s. Seite — Nr. 258
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Freitag, den 3. November 1938
Etwas für unsere Kühner
1. Diphterie und Schnupsen (Psipscs), eine Herbst- und Win
tererkrankung des Geflügels. Besonders in diesem regnerischen und kalten Herbst gehen bei mir täglich Anfragen ein. was zu tun sei, wenn Hühner an Schnupfen (Psipfes) erkrankt sind. Diphterie und Schnupsen treten immer gemeinsam auf und müssen auch miteinander behandelt werden. Die Krankheit kommt vornehmlich beim Haushuhn vor und fordert bei schwerem Auftreten 50 und mehr v. H. Verluste. Die meisten Geflügelhalter sind der Meinung, das Geflügel wolle einen recht warmen Stall haben und deshalb werden alle im Stall befindlichen Luftlöcher und ähnliche Frischluftzufuhrvorrichtungen zugestopft. Im Stall entsteht dann über Nacht eine viel zu hohe Temperatur und wenn das Geflügel ins Freie kommt, entsteht diese Erkältungskrankheit. In gut bewirtschafteten Geflügelhaltungen und -Zuchten werden selbst im Winter Luftlöcher und ähnliche Frischluftzufuhrvorrichtungen mehr oder weniger ofiengehalren. Die Krankheit hat ähnliche Erscheinungsformen wie beim Menschen: Niesen, Nasenausfluß, Verkleben der Nasenlöcher und Mundatmung. Leicht kann man Schnupfenfälle heraussinden, wenn man bei Nacht in den Stall geht; man erkennt sie am Röcheln und Piepsen. Die Schleimhäute emzünden sich immer mehr und schließlich bilden sich die gefürchteten beulenartigen Aufschwellungen am ganzen Kopf. Ist die Krankheit weit vorangeschritten, dann findet man an der Innenseite des Schnabels und Gaumenspaltes weißliche eiternde , Beläge. Am besten werden kranke Tiere herausgefangen und : abgesondert. Zur Heilung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ein altbewährtes Mittel ist: Man nimmt Jodglyzerin (Mischung j 11 Jod H Glyzerin). Mit diesem Gemisch wird Hals und ! Gaumen mit Hilfe einer Flügelfeder ausgepinselt. Für die Behandlung angeschwollener Augen verwendet man 2 Prozent Borwasser. Von diesem Borwasser träufelt man 2—3 Tropfen in die Augen. Diese Behandlung muß 3—4 mal durchgeführt j werden im Zeitabstand von 1- 2 Tagen. Das sogenannte „Pfip- j üs-Nehmen" (Abziehen der durch das Schnabelatmen eingetrost- j neten Zungenhaut) ist eine strafbare Tierquälerei. Die ! Krankheit kann dadurch nicht geheilt werden. Als Vorbeugungs- ' mittel zur Desinfektion des Halses hat sich eine kleine Beigabe ^ von übermangansaurem Kali (12 Körnchen auf einen Liter , Wasser) wöchentlich 1—2 mal ins Trinkwasser bei kaltem und ; nassein Wetter bestens bewährt. j
2. Das Ungeziefer des Eeslügels und seine Bekämpfung. ^
Während des ganzen Jahres muß der Geflügelhalter einen stän- ; digen Kampf gegen das Ungeziefer führen, weil sonst mit dessen ! Ueberhandnehmen Ertrag und Leistung zurückgehen. Die beste ! Gegenmaßnahme ist die peinliche Sauberhaltung und Desinfek- j tion der Stallungen. Jeder Hühnerftall sollte wenigstens 1—2 j mal im Jahr gründlich gereinigte und ausgekalkt werden. Der : Kalkbrühe fügt man ein Desinfektionsmittel bei wie Lysol :
oder Creolin. Der schlimmste Feind unseres Geflügels ist die j r.'te Vogel milbe. Sie wird nur 1 Millimeter lang. Die ! jungen Milben sind so winzig klein, daß sie mit dem bloßen s Auge kaum wahrnehmbar sind. Dieser Schmarotzer belästigt das : Geflügel am Tag nicht. Er sitzt infolge seiner Lichtscheue in den ! Wänden, Ritzen, Spalten und in den Auflagestellen der Sitz- : stanzen. Erst wenn das Geflügel schlafen geht, erwachen die ^ Milben und stürzen sich auf ihre Opfer, um ihnen den roten j Lebenssaft auszusaugen. Am Tage kann man sie in ganzen ! Kolonnen als rote Flecke an der Unterseite der Sitzstangen ^
und Ritzen erkennen. Die blutsaugende Milbe ist dem Geflügel ^ schädlicher als die Laus. Bekämpfung: Die Sitzstangen
und Auflagestcllen werden jährlich dreimal mit Karbolineum
gestrichen (Frühjahr, Sommer und Herbst). Bei Bekämpfung der Federlinge und der Hühnerläuse ist Grundbedingung: Reinlichkeit, Trockenheit und ein Sandbad. Dem Sandbad wird Kalk, Holzasche Und etwas Schwefelblüte oder Tabakstaub beigemengt. j
3. Bekämpfung der Futzriiude (Kalkbeine). Auch die Kalkbeine werden durch Milben verursacht Sie leben unter den Schuppen der Füße und erzeugen die schorfigen kalkartigen Ablagerungen (Kalkbeine). Reinlichkeit ist Bedingung. Wiederholtes Einfetten mit Rüb- oder Sesamöl beseitigt das Uebel. Auch hat sich besonders bewährt das Einweichen mit starker Schmierseifenlösung. Nie soll man hierzu Petroleum ohne einen Zusatz von Oel verwenden, da sonst die Haut schwer geschädigt und die Tiere gequält werden.
