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Nr. 160
Mittwoch, äen 12. Juli 1939
113. Jahrgang
Danziger Antwort an Chamberlain
Danzig, 11. Juli. Das Organ der NSDAP in Danzig, der Danziger Vorposten, veröffentlicht in einem Leitartikel die Antwort Danzigs an Chamberlain. Die sogenannte Beweisführung des britischen Premierministers sei nichts anderes als eine Konstruktion, die die Unkenntnis der Lage in der Weltmeinung rnr Rechtfertigung der polnischen These benutzen will. Die Ve- -bauptnng Chamberlains, die völkerrechtlichen Grundlagen Danzigs seien weder ungerecht noch unlogisch, widerlege bereits die Tatsache der mehr als hundert Danzig-Polnischen Streitfälle, die alljährliche Behandlung von Danziger Fragen vor dem Genfer Forum ufw. Die alte Taktik Warschaus, nämlich die geographische Lage Danzigs an der Weichselmündung als Begründung für Polens Ansprüche herauszustellen, werde geschlagen durch die völlige Vernachlässigung dieses Stromes durch Polen und die Bedeutungslosigkeit der Weichsel für die polnische Schiffahrt. Andererseits wüßten die Danziger am besten, warum sie ins Reich wollten. Man sei in Danzig gern bereit, auf die „Vorzüge" des polnischen Transitumschlages im Hafen zu verzichten, der für die Bewohner Danzigs gegenwärtig so gut wie gar keinen Nutzen abwerfe.
Es sei eine englische Anmaßung, wenn Chamberlain so tue, als wolle er die Lebensinteresse» der Danziger schützen, während er zur gleichen Zeit die polnische These verteidige. Weder England noch die Genfer Liga hätten sich um die Sorgen der Danziger in den verflossenen Jahrzehnten gekümmert, so daß Danzig sich jetzt verbitte, wenn eine „Fürsorge" für die Danziger Belange geheuchelt werde. Es handle sich eben bei England und Polen nicht um Danzig, sondern um die englische Einkreisungspolitik, für die Polen sich zur Verfügung stellt und deretwillen Polen von England einen Blankowechsel erhalten habe.
Eine internationale Angelegenheit sei Danzig nur insofern, als das Weltgewissen und die Weltgerechtigkeit schon viel früher eins Revision der unmöglichen und willkürlichen Aufteilung des deutschen Ostens von sich aus hätte anstreben müssen.
Eiertanz um Polen-Garantie
Chamberlain über das deutsche Danzig
London, 11. Juli. Im Unterhaus gab der britische Ministerpräsident Chamberlain eine Erklärung über die deutsche Stadt Danzig ab. Er teilte mit, daß die britische Regierung, die polnische Regierung und die französische Regierung betreffs der deutschen Stadt Danzig enge Fühlung hätten. In Ermangelung von Bestätigungen der englischen Sensationsmeldungen über die Lage in Danzig gab Chamberlain einen grundsätzlichen Ueber- blick über die Ansichten der britischen Regierung. Volklich sei Danzig nahezu völlig eine deutsche Stadt; ihren Wohlstand verdanke sie jedoch in einem sehr großen Ausmaß — Polen. (Siehe Konkurrenzhafen Edingen! Die Red.) Die Weichsel sei Polens einziger Wasserweg zur Ostsee, und der Hafen an der Mündung der Weichsel sei somit von vitaler, strategischer und wirtschaftlicher Wichtigkeit für Polen. „Eine andere, in Danzig eingenistete Macht", könnte Polens Zugang zum Meer blockieren und auf diese Weise wirtschaftlich und militärisch abwürgen.
Chamberlain kritisierte hierauf die Haltung des von seinen Leidenschaften mit fortgerissenen Polen nach Kräften, suchte aber zugleich, England jeder Verantwortung zu entziehen. Angesichts deutscher Vorschläge habe Polen es mit der Angst zu tun bekommen und habe „gewisse Defensivmatznahmen" am 23. März ergriffen und die Antwort am 26. März nach Berlin gesandt. In Deutschland sei erklärt worden, daß die Garantie der britischen Regierung die polnische Regierung aufgeputschi habe. Die englische Garantie sei jedoch offiziell erst am 31. März abgegeben worden.
