Seite 4 — Nr. 183
Nagokder Tagblatt »Der Gesellschafter
Dienstag, den S. August Igzz
Menschen von den reißenden Fluten erfaßt
Der Resenbach trat über die User
Schwere Hochwasserschäden in Berg Stuttgart, 8. Aug. Stuttgart wurde gestern von einer schweren Unwetterkatastrophe heimgesucht. Der wolkenbruchartige Regen, der zwischen 21.30 und 22 Uhr innerhalb der Stadt und der näheren Umgebung niederging, verstopft« die Dolen, verwandelte Straßen in Seen und unterbrach an mehreren Stellen der Stadt den Fußgänger- und Fährverkehr vollständig. Besonders schwer hausten die Wasser im Stadtteil Berg. Dort, an der Stelle, wo der Nesenbach in die Unterführung läuft, in der Gegend um den Schwanenplatz, wuchs sich das Unwetter zur Katastrophe aus. Der Nesenbach- tunnel, obwohl erst erweitert und ausgebaut, konnte die ihm von überallher zusließenden Wassermengen nicht mehr fassee. Der sonst kaum bemerkenswerte Kanal wuchs in wenigen Minuten zum reißenden Strom an, drückte die am Eingang auf der rechten Seite aufgebaute Führungsmauer ein und ergoß sich mit fast unvorstellbarer Gewalt über den Schwanenplatz und weiter in die tiefer gelegenen Straßen. Hauptsächlich wurden dabei die Poststraße und die in allernächster Nähe' liegenden Häuser in schwere Mitleidenschaft gezogen. .
« Die Gewalt der Wasser war so stark, daß die dort über dem Neienbachtunnel führende Schutz- immer, die aus Quadersteinen von mindestens einem Meter Länge und dreißig Zentinieter Ticke bestand, von dem Wasser abgetragen und zwanzig bis dreißig Meter weit mitgerissen wurde. Ein Mann, der gerade auz der Notdurstsanstalt am Schwanenplatz trat, wurde von den Fluten.erfaßt und die ganze Poststraße entlang initge- sckpvemmt. Trotz verzweifelter Anstrengungen gelang es ihm erst nast rund zweihundert Meter an dem Verkehrszeichen gegenüber dem Eingang zum Bad Lenze wieder festen Fuß zu fassen. Zwei andere Männer, die auf die Straßenbahn warteten, wurden ebenfalls erfaßt -und mitgerissen. Einer davon, es war ein Italiener, wurde von Handwerkskammerpräsident DemPel in den Eingang der Wirtschaft zum „Hirsch" hineingezogen.
Auch die Gegend um den Leonhardsplatz wurde von dem starken Regenguß in schwere Mitleidenschaft gezogen. Tie Abflußdolen konnten die riesigen Wassermengen nicht fassen, so daß die Fluten kniehoch über die Straße dahinschossen. Das Wasser drang in die Keller ein und richtete dort großen Schaden an. In der Holz- und Rosenstraße versuchten die Bewohner den mit elementarer Gewalt hereinbrechenden Wassern mit Eimern und anderen Tchöpfgegenständen Herr zu werden.
Als wir kurz nach dem Nachlassen des Wolkenbruchs im Wagen nach Berg fuhren, stand die Ludwigsburger Straße zwischen Bahnhofsanlage und dem unteren Lchloßpark noch 30 Zentimeter unter Wasser. Ter Schwanenplatz war bedeckt mit Trümmern von herausgerissenen Steinen, Straucheln, Bäumen und anderen Gegenständen. In den Häusern eilten Menschen, notdürftig bekleidet, zum Teil hatten sie nur Badehosen an, in den unteren Räumen hin und her, um zu retten, was noch irgendwie zu retten war. Sehr übel sah es in dem Haus Poststraße 14 aus. Nicht nur die Keller waren vollständig mit Wasser überfüllt, sondern auch im Erdgeschoß selbst war das Hochwasser eingedrungen. In der dortigen Sattlerei konnte sich ein Sattlergehilfe, der bereits schlief, nur noch dadurch retten, daß er die Fensterscheibe einschlug und an der Dachrinne entlang flüchtete. Hierbei trug er schwere Schnittwunden am Arm davon. Tie Möbel der Sattlerei, Maschinen, Kisten, Betten. Matratzen waren zu einem unbeschreiblichen Chaos öurcheinaiiöergewirbelt. In einer gleich danebenliegeudcn Kineret vernichtete das Hochwasser den gesamten Weiubestand im Werte von rund 50 000 RM.
