Leite 7 Nr. 5
Samstag, Len 8. Ianuar 1938
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"
HuüettliA Arbrn skr Piltz« und ZtUttmhr
Grüne Fahrzeuge, blaue Scheinwerfer und das Martin-Horn
Nach der Unterstellung der Feuerwehren unter die Besehlsgewalt des Neichsführers ss und Chef der Deutschen Polizei und ihre ausdrückliche Erklärung zur Feuerlöschpolizei werden allmählich alle Fahrzeuge der Polizei und Feuerwehr einheitlich ausgerüstet und auch »ach außen hin kenntlich gemacht werden. DaS Not der Feuerwehrfahrzeuge ist schon zum größten Teil dem einheitlichen Grün gewichen. Außerdem werden alle Fahrzeuge mit dem bekannten Martin-Horn ausgerüstet, das Privatwagen nickt tülircn bürt>„ um Berweän- lungen zu vermeiden. Die Lampen vor den Polizeirevieren werden, wie auch die Feuer- melder, nicht mehr grün bzw. rot leuchten, son- dern einheitlich blau. Bei Dunkelheit werden Polizei, und Feuerlöschpolizei, wenn sie im Interesse der Allgemeinheit freie Fahrt brauchen. Plaue Scheinwerfer einschalten, um schon von weitem auf sich aufmerksam zu machen.
Freie Bahn für Polizei und Feuerwehr
Für die Fahrzeuge der Polizei und Feuer- wehr, die sich durch die oben geschilderten Zei- chen bemerkbar machen, ist nach ausdrücklicher Vorschrift schon bei ihrer Annäherung freie Bahn zu schassen. Alle Fahrzeugführer haben beim Bemerken dieser Zeichen ganz rechts heranzufahren und müsse» hgar — unter Frei- Haltung von Straßenkreuzungen und -einmun- düngen — vorübergehend halten. Aus die Beachtung dieser Bestimmung wird mit allein Nachdruck gesehen werden, damit der Einsatz von Polizei und Feuerwehr im Allgemeininteresse nicht ans erhebliche Schwierigkeiten zu stoßen braucht. Widerspenstige Fahrzengführer haben mit hohen Strafen, gegebenenfalls sogar mit Entziehung der Fahrerlaubnis zu rech»«!!!.
Sicher parkende Fahrzeuge
Nach dem 8 35 hat der Fahrzeugführer beim Verlassen des Fahrzeuges die nötigen Maßnah. inen zu treffen, um Unfälle und «Verkehrsstörungen zu vermeiden. Neu ist vor allem der 8 35, der dem Führer eines Kraftfahrzeuges vorschreibt, beim Verlassen des Fahrzeuges zur Verhinderung der unbefugten Benutzung die üblicherweise hierfür bestimmten Vorrichtungen am Fahrzeug in Wirksamkeit zu sehen. Der Fahrer darf z. B. nicht den Starterschlüssel stecken lassen und soll nach Möglichkeit das Fahrzeug so verschließen, daß es ohne Gewalt nicht geöffnet und benutzt werden kann.
Private Hinweiszeichen aus Grundstücks- ein- und -anssahrten für Verkehrsteil- nehmer auf der Straße sind unzulässig. Sie haben auch gar keinen Zweck, denn nach dem 8 17 der StVO, hat sich der Fahrzeugführer beim Fahren in ein Grundstück oder aus einem heraus :o zu verhalten, daß eine Gefährdung des Straßenverkehrs ausgeschlossen ist.
Fahrzeuge richtig beladen!
Im Interesse der Verkehrssicherheit wird in Zukunft streng darauf geachtet werden, daß die Ladung eines Fahrzeuges richtig verstaut ist, daß sie niemanden gefährdet oder schädigt oder mehr als vermeidbar behindert oder belästigt. Vor allem darf die Betriebssicherheit des Fahrzeuges durch die Ladung auf keinen Fall leiden. Das gilt auch bei Beförderung von Personen, förderen Unterbringung und für ihr Verhalten während der Fahrt.