Chamberlain verriet in seinen weiteren Ausführungen dann Befürchtungen, daß Polen in einer Weise zum Eingreifen in Danzig genötigt werden könnte, die als Aggression von Seilen Polens und seiner Freunde gelten werde. Dann könne man, sagte Chamberlain, die Frage nicht als eine rein örtliche Angelegenheit bezeichnen. Der Redner fuhr fort: „Wir haben garantiert, Polen unsere Hilfe im Falle einer klaren Bedrohung seiner Unabhängigkeit zu geben, einer Bedrohung, welche Polen als so vital ansieht, daß es mit seinen nationalen Streitkräften Widerstand leistet, und wir sind fest entschlossen, diese Verpflichtung einzuhalten".
Die Erklärung ist von der ganzen Morgenpresse mit der pflichtschuldigen „Befriedigung" ausgenommen worden. Die Blätter sind der Ansicht, daß nunmehr „kein Platz mehr für Mißverständnisse" vorhanden sei, und versuchen im übrigen, die Rede an Verständnislosigkeit noch zu übertrumpfen, ohne daß es ihnen gelingt, irgendwelche neuen oder auch nur einigermaßen postitiven Gedanken hervorzubringen. So begnügt sich die „Times" im wesentlichen damit, die polnischen Zwecklügen über die Stellung und das Wesen Danzigs erneut aufzuwärmen. Danzig sei es, so meint das Blatt, doch „so gut gegangen" (!) und von einer Unterdrückung der Bevölkerung durch Polen könne „gar keine Rede" sein!
An Lhamberkaul» Erklärung ist beachtlich, daß es der englische Erstminister fertig gebracht hat, den eindeutigen Willen der deutschen Bevölkerung Danzigs mit keinem Wort zu erwähnen. Besonders bemerkenswert aber, so schreibt der „Deutsche Dienst", ist die Feststellung Chamberlains, daß Polen am 23. März, also noch Taae vor Abgana der Warschauer Rote an
das Reich mobilisiert hatte. Das ist in dieser Eindeutigkeit von britischer Seite bislang noch nicht bestätigt worden. Herr Chamberlain verwahrt sich gegen den Vorwurf, daß Eroß- britanien Polen zur Ablehnung des deutschen Vorschlags — der die Lebensrechte Polens berücksichtigte und die Notwendigkeit eines polnischen Zugangs zum Meer vollauf anerkannte — ermuntert habe, und er weist darauf hin, daß die englische Garantieerklärung fünf Tage nach Abgang der Warschauer Not" an das Reich erfolgte. Herr Chamberlain wird die Welt schwer-- lich davon überzeugen, daß die englisch-polnischen Verhandlungen nur fünf Tage dauerten. Spätestens seit dem 18. März stand das Londoner Äußenamt mit Warschau in Gedankenaustausch über eine britische Garantie. Die englische Bereitschaft Polen zu garantieren, ist jedenfalls schon sehr viel früher als am 26. März in aller Eindeutigkeit erkennbar gewesen. Die erneut Bestätigung des britischen Ministerpräsidenten, daß England den derzeitigen Zustand unter Einsatz aller Mittel verteidigen wolle, ist im übrigen das beste Mittel, dem polnischen Chauvinismus Vorschub zu leisten und Oel ins Feuer zu gießen.
Papierböller — meint die italienische Presse
Mailand, 11. Juli. Chamberlains Ausführungen über das deutsche Danzig werden von der norditalienischen Presse dahin ausgelegt, daß sie in keiner Weise zu einer Klärung der schwebenden Angelegenheit beigetragen haben. Der „Corriere della Sera" erklärt, die Worte Chamberlains hätten alle unbefriedigt gelassen. Er habe nur die alten Argumente wiederholt. Der „Po- polo d' Jtalia" stellt fest, daß die Haltung der britischen Regierung in einer noch allgemeineren Form als in den vorhergegangenen Reden Chamberlains zum Ausdruck gekommen sei. Die „Gazetta del Popolo" schreibt, die Rede habe den Eindruck einer jener Paoierböller gemacht, die viel Lärm erzeugten, denen aber jede Zerstörungswirkung fehle. Chamberlain habe weder der Sache des Friedens noch der Sache Polens einen guten Dienst geleistet, er habe nur das Leben seines Kabinetts um einige Wochen und damit die lächerliche Komödie eines Englands verlängert, das schwätze und viel Geschrei mache, aber sich letzten Endes weder rühre noch rühren werde.
