Nagolder Tagblatt «Der Gesellschafter'

Freitag, den 10. Juli 1038

Eeite 7 Nr, 158

LMirmellmgcn, M. Pfeffingen, KUHaMen, TG. Balingen, SpV. Geislingen, TsV. Meß- .stetten, TBd. Sigmaringen, TV. Lauchertal.

Unsere Lurrgesebleliter

Der ^rttteraci Mc/icre5

Von Usos Jürgen Krllgsr

Es war ein sehr stiller Abend, als die Männer znr Zeche fuhren, blau und golden hing der Himmel über dem Land. Sie hat­ten die Spätschicht, Josef und Klemenz, und mit ihnen die tausend andern, die den Weg zur Grube schritten. Am Tor trafen sie auf Michael, der mit ihnen im Aushauen ar­beitete, und sie stellten ihre Räder in die Reihe der vielen. Michael lachte und er­zählte. Es währte nicht mehr lange, da standen sie im Förderkorb und fuhren ein, der Lärm erstickte alle Worte. Aus der .Zweihuudertsechzigmeter - Sohle stiegen sie aus, die Stiefel knallten auf dem Gestein, der Stollen war taghell erleuchtet. Ein paar Förderwagen kamen in langsamem Tempo heran, von einer kleinen Lokomotive gezogen, das schwarze Gestein, die Kohle, schillerte in .glitzernden Farben. Andere Wagen fuhren teer den Weg zurück. Michael sprang als erster auf, die anderen taten es ihm nach. Sie fuhren eine Meile durch den langen, ausgemauerten Tunnel, Michael auf dem ersten Wagen grinste. Der Mann auf der Lokomotive tippte mit dem Finger an die Stirn und zeigte aus Michael, jetzt lachten die andern und Josef brüllte Michael etwas ins Gesicht. Ter tat, als wollte er ihn vom Wagen werfen, aber es war seine Absicht nicht. An der Biegung sprangen sie ab, neun Mann, und bogen in den Seitenstreb ein. Hier war der Gang nicht ansgemauert, sie hatten ihn auch erst kürzlich in das Gestein geschlagen, als der neue Flöz entdeckt wurde; kantige Balken stützten die Wände, die Decke. Oben lies bereits die elektrische Leitung und Lampen brannten. Ms sie ein paar hundert Meter gegangen waren, trennten sich vier von ihnen, Michael, Klemenz, Josef und zwei der Schlepper gingen weiter.

Vor Ort standen noch Arbeitsgeräte, Werkzeug von der letzten Schicht; der Ober- Hauer sprach mit einem Schlepper; Michael tat sein Maul weit auf, vier, sechs Mann lachten. Noch ein paar Schritte, dann waren sie im Flöz; Mkchael hing seine Lampe an einen der Querbalken, Klemenz und Josef krochen den stark abfallenden Gang weiter, auf dem Bauch, wie Eidechsen.

*

Als Klemenz später gefragt wurde, wie­lange sie so ohne Zwischenfall gearbeitet hatten, wußte er es nicht zu sagen. Es mochten stunden, es mochten Minuten ver­gangen sein, als Michael durch das furcht­bare Krachen ansgeschreckt wurde. Der Berg hatte sich gerührt. Er horchte eine Weile hinaus, versuchte wohl auch einen Blick in den Flöz zu werfen, aber alles schien tot und dunkel. Er überlegte nicht lange, hob seine Lampe vom Haken am Holz und kroch in den engen, halbmannshohen Gang, die beiden Kameraden zu retten. Auf halber Länge stieß er auf etwas Weiches, seine

Hände berührten ein hingestrecktes Bündel, es war Josef. Er betastete den Kopf des Bewußtlosen, leuchtete den Kameraden ab. fand die blutende Stirnwunde. Josef hatte die Augen geschlossen, als schliefe er. Mi­chael fühlte den Puls, ja, das Herz schlug noch. Eine heiße Welle stieg m ihm hoch, er schleppte Josef in den höheren Streb, legte ihn auf einen Haufen Balken und verband die Wunde sorgfältig.