Die Breite der Ladung darf nicht mehr als 2,50 Meter betragen: das seitliche Heraus, ragen von einzelnen Stangen und Pfählen von waagerecht liegenden Platten und anderen schlecht erkennbaren Gegenständen ist unzulässig. Nunmehr ist für die Kenntlichmachung nach hinten herausragender Ladungen bei Tage eine rote.
«nindegens 2 ü aut 20 Zentimeter große Flagge, bei Dunkelheit oder starkem Nebel mindestens eine rote Laterne zwingend vorgeschrieben. Damit diese Warnungen auch von den Nachfolgen- den Fahrzeugführern erkannt werden können, dür- fen die Laternen nicht höher als 125 Zentimeter über den, Erdboden angebracht werden.
Ab 1. April keine Wirtschaftswerbung mit Verkehrszeichen
Die von Jahr zu Jahr wachsende Geschwindigkeit der Fahrzeuge, besonders aus den Land- straßen, hat die Polizei veranlaßt, sämtliche Der- kehrszeichen so klar zu halten, daß sie schon von weitem erkennbar sind. Aus diesem Grunde wurde auch im Z 50 der StVO, verordnet, daß W i r t s ch a f t s w e r b u n g in Verbindung mit Verkehrszeichen bis zum 31. März zu beseitigen sind. Einrichtungen aller Art. die durch ihre Form, Farbe oder Größe, sowie Ort und Art der Anbringung zu Verwechslungen mit Verkehrszeichen und -einrichtungen Anlaß geben oder deren Wirkung beeinträchtigen können dürfen an öffentlichen Straßen nicht ange- bracht werden.
Mehr Verständnis für Kalkdüngung
In Württemberg hat im Vergleich der Monate August, September und Oktober 1936 mit 7784,4 Tonnen der Kalkabsatz bei Düngerkalk in den gleichen Monaten des Jahres 1937 mit 9677,46 Tonnen eine Steigerung erfahren. Der Vergleich dieses Vierteljahres weist demnach beim Kalkabsah eine Erhöhung von 24,32 v. H. auf. Diese Steigerung zeigt das wachsende Verständnis der württembergischen Landwirtschaft für die Kalkdüngung. Von der Landesbauernschott wird die Frage der Kalkdüngung durch umfang- reiche B v d e n u n t e r s u ch u n g en auf den Kalkgehalt der landwirtschaftlich benutzten Flächen gefördert. Es sind bis heute bereits ungefähr 150 009 Hektar auf den Kalk, und Säurezustand untersucht worden.
Ausgaben des Lebensmittel- Einzelhandels
Auf einer Tagung der Kreisfachgruppe Lebensmittel-Einzelhandel in Stuttgart sprach Dr. Heinig von der Reichsgeschäftsstelle der Wirt- fchaitsgruppe Einzelhandel über die Ausgaben des deutschen Einzelhandels. Er hob dabei hervor, daß in der nationalsozialistischen Wirtschaft, die eine geordnete, geregelte und gerechte Verteilung der Waren als unerläßlich betrachtet, der Einzelhändler eine wichtige Aufgabe habe. Schon in der Zusammenstellung des Lagers und damit des Angebots könne der Einzelhandels-Kaufmann nativ- nalwirts christliche Interessen wahr- nehmen (Devisenersparnisi. Auch aus dem Gebiet der Preisbildung sei der Einzelhandel eine wichtige Schaltstelle. In diesem Zusammenhang sprach Dr. Heinig über das Verbot der Koppln n g s v e r k ä u f e , das gleichfalls, wenn auch indirekt, eine Maßnahme der Preispolitik sei.
verschiedenes
Etwas für Briefmarkensammler
Das ist wohl eine einzigartige Möglichkeit für Briefmarkensammler. Man kann sich Briefmarken mit Schiffsabbildungen, nämlich die WHW.-Briefmarken, mit eineirr Post-Sonderstempel entwerten lassen, der eben falls eine Schiffsabbildung zeigt. Bestellungen des Erinnerungsblattes mit diesen Briefmarken marinsten des WKW. und der sleldvostkarten
der 1. Schwäbischen Postwertzeichen-Ausstellung vom 8. bis 16. Januar in Stuttgart erfolgen durch Einsendung des Gegenwertes auf das Postscheckkonto 45 588 Stuttgart — Josef Zink. Die Bestellung braucht nur auf dem Postscheck- abschnitt zu erfolgen.
