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Nr. 174

Freitag, den 28. Juli 1939

113. Jahrgang

USA. kündigt Handelsvertrag mit Japan

Waffenausfuhrsperre die Folgen der japanischen Chinapolitik

Washington, 27. Juli. Außenminister Hüll überreichte dem japanischen Botschafter Borinouchi eine Note, worin die Re­gierung der USA. den amerikanisch-japanischen Handelsvertrag von 1911 kündigt. Die Kündigung tritt nach sechs Monaten» also am 28. Februar 1S4V, in Kraft und öffnet den Weg für eine Wasfenausfuhrsperre Japan gegenüber. Vielleicht soll die Sperre auch auf Rohstoffe ausgedehnt werden.

Die Vertragskündigung kam völlig überraschend. Hüll konferierte am Mittwoch mit Roosevelt. Associatet Preß zufolge ist es nicht unmöglich, daß dieser dabei die Kündigung des Ver­trages selbst anordnete. Die Note an Japan enthält keinerlei Anspielungen auf die gegenwärtige Fernostlage. Es wird jedoch einleitend ausgefiihrt, daß die USA.-Regierung im letzten Jahr ihre Handelsverträge sorgfältig überprüft habe, wobei sie zu dem Entschluß gekommen sei, daß der amerikanisch-japanische Handelsvertrag Bestimmungen enthalte, die revisionsbedürftig seien. Die Kündigung erfolge, damit eine derartige Revision vorbereitet werden könne,um die amerikanischen Interessen je nach den Erfordernissen einer neuen Entwicklung bester sicherzu­stellen und zu fördern".

Neuyork Times" schreibt: Die Kündigung sei eine ausge­sprochen politische Maßnahme, der politische Charakter werde besonders durch die Tatsache erhellt, daß die USA.-Regie- rung den ganzen Vertrag kündigte und nicht nur die Meistbe­günstigungsklausel, was vollkommen genügt hätte, um den Weg für eine Ausfuhrsperre zu ebnen. Man müsse schon auf die fran­zösische Revolution und auf französische Ueberfälle auf amerika­nische Kaufahrteischiffe zurllckgehen, so heißt es dann weiter, um eine Parallele zu einer derartigen Vergeltungsmaßnahme zu finden. Während England kürzlich bei den Tokioter Besprechun­gen Japan gegenüber zurückgewichen sei, bekundeten die Ver­einigten Staaten mit der Kündigung des Vertrages, daß sie nicht gewillt seien, ebenfalls diesen Kurs einzuschlagen.

Eine politische Maßnahme

Tokio, 27. Juli. Der amerikanische Geschäftsträger unterrich­tete das japanische Autzenamt, daß Washington den Handels­und Schiffahrtsvertrag von 1911 auswirtschaftlichen Gründen" gekündigt habe. Die amerikanische Negierung sei zu dieser Maß­nahme, die den Wünschen der amerikanischen Nation entspreche.

gezwungen worden, um die immer mehr steigende Einfuhr von japanischen Textilien in die Vereinigten Staa­ten einzudämmen. Der Vertreter des Außenamtes erklärte dem Geschäftsträger, daß Japan den ausgesührten Gründen nicht zustimmen könne. Japan betrachte vielmehr die Maßnahme Washingtons als einewirtschaftliche Herausforde­rung ". Die Verhandlungen zum Abschluß eines neuen Vertra­ges könnten erst dann erfolgreich durchgeführt werden, wenn Amerika seine unfreundliche Haltung gegenüber Japan geändert habe.

Die ersten Kommentare der japanischen Presse bezeichnen all­gemein die Kündigung des japanisch-amerikanischen Handels­vertrages als einesunfreundlichen und verständ­nislosen Akt der amerikanischen Regierung". Der eigentliche Zweck der Kündigung sei die Absicht Amerikas, nunmehr freie Hand gegen Japans Chinapolitik zu bekommen. Japanische Wirtschaftskreise betrachte» die Kündigung als eine wirtschaftliche Herausforderung Amerikas, die zweifellos im eng­lisch-amerikanischen Einverständnis geschehen sei, um einen Druck auf die gegenwärtigen englisch-japanischen Besprechungen auszuüben.

