8. Seite — Nr. 198
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter'
Freitag, den 28. August 1939
V/eUker
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8ckon beim krübstück n-ir6 gemeckert!
Hans IVloser isl in 6er Titelrolle seines Tobis-kilms „Oss Lüel" ein lAusterexemplsr dieser Lattung
^lenscli (sieben ilim I.ena Haustein)
Schreiber dieser Zeilen neigt der durchaus subjektiven Ansicht zu, daß es überhaupt keine vollendeten Ekel gibt. Schon allein der Begriff des Ekels scheint mir eine Fiktion. Was soll man von einer solchen Verbalinjurie halten, die sich einerseits aus offenbar purer Feigheit als sachliches Geschlecht tarnt, sich andererseits hin wiederum nur auf das männliche Geschlecht bezieht? Es kommt natürlich auch hin und wieder vor, daß ein Mann vom anderen behauptet, eben dieser wäre ein Ekel. Solches aber ist selten. Ein Mann wird viel mehr und viel eher sich Hinreißen lassen, das gesamte Kosenamcnalphabet von „Affe bis Zwiesel" zu bemühen, ehe er einem Geschlechtsgenossen gegenüber den Ausruf tut: „So ein Ekel!" Die Schlußfolgerung dieser philosophischbescheidenen Schlußfolgerung wächst einem wie ein Kornfeld auf der flachen Hand: die Frauen müssen das männliche Ekel erfunden haben. Fest steht also — ein Ekel ist ein Mann. Welcher Mann aber ist ein Ekel? Diese Frage restlos klären, hieße an die letzten Dinge rühren, hieße Dinge zu Papier und zur Sprache bringen, die vielleicht dem Männlichen Ansehen Abbruch tun könnten. Darum sei, nicht aus Eigennutz oder Furcht, sondern aus Gerechtigkeit die Frage anders und weiser formuliert: Gibt es überhaupt komplette Ekel mit allem seelischen Zubehör?
Ich würde diese Frage schlankweg verneinen, aber dann würde aus der Damenwelt wahrscheinlich ein bacchantischer Chor zu mir herüberdröhnen und donnernd und entfesselt rufen, singen, schreien: „Da kennen Sie den nicht...!" Doch, den kenne ich auch. Er ist ein Chamäleon — hier liegt nämlich der Hase im Korn und die Flinte im Pfeffer.
meter geprüft, vor Zugluft auf dem Transpokt behütet, der Suppenkoch selbst gegebenenfalls als „Koch im Topf" serviert, werde, falls usw. Edmund ißt irgendein Steak. Er ruft den Ober und sägt: „Bringen Sie mir doch bitte eine Säge." Der Ober ist peinlich berührt und baß erstaunt. Ist das Steak weich, ist es ihm zu roh, ist es zu roh, will er es durchgebraten. Er wäre also der Typ des „Lokalekels". Ich habe mich bemüht, auf die Sonnenseite seiner Psyche zu sehen. Das war nicht möglich, dagegen etwas anderes: Edmund darf zu Hause nicht Piep sagen. Wenn Emilie ihm eni Steak serviert, für das noch keine Säge der Welt erfunden ist, das ausschließlich' durch Ekrasit zerteilt werden kann, sitzt Edmund da und kaut, daß man zwar befürchtet, ihm sprängen die Backenknochen aus den Gelenken, lächelt, kaut, lächelt, kaut und schluckt die Ledcr- sohle, die Emilie.wieder sinnlos lange in der Pfanne hat liegen lassen, schließlich „in einem Stück" herunter. Wer wirft nun also den ersten Stein beziehungsweise das erste böse Wort auf ihn 4
Ja, und dann gibt es noch eine andere Ausgabe „Ekel": die ewigen „Unwirschlinge", die mit Linienblattstirn umherlaufen, mit sich und der Welt im Abonnement zerfallen sind und so tun, als interessiere und rühre sie nichts. So einer ist Theobald. Als neulich in seiner Abteilung Fräulein Kassel von der Treppe fiel und furchtbar heulte, stand Theobald, seines Zeichens Abteilungsleiter, mit purpurrotem Kopfe da und schrie das arme, „gefallene"
„Im ticken Keller sitr' ick hier"
sller6ings nickt um ru recken, sonäern um eine verdiente 8trske shruhüllen!
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Jch kenne den z. B. in Gestalt meines Vüronachbarn Paul. Der ist nie zufrieden.
