K. Seite Nr. 217

Nagolder TagblattDer Gesellschafter'

Samstag, den 18. September 193g

Pofens deutsche Geschichte

Die alte preußische Provinzhauptstadt wieder unter dem Schutz des Reiches

Der polnische Name für Posen, Poznan, hat sich trotz des Diktats von Versailles niemals in unserem Volke ein- ! gebürgert. Zu viele Erinnerungen verknüpften unser poli- ! tisches und kulturelles Leben mit dem Posener Land. Unzählige deutsche Beamte, Soldaten, Offiziere, Richter und Lehrer haben Jahrzehnte lang in Posen gelebt. Die Hauptbauten der Posener Neustadt, die sich vom Osten nach dem Westen entwickelte, stammen von deutschen Architekten. Und auch die alte deutsche Universität in Posen, die nach dem Weltkrieg zum Hauptfitz der scharf antideutsch ein­gestellten polnischen Kreise, der Nationaldemokraten, wurde, lebt in vielen Erinnerungen im deutschen Volke fort. Berühmte deutsche Hochschullehrer haben dort gewirkt. Außerordentliche Anregungen sind von hier ausgegangen. Auch die Polonisierung der Stadt und des ganzen Posener Landes hat diese deutschen Einflüsse niemals voll unter­drücken können.

Schon im Mittelalter setzte der deutsche Kultureinfluß ein. Neben der herzoglichen Burg wurde im Jahre 968 in Posen von Kaiser Otto I. mit Hilfe deutscher Mönche und Geistlichen das erste Bistum für ganz Polen gegrün­det. 1256 wurde Posen eine Stadt nach deutschem Recht. Genau wie in Krakau war auch die Bürgerschaft in ihren Mauern fast ausschließlich deutsch. Als Mitglied der Hanse gehörte Posen auf das engste in den wirtschaftlichen Lebens­raum Deutschlands hinein. Erst der Dreißigjährige Krieg und die Gegenreformation brachten einen Umschwung. Das slawische Element gewann an Boden. Ein starker Verfall setzte ein, bis dann die neue preußische Herrschaft über der Stadt eine neue Blüte heraufführte. Von 1793 bis 1806 und von 1815 bis 1918, das heißt über hundert Jahre, gehörte Posen zu Preußen und Deutschland. Das von den? früheren deutschen Kaiser errichtete Posener Schloß ist die größte Kaiserpfalz, die es in Deutschland überhaupt gibt.

Die deutsche Vergangenheit Posens verleugnet sich nicht in Posens Bauten. Die Altstadt ist eine alte deutsche Kolo­nialstadt. Ihr Rathaus, ursprünglich ein gotischer Vau, wurde 1536 im Renaissance-Stil umgebaut. Im 18. Jahr­hundert wurde dann dem großen Hauptturm seine endgültige Gestalt gegeben. Der Dom birgt Arbeiten von Veit Stoß. In der Neustadt der Wilhelmsstadt, wurde unter Einsatz von außerordentlichen Geldmitteln in den letzten Jahrzehn­ten vor dem Weltkrieg eine Fülle von Bauten geschaffen. Neben dem Schloß ist die einstige Königliche Akademie zu erwähnen, die heute zur Universität gehört. Das Posener Museum trug früher den Namen Kaiser-Friedrich-Museum. Auch das Hauptpostgebäude und viele andere Großbauten Posens sind nicht durch die Polen, sondern durch Deutsche geschaffen worden.

Unter polnischer Herrschaft entstanden vor allem die Posener Messebauten, darunter der Oberschlestsche Turm und das große moderne Stadion. Daß die alten deutschen Denkmäler in die Luft gesprengt wurden, gehört zu jenen Kulturtaten", mit denen das moderne Polen gegen die Deutschen vorging. Die Zukunft wird lehren, welche Nation in Pofen stärkere Aufbauarbeit leistet.

Am Wegrain

Erzählung von M. Graf

Gert und Hanne wandern in froher Feierabendstimmung zwischen den Feldern hin. Es ist die hohe Zeit der Ernte, manche Felder find schon abgeleert, das Jubilieren der Vögel ist stiller geworden, im nahen Wald färben sich die Blaubeeren und schießen die mannigfachsten Pilze aus dem Moos. Der alte Apfelbaum an der Straße trägt Heuer be­sonders reich. Ehe er die ersten reifen Früchte abwirft, werden die Brautleute ihr eigenes Heim beziehen können. So nahe schon steht die Erfüllung! Der Mann hat seinen Arm leicht um die Schulter des Mädchens gelegt und malt vor ihr und sich selbst die beglückendsten Zukunftsbilder aus. Der Kehrreim eines jeden Satzes aber ist:Und wenn dann unsere Kinder..."

