s. Seite — Nr. 249
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Dienstag, den 24. Oktober 1939
Antwort, Aerrr LhurchM r
Aus der Rundfunkansprache von Dr. Goebbels
Wie bereits berichtet, hat Reichsmir/Ier Di. Goebbels im Rundfunk an den Ersten Lord der britischen Admiralität, Win- ston Churchill, zum Fall „Athenia" Fragen zur Beantwortung gerichtet. Dr. Goebbels führte u. a. aus:
Wir sind, als die ersten Meldungen über den Untergang der „Athenia" von Ihnen, Herr Churchill, in die Welt hinausposaunt wurden, nicht müßig geblieben, und es ist uns ln kurzer Zeit gelungen, auf dem Wege des Indizienbeweises die absolute Wahrheit zu erforschen. Schon nach wenigen Tagen mutzte es als feststehend und bewiesen angesehen werden, datz beim Untergang der „Athenia" ooneinemdeutschenTorpedoüber Haupt keine Rede sein konnte. Sie aber erklärten trotz unserer Gegenbeweise, unsere Berichte erregten in England und in der ganzen Welt nur Lachen. Aber niemand hat gelacht, Herr Churchill, als nur Cie, und Sie haben lediglich aus Verlegenheit und aus schlechtem Gewissen gelacht. Und mittlerwsrle ist auch Ihnen das Lachsten längst vergangen. Sie hatten vielleicht geglaubt, es könnte Ihnen wiederum wie 1917 gelingen, Amerika mit in den Strudel der Ereignisse hineinzuziehen, und man würde dann im Zuge der darauffolgenden turbulenten Vorgänge die eigentliche Ursache eines solchen Verhängnisses, nämlich den Untergang der „Athenia", der Ihrer eigenen Untat zuzuschreiben war, leicht und bald vergessen. Nun, Amerika hat Ihrem propagandistischen Trommelfeuer standgehalten. Es hat in den entscheidenden Tagen und Stunden die Nerven nicht werloren. Und nun müssen Sie Rede stehen, Herr Churchill; denn der Fall „A thenia" ist nicht mit dem Misslingen Ihres sauberen Planes etwa erledigt, er fängt er st an. Wir haben nichts vergessen, und wir können auch nicht bereitgefunden werden, über die ganze Sache Gras wachsen zu lassen. Unermüdlich haben wir unterdessen in Artikeln, Rundfunkreden und offenen Fragen Sie, Herr Churchill, attackiert. Sie versuchten wie jeder, der ein schlechtes Gewissen hat und vor seinem Ankläger steht, sich totzustellen, oder wenn Sie schon redeten, von ganz etwas anderem zu reden, als was zur Debatte stand. Sie kennen uns schlecht, Herr Churchill! Wir lassen nicht nach, und keine noch so freche Lüge aus Ihrem Munde kann uns etwa zum Schweigen bringen. Wir haben uns an Ihre Rockschötze gehängt und geben Sie nun auch nicht mehr frei. Also wäre es schon das beste, Sie spielten nicht weiter den harmlosen, unbeteiligten Biedermann, sondern gäben Laut. Denn ohne Unterlatz wird Ihnen, bis Sie reden, unsere Aufforderung in die Ohren gellen: Steh, Bube, und gib Antwort!
Wir haben nun in der deutschen Presse,mit einem untadelhaften, über jeden Zweifel erhabenen neutralen Zeugen, dem amerikanischen Staatsbürger Anderson, nach dem schon längst vorher geführten Indizienbeweis nun auch noch zu allem Ueber- flutz den ganz klaren und dezidierten Beweis geführt, datz Sie, Herr Churchill, selbst, wie wir das ja auch immer behauptet hatten, die „Athenia" durch Feuer von drei englischen Zerstörern haben versenken lassen. Wir haben also nunmehr, bis Sie die Schuld eingestehen, ein Anrecht darauf, die Beantwortung folgender Fragen von Ihnen zu verlangen:
1. Wie konnten Sie, Herr Churchill, in Ihren ersten Verlautbarungen überhaupt von einem deutschen Torpedo sprechen, obschon Sie doch als Erster Lord der britischen Admiralität mutzten und wissen mutzten, datz drei englische Zerstörer die „Athenia" versenkt haben?