Zuchthaus für fatsche Anschuldigung
Andern unschuldig ins Gefängnis gebracht Stuttgart, 8. August. Wegen eines Verbrechens der erschwerten Freiheitsberaubung und wegen wissentlich falscher Anschuldigung wurde die 38 Jahre alte geschiedene, in Lud- wigSbnrg-Hoheneck wohnhafte Marie E d e l- m a n n von der Großen Strafkammer zu Hwei Jahren Zuchthaus und drei ! Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Angeklagte hatte einige Jahre lang ein Liebesverhältnis mit einem Landwirt in Hoheneck unterhalten. Als dieser sich von ihr trennte und ihre Schwester heiratete, faßte sie, von Haß und Eifersucht getrieben, den Entschluß, sich an dem Ungetreuen zu rächen. Ihre heute 17jährige Tochter Klara, die im Sommer 1935. also als 14jährige, Verkehr mit dem Bruder des Landwirts gehabt halte, stiftete sie an, ihren Schwager und früheren Geliebten der Verführung zu bezichtigen. Ter Landwirt wurde denn auch auf Grund der übereinstimmenden Aussagen von Mutter und Tochter von der Jugendschutzkammer wegen Verführung zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Nachdem er schon 2 Monate seiner unschuldig erlittenen Strafe verbüßt hatte, gelang es einem von seiner Familie mit weiteren Ermittlungen Beauftragten früheren Kriminalbeamten, den Schwindel aufzudecken und das Mädchen zu einem umfassenden Geständnis zu bewegen. Tie Edelmann leugnete rundweg jede Beeinflussung ihrer Tochter und bezichtigte diese der Verlogenheit. Die Zeugenaussagen lauteten fast durchweg sehr ungünstig für die Angeklagte, während die Tochter viel besser abschnitt. In der Urteilsbegründung wurde der Fall als außerordentlich schwer bezeichnet. Die Angeklagte habe ihr eigenes Kind in den schwersten Seelenkonflikt gebracht, zwei Menschen unglücklich gemacht und die Behörden an der Nase herumgeführt und das alles nur, um ihr Nachebedürsnis zu befriedigen.
Skand -ec Maul- und Klauenseuche
Die Maul- und Klauenseuche ist aus ge krochen in den Gemeinden Walheim, Kreis Besigheim; Matzenbach, Kreis Crailsheim; Herbertshosen und Kirchen, Kreis Ehingen; Süßen, Kreis Geislingen; Sachsenhausen, Kreis Heidenheim; Großschashausen, Kreis Laupheim; Pliezhausen, Kreis Tübingen; Iptingen, Kreis Vaihingen. Die Seuche ist erloschen in den Gemeinden Obermarchtal, Kreis Ehingen; Reichenbach. Kreis Göppingen.
GroWim in SbereWiMn
Eßlingen, 8. Aug. Gegen 21.15 Uhr schlug der ölitz in den Hauptlagerplatz der Baufirma Wolfer und Göbel in Obereßlingen ein. Lus dem Lagerplatz, der hauptsächlich mit Holz. Feldlokomotiven, Treibstoffen und Baumaterial mgesüllt war, fand das Feuer reiche Nahrung. Die durch einen Sanitätsmann herbeigeruscne Feuerwehr konnte sich nur mühsam gegen das entfesselte Element durchsetzen. Sie mußte sich gleich von Anfang an darauf beschränken. daS Feuer auf seinen Herd einzudümmen.
