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Nr. 196

Mittwoch, äen 23. August 1939

113. Jahrgang

Wettecho zum -lichiausEsvatt

Die Nachricht von der Reife des Neichsaußenministers von Ribbentrop nach Moskau und der bevorstehende Ab­schluß eines Nichtangriffspaktes zwischen Deutschland und Sowjetrußland hat in der ganzen Welt Ueberraschung aus­gelöst, obwohl schon tags zuvor die Mitteilung über den Abschluß der deutsch-sowjetrussischen Wirtschajtsverhandlun- gen die Lage beleuchtete. Wir geben im folgenden die Pres­sestimmen und den Eindruck des Auslandes wider:

Mch ChaWberlain Halisax Völlig überrascht

London, 22. Aug. Nicht nur für die englische Öffentlichkeit, sondern auch für die britischen Minister ist die Nachricht über den Lcutsch-sowjetrusfischen Nichtangriffspakt eine völlige Aeber- rafchung gewesen. Preß Association hat an hoher Stelle erfahren, -atz weder Lord Halifax noch Ministerpräsident Lham- Lerlain irgend etwas von den deutsch-sowjetrussischen Ver­handlungen wußten. Die Verhandlungen seien derartig geheim- gehalten worden, daß die Ankündigung des Vertrages nicht ein­mal in Form von Gerüchten vorher in London bekannt geworden sei. Die Mitteilung sei ein um so größerer Schlag, als noch letzt­hin in London Nachrichten aus Moskau eingetrossen seien, daß die Dreimächte-Vcrhandlungen vor dem Abschluß ständen. Selbst­verständlich werde die unerwartete und sensationelle Mitteilung über den deutsch-sowjetrussischen Nichtangriffspakt Hauptbsra- tungsgcgenstand beim heutigen Kabinettsrat sein. Die Haltung Großbritanniens sei die, daß, wenn ein Versuch gemacht werden sollte, mittels Gewalt de« Status quo Danzigs avzuiinder» und Polen es dann für notwendig halten sollte, sich dem zu «über­setze», Großbritannien und Frankreich dann sofort Polen zu Hilfe kommen. Die Haltung Sowjetrußlands in einem solchen Falle sei augenblicklich aber ein größeres Geheimnis denn je. In An­betracht der ernsten Entwicklung der letzten 24 Stunden würden die britischen Minister am Dienstag nachmittag die Frage er­wägen, ob das Parlament einberufen werden solle. Es sei mög­lich, daß das Kabinett es für notwendig halte, daß Großbritan­nien eine neue Erklärung über seine Haltung abgibt.

Die große Ueberraschung

Die Ankündigung der Reise des Reichsaußenministers von Ribbentrop am heutigen Mittwoch nach Moskau und der bevorstehende Abschluß eines Nichtangriffspaktes zwi­schen Deutschland und Sowjetrußland hat in der ganzen Welt wie eine Bombe eingeschlagen und auch im deutschen Volk stärksten Widerhall gefunden. Das Moment der Ueberraschung ist überall draußen in der Welt zum Teil sehr drastisch zum Ausdruck gekommen, während das deutsche Volk abseits der nervösen Kriegspsychose des Westens schon aus der Mitteilung des deutsch-russischen Wirtschaftsabkom­mens herausfühlte, daß wir im englisch-französischen Ein­kreisungsspiel in Moskau auch noch etwas mitzusprechen haben. Das Vertrauen des deutschen Volkes auf den Führer ist so stark und riesengroß, daß alles Geschrei und Ein- krersungsgetue des Westens nicht an der lleberzeugung rüt­teln kann: Der Führer wird es schon schaffen. Zwar nicht mit vielen Worten, Erklärungen, Konferenzen wie bei den Demokratien, sondern durch tätiges Handeln. Und die Russen haben mitgemacht. Wie gesagt: der Abschluß der Wirtschaftsverhandlungen ging voraus. Bei diesen Bespre­chungen ergaben sich auf beiderseitigen Wunsch die Möglich­keiten für eine Erweiterung der politischen Beziehungen. Berlin und Moskau haben mit offenen Karten gespielt, mit Aufrichtigkeit und der notwendigen größten Vertraulichkeit und Ernsthaftigkeit, so daß nun der Abschluß mit der Reise von Ribbentrops in greifbare Nähe gerückt ist.

