«eite 6 — Nr. 235
Angelder TnnINatt „Der GeicUschatter-
Tumstag Len :tt. Oktober
Zwei Freisprüche im Berliner Bammglükksprozeß
Berlin, 29. Oktober.
In dein Strafverfahren wegen des Em- sturzunglücks beini Bau der Berliner Nord- Süd-S-Bahn in der Hermann-Göring- Straße, durch das am 20. August 1935 19 Arbeiter den Tod fanden, verkündete die 11. Große «Ltrafkammer des Berliner Landge- richts am Donnerstag folgendes Urteil: Der 50jährige Streckendezernent, Reichsbahnoberrat Kurt Kellberg und der 42 Jahre alte Reichsbahnbauwart Wilhelm Schmitt wurden f r e i g e s P r o ch e n. Wegen fahrlässiger Tötung in erschwerendem Sinne wurden verurteilt: der 35jährige Reichsbahnrat Wilhelm Weyher zu 3 Jahren Gefänanis. der 54jährige Diplomingenieur Hugo Hoffmann, Geschäftsführer der Berlinischen Baugesellschaft zu 2 Jahren 3 Monaten Gefängnis, und der 42- jährige Diplomingenieur Fritz Noth, örtlicher Bauleiter der Berlinischen Ballgesellschaft, zu 1 Jahr 7 Monaten Gefängnis. Die Untersuchungshaft wurde den Verurteilten voll eingerechnet. Tie Haftbefehle gegen Weyher. Hofsmann und Noth wurden aufrecht erhalten.
Die Angeklagten Weyher und Schmitt haben nach der Ueberzeugung des Gerichte* nach dem Einstnrzimcstück bewußt falf ch e Angaben über die Aushubtiefe gemacht und dadurch die Bergungsarbeiten erschwert. Tie Angeklagten Noth und Schmitt haben im wesentlichen zugegeben, den Zustand der Baugrube gekannt zn haben. Hvffmann hat seine Aufgaben als Verantwortlicher Oberleitcr des Baues pilicht- widrig verletzt. Tem Angeklagten Kellberg könne nicht widerlegt werden, daß er von Weyher über den wahren Zustand der Baugrube getäuscht worden ist. Das Gericht ist der Ueberzeugung, daß er die Baugrube stillgelegt hätte, wenn er über die wahren Verhältnisse und die zu große Ausichacht- tiefe unterrichtet gewesen wäre. Kellberg war mangels Beweisen freizusprechen. Tie Frage der Voraussehbarkeit des Unglückes hat das Gericht bei allen Angeklagten bejaht. Zum Strafmaß betonte der Vorsitzende, daß die Schwere der Tat im Hinblick auf die Bedeutung und die Verantwortlichkeit der Stellung der Anae'chgllm eine besonders harte Sühne verlangte.
Idle ^ukgske ttr l-sminers' im Vierjnliresplün
Verschiedene falsche Pressemeldungen veranlassen zur Feststellung: Ter bisherige Beauftragte des Führers für Wirtschaftssragcn, Wilhelm K e P P l e r. ist in der Durchführung des zweiten Vierjahresplanes des Führers Generalsachverständiger für Roh- und Werkstoffe. Staatssekretär Dr. Lammers gehört nicht dem beim Ministerpräsidenten Göring gebildeten Mitarbeiterstab, sondern dem zn seiner Beratung berufenen Klein:': Ministerrat an und hat in diesem als Staatssekretär des Führers und zugleich der Neichsregierung die Verbindung zun: Führer und zur Reichsregierung zu halten.
Neieiislirießsgerieiit feierlich eröffnet
Neichskriegsminister Gcneralfeldmarschall von Blomberg hat das am 1. Oktober d. I. neu zusammengetretene Neichskriegsgericht feierlich eröffnet und den Präsidenten des Neichskriegsgerichtes, Generalleutn. Heitz. sowie dessen Stellvertreter. Generalleutnant von Küchler, vereidigt.
lteutsclie f rnntküinpker de! König köusrö VIII.
König Eduard VIII. von England hat den zur Zeit in England weilenden Präsidenten der Vereinigten deutschen Fronr- kämpfervevbände. den Herzog von Koburg. und einige Mitglieder der deutschen Abordnung empfangen.