4. Fütterung der Hühner. Ein reicher Eetreidesegen liegt ^ wiederum cn Scheune und Speicher, so daß für die bäuerliche Geflügelhaltung das notwendige Futter vorhanden ist. Im Bauernbetrieb werden vorwiegend Kartoffeln 60 70 Gramm je Tier und Tag gegeben. Zum Anmachen des Weichfutters rechnet noch 10 20 Gramm Futtergetreideschrot und Zuckerschnitzel. Die tägliche Körnergabe für ein Tier darf auch im Bauernbetrieb nicht mehr als 40 Gramm im Durchschnitt betragen. Dazu kommt als besonders eiweißhaltiges Futter Eiweißkonzentrat, Fischmehl, Fleischmehl mit je 8—10 Gramm je Tier ^ und Tag. Auf dem Bauernhof mutz man jedoch bemüht sein, auf diese nicht selbst erzeugten und schwer zu erhaltenden Fut- ! termittel, Eiweißfuttermittel jetzt zu verzichten und dafür die notwendigen Mengen Magermilch, für 10 Tiere täglich einen . Liter als Tränke, zu verabreichen. Magermilch ist ein vollwer- ; tiger Ersatz für Fisch-, Dorsch- und Fleischmehl. Die Kleinge- ! flügelhalter müssen für ihre wenigen Hühner zwei Drittel des j täglichen Futterbedarfs aus Haushaltungs- und Eartenabfälle : decken, aber trotzdem dürfen die tägliche Körnerration von 40 s Gramm und der Eiweisbedarf nicht fehlen. Weiterhin muß bei der Eeflügelsütterung der Kalkbedarf beachtet werden. Der j notwendige Bedarf an Kalk zur Bildung der Eierschalen und j bei Jungtieren zum Aufbau der Knochen kann durch Zufütterung ! von zerriebenen Eierschalen und zerkleinerten Knochen aller ! Art, voll und ganz ersetzt werden.
K l i n g I e r,
Eeflügelzuchtberater beim Tierzuchtamt Herrenberg.
Kernspruch
Du darfst nicht nur ans Heute denken?
Du darfst nicht deine Kraft verschenken !
An Dinge, die wie Spreu verwehn!
Und wenn dich tausend Sorgen drücken: :
Du mußt mit wachen, Hellen Blicken !
Nach vorwärts in die Zukunft sehn!
Und mußt den unbekannten Weiten !
Voll Trotz und Mut enrgegenschreiten !
Und fleißig rühren deine Hand! j
Hoch über allem Zeiwefchehen f
Sieh' deines Volkes Wohlergehen !
Und deiner Kinder Zukunftsla:d! !
Josef Lang. !
Nuutes Allerlei
Eine Ausstellung gegen das „Sie"
Italien will nicht „Siezen", sondern „Jhrzen"
In Turin wurde im Beisein von Ministern eine
Ausstellung gegen das „Sie" feierlich eröffnet.