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Neue japanische Flotte

Sesherrschast über dem westlichen Pazifik gesichert Tokio, 27. Juli. Eine Erklärung des Marineministers, daß eine neue Flotte zusammengestellt sei, wurde am Donnerstag vom Sprecher der Marine, Admiral Kanazaw, er­gänzt. Einleitend stellte er fest, daß die Aufstellung der neuen Flotte vollkommen beendet sei. Sie sei dazu bestimmt, die See­herrschaft Japans über- den westlichen Pazifik absolut sicherzu­stellen. Die neue Flotte sei notwendig, um gleichzeitig den Auf­bau der neuen Ordnung in Ostasien zu unterstützen. Einzelheiten über Zusammensetzung, Schisfsarten usw. konnte der Sprecher nicht mitteilten, sondern er bemerkte nur, daß die Flotte jeden­falls aus einigen Geschwadern bestehe. Die neue Flotte werde hauptsächlich in den japanischen Gewässern operieren. Auf eine Frage erklärte der Sprecher ferner, daß die Flotte keine Ueber- j griffe Moskaus in Nordsachalin dulden, sondern die japa- ! nischen Konzessionsrechte mit allen Mitteln verteidigen werde.

Polnischer Terror gegen Deutsche

Kattowitz, 27. Juli. Die polnischen Sicherheitsbehörden haben jetzt eine neue Aktion eingeleitet, die sich diesmal gegen die Deutsche Turnerschaft in Polen richtet. Am Dienstag erschienen in der Kattowitzer Zentrale der Turnerschaft mehrere polnische Kriminalbeamte und nahmen eine vierstündige Haus­suchung vor, für die sie keinerlei Gründe angaben. Die polni­schen Beamten beschlagnahmten umfangreiches Schriftmaterial, darunter ein Verzeichnis sämtlicher deutschen Turnvereine in Polen. Dieselben Beamten hatten bereits am Tage vorher in den Räumen des MTV. Königshütte eine Haussuchung vorgs- nommeN. Was die polnischen Behörden mit diesen Maßnahmen bezwecken, ist wohl nicht schwer zu erraten.

Thorn, 27. Juli. Nach einer Meldung desDziennik Byd- goski" vom 25. Juli wurde wieder eine AnzahIVolksdeut- scher unter dem Vorwurf derBeleidigung des polnischen Vol­kes" verhaftet.

Warschau, 27. Juli. Auch in Mittelpolen werden fortlau­fend Deutsche wegen kritischer Beurteilung der polnischen Wirtschaft (Defaitismus") oder unfreundlicher Musterungen über Polen zu langfristigen Freiheits st rasen ver­urteilt. Indessen gelangt nur ein winziger Bruchteil dieser Urteile, was ein Zeichen für die innere Unsicherhit in Polen ist, zur Kenntnis der Oeffentlichkeit. Das Lodzer Bezirksgericht hielt es, wieKurjer Poranny" meldet, für richtig, den Arbei­ter Rudolf Seemann mit zehn Monaten Gefängnis zu bestrafen, weil er angeblichantipolnische Rufe" ausgestoßen hat.

Englische Sorgen umGoldene Kugeln*

London, 27. Juli. Nachdem Oberst Koc London verlosten hat, bestehen wohl kaum noch Aussichten, daß die polnischen Finanz­verhandlungen über die Auszahlung der Fünf-Millionen-Bar- anleihe irgendwie wieder flott gemacht werden können. In der Presse hat eine Fehde zwischen links und rechts eingesetzt. Das Labour-VlattDaily Herald" ist empört und schreibt, England habe 550 Millionen Pfund Gold. (?) Trotzdem aber weigere es sich, Polen fünf Millionen Pfund in Gold zu geben, damit das Land einwirksamer Verbündeter" werde. Eine derartige Hal­tung der britischen Regierung habe Enttäuschung in Polen her­vorgerufen. Auf solche Weife könne man nicht dieFriedens­front" zusammenschweißen.Daily Expreß" schreibt jedoch, die Polen hätten eine Anleihe bekommen, und immer noch seien sie

unzusrieoen. ^eyr wollten sie sogar britisches Gold. Gold aber sei die wichtigste Munition eines Krieges. England dürfe seine goldenen Kugeln den Polen nicht geben.Daily Telegraph" macht jetzt nach dem Mißerfolg der Anleiheverhandlungen P r o- paganda für einen britischen Flottenbesuch in Edingen. In einer Warschauer Meldung des Blattes heißt es unter anderem, man sei in Warschau recht betrübt über das unbefriedigende Ergebnis der Kreditverhandlungen mit Eng­land, und es bestehe daher Grund zu der Annahme, daß ein Besuch britischer Kriegsschiffe in Edingen in den höchsten Kreisen Warschaus warm begrüßt werden würde.Man glaube", daß ein derartiger Besuch die Deutschen noch mehr beeindrucken würde als der Besuch Jronsides in Warschau (!?).

