitergabe nach Berlin das folgende Telegramm auf englisch:Muß ungültig machen. Johnson sehr krank. Ver­lor vier Tage. Werde bald abreisen." Tatsächlich aber sagte Lodys Telegramm dem deutschen Admiralstab: Vier Kriegs­schiffe sind beschädigt, im Firth of Forth liegen viele große Kriegsschiffe, ihr Äuslaufen ist bald zu erwarten.

Die außerordentliche Bedeutung der Meldung des Kund­schafters bewies sich bald. Sofort liefen die deutschen U- Boote U 21 und U 20 aus, und am Nachmittag des 5. Sep­tember gelang es Kapitän Hersing mit U 21 vor dem Firth of Forth den 3000 Tonnen großen KreuzerPathfinder" zu torpedieren, so daß er innerhalb von wenigen Minuten mit 220 Mann in den Fluten versank.

Lody berichtete in der Folgezeit fortlaufend über seine militärischen, aber auch seine politischen Feststellungen, er machte Angaben über die englische Spionenfurcht und die krankhafte Angst vor deutschen Luftüberfällen durch Zeppe­line, er schilderte den Schutz der englischen Hauptstadt, fuhr nach Irland, kam dann nach Liverpool, wo ihm nach eng­lischer Darstellung ein Meisterstück der Kundschaftertätigkeit gelang, indem er ganz genau in nächster Nähe der Docks mit seinem fachmännischen Blick den Umbau großer Handels­schiffe zu Kriegsschiffen beobachtete und meldete.

Schon in Rosyth war einer seiner nicht chiffrierten Be­richte der englischen Postkontrolle in die Hände gefallen; auch ein genauer irischer Bericht über einzelne Verteidi­gungsanlagen, Bewaffnung und Stellung der englischen Flotte in der Nordsee kam nicht nach Deutschland. Am

öv. «Leplemder schrieb er einen umfassenden Bericht aus Du­blin in Irland unglücklicherweise auf Briefbögen mit Hotel­aufschrift. Dieser Brief lieferte ihn den Feinden aus. Am 2. Oktober wurde er in Killarny an der Südwestküste Ir­lands, wohin er sich zurückgezogen hatte, weil er sich seit längerem beobachtet fühlte, verhaftet. Ein Protest unter Hinweis auf die amerikanische Staatsbürgerschaft nutzte nichts, und so war sich Lody sofort über sein Schicksal klar. Der Verhaftet wurde nach London übergeführt, und die Verhöre begannen. Lody leugnete nicht, sondern bekannte sich stolz als deutscher Offizier im Kundschafterdienst.

Schon am 31. Oktober trat in der Middlesex Guildhall das Kriegsgericht zusammen, über dessen llrteilsspruch an­gesichts der erdrückenden Beweise auch für Lody kein Zwei­fel bestehen konnte. Aber er erreichte durch sein mannhaftes Auftreten und seine soldatische Ehrlichkeit, daß man ihn als deutschen Offizier achtete und sein für England so gefähr­liches Wirken nicht mit dem eines bezahlten Spions, dem der Tod durch den Strang drohte, auf gleiche Stufe stellte.

Die Anklage bezeichnet« ihn alseinen gefährlichen Mann", sein Verteidiger aber erklärte als Engländer vor dem englischen Kriegsgericht:Er hat nicht sein Land für Gold oder Stellung oder Macht verkauft, auch hat er nicht, versucht, auf irgend eine Weise einen Offizier in unserem Dienst oder einen Beamten in unserer Kriegsabteilung zu verlocken oder zu bestechen... Wenn wir ihn auch als einen gefährlichen Mann ansehen müssen, können wir ihm doch unsere Achtung nicht versagen wegen des Mutes, mit dem er die gefährliche Aufgabe übernahm und wegen der Art, mit der er sie durchgeführt hat ohne Aussicht einer persönlichen Belohnung und ohne korrumpierende Handlungen."

Rach dreitägiger Verhandlung wurde Lody in den Tower übergeführt, und dort wurde ihm am 5. November das Urteil verkündet, daß er am Tage darauf erschossen werde.

Aus seinen Abschiedsbriefen klingt das stille Heldentum seines Opfers:Möge mein Leben als ein bescheidenes Opfer auf dem Altar des Vaterlandes gewürdigt werden. Ein Heldentod in der Schlacht ist gewiß schöner, jedoch ist mir dies nicht beschieden, und ich sterbe hier in Feindesland still und unbekannt. Das Bewußtsein jedoch, im Dienste meines Vaterlandes zu sterben, macht mir den Tod leicht." ' Lody behielt Haltung bis zum letzten Augenblick. Er ver­bat sich die Binde vor den Augen und schaute offen in die Eewehrläufe. Das erschütterte den kommandierenden Offi­zier so sehr, daß er impulsiv auf Lody zutrat und ihm die Hand hinstreckte mit den Worten:Ich scheue mich nicht, einem tapferen deutschen Mann und Offizier den letzten Gruß zu erweisen." Dann trat er zurück... Die Salve krachte... _