Inzwischen waren die beiden Schlepper herangekommen, einer fluchte erschrocken, als er den Verband des Josef sah, aber Michael schrie ihn schon an: Los, los . . . da hinten liegt noch einer ... los doch. In diesem Augenblick schlug Josef die Augen auf, starrte verwirrt auf Michael und flüsterte unverständliche Worte. Michael legte einen neuen Verband an er hatte wieder das Grinsen im Gesicht und sagte: Beinah hätt's dich gehabt, Kamerad, beinah, woll'n jetzt den Klemenz holen, nicht? Und er ging den Schleppern nach, deren Stimmen man hohl aus dem dunklen Gang vernahm. Er kroch schnell heran, fluchte vor sich hin und fühlte die große Wut auf den Berg in sich, der ihnen Brot und Schaffen gab und Menschen, immer neue, nahm. Er fragte nicht, er sah, was sich zugetragen hatte; die große Masse Gesteins, die aus der Decks in den Flöz eingebrochen war, sperrte den Weg. Die beiden Männer hatten die Spitzhacke in den Fäusten, schlugen auf den Felsen ein. Michael riß den einen am Rock hoch: Hol die andern! Der Schlepper verstand, er verstand auch die unheimliche Wut in Michaels Sprache und Gebärde, er kroch zurück und war bald den Blicken der beiden entschwunden.

Michael sagte kein Wort mehr. Er, der lustige Kamerad, er lag nun, die Hacke in den Fäusten, auf den Knien und schlug mit ungestümen Kräften eine Kluft in die Ge­steinsmassen. Und sie hatten nicht lange gearbeitet, da gab der Felsen nach, Steine kollerten nach innen, ein Spalt hatte sich auiaetan Michael leuchtete mit seiner Lampe hinein, sein Gesicht war unkenntlich von Schweiß und Kohlenstaub; der Fels war vielleicht drei Meter dick, an dieser Stelle, wo er gespalten war, hatten sie ausfüllendes Gestein losgeschlagen. Michael nickte, grinste, er empfand ein wenig Erleichterung, und er dachte sicherlich auch nicht weiter darüber nach, als er in den Spalt kroch und nach dem Kameraden ries, so laut er konnte: He, Kamerad ... he, Klemenz . . .?

Er bekam keine Antwort, aber er bildete sich ein, ein leises Stöhnen hinter der Wand vernommen zu haben, und er kroch zurück. Steine polterten um ihn her, aber er kam heil aus dem Spalt, nahm die Lampe, sagte dem Schlepper, er möge acktgeben und ver­schwand dann wieder, zollweise, eingezwängt zwischen den auseinandergespaltenen Fels- stücken, die Gefahr über und neben sich.

Aber der Berg wollte sein Opfer. Und als müßte es so kommen, begann es, viel­leicht infolge der leichten Erschütterung des Felsens, wieder zu donnern, zu brechen, auf Michael herab. Es war längst nicht so laut, so furchtbar wie vorhin, aber es genügte, um Michael, der nach Klemenz zu suchen begann, einz.ndecken. Ter Schlepper, der nichts hatte tun können, starrte wie ein

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Erst als das Leinen uns im wahrsten Sinne des Worteszu Leibe gerückt" ist, haben wir erkannt, daß dieses Produkt der uralten Kulturpflanze Flachs eigentlich ge­nau so zu unserem Dasein gehört, wie Holz oder^Wolle oder sonst ein Material, uns aus Schritt und Tritt begegnet. Auch die Lei­nen mode ist durchaus nicht jüngsten Da­tums. Man hat schon früher sowohl für die männliche, wie auch für die weibliche Beklei­dung allerlei Kleidungsstücke aus Leinwand hergestellt, die sich aber keiner besonders großen Beliebtheit erfreuten, da sie nach kurzer Zeit des Tragens knitterten und allzu schnell schmutzig und damit unansehnlich wurden. Diesen beiden Mängeln hat man ; heute, da man mit gutem Gewissen von einer /Leinenmode sprechen kann, den Garaus ge­macht. Unsere Textiltechniker und Farben­chemiker haben Verarbeitungsverfahren ent­wickelt, die uns instand setzen, sowohl knit- terfreiesLeinen herzustellen, wie auch dem Stoff jede beliebige Färbung zu vermitteln, die dauerhaft und waschecht ist. Neben dem Einfärben gibt es noch andere : Arten der Leinenbearbeitung, so zum Bei­spiel der Aufdruck von Mustern oder das Aussticken von Ornamenten.