Keine unangemessenen Gewinne auf Kosten des WHW.
Das Reichsgericht hat i« einem Urteil vom 22. Oktober 1937 festgestellt, daß die preisgünstige Belieferung des WHW. eine Selbstverständlichkeit ist. Daher kan», wie es in dem Urteil im einzelnen heißt, wegen Betruges bestraft werden, wer dem WHW. durch die Angabe, sehr billige Preise einzuräumen, eine besonders große Bestellung zu Preisen ablockt, die nur als Kleinverkaufspreise angemessen sein mögen, aber noch nicht einmal billig sind und bei einer Bewertung nach Großhandelsanschauungen den Wert der Ware erheblich übersteigen.
Tie Zahl der Ertrinkungsfälle sinkt
6000 deutsche Menschen sind früher alljährlich dem nassen Tod zum Opfer gefallen. In zäher und unermüdlicher Arbeit wurde der Ertrinkungstod durch die Deutsche LebenSrettungs- gesellschaft beschränkt. Der neue Reichs- schwimmschein ist ein weiterer Schritt zur Bekämpfung der tödlichen Unfälle im Wasser. In den Schulen ist das Rettungsschwimmen in den Lehrplan ausgenommen worden. Durch diese Maßnahmen ist die Zahl der Ertrinkung?- fälle erheblich gesunken: sie betrug 1935 nur noch 2914.
Mehr Sorgfalt mit Arbeitsbüchern!
In letzter Zeit ist anläßlich der von den Arbeitsämtern durchgeführten Kontrollen wiederholt festgestellt worden^ daß ganz besonders in den Haushaltungen die Arbeitsbücher für die Be- schüftigten nicht gesunden wurden. Mehrfach wurde das Arbeitsbuch überhaupt nicht vom Haushaltungsvorstand aufbewahrt, sondern befand sich noch im Besitz der Hausangestellten.
Es wird daher erneut darauf hingcwiesen, daß der Betriebsführer bzw. Haushaltungsvorstand bei Beginn der Beschäftigung das Arbeitsbuch vom Arbeiter oder Angestellten verlangen muß, sofort entsprechende Einträge über den Beginn der Tätigkeit vorzunehmen und das Arbeitsbuch während der Dauer der Beschäftigung so aufzubewahren hat, daß es jederzeit auffindbar und auf Verlangen des Beauftragten des Arbeitsamtes vorzulegen ist. Nichtbeachtung dieser Vorschriften zieht u. N. Bestrafung nach sich.
Was es aicht alles gibti
Wien will die Jede größere Stadt, die Tauben loswerden etwas aus sich hält, hat ihren Taubenplatz und ist damit ein „Klein - Venedig". Es scheint nach wie vor die Reisenden zu den ruckenden, nickenden Tierchen hinzuziehen, man füttert die Tauben ans der Tüte für einen Groschen, am gleichen Platz erhältlich, und läßt sich bei dieser sinnigen Tätigkeit gerne photographieren. wosür jederzeit ein Mann mit dem schwarzen Kasten vorhanden ist. Bei dieser schonenden Behandlung sind die Tauben in alten Städten rund und fett geworden, und waren sie ehemals zutraulich, so darf man sie jetzt füglich frech nennen. Nicht nur werden die Fremden von ihnen geradezu überfallen, sie bezeigen auch vor den ehrwürdigen Gebäuden und den stolzen Denkmälern, die diese Taubenplätze zu umgeben Pflegen, keinerlei Hochachtung, wie man auch ohne Brille oder Fernglas sehr wohl feststellen kann. Klar, daß die Stadtväter finden, der dadurch entstandene Schaden fei größer qls der