äntikoininunistengesetre In öer 8eir«e!r
Das schweizerische Justiz- und Polizei- Separtement bereitet gesetzgeberische Maßnahmen zur schärferen Erfassung kommunistischer Umtriebe in der Schweiz vor, nachdem kürzlich in Zürich 20 ausländische kommu
nistische Agenten verhaftet wurden, die mir falschen Pässen in die Schweiz gekommen waren. Hauptagent der Komintern in der Schweiz ist ein ehemaliger deutscher Kommunist. Bei einem anderen Emigranten wurde ein Schwarzsender entdeckt.
Hoher Orüea kür Lotselirikler von Hassel!
Der italienische Außenminister Graf Ciano hat dem deutschen Botschafter von Hassel! das ihm vom König verliehene Großkreuz des Mauritius- und Lazarus-Ordens als Zeichen der Anerkennung für die den deutsch-italienischen Beziehungen geleisteten Dienste überreicht.
Orolwi-iiaiinien foröerl 6cnug«„nng
Für den englisch-japanischen Zwischenfall bei dem nach englischer Darstellung in Kilunq engftsche Matrosen grundlos mißhandelt worden sind, verlangt England von der japanische,, Regierung eine angemessene Wiedergutmachung, doch scheint Japan vorläufig noch auf dem Standpunkt zn stehen, daß eine derartige Forderung unberechtigt sei.
keine Abwertung in Oesirxeiel,
Auf einer Tagung des Oesterreichischen Gewerbebundes in Wien erklärte Handels- minister Stockin ger, daß die Regierung unter keinen Umständen daran denke, eine Ab, Wertung des Schilling in Erwägung zu ziehen.
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Die Vereidigung der neuen Rekrute
Auf dem König! chen Platz in München fand durch General der Ai tille.ie von R üb oau d>. Vereidigung re Rekruten statt. (W tww. M.)
»0 2ahre Kampf um Berlin ..... MLcOZ
Vor 10 Jahren betraute der Führer Dr Goebbels mit der Kampileitung -n der Reichshaupistadt. Nicht leicht war der Weg, wie wir hier an diesem Bild aus dem Jahre >932 sehen. Die Beamten von Herrn Isidor Weiß beschlagnahmen in der Berliner Gaugeschäflsstelte Ak-en-naterial.
(Nranb Werkstätten. M.)
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Das Feuerschiff „Elve t" untergegaugen
Jedem Seemann und jedem Binnenländer, der das Meer zu freudiger Feriensahrt aussuchte, war sein brennendroter Ruinpf bekannt. Seine tö Mann starke Besatzung fand in treuer Pflicht- ersüllung den Seemannstod. (Tiedemann, M.)
Die Elbmündung
Das Kreuz bezeichnet den Lieocpkatz des untergegangenen Feuerschiffes. (Graph. Werkstätten, Ml
llrheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, München 9. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
Eine Todesangst befiel sie plötzlich. Sie erhob sich und rief durch das Schiebefensterchen, das sie vergeblich zu öffnen suchte, den Fahrer an.
Er hörte nicht, wollte vermutlich nicht hören! Entsetzlich! Wenn dieser Mensch sie entführte! Wenn er mit Räubern im Bunde stand? Erinnerungen an alte Räuber- und Ent- sührungsgeschichten stiegen in ihrem Gedächtnis aus. Und sie, sie war ein hilfloses Mädchen!... Wenn er sie umbringen würde?
Der kalte Schweiß trat auf ihre kleine, schmale Stirne. — Endlich erwischte sie den Schieber, vermochte sie das Fenster zu öffnen.
„He! He!" Ihre Stimme bebte vor Angst. Sie stieß dem Manne mit. dem Finger in den Rücken. „Heideburg?" Und da er erstaunt umsah, nur immer wieder: „Heideburg? ... Heideburg?"
Der Mensch grinste, höhnisch, wie ihr schien. Nickte mit dem Kopfe. Er sah ihre Angst und nickte lachend noch zweimal. Schlug einfach das Fensterchen wieder zu.
Kein Zweifel, er kümmerte sich keinen Deut um ihre Bitten, ihre Angst! Er führte sie fort, weit fort, in die finsterste Nacht hinein, unter Räuber und Mörder! — Sie, Marit, war verloren! Niemals würde sie ihre Eltern, ihre Schwestern Wiedersehen!
Das Herz stockte Marit. Mit weit aufgerissenen Augen und ängstlich geöffnetem Munde beugte sie sich zum Fenster. Sie war einer Ohnmacht nahe.