All diese Verwendungs- und Verarbei­tungsverfahren des Leinens haben es mit sich gebracht, daß sowohl die Her ren- wie auch die Damenmode sich in ausgiebigster Weise mit dem hochwillkom- i menen Sommermaterial befaßt hat. Und -während Leinen früher stets etwas den An­strich von Wander- oder Strandkleidung chatte, hat es diesen Charakter heute voll­kommen verloren und ist als Material selbst für die eleganteste Klei­dung anerkannt. Die Webstruktur des -Leinens verleiht dem Stoff etwas Einmaliges siund Charaktervolles. Darauf hat auch der Ausschnitt von Leinenkleidung Rücksicht zu ! nehmen. Einfache Linienführung ; muß ihm eigen sein. Aber gerade diese Not- ; Wendigkeit hat die Modeschöpfer gereizt, K Leinenkleider und -Kostüme zu entwerfen, die

an -Originalität nichts zu wünschen übrig lassen. Auf den Stoffcharakter haben auch Garnituren Knöpfe und Schmuck Rücksicht zu nehmen. Die wenigen Farben, die aus dem gleichen Grunde für Leinen zur Ver­fügung sind, bedingen eine Einfachheit des Grundcharakters eines Kleides, die unbedingt durch vorsichtig aufgesetzte Schmuckakzente ins Modische geschoben werden muß. Für diesen Zweck stehen uns eine große Anzahl von Schmuckgegenständen zur Verfügung, die in ihrer Ornamentik, ihrem Material, und in der Art ihrer Verarbeitungstechnik verwandtschaftliche Züge mit dem charakte­ristischen Aussehen des Leinens aufweisen. Gebuckelte Armbänder oder solche mit ge­hämmertem Fischgrätmuster, einfache Schei- ben aus Gold oder Silber an der Schlangen­kette, in eckigen Bandmuster gearbeitete schildartige Broschen und Clips sind solche Gegenstände, die dem Leinen zugeordnet werden.

Der beste Beweis dafür, wieboden­ständig" das Leinen in der Mode geworden ist. zeigt sein Eindringen in die sonst so traditionsgebundene Männermode. Es gibt nicht nur einzelne Jacken, Hosen und Westen aus Leinen, sondern auch ganze An­züge im Naturton. in Grau. Blau und Braun. Den Vorzug hat natürlich der für sportliche Zweck gedachte Anzug aber auch als Stadtanzug kür den Nachmittag ist Leinen durchaus modisch einwandfrei geworden. Dazu kommen, ebenso wie bei der Frau, für den Mann Leinenhüte. Leinenschuhe, Leinen. Hemden. Ein anderer Verwendungszweig, der mit der verstärkten Leinenverwendung in der Mode groß geworden ist. ist Leinen verarbeitet zu Gürteln. Tischdecken. Hand- laschen, Kisten, Kaffeewärmer und ähnlichem.

Dieser Sommer steht also unter dem Zei­chen des Leinens und seine Temperaturen, die er uns bisher beschert hat. lasten auch die Verwendung des kühlenden und luft­durchlässigen Materials durchaus als an- gebracht erscheinen.

Verrückter auf die Wand. Und er stürzte sich auf den Spalt, riß und zerrte, und richtete nur noch größeres Unheil an, indem neues Gestein herabfiel und ihn selbst verletzte.

Als die Hilfsmannschaft, die Kameraden aus den anderen Abschnitten des Stollens herankamen, sahen sie Endruleit, denn so hieß der Schlepper, vor Wut heulend, mit verzerrtem Angesicht am Boden kauern, er stammelte unsinniges Zeug vor sich hin. Der Steiger packte ihn, fragte ihn ein paar Worte, ließ ihn gehn, das Wesentliche sahen sie so. Als sie' hörten, daß Michael vom zweiten Gesteinsschlag mit begraben wurde, begannen sie vorsichtiger das Gebirge zu entfernen, stützten den gewonnenen Spalt an. gruben und schlugen weiter.