2. Wie wollten Sic es der Welt überhaupt einreden, datz die „Athenia" noch 14 Stunden nach der von Ihnen lügnsrischer- weise behaupteten Torpedierung durch ein deutsches U-Boot über Wasser blieb, während Ihr englisches Niescnschlachtschisf „Royal Oak" unter der Wirkung deutscher Torpedos in ganz wenige» Minuten versank?
3. Warum haben Sie von dem Feuer von drei englischen Zerstörern auf die „Athenia" bisher überhaupt nichts gesagt, obschon Sie das doch als Erster Lord der britischen Admiralität wissen mutzten und sich obendrein klar darüber waren, datz das Feuer von drei englischen Zerstörern auf die „Athenia" überhaupt das wichtigste Beweisstück für die Findung des Täters bei der Versenkung der „Athenia" war? Warum mutzten Sie erst durch die beeideten Aussagen des unverdächtigen amerikanischen Zeugen Anderson darauf hingewiesen werden, und warum warteten Sie bis heute mit dieser höchst wichtigen Mitteilung in einer Angelegenheit, die eventuell die Vereinigten Staaten in den Krieg hätte hineinziehen können, obschon Sie wußten, daß dieser Umstand von einer ausschlaggebenden Bedeutung für die Beurteilung des ganzen Falles war?
4. Wo haben Sie, Herr Churchill, die fragwürdigen Zeugen gedungen, die kurz «ach dem Untergang der „Athenia" im englischen Rundfunk interviewt wurden und genau das Ecgenteis von dem behaupteten, was nun durch die beeideten Aussagen des unverdächtigen Zeugen Anderson als erwiesen und nicht mehr bestreitbar angesehen werden mutz?
b. Warum versuchen Sie jetzt, Herr Churchill, der Sie kurz «ach dem Untergang der „Athenia" so redselig waren und die ganze Welt mit Ihren Lügen überschwemmten, beharrlich zu schweigen und über die ganze für Sie und sür England geradezu katastrophale Angelegenheit den Mantel der Liebe zu decken? Sie sind doch sonst nicht so. In Ihren Büchern erscheinen Sie als der redseligste Schwätzer, der jemals das Amt eines Ministers bekleidet hat. Ihre Eitelkeit schon hätte Sie daran gehindert, Lorbeeren »«gepflückt zu lassen, die Ihnen irgendwie erreichbar erschienen. Warum sind Sie jetzt so still und einsilbig, Herr Churchill? Dämmert Ihnen langsam die Erkenntnis über das, was Me sich da angerichtet haben, und graust Ihnen nun vor den Folgen, die jetzt unausbleiblich sind? Oder glauben Sie etwa, datz Sie sich durch Flucht ins Schweigen noch diesen Folgen entziehen könnten? Sie irren sich sehr. Da kennen Sie uns schlecht. Wir werden Ihnen schon auf den Fersen bleiben. Wir werden uns niemals mit Ihrem Schweigen absinden. Wir werden Sie stellen und zur Antwort zwingen.
Datz die „Athenia" nicht von einem deutschen U-Voot versenkt wurde, ist jetzt für jedermann in der Welt erwiesen. Ihr Schlag gegen uns war also ein Schlag ins Leere.
Aber damit ist die Sache nicht etwa abgetan, die Welt fordert jetzt zu wissen, wer denn die „Athenia" versenkt hat. Von einem deutschen U-Boot ist sie, wie gesagt, nicht versenkt worden. Es bleibt Ihnen also nichts anderes mehr übrig, als klipp und klar einzugestehen, datz die „Athenia" das Opfer Ihres eigenen verbrecherische« Anschlages geworden ist. Die ganze Welt wartet «it «ns ans Ihr Geständnis. Also heraus mit der Sprache!