Polnischer Katzenjammer

Warschau, 27. Juli. Ueber die Ergebniste -der Anleihever- handlungen in London veröffentlicht die polnische Presse nun die ersten eigenen Meldungen. Dabei wird festgestellt, daß Oberst Koc am Mittwoch nach Warschau zurückgereist sei. Die übrigen Mitglieder der polnischen Delegation seien in London geblie­ben, um die Einzelheiten des Polen zuerkannten Kredites in Höhe von acht Millionen Pfund Sterling zu besprechen. Diese Meldung der polnischen Telegraphenagentur scheut sich also noch, der polnischen Oeffentlichkeit mitzuteilen, daß es sich um einen Warenkredit handelt. Es wird immerhin zugegeben, daß die Verhandlungen über einen Varkredit geschei­tert seien.Kurjer Warszwaski" stellt resigniert fest, daß Oberst Koc sechs Wochen lang in London geweilt habe, um diese An­leihe nach Hause zu bringen. Aber die Frage des Barkredits sei noch nicht abgeschlossen, sondern nur verschoben.

Negierung Colijn gestürzt

Bildung einer schwarz-roten Koalitionsregierung?

Den Haag, 27. Juli. Die Zweite Kammer hat den Miß-

trauensantragderrömisch-katholischenStaats-

Partei gegen die Regierung Colijn, die erst seit zwei Tagen im Amt war, mit 55 gegen 27 Stimmen angenommen. Für den Antrag, also gegen die Regierung, stimmten die Katho­liken, die Sozialdemokraten, die freisinnigen Demokraten und die christlichen Demokraten.

Nachdem das Fachministerium Colijn, auf das weite KreA ihre Hoffnungen gesetzt hatten, jetzt durch die rot-schwarze Kam­mermehrheit gestürzt ist, erwartet man in politischen Kreisen Den Haags die Bildung eines Kabinetts der Katholiken und Sozialdemokraten.

Sizilien wird KornNmmer

Neue Dörfer saugen Großgrundbesitz auf

Mit Aufmerksamkeit und Freude ist in ganz Italien die Verkündigung des Duce ausgenommen worden, welche die Aufhebung des sizilianischen Großgrundbesitzes und die Massenerrichtung von Siedlungshäusern anordnete. Wer von Sizilien, bei den Alten dieKornkammer Italiens" ge­nannt und noch im 16. Jahrhundert als Land der Fülle und Fruchtbarkeit gepriesen, nur die üppigen und malerischen Küsten kennt, mit ihren Hainen von Apfelsinen- und Zitro­nenbäumen, starker Gartenkultur und den klassischen Tem­pelruinen, ist erstaunt, wenn er in das Jnnere-des Landes oder abgelegenen Teilen der Küste eindringt. Dort findet man, neben einiger Feldkultur, besonders Weizen aber von geringem Ertrag, weite, mit stacheligen Zwergpalmen be­standene karge Halden, viel trostloses Felsgestein und weite Oedstrecken. Wenn der Schwefelbergbau, auf der Südostseite des Landes, auch Reichtümer zu Tage fördert, so trägt doch der dortige Schwefelgehalt des Bodens zu einem Eindruck trüber Oede bei. Die Arbeiter jener Bergwerke gehörte^ noch bis vor kurzem zu den elendsten Existenzen ganz Ita­liens. Sizilien stellt aus diesen Gründen auch.,einbesgn- ders starkes Kontingent von Auswanderern nach Amerika? Daß die fruchtbaren Teile des Landes obendrein in weitem Ausmaß sich auf relativ wenig altadlige Besitzer verteilen, die ihre Güter keineswegs im volkswirtschaftlichen Sinne wirklich ausnützten, trug vor allem zu der grenzenlosen Armut des Durchschnitts der Bevölkerung bei. Statistisch wurde festgestellt, daß in Sizilien 28 Prozent der besteuer­baren Oberfläche auf Besitze von über 100 Hektar fallen, während im Herzen Italiens, so in der Provinz Emilia und in den sogenanntenMarken" nur 9,3 Prozent und 10 Prozent über dieser Erötzengrenze liegen. Sizilien, das rei­che Land, hatte die ärmste Bevölkerung! Nicht zufällig find Räuber und Wegelagerer noch im 20. Jahrhundert, neben blutigen Familienfehden gerade dort bis zum faschistischen Regime zu Hause gewesen.