So stehen wir an einem entscheidenden Wendepunkt der Geschichte. Für Deutschland bedeutet, er wie für Ruß­land eine Rückkehr in die Geschichte der beiden Völker, die ein Jahrhundert lang in freundschaftlichen Bahnen verlies. Es darf nur an die Freiheitskriegs von 1813 erinnert wer­den und an die Zeiten der Vismarckschen Politik, bis 1914 mit dem französischen Vorstoß das alte Band zerrissen wurde.

Und nun soll das wirtschaftliche Zusammenarbeiten und Zusammenspiel, das naturgemäß auch auf politischem Gebiet Folgerungen bringt, ins Geleise kommen okd ein nachbar­schaftlich-friedliches Verhältnis entstehen. Es braucht nur darauf hingewiesen zu werden, daß Sowjetrußland über reichste Rohstoffvorkommen verfügt, die durch Deutschlands Industrie und Technik eine glückliche Ergänzung finden können. An sich sind Deutschland und Rußland durch ihre geographische Lage wie durch ihre Wirtschaftliche Struktur in stärkstem MoHe ackfeincmder angewiesen. Solange die traditionelle Zusammenarbeit sie vereinte, ist der Erfolg solcher Zusammenarbeit stets beiden Teilen zugute gekom­men. Die Nichterneuenmg des RÄckversicherungsvertvages mit Rußland hat Ich einst für Deutschland sowie für Ruß­land als ein suudmnentater Fehler erwiesen. Wirtschaftlich und politisch eröffne« Ich mit der neuen Lage Entwickkmrgs- möglichkeiten sürÄie Zukunft. Daß es nun gelungen ist, die Kluft zu überbrücken, wird überall «N'GrrHdeutschen Reich, aber auch in Sowjetrutzland M Befriedigung begrüßt werden.

Großbritannien und Frankreich nun erst recht zur Unterstützung Polens verpflichtet"

London, 22. Aug. Irgend eine amtliche Stellungnahme liegt immer noch nicht vor. Sämtliche Blätter bemühen sich, im übri­gen darzulegen, daß das angekündigte Abkommen auf Polen nichtdenmindesten Eindruckgemachthabe (!), daß Polen die Angelegenheit als ein Manöver des Nervenkrieges betrachte und daß Warschau nicht an eine ernste deutsch-sowjet­russische Verständigung glaube. Es habe diesen deutsch-sowjet- russischen Nichtangriffspakt kommen sehen.

In ihren Kommentaren kann die englische Presse nicht umhin, auf die Wahrscheinlichkeit zu verweisen, daß der deutsch-sowjet­russische Vertrag sehr weitgehende Folgen haben könne. Sie be­mühen sich aber, darzulegen, daß nunmehr Großbritannien und Frankreich nun erst recht verpflichtet seien, Polen zu Hilfe zu eile«, wenn seine Unabhängigkeit bedroht sei.

London:

Die Nachricht kam Londoner politischen Kreisen völlig über­raschend. Reuter brachte die Meldung in Form eines Extrablat­tes. Einige Zeitungen wieDaily Herald",Daily Mail" und Times", denen die Meldung der TASS.noch nicht vorlag, woll­ten die DNB.-Meldung nicht glauben. Sie bildeten sich viel­mehr ein, daß es sich um ein deutsches Scheinmanöver handle. Der diplomatisch» Korrespondent derTimes" schreibt, die Nach­richt der Reise Ribbentrops nach Moskau sei überraschend ge­kommen.Daily Telegraph" ist der Ansicht, daß durch die Ber­liner Meldung eine neue Lage geschaffen sei, die heute auf ei­ner Vollsitzung des Kabinetts erörtert wird. ,D>aily Herald" tritt für Einberufung des Parlaments ein, da die Entscheidun­gen, die jetzt getroffen werden muffen, dem Parlament vorzu­legen feien.News Chronicle" wirst der britischen Regierung vor, die Angebote der Sowjets zur Zusammenarbeit im März und April abgelehnt zn haben. Die Reise von Ribbentrops nach Moskau werde in der modernen Geschichte ihren Platz als eine der außerordentlichen Entwicklungen finden.Daily Mail" stellt fest, daß der Nichtangriffspakt für die ganze Welt eine lleber- raschung gebracht habe.