Der Führer hatte längst Licht gemacht und die Scheinwerfer erhellten weithin die breite, glatte Straße, die ganz menschenleer schien.
Marit kam es vor, als fahre der Wagen mit unheimlicher Geschwindigkeit dahin.
Da tauchte ein Haus, ein einsamer Hof, in der Nacht auf. Ein hohes Gebäude. Einige große Fenster waren erleuchtet, daneben glühten kleine Stallfenster rötlich auf.
Der Bursche am Steuer fluchte, bremste hart und scharf. Ein Hindernis mußte in den Weg gekommen sein.
Jetzt hielt der Wagen still und ein lautes erregtes Zwiegespräch harter Stimmen drang an Marits Ohr.
Eine Fügung des Himmels, dachte Marit. Dann öffnete sie vorsichtig und leise, ganz leise, die Wagentüre. Im nächsten Augenblicke stand sie, während der Wagen sich soeben wieder knatternd in Gang setzte, ans der Straße, in der frischen, freien Luft, in tiefste Dunkelheit gehüllt.
„Gott sei Lob und Dank, ich bin gerettet", sagte die kleine Marit.
5.
Guro, die Aelteste, landet in einem Gasthof.
Während also Marit im festen Glauben war, durch himmlische Fügung aus Mörderhänden gerettet worden zu fern, erging es dafür Fräulein Guro, der Aeltesten, um so übler.
Die Lage war für sie ganz verzweifelt.
Der Umstand, daß sie hei dem Suchen nach Herrn Peter Bardon ans dem kleinen Bahnhof Mettenhof so überaus schnell und anscheinend geistesgegenwärtig zu der Türe hineinging, Papa aus der Gaststube herauszuholen, vereitelte das Zusammentreffen.
Diese Türe war ihr Verhängnis.
Die Türe führte nämlich leider gar nicht in die Gaststube, sondern sie war eine höchst ungeschickte und irreführende Türe, die kaum zwei Schritte vor der richtigen, heilbringenden Pforte in irgendein zweifelhaftes, leeres, rauchgeschwärztes und tabakduftendes Gemach führte.
Die Bezeichnung der Leere war nun allerdings nicht ganz richtig; denn an der kahlen Wand zogen sich einige
Kauft hin und auch em einfacher Tisch stand in dem hohen Zimmer, ferner saßen mindestens acht bis zehn Männer dösig und verschlafen auf den Bänken, aber trotzdem machte dieser Raum einen gähnend leeren Eindruck.
Als Guro ihren Irrtum gewahrte, daß sie nämlich statt in die Gaststube in einen Wartesaal dritter und vierter Klasse geraten war, da war es schon zu spät. Denn gerade in diesem Augenblick war Herr Peter Bardon schon wieder eilends ans der nächsten Türe heransgekommen und hatte sich mit einiger Gewandtheit aus den letzten Wagen des wegfahrenden Zuges geflüchtet.
„Pardon", sagte Guro bestürzt und eingeschüchtert, da sie die verwunderten und unfeinen Blicke aller dieser Männer auf sich gerichtet sah, „Pardon!" und trat den Rückzug an.
Aber, o Entsetzen! Mit einem Jammerlaut sah sie den enteilenden Zug, sah sie sogar noch ganz deutlich den Gesuchten Herrn Peter Bardon, der anmutig und zufrieden die Türe des letzten Wagens hinter sich zuzog.
Sie glaubte vor Schrecken umzufallen und zitterte tatsächlich schon an allen Gliedern. Mit Tönen, wie sie ein klagendes Vögelchen von sich gibt, wandte sie sich furchtsam an einen Bediensteten, der mit einer großen Laterne in den Händen starken Schrittes, weil von Pflichtgefühl erfüllt, vorüberschritt.
Guro wußte nicht, was sie tat, was sie sagte, ihr einziges Denken war, Unterstützung zu suchen, in ihrem Leide und in ihrer trostlosen Verlassenheit irgendeinen Menschen um Hilfe anzugehen.
Der Mann hörte sie nicht, verstanö sie nicht. Vermutlich dachte er, daß die junge Dame, kopflos wie die meisten, irgendeine Auskunft haben wollte, die ihn nichts anging, die er nicht erteilen konnte, da er doch im Begriffe war, in treuester Pflichterfüllung eine Laterne weit draußen aus dem Geleise Nummer 3 aufzustellen.
(Fortsetzung solgt.^