, .stutzen, oen me L-auven als Anziehungspunkt ! dem Stadtsäckel bringen. Wien befindet sich ^ augenblicklich in dieser heiklen Lage. Das heißt, man versucht schon geraume Zeit, die i Tauben von dem Platze vor der Hofburg ; und vom Michaelerplatz fortzubekommen, l Mit dem Abschießen war es nichts, weil der Tierschutzverein zu heftig dagegen protestiert«. Jetzt äußerte die Stadtverwaltung die Absicht, die Taubennester mit Zyangas auSzu- räuchern. Natürlich fand das der Tierschuhverein noch roher, und er bat wenigstens um eine Frist von zwei Wochen, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Zuerst bot er die bedrohten Tiere der Taubenstadt Venedig an. Aber Venedig hatte mit den eigenen Tauben so viel Aerger. daß es sich schönstens für Zuwachs bedankte. Sodann wurden die ungarischen Pfadfinder bemüht. Ob sie nichk tausend Wiener Tauben übernehmen und in Budapest aussetzen könnten? Auch die Pfadfinder wußten nichts Rechtes mit den Vögeln anzusangen. Schließlich fragte man beim Bndapester „Verein für Taubenschießen" an. ob er keine Verwendung für die Tauben habe. Leider waren die Wiener Stadttauben iür die Zwecke des Vereins viel zu fett und phlegmatisch, und so wurde auch aus diesem Gedanken nichts. Jetzt ist die Sache wieder an den Wiener Magistrat zurückgegangen, der nun jeden Tag mit dem Ausräuchern beginnen kann.
Schiheil im An sich sind die Pariser wohl sechsten Stock! nicht sehr sportlich erzogen.
Kaum war aber der Schisport Modesache geworden, da stürzte sich alles aus die Bretter und begann mit den ersten Uebungen. Um es den Begeisterten nun ganz bequem zu machen, hat ein großes Geschäftshaus in Paris auf dem Dachgarten, über dem sechsten Stock, eine geräumige Winterlandschaft ausgebaut. Auf großen Zeltbahnen liegt künstlicher Schnee aus un- rerschwefelsaurem Natron und bildet eine wundervolle Abfahrtsstrecke. Von morgens bis abends stellen sich Schilehrer zur Ver- iügrmg. um den Pariser Schihasen die rechte Haltung und den richtigen Schwung beizu- oringen. Und damit die Schifahrer auch wirklich denken, sie seien in den französischen Alpen, hat das Geschäftshaus rund um den „Wintersportplatz" breite Leinwandflächen ausgestellt, auf denen verschneite savoyar- dische Dörfer arfgemalt sind.
Tätowierungen Der „Mann mit den meisten zur Auswahl Tätowierungen", Mr. W.
I. Bennell. starb in London. Er besaß ein Atelier für Tätowierun- ! gen, die er seinen Kunden am eigenen Leibe zur Auswahl vorlegte.
Heitere»
Pensionswirtin: „Wirklich Herr Schmidt, ich glaube, Sie sind der geborene Nörgler!"
Pensionsgast: „Ich? Wieso denn?"
Pensionswirtin: „Vor Ihnen haben heute schon zwölf Leute das Handtuch im Badezimmer benutzt — und nicht einer hat sich beschwert!"
In der Instruktionsstunde sagte der Feldwebel: „Warum ist es von größter Wichtigkeit, daß selbst bei einem plötzlichen lleberfall der Soldat nicht den Kopf verliert?"
Rekrut: „Weil er sonst keinen Platz hat, wo er sich den Stahlhelm draufsetzen kann!"
Oopxrikdt b, Karl Köhler L To.. Berlin-Zehlendorf.
23 (Nachdruck verboten.)
Bei Tisch sprach der alte Herr nicht viel, doch man sah. wie er den Erzählungen des Sohnes lauschte. Denn hin und wieder, wenn Wolfgang der Uebermut packte, und er die ganze Tafelrunde ins Lachen brachte, saß er nicht ernst und finster da wie sonst, sondern auch über seine Züge lies ein Lächeln.
Doch diese bessere Stimmung des Vaters verhinderte es, daß Wolfgang, wie er sich vorgenommen, eine Aussprache erzwang. Er mochte keinen Mißton in den fröhlichen Abend bringen, so verschob er es auf den nächsten Tag. Am folgenden Tag aber klagte der Vater über stärkere Schmerzen, die sich auch am nächsten Tage wiederholten. Das schloß dem Sohne den Mund.