Aber ich glaube, wir warten vergebens; denn man kann schlecht von Ihnen verlangen, datz Sie die Wahrheit sagen. Schaltet man Sie als Schuldigen ein, Herr Churchill, dann ist der Untergang der „Athenia" das allersimpelste, das allerprimitivste, allerdings auch das verbrecherischste Bubenstück, das die moderne Geschichte kennt. Es hat sich folgendermaßen abgespielt:
Sie haben den Passagierdampfer „Athenia" schon vor Ausbruch
des Krieges für die von Ihnen geplante und im einzelnen sest- gelegte Explosion sorgsam vorbereiten lassen. Sie waren auch umsichtig und schlau genug, schon vorher dafür zu sorgen, datz keine deutschen Passagiere auf der „Athenia" mitfuhren; denn diese wären bei der Festlegung der Schuld sür die Versenkung der „Athenia" für Sie höchst unbequeme und lästige Zeugen gewesen. Sie ließen also durch ein Rundschreiben an die Filialen der englischen Schiffahrtsgesellschaft dazu auffordern, Deutsche vom Mitfahren auf der „Athenia" auszuschlietzen, mit der durchsichtigen Begründung, datz die „Athenia" wahrscheinlich ihren Kurs ändern müsse. In Wirklichkeit hat sie ihren Kurs gar nicht geändert; aber die deutschen Passagiere blieben aus Ihren Befehl weg. Sodann haben Sie alles sorgsamst für die Explosion auf der „Athenia", deren Zeitpunkt Sie doch nach Bedarf fnnkentelcgraphisch festlegen konnten, vorbereitet. Allerdings gingen Sie dabei so stümperhaft zu Werke, datz Sie es nicht verhindern konnten, datz Si^ nach einiger Zeit doch überführt werden mutzten. Sie sorgten selbstverständlich auch für eine ausreichende Anzahl von amerikanischen Passagieren aus der „Athenia", damit die von Ihnen an ihre Versenkung geknüpfte Hoffnung als Aufwiegelung der öffentlichen Meinung in den Vereinigten Staaten auch tatsächlich in Erfüllung ginge. Denn die amerikanischen Passagiere, die beim Untergang der „Athenia" ihr Leben lassen mutzten, wollten Sie der Welt als beweinte Opfer der Verwerflichkeit der deutschen Seekriegsführung und als stumme Zeugen der Notwendigkeit des Eintritts der Vereinigten Staaten in den Krieg zeigen. Sie haben auch dafür gesorgt, datz die von Ihnen geplante und vorbereitete Explosion nicht durch irgend eine Unvorsichtigkeit etwa früher ausbräche, als sie Ihnen dienlich erschien, denn Sie haben, wie die einwandfreien eidlichen Aussagen des amerikanischen ZeugenAnder- son dartun, auf der „Athenia" ein strenges Rauchverbot erlassen; die „Athenia" sollte erst dann ihre Katastrophe erleiden, ' wenn es Ihren dunklen Zwecken patzte. Sie haben dann drei britische Zerstörer bereit st eilen lassen, die die von Ihnen für notwendig erchateten neutralen, meistens sehr fragwürdigen Zeugen aufnehmen sollten, denn dies hatten Sie nötig zur Führung des Beweises. Sie haben zweifellos während der ganzen Zeit, vom Auslaufen der „Athenia" an bis zu ihrem Untergang, in einer ständigen lebhaften Funkverbindung mit diesem Passagierdampfer gestanden. Sie bestimmten auf die Minute genau, wann die Explosion stattfinden sollte, und waren dann offenbar auf das äußerste erbost darüber, datz diese Explosin, die genau so stümperhaft vorbereitet war wie alle anderen Begleitumstände der Versenkung der „Athenia", Nicht auch zum tatsächlichen Untergang des Dampfers führte. Die „Athenia" wollte nach der Explosion nicht sinken. 14 Stunden schaukelte sie noch auf den Wellen, ohne datz das von Ihnen erwünschte und so heiß ersehnte Ziel, der Untergängen der „Athenia", eintrat. Sie haben dann, nachdem Sie 14 Stunden vergebens darauf gewartet hatten, den englischen Zerstörern Befehl gegeben, die „Athenia" zu versenken, um damit jede Spur Ihres Verbrechens zu beseitigen.