Hannes Brauen schieben sich immer nachdenklicher zu­sammen, ihr Mund wird trotzig und schmal. Und plötzlich bleibt sie so unvermittelt stehen, daß Gerts Hand von ihrer Schulter aleitet.

vrheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, München

kmheikrcrRomair

Ks-ssSV

25. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Lieber Dr. Schubert, was Sie da Vorbringen, ehrt mich, aber schließlich heirate nicht ich Sie, sondern meine Tochter, das heißt, wenn sie will. Ich mag in dieser Hin­sicht keinem meiner Kinder einen Zwang antun. Ihr An­trag hat aber immerhin für mich eine besondere Bedeu­tung, weil auch ich bezüglich der finanziellen Zukunft meiner Kinder bald Verfügungen zu treffen habe."

Also Sie selber stellen sich meinen Plänen nicht ent­gegen, Herr Feldner?"

Durchaus nicht. Ich kann nur meinen Segen noch nicht geben, ehe nicht Magda selbst ...!"

Eine Auskunft über mich verschaffe ich Ihnen selber: von meiner Bank, von einigen wissenschaftlichen Insti­tuten ..."

Der Wirt öffnete die Türe und rief hinaus:Magda, Magda!"

Fräulein Magda hatte erwartet, daß sie bald gerufen würde; deshalb stand sie auch sehr schnell im Salon.

Dr. Schubert hat über meine weitere Ausbildung ge­sprochen, nicht wahr, Papa?" fragte sie.

Der Adlerwirt lachte:Wenn du das ein weiteres Stu­dium nennst, habe ich nichts dagegen!"

Du bist also einverstanden, lieber Papa?"

Im Prinzip schon!"

O, Papa!"

Sie flog ihm nicht an den Hals; Fräulein Magda Feld­ner war noch nie jemandem an den Hals geflogen!

Sie küßte aber ihren Vater aus die linke Wange und schien zufrieden.

Höre!" sagt sie und ihre Helle Stimme klingt ein wenig scharf,gar so eilt es ja wohl doch nicht mit der Stube voll Kinder! Du möchtest mich wohl beizeiten in einen engen Rahmen spannen?"

Der Mann war betroffen.Aber Hanne...!"

Sie schüttelt sich unmutig, daß ihr die Locken ums Gesicht fliegen.Nun ja", sagt sie nach einer Weile,wie war es denn mit Helene, meiner liebsten Freundin? Du erinnerst dich doch wohl noch an die Zeit, wo sie uns insgesamt über­strahlte, von vielen umschwärmt, von allen beneidet! Und heute? Man sieht sie nur noch selten bei einer Festlichkeit, ihre besten Freunde haben sich zerstreut, und wenn man ihr Vorhaltungen machen will, weil sie kaum noch Zeit für ein Plauderstündchen findet, dann zuckt sie nur lächelnd die Achseln:Du weißt ja, Liebe, die Kinder!" Ganz ver­wandelt ist sie."

Nicht zu ihrem Nachteil, wie mir scheinen will. Und ist Frau Helene nicht etwa restlos glücklich? Sagt sie nicht selbst, daß es das schönste der Feste für sie sei, das Wachsen und Werden ihrer Kinder zu beobachten?"

Gewiß. Und sie mag ja auch recht haben. Aber das hat doch noch Zeit, Gert ich bin ja noch so jung!"

Ja so jung! denkt Gert. Zu jung vielleicht, um schon an die größte Aufgabe herangeführt zu werden? Ob es nicht doch ein wenig überstürzt war, sich schon nach wenigen Monaten bindend zu entscheiden? Gerts Miene verdüstert sich sorgenvoll. Schweigend gehen die beiden weiter, den schmalen Weg zwischen den Feldrainen geflissentlich als Trennungslinie achtend.

Indes holpert ein Handkarren daher und zwingt das Paar, nach beiden Seiten auszuweichen. Ein halbes Dutzend Kinder, barfüßig, braun von Sonne und Wind, umspielt lärmend das Gefährt, auf dem über prall gefüllten Säcken das Jüngste thront und vergnügt sein selbst erdachtes Lied in den Abend hineinkräht. Eine noch junge Frau zieht, sichtlich ermüdet aber unverdrossen, den Wagen, und zwei von den Buben schieben hinten nach, wenn die Fuhre gar zu langsam vorankommen will. Plötzlich gerät der Karren in eine ausgefahrene Wagenspur und droht umzukippen. Gert springt sogleich hinzu und rettet die Fracht vor dem Abgleiten. Dabei sieht er ein Aehrenbüschel aus dem einen Sack ragen.Ein saures Geschäft, das Aehrenlesen!" meint er bedauernb.