Eine eigenartige Ausstellung, die aber einer großen, vom Faschismus stark Unterstützung Bewegung in Italien entspricht, ist jetzt in Turin aufgebaut worden. Sie richtet sich gegen das italienische „Sie" (Lei) als Anrede, das als unitalienisch, auch in bestimmten Fällen als unsozial und unschön bekämpft wird. Die „Anti-Lei"-Ausstellung sucht zu beweisen, daß die besten italienischen Schriftsteller nicht „Sie", sondern „Ihr" (Voi) gesagt ^ haben, und dag hervorragende Menschen für das „Ihr" und j „Du" eintraten. f
Schon seit langer Zeit ist in Italien die Bewegung gegen das j „Sie" im Gange. Außer dem „Du", das im kameradschaftlichen : Verkehr in allen Formationen und bei allen Gelegenheiten üblich geworden ist, insbesondere im Heer, wird bei feierlichen Anreden stets „Ihr" als Einzahl und als Mehrzahl" gebraucht. Die Reden des Duce sind dafür vorbildlich.
Die Ausstellung bringt vor allem klare Zeugnisse und Anssprüche bedeutender Männer Italiens, die das lateinische „Du" (Tu) rühmen und ebenso das „höchstitallenifche" Ihr (Voi). Spruchbänder, welche eine Verbesserung der Sitten durch diese Kampagne gegen das „Sie" verkünden, schmücken in reichem Maße die Räume.
Ohne Zweifel ist das schwächlichere und höfischere „Cie" unverbindlicher als das kräftigere „Ihr" und das kameradschaftliche „Du". Es ist aber für die moderne Entwicklung, welche nicht nur zusammengehörige Berufe, sondern breiteste Massen miteinander in Berührung bringt, charakteristisch. Von etwa dem Ende des 17. Jahrhunderts an hat das „Sie" auch in Deutschland seine Herrschaft angetreten, nachdem das „Ihr", oder das
„tjyrzen", vom 8. bis zu diesem Zeitpunkt herrschend war. Von da ab sagten etwa Kinder zu Respektpersonen wie den Eltern nicht mehr „Ihr, Herr Vater, sondern „Sie, Herr Vater".
Ein Vogel, der im Winter brütet
Während alle anderen Vögel mit dem Nestbau und dem Brüten im Frühling mit dem Grünen der Natur beginnen, macht der Fichtenkreuzschnabel hiervon eine Ausnahme. Unbekümmert um Sturm, Schnee und Frost brütet er in den kältesten Monaten, im Dezember und Januar. Jetzt beginnt er mit den Vorarbeiten. Das Nest baut sich dieser sonderbare Vogel auf die oberen Zweige der Nadelbäume. Nur schwer kann man die Niststätte, da zu dieser Zeit die Bäume oft mit Schnee bedeckt sind, entdecken. Es befindet sich gewöhnlich an einer Stelle, wo es von überhängenden Zweigen gegen Schnee und Regen geschützt ist. Auf einer Grundlage von Fichtenzweigen baut der Kreuzschnabel aus Moos ein schönes napfförmiges Nest, das er mit frischem Haarmoos, das an den Bäumen wächst, ausfüttert. 2n der strengsten Januarhälfte verlassen die Jungen oftmals das Nest und machen es sich auf den schneebedeckten Nadelholz- büumen recht bequem, indem sie lustig herumtollen. Besonders in Thüringen wird der Kreuzschnabel in Käfigen gehalten, in denen er sich ganz wie ein Papagei beträgt, da er nach Art der Papageien seinen kreuzförmig gebogenen Schnabel zum Festhalten gebraucht und sich an diesem an Drähten hin- und herschwingt.
Grmmibaum-Pflanzung in Belgisch-Kongo
In Belgisch-Kongo wird in den nächsten Monaten auf Beschluß des Kolonialrates ein Gebiet von 20 000 Hektar mit Gummibäumen bepflanzt werden. Bisher konnte Belgien aus dem Kongo jährlich nur 1100 Tonnen Kautschuk beziehen, der jährliche Verbrauch beträgt aber rund 16 000 Tonnen. Durch die Anpflanzung hofft man, sich von der Kautschuk-Einfuhr weitgehend uncch'"noig machen au können.