Sie glaubten viellei,t datz unter den Ueberlebenden niemand mehr übrig bleiben würde, der Mut genug hatte, der Wahrheit die Ehre zu geben, rechneten wohl auch damit, datz in der allgemeinen Panik nach der Explosion die Zeugenaussagen so konsus und verwirrt wären, datz es Ihnen ein leichtes sein würde, Ihre infernalische Lüge durch eine unermüdliche Bearbeitung der öffentlichen Meinung durchzusetzen. Denn Sie eröffnet«» gleich nach dem Untergang der „Athenia" das schon vorher in allen Einzelheiten sestgelegte Riesentrommelseuer auf die gesamte Weltmeinung. Sir liehen in der englischen Presse und im englischen Rundfunk gedungene Zeugen aufmarschieren. Die mutzten aussagen, was Ihnen genehm war und was Sie sich vorher zurechtgelegt hatten. Mit diesen Aussagen bearbeiteten Sie dann die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten. Alle deutschen Dementis, sie konnten noch so fest fundiert sein, haben Sie mit einer Handbewegung beiseite geschoben. Und als es dann trotzdem nicht mit dem Eintritt Amerikas in den Krieg klappte, als die amerikanische öffentliche Meinung am Ende doch nicht so mitging, wie Sie sich das erhoft hatten, zogen Sie sich plötzlich in das Dunkel des Schweigens zurück. So war das gedacht und geplant, und so wurde es auch ausgeführt — nicht wahr, Herr Churchill?
Inzwischen erfährt die eidesstattliche Erklärung de» USA- Biirgers Anderson noch durch eine erst heute bekannt werdendes Zeugnis einer weiteren Ueberlebenden eine einwandfreie Bestätigung. Wie nämlich der zum Scripps-Horvard-Konzern gehörende „Neuyork World Telegraph" berichtet, erklärte die USA.- Bürgerin Helen Maedonald schon zwei Tage nach dem Untergang der „Athenia", datz der britische Zerstörer, der dies« Zeugin auf- gesischt hatte, mehrere Schüsse auf di« „Athenia" abfeuerte, angeblich, um das Wrack wegen Gefährdung der Schiffahrt zu beseitigen.
Diese faule Ausrede haben Sie erfunden, Herr Churchill. Aber Sie glauben doch wohl selbst nicht, damit auch bei uns durch- zukommen.
Herr Churchill! Sie hatten nicht damit gerechnet, datz jener Mister Anderson oder jene Miß Macdonald, die Ihnen heute als einwandfreie, glaubwürdige neutrale Zeugen höchst unangenehm sind, ihr bißchen Leben aus dieser Katastrophe retten würden. Vor allem der Zeuge Anderson wird Ihnen auf die Nerven fallen. Es wäre Ihnen sicherlich viel sympathischer, wenn Sie heute händereibend und mit Augenzwinkern sagen könnten: „Dieser Mortimer starb mir gelegen!" Nun ist er nicht gestorben, im Gegenteil, er steht auf, hebt die Hand zum Schwur und legt Zeugnis wider Sie, Herr Churchill, ab; ein Zeugnis so klar, so einfach, so einleuchtend und so unbestreitbar, datz auch Ihre alterprobten Lügen nichts mehr dagegen vermögen.
So steht die Sache. So steht Ihre Sache, Herr Churchill! 2n jedem andere« Lande würde ein Minister, dem Anklagen, wie wir sie hier gegen Sie Vorbringen, entgegengeschlendert würden, gezwungen werden, entweder sofort — aber sofort! — Rede und Antwort zu stehen oder mit Schimpf und Schande sein hohes Amt zu verlassen.