Paris applaudiert für Danzig-Erklärung
Paris, 11. Juli. Die Erklärung Chamberlains über das deutsche Danzig hat, wie nicht anders zu erwarten, fast die einmütige Billigung der französischen Presse gefunden. Angesichts der gleichbleibenden Tendenz, durch starke Redensarten die Polen weiter auszuputschen und gleichzeitig im Reich Eindruck zu mache», ist es auch selbstverständlich, daß die Blätter von einer „erneuten deutlichen Warnung Englands an Deutschland" sprechen. Andererseits ist es den Pariser Zeitungen nicht entgangey, daß die Rede Chamberlains wieder einmal nicht den gewünschten Eindruck in Deutschland gemacht hat. Wie wenig man in Paris seit Versailles dazugelernt hat, ergibt sich aus der Aeußerung der „Epoque", „der Friede werde nicht durch Konzessionen aufrscht- erhalten, sondern durch die feste Entschlossenheit, dem Status quo Respekt zu verschaffen". Oder in der Ansicht des „Figaro", die „Bedingungen" für eine deutsch-polnische Einigung seien in der Rede des Oberst Beck vom 28. April enthalten.
Der polnische Chauvinismus neu gestärkt
Warschau, 11. Juli. Die polnische Presse registriert mit Eenug- ruung die Erklärungen Chamberlains zur Danzig-Frage. Die Worte, mit denen England seinen Trabanten immer bereitwilligst zu Hilfe kommt, werden den polnischen Lesern als „entschlossenes Bekenntnis Großbritanniens zu den Polen gegenüber übernommenen Verpflichtungen" ausgelegt. Der polnische Chauvinismus fühlt sich durch diese Erklärungen offensichtlich neu ge
stärkt. „Kurjer Warszawski" sicht in ihnen die „kategorische Feststellung, daß Danzig ein Teil des polnischen Lebensraumes dar- stelle, ohne den eine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit Polens nicht auferchterhalten werden könne".
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Maschinengewehr hinter dem Regenschirm
Die dänische Presse zur Danzig-Erklärung Chamberlains Kopenhagen, 11. Juli. Die Kopenhagener Presse beschränkt sich zu der Rede Chamberlains über die Danziger Frage im wesentlichen auf eine Wiedergabe der scharfen deutschen Ablehnung dieser dem Frieden nicht dienenden erneuten Blankovollmacht für Polen. Sehr bezeichnend ist das „National Tidende" in einem Leitartikel, worin betont wird, die deutsche Kritik zwar ablehnen zu müssen, aber doch feststellt, Chamberlain sei in seiner Würdigung der Bedeutung Danzigs für Polen tatsächlich soweit gegangen, daß er sich in Wirklichkeit für die Bestimmung des Versailler Vertrages über Danzig eingesetzt habe. Chamberlains Rede zeige „das Maschinengewehr hinter dem Regenschirm".
der Verhandlungen"
Paris und London über Moskau enttäuscht
Paris, 11. Juli. Die Pariser Presse scheint die Leser darauf vorzubereiten, daß mit dem Abschluß eines Paktes zwischen den beiden Westmächten und der Sowjetunion nicht mehr zu rechnen ist. Lediglich der dem Quai d'Orsay nahestehende „Petit Pa- risien" bewahrt trotz der neuen Schwierigkeiten, die er auch offen zugibt, nach wie vor das optimistische Gesicht; aber auch dieses Blatt des Quai d'Orsay muß zugeben, daß eine Einigung „für einen nahen Zeitpunkt nicht zu erwarten" sei. Angesichts der neuen Schwierigkeiten wird in einigen Blättern wieder offen die Forderung gestellt, die Verhandlungen endgültig abzubrechen, um England und Frankreich nicht weiter einem demütigenden Schauspiel auszusetzen. Das „Journal" befaßt sich bereits mit der Frage der Schuld an dem „Mißerfolg der Verhandlungen". Auch der „Excelfior" spricht von einer Sackgasse der Verhandlungen und erklärt, in amtlichen Pariser und Londoner Kreisen erhebe sich die Frage, ob es der Mühe wert sei, Verhandlungen sortzusetzen, die, je länger sie dauern, unaufhörlich neue Schwierigkeiten auftreten ließen. Die Aussichten auf ein Abkommen verminderten sich immer mehr. Der „Jour" spricht von einem Erlahmen der französischen und englischen Diplomatie angesichts des demütigenden Zustandes, in den die beiden Staaten gebracht worden seien.