Am Tag darauf kam unerwarteter Besuch, zwei Wagen voll jungen Volks, es ging lustig und lebhaft zu, der Sohn des Hauses wurde in den frohen Kreis gezogen. Da der Vater auch Gesellschaft hatte, so ging Woligang auf alle Pläne ein und war unter den Frohen einer der unterhaltendsten. Am Spätnachmittag kam Gewitter und Regen und vertrieb die Jugend aus dem Garten, das Alter von der Terrasse. Alles versammelte sich in der Halle.
Tanzen, — hieß es, tanzen!
„Aber. Herr Gärtner", sagte ein kleines lustiges Mädel und stellte sich vor dem alten Herrn auf, „haben Sie denn gar nichts und gar niemand in Ihrem Hause, was Musik machen kann? Das ist ja jammervoll!"
Der Hausherr betrachtete das geknickte Iungfräulein amüsiert und antwortete:
„Da wenden Sie sich an meinen Sohn, mein Fräulein, vielleicht weiß der Rat, sonst pfeift er Ihnen etwas."
Wolfgang, der in der Nähe stand, hörte die Worte „wenden Sie sich an meinen Sohn. — meinen Sohn!" Wie ein warmer Schreck durchrieselte es ihn. Er sprang davon und kam mit der Harmonika eines Knechtes wieder. Der Abend endete sehr vergnügt, doch die Aussprache mit dem Vater wurde wieder auf den nächsten Tag verschoben.
Am folgenden Morgen brachte der Schweizer eine böse Nachricht. Die Maul- und Klauenseuche halte auch auf Osterrade ihren Einzug gehalten. Der alte Herr schleppte sich am Arm des Sohnes selbst zu den erkrankten Tieren, er gab leine Befehle alle seine Gedanken weilten bei dieser Sorge. Wolfgang fühlte. Daß der Vater für nichts anderes Sinn habe.
Mittags bat Strahlendorf den Schwager, mit ihm zur Pferdekoppel zu gehen, er wollte eine Neuerung einsühren und bat um seinen Rat. Bereitwillig folgte ihm Wolfgang, sich selbst das Wort gebend, den Abend zu benutzen, um zum Ziele zu gelangen. Nicht länger durfte er den Vater in seinem unglücklichen Glauben lassen.
Als sie durch den Garten zurückkamen, schallten ihnen von der Terrasse Stimmen entgegen. Schon wollten die jungen Männer den Weg ums Haus nehmen, da erkannte Wolfgang Exzellenz von Müllers Stimme. So gingen sie doch mit raschen Schritten auf die Terrasse zu. Bei dem Vater saßen zwei Herren. Wolfgang hatte recht gehört, der eine war die Exzellenz und der zweite —
„Donnerwetter!" sagte Wolfgang leise und packte den Arm des Schwagers.
Der Herr auf der Terrasse hatte den Kopf beim Klang der Schritte nach dem Garten gewandt. Plötzlich sprang er auf. stand zweifelnd einen Augenblick und trat dann, ihm beide Hände entgegenstreckend. auf Wolsgang zu. der rasch die Stufen hinausgesprungen war.
„Was sehe ich! — ist es möglich, — hier finde ich Sie, junger Meister!" Er schüttelte Wolfgangs Hände und wollte sie nicht wieder freigeben.
„Halb Deutschland habe ich vergeblich nach Ihnen durchforscht, und hier muß ich Sie finden! — Das ist so recht ein Streich von dir, alter Freund", wandte er sich lebhaft an den General. — „du neckst die Leute so gern wie in deiner Leutnantszeit. Darum also die Einladung zu dir. Aber freundschaftlich war das nicht, mich so lange vergeblich suchen zu lassen."
„Erlaube, Freund, ich verstehe kein Wort!" sagte die alte Exzellenz kopfschüttelnd. Zugleich sprach Wolfgang:
„Sie dürfen Seiner Exzellenz keinen Vorwurf machen. Herr Intendant, er wußte selbst nicht, wer sich hier verbarg, wie auch mein Vater nichts ahnt!" Ein banger Blick streifte den Vater.