Paris:

Die Nachricht von der Reise des Reichsaußenministers nach Moskau zum Abschluß des Nichtangriffspaktes hat in Paris wie eine Bombe eingeschlagen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sie sich gegen Mitternacht im Zeitungsviertel und in allen Redaktionsstuben. In politischen Kreisen verhehlt man sich keineswegs, daß die internationale Spannung dadurch über­raschend eine völlig neue Wendung bekommen dürfte. Die Mor­genblätter veröffentlichen die Berliner Meldung in großer Auf­machung. Das radikal-soziale ,Oeuvre" versucht Glauben zu ma­chen, daß es sich um einendiplomatischen Theaterstreich" han­dele.Jour" und andere Blätter versehen die Berliner Meldung mit einem großen Fragezeichen, woraus zu ersehen ist, daß sie das Ereignis garnicht fassen können.Oeuvre" ist sogar noch deutlicher und spricht von einerschönen Ente".Matin" stellt fest, daß das deutsche Kommunique in politischen Kreisen Lon­dons und Paris' eine beträchtliche Aufregung ausgelöst habe. Petit Parisien" läßt sich aus London melden, daß die Nach­richt in politischen englischen Kreisen einen ganz außerordent­lich peinlichen Eindruck gemacht habe.

Moskau:

Die Moskauer Zeitungen veröffentlichen kn großer Aufma­chung auf der ersten Seite tne Mitteilung über die bevorste­hende Reise des Rcichsaußenministers.Nach Abschluß des sow­jetisch-deutschen Handels-Kreditabkommen", so heißt es wörtlich.

Italienische Pressestimmen

Rom, 22. Aug. Unter der UeberschristGrößte Ueberraschung" erklärt der Direktor desEiornale d'Jtalia", daß der deutsch­sowjetrussische Nichtangriffspakt in Italien im Gegensatz zu den demokratischen Ländern nicht weiter überrascht habe. Man habe diese Entwicklung vielmehr vorausgesehen und dementsprechend Polen rechtzeitig auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die sich aus seiner geographischen Lage zwischen Deutschland und Sowjet­rußland ergeben. Aus den neuen politischen Ereignissen könne man drei für das gesamte europäische Kräftegleichgewicht wich­tige Schlußfolgerungen ziehen:

1. Während es Großbritannien und Frankreich nach viermona- tigen intensiven Verhandlungen nicht gelungen sei, Sowjetruß­land in die Einkreisungsfront einzuspannen, habe Deutschland miteiuemgenialenSchachzugdieLagevol Ham­men umgewandelt.

2. Polen sei vollkommen isoliert, denn Frankreich und Großbritannien, die bei ihrenGarantieverpflichtungen" zu­gunsten Polens auf die Sowjethilfe rechneten, feien nunmehr ge­zwungen, gegebenenfalls allein das Risiko zu tragen.

3. Das neue Ereignis könne nicht ohne Auswirkung auf die weitere Entwicklung und auf die Lage im östlichen Mit­te l m e e r bleiben, wo die französisch-englische EinkreisungspM- tik durch die Rumänien, der Türkei und Griechenland erteMen Garantien am stärksten fick entwickelt babe.

entstand die Frage über die Verbesserung der politischen Be­ziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Der die­ser Frage gewidmete Meinungsaustausch zwischen den Regie­rungen Deutschlands und der Sowjetunion zeigte den beider­seitigen Wunsch, die Gespanntheit der gegen­seitigen politischen Beziehungen zu lösen, die Gefahr eines gegenseitigen Krieges zu beseitigen und einen Nichtangriffspakt abzuschließen".

Rom:

Dis von den römischen Morgblättern in größter Aufmachung bekanntgegebsne Ankündigung eines deutsch-sowjetischen Nicht­angriffspaktes hat in der italienischen Hauptstadt Genugtuung ausgelöst.Popolo d'Jtalia" überschreibtEin harter Schlag für die EinkrersuugsmLHte".

Neuyork:

Die Ankündigung des Abschluffes des Nichtangriffspaktes zwi­schen Berlin und Moskau wirkte in Amerika wie ein Donner­schlag. Der Rundfunk unterbrach sein Programm bei allen Sen­dern, um die Nachricht bekannt zn geben.Neuyork Times" schreibt, die Enttäuschung in Regierungskreisen sei groß, da die Sowjetunion nicht dem englisch-französischen Einkreisungsblock beigetreten sei.