Die Frau verhält den Schritt, rückt ihr buntbetupftes Kopftuch zurecht und atmet einmal tief auf.Das wohl!" stimmt sie bei.Aber es lohnt zuletzt doch mit einem Säck- lein Mehl, von dem ich manches Mus für meine sieben hungrigen Schnäbel kochen kann. Bei einem Neidkragen freilich, der sein Feld bis auf den letzten Halm kahlputzt, ist viel Schweiß umsonst vergossen. Aber der und jener Bauer denkt beim Earbenbinden auch an unsereins, und dann häuft es sich rasch."

Sieben Kinder!" sagt Hanne und betrachtet nachdenklich die lärmende Schar, die so munter über die Stoppeln fegt, als sei des Lebens Tisch schon reichlich für sie bestellt.

Die Frau nickt stolz:Ja. Fräulein, da beißt es freiliL.

I vre Tanzschuhe ausziehen, und mit dem fruchtlosen Träu­men, da ist es ja dann wohl auch für immer vorbei. Manch­mal muß ich mich selber wundern, woher ich nur all die Zeit nehme, um gar noch für fremde Leute hin und wieder eine Handreichung zu tun. Aber es ist wohl so: je härter das Muß, desto größer die Kraft. Und was meine Mutter selig war, die hat immer gesagt:Wo ein Häslein, da ein Gräs- lein." Wir daheim waren unser neune. Aber meinen Eltern war keines je zu viel und sie haben das Letzte mit der näm­lichen Freude erwartet wie ihr Erstgeborenes. Es ist halt etwas wunderbar Schönes, wenn man es so um sich blühen und wachsen sieht und weiß, daß man sich nicht nur um Geld und für fremde Leute schindet. Im Alter allein sein, vergessen und ausgelöscht das, so denk ich mir oft, ist wohl die härteste Buße, die es für einen Menschen geben kann."

Mit knappem Gruß wendet die Frau sich wieder ihrer Fuhre zu, nach wenigen Metern ist die breite Landstraße erreicht, die schnurgerade ins Dorf hineinführt.

Stumm stehen Gert und Hanne nebeneinander an der Wegkreuzung. Soll sie ihnen wirklich zum Scheideweg werden? Nein, Hannes törichtes junges Herz ist bitterlich beschämt. Wie leicht wird sie es haben im eigenen schmucken Häuschen gegenüber jener Frau, die ihr karges Leben mit Lachen meistert und sich trotz Müh und Plage gar noch glücklich preist!

Zaghaft sucht ihre Hand die des Verlobten, und die Helle Mädchenstimme, die bei Spiel und Sport wie eine Fanfare «der allem schwebt, bettelt ganz weich und leise:Du mutzt ein wenig Geduld haben, Gert! Glaub mir nur, es wird alles gut. And wenn dann unsere Kinder..."

Wissenswertes Allerlei

Zu den besten Viehweiden in Ungarn gehört die Szamos- Steppe. Aber es gibt auf der baumlosen Ebene keine Vögel, da­her sind Fliegen und Bremsen eine große Plage für das Vieh geworden. Nun hat man hunderttausende von künstlichen Nestern ausgestellt, in der Hoffnung, daß Schwalben und Meisen sich auf der weiten Steppe ansiedeln werden.

Wenn das Herzogspar von Kent nach Australien kommt und in den Palast des Eeneralgouverncurs einzieht, werden ihnen als Geschenk mehrere der drolligen Koalabären überreicht werden, die man eingefangen und gezähmt hat. Die Koalobären sind be­kanntlich die kleinen Beutelbären, die wie lebendig gewordene Teddybären aussehen.

*

Das Oel, das aus dem Spermasettwal gewonnen wird, soll eine so ausgeprägt kosmetische Wirkung haben, daß die Mann­schaft auf den großen schwimmenden Walkochereien, die diesen Fang betreiben, blütenwciße Hände haben soll, ganz im Gegen­satz zu den sonst so gebräunten, harten Seemannsfäusten.

Die größten Europäer sollen die Schweden sein. An zweiter Stelle stehen in bezug aus Körnerlange die Schotten.