Der Fall „Athenia" ist nicht ausgestanden. Im Gegenteil, er ist ein Fall Churchill, und der Fall Churchill ist »in Fall England geworden. Hier geht es darum, ob ein übersührter Verbrecher länger noch in seinem so hohen Amt geduldet werden kann, oder ob die Empörung der ganzen Weltmeinung nicht am Ende doch stärker ist als die Skrupellosigkeit eines notorischen britischen Lügners. Darüber mutz nun entschieden werden, und zwar zuerst von Ihnen und dann von England selbst. Wir war- ! ten auf Antwort. Antworten Sie schnell und gründlich! Machen Sie keine Ausflüchte und reden Sie nicht wieder an der Sache i vorbei! Es kann keinem Zweifel unterliegen, datz Sie nach Lage des Falles von jedem Gericht in der aanzen Welt für schuldia
befunden würden. Nun stehen Sie vor dem Richterstuhl der Weltöffentlichkeit. Auch sie kann verurteilen, Herr Churchill, und sie wird verurteilen, Herr Churchill, lauter und vernehmlicher als jeder andere Gerichtshof.
Sie sind nun mit dem Befund der Anklage bekannt gemacht worden. Wir haben Vorsorge getroffen, datz diese Anklage aus allen Aetherwellen in allen Sprachen in alle Länder der Erde geht. Und jetzt ist es an Ihnen, zu reden! Wir warten mit Spannung auf Ihre Antwort. Der Angeklagte der Erste Lord der britischen Admiralität, Winsto« Churchill, hat das Wort!
Churchill die europäische Gefahr
Kopenhagen, 23. Okt. Die präzisierten Anklagen, die Reichsminister Dr. Goebbels gestern gegen Winston Churchill als den Anstifter der Torpedierung der „Athenia" erhoben hat. werden von den meisten Kopenhagens! Montag-Morgenblättern ausführlich wiedergegeben. „National Tidende" überschreibt; „Goebbels nennt Churchill die europäische Gefahr".
Amsterdam, 23. Okt. Die holländischen Montagsblätter bringen an hervorragender Stelle die sensationellen Ausführungen des Reichsministers Dr. Goebbels im Rundfunk mit den schwerwiegenden und scharfen Anklagen gegen den Ersten Lord der britischen Admiralität Winston Churchill. Auch im holländischen Rundfunk wurden die wichtigsten Stellen der Ausführungen Dr. Goebbels verbreitet. Es wurde besonders betont, datz Deutschland seine Anklage wegen Versenkung der „Athenia", die auf Befehl Churchills erfolgt sei, der ganzen Welt zur Kenntnis gegeben habe. Jetzt sei es an Winston Churchill, auf diese schwere Anklage zu antworten.
Mailand, 23. Okt. Die Anklage Reichsminister Dr. Goebbels gegen den Kriegshetzer und Falschspieler Churchill hat auch in der oberitalienischen Presse das größte Aufsehen erregt. „Popolo d' Jtalia" erklärt unter der Schlagzeilenüberschrift „Goebbels klagt Churchill an, die Versenkung der „Athenia" veranlaßt zu haben", der Reichspropagandaminister habe von Winston Churchill präzise Antworten verlangt, die dieser nun auch vor dem Tribunal der öffentlichen Weltmeinung geben müsse.
Auch hier log Winston Churchill
Neuyork, 23. Okt. William Erifsin, der Herausgeber der Zeitung „Neuyork Enquirer", der Winston Churchill wegen Verleumdung auf eine Million Dollar verklagte, bringt in der heutigen Ausgabe seiner Zeitung das Faksimile eines von Churchill an ihn gerichteten Telegramms, worin Churchill ihn zu einem Interview einlädt. Das Telegramm beweist, datz Churchill log, als er kürzlich erklärte, er kenne Griffin nicht und habe nie etwas von ihm gehört.