Das Löschwasser wurde von den beiden erichie- neuen Lösckzügen aus dem in allernächster Nähe oorübersließenden Neckar entnommen. Gegen zwölf Uhr war der weithin sichtbare Brand soweit eingedämmt, daß oer Löschzug 2 der Eßlin- ger Feuerwehr wieder cinrücken konnte. Die noch verbliebenen Mannschaften mußten immer wieder mit noch einzelnen aufflammenden Brandnestern kämpfen. Schätzungsweise dürste der Schaden 80 000 bis 100 000 RM. betragen.
Kugo Llkeim 70 Zähre alt
Fricdrichshafen, 8. August. Am Mittwoch. 10. August, kann der ui der ganzen fliegerischen Welt bekannte Luftschisspiouier Dr. Hugo Eckenerdie Feier seines 70. Geburtstags begehen. Geboren in der alten Ostseestadt Flensburg, war er nach einem Studium der Philosophie. Geschichte und. Volkswirtschaft Dozent an der Hamburger Hochschule, als er mit dem Schöpfer des starren und lenkbaren Luftschiffs, dem Grafen Ferdinand bon Zeppelin zufälligerweise in Berührung kam. Nach der Echterdinger Zeppelin- Katastrophe vom 5. August 1908 folgte Dr. Eckener einem Ruf des Grafen und trat in das Friedrichshafener Zeppelinunternehmen ein, um zunächst das Gebiet der Navigation zu übernehmen. Im Jahre 1909 wurde der Jubilar Direktor und Fahrtenleiter der Deutschen Luftfahrt-AG. (Telag).
Seine navigatorischen Kenntnisse kamen ihm namentlich während des Weltkriegs bei der Ausbildung von Luftschifführern zustatten, die ihm als Instrukteur an der Marinelustschifferschule in Norddeich übertragen wurde. Nach dem Kriege war es hauptsächlich seiner Beharrlichkeit zu verdanken, daß der Gedanke an das Werk des Grafen Zeppelin nicht unterging. Der Jubilar hat zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen aus dem J»° und Auslande erfahren, und seine Verdienste auf dem Gebiete der Luftfahrt sind überall anerkannt worden.
Schlaraffenland der Eierkuchen
Tonzdorf, Kreis Geislingen, 8. August. In Tonzdorf duftete es an einem der letzten Tage in vielen Küchen verlockend nach Eierkuchen. Und das kam so: Auf der rechten Seite der Fahrstraße war ein leerer Leiterwagen ausgestellt worden. Ein mit Eierkisten beladene^ auswärtiger Kraftwagen streifte diesen Leiterwagen, was zur Folge hatte, daß drei Eierkisten auf die Straße sielen und deren zerbrechlicher Inhalt in Trümmer ging. Für die Frauen der Nachbarschaft war schnell der Speisezettel gemacht und bald drang aus vielen Fenstern der liebliche Eierkuchcnduft.
Tettnang, 8. August. (Zuhause aufbewahrtes Geld gestohlen.) Als am letzten Freitagnachmittag eine Bauernfamilie aus Fünfehrlcn auf dem Felde arbeitete, schlich sich bei ihr daheim ein Dieb durch eine offene Tür in das Haus und durchwühlte alle Schränke des Schlafzimmers. In den Kleidern fand er eine Brieftasche und Geldbeutel mit rund 350ReichsmarkBar- geld. Auch Bettwäsche hieß der Täter, dem man bisher noch nicht auf die Spur gekommen ist, mitgehen. Bei Gelegenheit der Ermittlung wurde in einem Wandschrank des Schlafzimmers hinter einem Bilde versteckt ein Bargeldbetrag von rund 5 000 Reichsmark aufgefunden. Ter Diebstahl dürfte für den Betroffenen eine Lehre sein, das ganze Bargeld nicht zuhause aufzubewahren.