Englische Warnung an den Himmel
Aus der Zeit des englisch-holländischen Seekrieges wird folgende Anekdote berichtet, die für die englische Mentalität bezeichnend ist. Nach der Bekanntgabe der Navigationsakte durch Cromwell waren von den Engländern verschieden Bittgottesdienste angesetzt worden. Nach den vorgeschriebenen Gebeten legte ein englischer Pfarrer dem lieben Gott noch einmal dringend nahe, sich am besten doch der Engländer anzunehmen. „Lieber Gott", so sagte der englische Pfarrer, „in den nächsten Wochen werden wahrscheinlich auch die Holländer an Dich herantreten. Sie werden versuchen, Dich mit Heuchelei und allerlei hinterlistigen Reden für sie milde zu stimmen. Aber höre nicht auf sie. Traue ihnen nicht, denn sie sind die ärgsten Heuchler und Lügner, die jemals lebten upd haben schon manchen ehrlichen englischen Kaufmann um sein Hab und Gut gebracht." Bleibt nur noch ein Wort von Vernarb Shaw über die Engländer hinzuzufügen: „Sie sagen Christus und meinen Kattun."
Mark Twains Vorsicht
Mark Twain war einmal in Boston zu einer Abendgesellschaft eingeladen. Es entspann sich bald ein Gespräch über das Leben nach dem Tode, über Himmel und Hölle. Jeder äußerte seine Meinung, nur Mark Twain schwieg. Seine Ansicht hätte jedoch am meisten interessiert. Deshalb wandte sich schließlich eine Dame an den Dichter-Humoristen mit der Frage: „Wie denken Sie, Herr Twain, eigentlich über Himmel und Hölle?" Mark Twain blickte zuerst sinnend vor sich hin, daa erklärte er gemächlich: „Ich kann Ihnen unmöglich meine Meinung jagen. Ich habe Freunde an beiden Orten."
Rundfunk
Samstag, 4. Nov: 6.00 Uhr Morgenlied. Nachrichten) Anschließend: Gymnastik I (Glucker); 6.30 Uhr Früyronzert; 7.00 Uhr Nachrichten; 7.50 Uhr Für dich daheim; 8.10 Uhr Gymnastik II (Glucker); 11.30 Uhr Volksmusik und Bauernkalender; 12.00 Uhr Mittagskonzert; 12.30 Uhr Nachrichten; 14.00 Uhr Nacyrichun; 15.00 Uhr Musik am Samstag nachmittag: 16.00 Uhr „D r Prest- lenqsgockel"; 17.00 Uhr Nachrichten; 18.00 Uhr Nus Zeit und Leben; 18.15 Uhr Württembergische und badische Sportvor>chau; 18 30 Uhr Vom Deutschlandsender: Nus dem Zeitge;chehen; 19.10 Uhr Uebertragung aus Berlin; 20.00 Uhr Nachrichten; An,cylie- ßend Uebertragung vom Deutschlandsender; 22.00 Uhr Nacy- richten.
Die 13. Hörmillion überschritten. Die Zahl der Rundfunkteilnehmer ist im Monat September in besonders hohem Maße gestiegen und zwar von 12 677 348 auf 12 943 165. In diesen Zahlen sind die Hörer der befreiten Ostgebiete nicht enthalten. 2m Monat Oktober hielt das Ansteigen der Hörerzahlen an, so daß inzwischen die Zahl von 13 Millionen Rundfunkhörern überschritten worden ist.
vrhebeirechtLlchutz durch Derlagsanstalt Manz. München
FinheitcrerNoman -von iH-lk-Meirncr'
(Schluß.) (Nachdruck verboten.)
Im Frühjahr würde dann auch der Aufbau des Gasthauses erfolgen. Und über diesen Plänen hatten Magda und Hans schon stundenlang zusammengesessen.
„Du denkst an Ferdinand, nicht wahr, Magda?" gab sich Hans Bauer selber zur Antwort. „Und ich auch! Hoffentlich geht es ihm nicht zu arg. Er ist hart bestraft worden. Er hat das Vaterhaus verloren!"
Ulrike rief der Frau des Kastellans fragend zu: „Wie geht es dem kleinen Hansl?"
Und Frau Zopp hatte ihre Freude daran, daß nach ihrem Buben gefragt würde: „Danke, gnädiges Fräulein, gut, sehr gut. Heut haben wir ihn ja außer Haus geben müssen, aber morgen holen wir ihn wieder in das Schloß!"
„Ja, ja! Ein feiner kleiner Herr", bemerkte der Rittmeister, „so klein und wohnt schon in einem Schloß! (Übrigens, Herr Bauer, wie das Wetter etwas besser wird, nehmen wir die Reitstunden wieder auf. Ich habe Ihnen niemals soviel Talent zugetraut."