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ten Hans Holt ruteil sveräeu lsüt
Scheint die Sonne, sagt er: „Was sind wir schon? Sklaven sind wir. Draußen scheint die Sonne und wir müssen hier drinnen solange schmoren, bis die Sonne weg ist. Und was bleibt uns? Der Neumond!" Ist es kalt und trüb, sagt er: „Was sind wir schon? (Einleitung wie oben.) Im Süden müßte man leben, da ist immer Licht, Helligkeit, Fröhlichkeit, im Süden, ja, aber hier? Nee." Kriegt er Gehaltszulage, stöhnt er: „Zehn Mark — das reinste Trinkgeld." Kriegt er keine, jammert er auch. Sind die Eier knapp, weil die Hühner nicht Eierlegeüberstunden machen, meckert er, ibt es Eier in rauhen Mengen, ißt er keine, arob gefragt, knurrt er: „Es handelt sich nicht um die Eier, es handelt sich um die Freiheit des Individuums. Es ist doch eine Schande, daß der Mensch als höchstes Lebewesen in seiner Unabhängigkeit von einem Huhn beschränkt wird ..." Paul wäre also ein Ekel. Aber eines Tages habe ich etwas entdeckt: Paul mit einem Kinderwagen auf der Straße, ein zusätzliches Kind an der Hand. Keine Seitensprünge des Junggesellen, sondern rührende Fürsorge des ,Meckerkönigs" für feine Schwester und die beiden Kinder, deren Vater starb und die S. M. der Meckerer von seinem durchaus nicht fürstlichen Einkommen erhält und ernährt.
Ein hervorstechender Typ des „Ekels" ist Edmund. Er ist Oeffentlichkeits-Querulant. Wenn man mit ihm im Lokal sitzt, wünscht man sich nach zehn Minuten eine Klappe unter dem Stuhl, einen Druck aus einen Knopf und ein unerhört schnelles, sozusagen jähes Verschwinden. Edmund kriegt Suppe. Er sucht mit Argusaugen nach dem sprichwörtlichen Haar. Es ist nicht drin. Er löffelt nach dieser Zeitlupenbetrachtung. Die Suppe ist lau. Der Ober tauscht sie um gegen eine heiße. Edmund verbrüht sich die Zunge und verlangt den Geschäftsführer. Der Geschäftsführer versichert, daß in Zukunft jede Suppe- mit einem Thermo
Wurm noch an: „Ich habe Ihnen doch schon zehnmal gesagt, Sic sollen nicht immer so umherhopsen, als wären wir ern zirzensisches Unternehmen, überhaupt paßt dieser tändelnde Übermut nicht in ein ernstes Büro. Lassen Sie
wetzte er. Dann habe ich ihn in seinem „Aller- heiligsten" gesprochen und gesehen, furchtbar schimpfend, daß die Treppe immer so gebohnert würde, schließlich total verschämt eine Tafel Schokolade aus der Schublade ziehend, die zwar nicht mehr neu, aber dennoch gut erhalten war, und Theobald drückte sie mir in die Hand und sagte: „Sie als Besucher könnten die dem Mädel in die Hand drücken, so mit ein paar
Oas Lesickt spricht Län6e!
Hans Glaser vor 6en 8ckrsicken 6cs (mit It.cckt!) gegen ikn russmmcngetretenen Lcrickts
freundlichen Worten, aber natürlich nichts sagen, daß sie von mir kommt..."
Theobald ist ein „Ekel" mit Herz. Er verbirgt sich vor sich seihst und allen anderen. Er hat Angst vor seiner eigenen Güte. Er würde sich am liebsten noch einen martialischen Schnurrbart wachsen lassen oder sporcnklirrcnd durch die Räume schreiten, nur weil er fürchtet, man könnte seiner Güte auf die Spur kommen. Solche Patentekel sind häufig, und daher nimmt es nicht Wunder, wenn sie auch in die Literatur und in den Film eingegangen sind.
propos Film — wer könnte wohl ein solches „Ekel" so lebensecht, so herrlich zerknautscht, se grundsätzlich unwirsch, aber- zugleich auch so rührend-gutherzig auf die Beine stellen wie Hans Moser? Wer es aus Nuschelumwegen zur liebevollen „Entlarvung" bringen? Wer so den ganzen Begriff letzten Endes sä sbsurckuni führen? Wer so böse und vermeckert scheinen und so lieb und nett sein? Wer?, frage ich. Nur er, Hans Moser, der Mann, der sein Herz versteckt wie der Vogel Strauß seinen Kopf. Der Tobis-Film mit Hans Moser trägt den Titel „Das Ekel" und stellt die Frage auf: „Welcher Mann ist ein Ekel?" Und gibt die einzig-mögliche Antwort (wer räuspert sich da?): keiner. Dieses bestätigt durch sein« Unterschrift der Verfasser
Peter Christoph.
WM
Dock sm Kett 6es 8öhackens . . .
ist 6s; ülcel nie umgensnäeü — 6ss gute Herr IsLr sick 6ock nickt
bloser: fosekine Oors, seine kilmgsttin)
(Sämtliche Photos: Tobts. M.) verleugnen! (hieben tisnk