Churchill erklärte bekanntlich in einem Interview mit Griffin, Amerika sei an langer Dauer und am Ausgange des Weltkrieges schuld. Denn wäre Amerika nicht eingetreten, hätten England und Frankreich schon 1917 Frieden gemacht. Churchill leugnete später diese Bemerkung rundweg ab, nachdem sie nicht mehr in das politische Bild hereinpatzte. Der Inhalt des Telegramms lautet: „William Griffin Savoy-Hotel, London WC. 2, Könnten Sie am Mittwoch um S Uhr nach Morpeth Man- sions 11 in Westminster kommen, um mich zu treffen. Wnston Churchill.
Zwischen Bunker und Grenze
Besuch in den vordersten Linien des Westens. — Bei den Soldaten vor dem Westwall. — Spähtrupp in Fühlung mit dem Feind.
NSK. - . . am Westmall, im Oktober 1939 (P. K.).
Wieder weinte der Himmel! Den ganzen Tag. Grau und schwer hängen die Wolken über dem Land im Westen, und man könnte meinen, daß der große, schmucke Eutshos, auf dem wir stehen, eben aus diesem Grunde auch sein eintöniges, stilles Gesicht zeigt.
Diese ungewöhnliche Ruhe hat aber einen anderen Grund. Es ist Krieg, und da drüben, wo der dunkle Tannenwald gegen den bleigrauen Himmel steht, liegt schon Frankreich. Dort wartet der Poilu in den Gräben und Unterständen darauf, daß dieser furchtbare Fluch eines Kampfes ohne Ziel von ihm abgewendet werde ...
*
In diesem verlassenen Eutshos, hart an der Grenze, leben seit Wochen unsere Feldgrauen. Sie ernten und schaffen, sie haben sich an ihr Gutsbesitzerdasein gewöhnt und finden es sogar als angenehme Abwechslung nach stundenlangem Dienst als Vorposten, nach sturmdurchpeitschten Herbstnächten, wenn aus jedem Busch ein Spähtrupp oder eine ME.- Salve Herausbrechen kann.
4VV Meter vor der Grenze
„Wollen Sie heute mit nach vorn?" fragt mich der Oberleutnant?" „Jawoll, Herr Oberleutnant, wir wollen!"
„Dann also los!"
Bald liegen die ersten Panzersperren und Höckerhinder- nisss schon hinter uns. Das heißt, zum Feind gesehen, sind es die letzten und als unsere Schritte hart über die totenstille, regenfeuchte Asphaltstraße klingen, als Busch, Wald und Strauch unwirklich im Nebel verschwimmen, da wandern unsere Gedanken zurück und die Pulse schlagen schneller: denn hinter uns liegt tiefgestaffelt der unüberwindliche Wall aus Stahl und Beton, hinter uns steht unsere steg- Mche Wehrmacht — und vor uns liegen unsere tapferen Vorposten.
Nun sind es nur noch wenige hundert Meter bis zur Grenze. Links vor uns hat die Natur ein unüberwindliches Hindernis für Panzerwagen geschaffen: ein schmaler Vach wurde durch Stauung und Regen zum breiten, tiefen Fluß. Ruhig spiegelt sich der graue Herbsthimmel im stillen Wasser, es ist, als könnte man das leise „kling-klang" jedes einzelnen Tropfens vernehmen.
Da rollte plötzlich zu unserer ^siechten dumpfer Donner durch das Tal. Noch einmal . . . und noch einmal aber nach einigen Minuten ist auch die Artillerie wieder verstummt. Das ist der Krieg im Westen, aber nicht immer — und vor allem nicht in den Nächten — ist es so.
Die Tarnkappe des Erenzdorfes
Nun sind wir im Erenzdorf, bei den letzten deutschen Häusern, am Zollhaus. Ausgestorben, verlassen, alles! Aber hier, sieht das nicht so aus, als hätte ein wütender Riese mit einem Faustschlag auf das Pflaster geschlagen, daß Steine links und rechts spritzten?! Die wütende Faust war eine Granate, die der Franzmann herüberschickte, für die natürlich prompt die passende Antwort kam.
„Vor acht Tagen hätten wir es nicht wagen dürfen, über diese Straße, die vom Feind einaesebeu wird, zu neben".