„Ja, mein Hansl", und Magda lachte stolz, „der ist nur Adlerwirt, aber auch ein stolzer Herr geworden.. . und das ist das schone daran, daß er das Recht dazu hat!"
„Lob ihn nur über den Schellenkönig", bemerkte Ulrike, „und verhätschel ihn nur wie ein kleines Bnberl. Von dir läßt er sich ja ganz artig streicheln und beißt nicht. Sonst laßt die Lieb, wenn man erst verheiratet ist, ein bisserl nach; und bei euch, da scheint sie znzunehmen. Gott, wohin soll das noch führen?"
Es war spät geworden.
Auf einmal ertönte die Nachtklingel.
Und ein verschneiter Postbote brachte für den alten Herrn Feldner einen Eilbrief, der nicht den Vermerk trug, daß er nur in den Tagesstunden zuzustellen sei.
Der Postbote erhielt seine erwärmende Bewirtung und der Adlerwirt hatte inzwischen den Brief gelesen, ihn dann hingelegt und einige Zeit geschwiegen. Dann aber, als er die Augen aller auf sich gerichtet sah, bat er Herrn v.Braun: „Lieber Herr v. Braun, lesen Sie den Brief vor; ich glaube, es ist das Gescheiteste; denn, was da drin steht, könnt schließlich auch in einer Zeitung erscheinen."
Der Rittmeister nahm den Brief; er trug schweizerische Marken, aber keinen Ortsstempel; er war also in den Schlitz eines Bahnpostwagens geworfen worden.
„Woher ist der Brief?" fragte Magda.
„Einen Moment! Das läßt sich nicht so ohne weitekes feststellen. Lesen wir!"
Und der Rittmeister begann:
„Ich habe nicht mehr das Recht, meinen Zeilen die Worte „Lieber Vater!" voranzustellen. Aber es dürste dennoch begründet sein, daß ich überhaupt schreibe.
Ich wünsche allen vom Herzen alles Gute!
Es ist besser, daß ich meine Adresse nicht angebe. Ich verdiene es nicht, daß mir Nachrichten von zu Hause das Leben erleichtern.
Es war gut, daß Vater mich die Hotelfachschule absolvieren ließ. So habe ich denn eine Stellung gefunden in einem berühmten, großen Haus des Wintersports, nachdem ich vorher einige Monate an der Riviera gearbeitet habe.
Es war ein Zufall, daß das dortige Haus ,L'Aigle noiU hieß, was mich immer wieder an die Heimat und die verabscheungswürdige Torheit meiner Leidenschaft erinnerte.
Hier, vor zwei Tagen angekommen, übernehme ich den Hauptteil des Büros. Natürlich finde ich mich nicht gleich in allem zurecht.
Und es beginnt schon gnt! Am ersten Abend erhalte ich den Besuch zweier Herren, die sich als Detektive aus- weisen.
Sie fragen, ob im Hanse eine gewisse Dame... den Namen kann ich nicht anführen! . . . wohne. Man suche sie schon lange. Sie liebe es, in Hotels abzusteigen, durch ihre Schönheit Kredit zn erlangen, irgend jemanden den Kopf zu verdrehen, der daun usw.
Ich will mich nicht in Details auslassen.
Also! Ich stelle fest, daß sie im Hause ist, ein Boy fährt die beiden Herren hinauf und dann kommen sie zu dritt — sie in der Mitte — die breite Treppe herunter.
Ich mußte hinter einen Pfeiler treten.
Die Drehtüre schließt sich hinter ihnen; und wie anzunehmen ist, bald auch eine ciseubeschlagene Türe.
Da ich mir denke, daß dieser Vorfall auch in der Fachzeitschrift erscheinen könnte, so habe ich es aus diesem Grunde... wie auch aus anderen Ursachen... für gut befunden, diese Mitteilung zu machen.
Es ist etwas Ruhe in mich gekommen.
Ich sehe ein Leben der Arbeit vor mir.
F.«
Der Rittmeister schwieg.
„Armer Ferdinand!" sagte Magda leise.
Der alte Adlerwirt putzte sich umständlich den Zwicker. „Der dumme Bub! Das also ist das End vom Lied!" bemerkte Ulrike.
Magda trat an den Radio; sie drehte ihn auf.
Vom Oberbrunner Kirchturm klangen die Metteglocken schwach herein; und von irgendeinem fernen Ort her, brausten die Wellen singend herüber:
„Stille Nacht, heilige Nacht!"
Ende.