Aus diesen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen Siziliens, die unter dem parlamentarischen Regime Mitte des vorigen Jahrhunderts von Crispi und vor dem Welt­krieg von Sounino immer wieder in der Kammer aufge­griffen und beleuchtet und doch immer ohne Ergebnis fal­len gelassen wurden, erklärt sich die tiefe Bewegung und der überwälttzende Eindruck, den die Erklärung des Duce am 20. ds. Mts. in ganz Italien hervorgerufen hat. Von jetzt ab wird, im Laufe von nur zehn Jahren, die gesamte soziale Lage der sizilianischen Bevölkerung von Grund auf geändert.

Nachdem zuerst Straßen gebaut wurden und Wasser für die zu gründenden Gemeinden beschafft wird, werden 20 000 Siedlungshäuser auf 500 000 Hektar Land neu erstehen. Ungenutzte Bodenflächen werden enteignet, die Oedländer kultiviert. Die Einlösung des Versprechens Mussolinis vor zwei Jahren, hat in Palermo wie in der zweitwichtigsten Stadt des Landes, in Catania, Stürme der Begeisterung er­regt.

Die ungezählten rückständigen Privilegien der Vergan­genheit, zum Teil schon aufgehoben, werden völlig erlöschen

Privilegien, welche in Sizilien ungleich stärker als im Mutterland Italien eine so große Kluft zwischen märchen­haftem Reichtum und fast unglaublicher Armut schufen, wie dies sonst vielleicht nur im Orient möglich ist.Der stzi- lianische Großgrundbesitz", so führte Mussolini in seiner entscheidenden Rede aus,obwohl schon heute seiner feuda­len Vorrechte durch die faschistische Politik beraubt, wird jetzt vom ländlichen Dorf aufgesogen werden au dem Tage, wo dieses Dorf Wasser und Straßen vorfinden kann. Dann werden die sizilianischen Bauern, wie alle anderen Bauern der Erde, des Landes froh werden, auf dem sie leben und arbeiten. Die extensive Kultur wird ein Ende fin­den, das Land das Doppelte an Menschen ernähren kön­nen. Sizilien muß und wird eine der fruchtbarsten Gegen­den der 3PE werden!"

Das Werk der Vorbereitung dieser in die Geschichte Sizi­liens tief einschneidenden Reform ist dem Untersekretär der Bonifica" (Meliorationsarbeiten), Tassinari, anvertraut worden. Fast eine halbe Milliarde sind bereits in die vor­bereitenden Arbeiten, wie Bodenverbesserung, Suche nach Wasser gesteckt worden. Eine weitere Milliarde Lire ist für diesen Plan bestimmt. Der ganze investierte Wert stellt etwa 2 Milliarden Lire dar. Für die staatlichen Arbeite«

Wegebau, Wasserbau, Dorfbau find 400 Millionen Lire vorgesehen, 600 Millionen werden zur Stützung pri­vater Besitzer und Unternehmer verwendet. Die offiziellen Leistungen sollen in sehr kurzer Zeit vollendet sein 2000 dieser Siedlungshäuser werden schon am 28. Oktober des Jahres 1940 eröffnet. Die staatliche Stützung und Hebung der privaten Bemühungen in Sizilien wird sich aber noch auf etwa ein Jahrzehnt erstrecken. Ein soziales Problem, das dunkel und niederdrückend seit Jahrhunderten auf dem sizilianischen Lande lastete, wird endlich durch die Tatkraft des Fascbic aus in knapp zehn Jahren seine großzügige Lö­sung finden.