„Aber das ist — das ist ja fabelhaft!" stammelte der Intendant", und Sie sind der Sohn dieses Hauses, und Ihr Name —"
„Den Sie kennen" — siel ihm Wolfgang in die Rede, „ist mein Schriftstellername. Hier bin ich Wolfgang Gärtner."
„Nun erlaube aber einmal!" brach der alle General los. dem die Sache zu bunt wurde, „wer bist du denn eigentlich, Wolf?"
„Aber das ist doch der Dichter, den ich suchte. Der junge Goethe, wie du jagtest", rief der Intendant rasch.
„Und ein guter Bekannter. Exzellenz!" lächelte Wolf. „Ich habe mit Vergnügen meine Bücher bei Ihnen gefunden. Ihre Frau Schwester ahnte so wenig wie Marie, als sie über das Ge- ichick des kleinen Manuela lachten und weinten, daß der Verfasser ihnen io nahe war. Das Buch hat mein Glück begründet und mich bekannlgemacht. — Jetzt habe ich mich dem Theater, meiner alten Liebe, zugewandl. Exzellenz hat in Wien selbst
meine letzte Tat angesehen und gnädig kritisiert!" Er hatte rasch und wie nur für den General gesprochen. In das Gesicht des Vaters zu sehen, wagte er nicht.
Dem alten General passierte etwas, was ihm kaum je im Leben begegnet war. — er war vollständig verdutzt.
„Junge. Junge!" war alles, was er hervorbrachte.
Wolfgang wandte sich an den Intendanten.
„Herr Baron haben mich gesucht und wünschen mich zu sprechen?"
„Allerdings, allerdings!" bestätigte der lebhafte Herr. — „ich habe Ihnen einige Vorschläge zu machen —", das hörten die Zurückblei'benden noch, dann verklangen die Schritte im Hause.
Auf der Terrasse blieb alles still. Der General pfiff leise vor sich hin, — endlich fragte er:
„Na, Alter?"
Der Hausherr kam langsam mit seinen Gedanken zum Freunde zurück, schwer sagte er:
„Das ändert gar nichts. — ob er als gemachter Mann oder als Halunke zurückkommt. — das ändert gar nichts!"
„Aber Vater!" warf Strahlendorf ein.
„Wischt es die Jahre aus, — gibt es uns die Mutter zurück?" entgegnete der Alte scharf. Der General pfifs wieder, und Strahlendors schwieg. Es dauerte eine Weile, bis die Stimmen der zurückkehrenden beiden Herren diese Stille unterbrachen. Des Intendanten Helles, etwas krähendes Organ sagte laut und lebhaft: „Ueberlegen Sie es sich, mein Lieber, aber nicht zu lange. Zum zweiten Male wird Ihnen eine solche Stellung schwerlich geboten."
„Gewiß!" schob Wolfgang rasch ein, als der Eifrige eine kleine Pause machte, um Atem zu schöpfen. „Ich erkenne Ihre freundliche Gesinung und bin Ihnen dankbar, doch überlegt will die Angelegenheit sein."
Der General hatte sich erhoben und trat den Kommenden mit der Uhr in der Hand entgegen.
„Wir müssen fort, Freund, willst du den Zug noch erreichen." Sie verabschiedeten sich von dem Patienten. Strahlendorf und Wolf begleiteten die Herren zu ihrem Wagen. Ernst August ging mit dem Intendanten voran, der ihm noch eifrig und lebhaft das Lob des Schwagers sang und in aller Kürze von dessen enormem Erfolge sprach, und wie das Publikum gejubelt habe vor Entzücken. Die alte Exzellenz und Wolfgang folgten still. In der Halle blieb der General stehen, wandte sich kurz um und musterte den Begleiter scharf.
„Zum Ruhm meinen Glückwunsch", sagte er kurz, „doch ich erhielt da gestern einen Brief von meinem Schwiegersohn, der mir nicht gefiel!"
(Fortsetzung folgt.)