-.lagstadt, 8. August. (Nach dem Ball tödlich verunglückt.) Zwei junge Burschen, die von einem Ball in ihrem Heimatort Magstadt mit dem Motorrad nach Stuttgart wollten, fuhren in der-Nahe vom Bahnhof Magstadt auf einen Lastkraftwagen auf. Der Motorradfahrer war sofort t v t, während der Beifahrer 1 chwerverletz > ins Krankenhaus gebracht werden mußte?
Fcüwäbiscüe O/rronik
Auf der Straße Gerlingen — Weil in, Dorf überfuhr ein Gerlinger Motorradfahrer ein achtjähriges Mädchen. Das Kind ist unmittel- ! bar daraus seinen schweren Verletzungen erlegen. !
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Im Eßlinger Schwimmbecken des Neckar- ^ bades versank ein junger Mann plötzlich. Trotz, dem es dem Bademeister gelang, den Mann sofort zu bergen, waren Wiederbelebungsversuche erfolg, los. Man nimmt an, daß er einem Herzschlag er- legen ist.
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In Iggingen, Kreis Gmünd, wurde der 32 Jahre alte Bauer Otto Maier durch einen Hus- fchlag gegen den Unterleib getötet.
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In Lauffcn a. N. geriet ein 14jähriges, dek Schwimmens unkundiges Mädchen beim Baden im Neckar an eine tiefe Stelle und drohte zu versinken. Durch die entschlossene Tat des Lauffeuer Einwohners Karl-Heinz Schweinle wurde das ^ Mädchen dem sicheren Tode entrissen.
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Ein bei einem Bauern in Einsingen, Kreis Ulm, beschäftigter ausländischer Landarbeiter erstach sich in einem Anfall von Schwermut. Der Tote hinterlüßt eine Frau und vier Kinder.
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In Oellingen, Kreis Ulm, erhängte sich ein 18 Jahre alter Bursche aus Liebeskummer.
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Am Nägele-Hans auf dem Naichberg bei Onst. mettingen wird am 13. August für den verstorbenen Ehrenvorsitzenden des Schwäbischen Alb- Vereins, Professor Dr. Nägele, eine Gedenktafel enthüllt werden.
In Sulz schlug bet einem schweren Gewitter der Blitz in die Kirche, in der gerade eine Trauung stattfand. Glücklicherweise richtete der Blitz außer einigen zertrümmerten Ziegeln keinen Schaden an.
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In Biber ach, Kreis Hcilbronn, wurde eine Scheune durch Blitzschlag zerstört. Das Gebäude brannte völlig nieder.
Gestorben: Friederike Haug geb. Müller, Calw/ Friedrich Koch, Säger, 65 I., Erüntal.
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Wetterbericht des Reichswettcrdienstes Ausgabeort Stuttgart Nnsgegebcn am 8. August, 21,30 Utzr Im Bereich der flachen, über Südwesteuropa bestehenden Trnckverteilung kommt es beim Durchzug einzelner flacher Störungen immer wieder zu gewittrigen Negenfäl- len. Eine wesentliche Aenderung dieses Wit- ternngscharakters ist vorerst nicht zu erwarten, da die Zufuhr feuchter Lust ans Westen anhält.
Voraussichtliche Witterung für Dienstag: Fortdauer des nicht beständigen wechselhas- ) tcn Wetters, beim Durchzug einzelner Stör rungen gewittrige Rcgensälle. Dazwischen vorübergehende Aufheiterung. Temperaturen wenig verändert. Immer noch zeitweise schwül.
Voraussichtliche Witterung für Mittwoch: Fortdauer des unbeständigen, aber nicht wesentlich kühleren Wetters.
Drizck und Verlag des Gesellschafters:
E. W. Zaiser, Inh. Karl Zaiser. Nagelt Verantwortlich für den gesamten Inhalt Hans Kurth, Nagold.
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