Dramatischer Zwischenfall, der sich täglich^wiederholt

Im nunmehr befreiten Volks­deutschen Gebiet in Polen er­kennt ein Volksdeutscher den Mörder seiner viehisch hinge- schlachteten Brüder wieder. (Scherl Bilderdienst, Zander-Mullipl.-M.)

DWzH

MW,

Wann soll es losgehen, Doktor?"

Der Adlerwirt machte ein verdutztes Gesicht. Er hatte bisher geglaubt, Magda hätte noch immer den Hans Bauer im Kopf und nun waren diese zwei hier vor ihm schon soweit! Ja, die Weiber!

Wann gehl es also auf die Reise?" fragte Magda noch- ! einmal.

Herrgott, Magda, ehe man auf die Hochzeitsreise geht, muß man doch vorher geheiratet haben!" ries der Adler­wirt.

Magda sah von ihrem Vater nach Dr. Schubert, von Dr. Schubert aus ihren Vater.

Hochzeitsreise?" stammelte sie fast.

Dr. Schubert hat doch um deine Hand angehalten!"

Ich war so frei", gab dieser zu.

Und was sagst du dazu, Magda?" fragte der Adler­wirt. Es schien da etwas nicht zu stimmen. Hatte sie jetzt plötzlich feuchte Augen vor Rührung?

Magda, so gib doch Antwort!" verlangte der Vater.

Nein!"

20 .

Die vollkommene Ehe.

Als Magda jetzt den Salon still verlassen hatte, klopfte der Adlerwirt seinem Gast auf die Schulter.

Nur nicht verzweifeln! Es braucht alles seine Zeit. Es ist nicht jeder Mann imstande, das Herz einer Dame im Sturm zu erobern. Ich habe gemeint, daß Ihr schon han­delseinig wäret. Halt nicht locker lassen! Es ist immer besser, man lernt sich vorher noch genauer kennen."

Diese Worte schlugen Dr. Schubert ans Ohr, aber er verstand deren Sinn nicht recht.

Er hatte also doch falsch angepackt. Er hätte wirklich erst ihr den Ernst der Situation vor Angen fuhren müssen. Aber dann, es war doch noch kein Unglück geschehen: sie wußte nun, daß er es aufrichtig meine.

Eigentlich hatte sie ja recht; es wäre zu geschwind ge­gangen. Es war reizend, daß sieNein" gesagt hatte. Das

Ja" würde sie ihm sagen, ihm persönlich! Ohne Zeugen ins Ohr flüstern:Fritz, ja!"

Die Liebe in ihm war schon da, der Glaube auch: nun hieß es hoffen!

Diese Gedankenpanse war aber dem Adlerwirt zu lang. Er schüttelte dem Doktor die Hand und meinte:Deshalb also noch keine Feindschaft nicht! Was lang währt, wird gut! Meine Einwilligung haben Sie auf jeden Fall."

Und da drückte Dr. Schubert dem Wirt herzlich die Hand und empfand das Gefühl, einen rechtschaffenen Mann und den allerbesten Vater der Welt vor sich zu haben.

-X-

*

Magda sprach jetzt mit ihrer Tante, die gerade in der stillen, großen Kammer Kompottgläser revidierte.

Versuch einmal, Magda, diese Maulbeeren! Schmecken sie nicht schon etwas säuerlich?"

Ich finde nicht!" sagte Magda.

Schade, daß Maulbeer so selten geworden sind; die habe ich eigens für den Rittmeister reserviert. Wir alten Leute haben uns vor Maulbeerbäume nicht ausgekannt."

Aber, was sagst denn du dazu?" fragte Magda wieder.

Mein Gott, was soll ich sagen? In die Liebe kann einem ein anderes nicht dreinreden. Und soll auch nicht dreinreden, weil man sich da immer blamiert. Riech ein­mal hier!"

Tante Ulrike hatte ein Glas mit grünen Nüssen geöffnet. Was, ein Duft!"

Gehören die auch für den Herrn v. Braun?"

Die sind für mich. Das bisserl Alkohol tut einer alten Frau gut! Das wärmt. Man fühlt sich dann vor dem Ein­schlafen im Bett so wohlig. Wenn es mit deinem Hans ohnehin nichts wird, aber das weiß man nie genau. Ich tät mich einfach nicht ergeben. Kämpfen, daß die Fetzen fliegen, Magda! Ich tät dem Hans Bauer sagen: du tust die Person da weg."

Fortsetzung folgt.)