Belgien:

Belgische politische Kreffe, die noch um Mitternacht die Neuig­keit erfuhren., brachten, wie aus der belgischen Hauptstadt ge­meldet wird, die größte Ueberraschung zum Ausdruck. In den Morgenblättern wird die Meldung in großer Aufmachung her- ausgebrakht. Kommentare sind noch sehr spärlich. So glaubt Nation Belge" an einen Theater-Coup. Auch der sozialdemo­kratischeLe Pcuple" kann das Ereignis nicht fassen, so daß er dis Meldung, wie er sagt, mit allem Vorbehalt veröffent­liche.

Holland:

Die holländischen Blätter bringen die Meldung in besonderer Aufmachung als wichtigstes Ereignis des Tages.Telegraaf", Handelsblad" und andere Blätter stellen fest, daß sich die Fol-' gen dieser völlig neuen politischen Lage i« Europa garnicht übersehen ließen.

Nordische Länder:

Die Stockholmer Presse überschreibtDie europäische Lage völlig verändert",Eine Bombe für Paris und London",Die ganze weltpolitische Lage ist umgeworfeu",Die größte Sensa­tion seit dem Weltkriege". Die Bestürzung in Paris und Lon­don wird von allen Zeitungen besonders unterstrichen. In Dä­ne m a r k ist man, wie aus den Kopenhagener Blättern hervor­geht, der Ansicht, daß eine entscheidende Wendung in der euro­päischen Lage eingetreten ist. Die Meldungen über den bevor­stehenden Paktabschluß füllen in den Zeitungen mehrere Sei­ten.Verlingske Tidende" sagt in der UeberschristVollkom­mene Bombe für London". Das Blatt fährt dann fort, hier sei eine Botschaft, die man mit angehaltenem Atem empfange. Es zeigten sich ganz neue Perspektiven.Socialdemokraten" spricht von einer außenpolitischen Bombe, die London gelähmt habe.

Schweiz:

Da in der Schweiz die meisten Blätter erst zum Mittag er­scheinen, ist die Stellungnahme auch nur sehr gering. Allge­mein ist in der Morgenpreffe die Verblüffung. So schreibt ein Extrablatt desBerner Tagblatt":Wirkung in Europa: Wie eine Bombe!" In Basel verbreitete dieNational-Zeitung" ein Extrablatt am Dienstag früh mit der lleberschriftSensationelle Ueberrumpelung". DieNeue Züricher Zeitung" ist der Ansicht, daß es sich um die größte und vollständigste in der Reihe dey Ueberraschungen handele.

Auf alle Fülle aber könne man bereits, so fährt das Blatt fori, von einem kläglichen Zusammenbruch der gesamten englisch-fran­zösischen Einkreisungspolitik sprechen, ja geradezu einen Umsturz der Positionen und Systeme sowie einen neuerlichen konkreten und steigenden Erfolg der Achsenpolitik seststelleu. Das Einkrei» lungssystem sei ins Wanken geraten, denn plötzlich fehle der wich­tigste Stützpfeiler. Allerdings sei damit nicht die Gefahr einer Wahnsinnstat gebannt. Polen sei auf dem Wege des Abenteuers, und Frankreich und England hätten ihm ihre Hilfe verpfändet. Verändert aber habe sich ganz entschieden das gegenseitige Kräfteverhältnis.

Abschließend erinnert das halbamtliche Blatt daran, daß das 'deutsch-sowjetrussische Abkommen das vom faschistischen Italien begonnene System vollende, denn Italien habe als erste der euro­päischen Großmächte die sowjetrnssische Regierung bereits am 7. Februar 1924 anerkannt und 1933 einen Frenndschafts-, Reu- tralitäts- und Nichtangriffspakt abgeschlossen, den es am 7. Fe­bruar 1939 durch ein weitgehendes Handelsabkommen ergänzte.

Riga:Gefahren für Lettland bedeutend verringert"

Der gewaltige Eindruck, den die bevorstehende Unterzeichnung des deutsch-sowjetrussischen Nichtangriffspaktes und die Reise des Reichsautzenministers von Ribbentrop nach Moskau auch in Lieft-

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