London, 11. Juli. Angesichts der neuen Unterbrechung der Verhandlungen in Moskau schweigt sich die Londoner Presse auf einen Wink von oben hin völlig über die Mission Strangs aus. Nur Vernon Bartlett sagt, Einzelheiten über die jüngste Phase seien zwar nicht zu erhalten, aber es werde immer zweifelhafter, ckb selbst ein Beschluß Lord Halifax', in letzter Minute selbst »ach Moskau zu gehen, noch Zweck haben würde.
Pariser Minifterrat
Frankreichs Minister bleibe« bis auf weiteres in Paris
Paris, 11. Juli. Die französischen Minister, die am Dienstag unter Vorsitz des Staatspräsidenten zu einem Minifterrat zusammengetreten waren, nahmen einen ausführlichen Bericht des Außenministers über die außenpolitische Lage en-ge- g?n. Der Ministerpräsident und der Justizminister unterbreiteten ferner dem Staatspräsidenten einen Amnestie-Erlaß anläßlich des Nationalfeiertages. Nachdem Finanzminister Reynaud festgestellt hatte, daß'die Zeichnung der sogenannten Rüstungsbonds einen zufriedenstellenden Verlauf nehme, beschlossen die Minister, bis auf weiteres von den üblichen Reisen in die Provinz Abstand zu nehmen, und sich nicht aus der Hauptstadt zu entfernen.
Göring regelt Einsatz der Dienstverpflichteten
Ausgleichszulage bis zur Aufhebung der Verpflichtung
Berlin, 11. Juli. Der Beauftragte für den Vierjahresplan, Generalseldmarschall Göring, hatte seinerzeit bei der Einführung der Verpflichtung von Arbeitskräften zu staatspolitisch wichtigen Arbeiten angeordnet, daß die verpflichteten Arbeitskräfte auf ihrer neuen Arbeitsstelle keine finanziellen Nachteile erleiden, sondern nötigenfalls eine Ausgleichszulage erhalten. Inzwischen ist in verschiedenen Fällen die Ansicht entstanden, daß, besonders bei Verlängerung der Verpflichtung, die Ausgleichszulage entfällt. Generalseldmarschall Göring hat deshalb den Reichsärbeitsminister angewiesen, dafür zu sorgen, daß künftig die Ausgleichs Zulage in jedem in Frage kommenden Fall ausgezahlt wird, bis die Verpflichtung aufgehoben wird. Sofern in besonderen Fällen bisher durch den Wegfall der Ausgleichszulage außergewöhnliche Härten entstanden sind, bat der Generalseldmarschall die Auszahlung eines besonderen Härteausgleiches angeordnet.
Im Zusammenhang damit hat Generalseldmarschall Göring eine strenge Nachprüfung angeordnet, welche Vorhaben als stantspolitisch wichtig zu gelten haben und demgemäß zur Verpflichtung von Arbeitskräften berechtigen. Die Anerkennung weiterer Bauten und Vorhaben als stnatspolitisch wichtig wird der Generalseldmarschall persönlich entscheiden. Mit diesen bei
den Anordnungen will der Generalseldmarschall die Opfer, die die verpflichteten Arbeitskräfte durch die Aufgabe ihres bisherigen Arbeitsplatzes im Staatsintercsse auf sich genommen haben, auf ein unbedingt unerläßliches Maß beschränken und entsprechend bewerten.
Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels ftn Steinkohlenbergbau
Der Reichsarbeitsmiinster hat am 11. Juli 1939 eine „Dritte Durchführungsanordnung" zur Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels im Steinkohlenbergbau) erlassen. Die Anordnung dehnt die Borschriften der Zweiten Durchführungsanordnung vom 10. März 1939, die die Lösung von Arbeitsverhältnissen in verschiedenen Wirtschaftszweigen und darüber hinaus die Einstellung von Arbeitskräften verschiedener Art an die Zustimmung des Arbeitsamtes bindet, auf den Steinkohlenbergbau aus. Bei der besonderen Bedeutung des Steinkohlenbergbaues für den Vierjahresplan und wegen der Notwendigkeit, die Steinkohlenförderung zu erhöhen, mußt« auch in diesem Wirtschaftszweig der Arbeitsplatzwechsel allgemein beschränkt werden.