Es währte nicht lange, bis sie Michael, so wie er dalag, geborgen hatten, und sie schleppten ihn fort. Sie arbeiteten mehrere Munden, später kam auch Josef hinzu. Als sie nach unsagbaren Anstrengungen den Spalt wieder frei hatten, kroch ihnen Klc- menz entgegen, lachte, als er Joses sah, fiel ihm, der mit verbundenem Kopf in einer Ecke lehnte, um den Hals.

Als er die ernsten, verbissenen Gesichter der anderen sah, fragte er den Steiger, und er fragte mehrere Male, bis er vom Schick­sal Michaels erfuhr.

Nein, sie sprachen hinfort nicht viel darü­ber, und was wäre auch zu sagen gewesen, da Michael in ihnen ein neues Leben be­gonnen hatte.

Witzecke

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Vicsi

Vergeltung

Haben Sie uns die Köchin vermittelt?" Ja, mein Herr . . ."

Dann kommen Sie sofort zu uns zu Mittag!"

Unter vieler Stubrtt. »I« w«i alle 14 Lage oerSIteniUcbcn. werden «LmiNLe dei aa« einaevenden S»ritlvrobcn einer genauen grandviogilchen PrUiung anler,ogen. und »war gegen die geringe Gebühr non ?d Viennig in Brteimarken. Die SchrUtvrobcn müsicv immerhin Iv btS 4V Keilen umraüen unh llnge,wnngen. wdglichü mV Tinte aeichrteben ietn. iAlt« keine Abichrtftrn von Gedichten oiro.l Deo Kulchrisien iv ein Irankicrier Brieinmlchiag iür die Rückantwort beizoiSaen, Do nur ein»eln« Beurleilunge» hier »um Abdruck kommen kbnnen, erfolgt toü durchgehend die Beantwortung der Anträge» unmittelbar an die Einsender. Strengste Diskretion ist telbünerüdadllch »uaetlchert. Di« Erledigung eriolat in der Reib« der Einadrige, meist in etwa t4 Tagen. Für umgebend gewünscht« Erledtgungen erbdben sich die Bedingungen deS UnkokenbeitrageS von lvTs aus daS Dovvelte, Eil- aoitrSae dieser Art sind mit dem Vermerk ..dringend »o «ersehen. Die Einsendungen, die di« genaue Adresse deS Absenders enthalten wüsten, sind «u richten am NS -Drest« Württemberg. Abtlg. KraobologNcher Brietkosten Stuttgart kriedrichstrade 1»

Fr. K. 411 Ihr Freund, der Ihnen io rätselhaft vorkommt, hat gar nicht die Ab­sicht. sich mit sonderlichen Geheimnissen zu umgeben. Tenn, erstens ist er nicht phantasie­voll genug dazu, und dann hat er wohl auch kaum so viel Zeit, sich so viel mit sich selbst und leinen Wirkungen zu beschäftigen. Ihm ist es vor allen Dingen darum zu tun, alles auf die einfachste und sinnvollste Formel zu bringen: und das erscheint gerade Ihnen selbst nun etwas ungewöhnlich. Nicht alltäglich ist allerdings sein Gedankenreichtum und die geistige Ueberlegenheit. welche ihn natürlich auch in eine recht kritische Haltung allen

lebendigen und stärkeren Gefühlen gegen­über bringt. Der Schreiber scheut sich da gar nicht vor ganz bewußten Ernüchterun­gen und Abkühlungen, weil er nur dann gei­stig arbeiten kann, wenn er auch wirklich avgekühlt ist. Er will nicht weich werden und nicht gütig, er will sich auch nicht hin­geben und nicht an einen anderen Menschen verlieren; er achtet nur das Begriffliche, weil sich da alles besser unterscheiden und ein- ordnen läßt, als bie den gefährlichen Regun­gen des Unterbewußten. Immer ist er ver- standesscharf und schwunglos, pedantisch im Lenken und Ergründen, und stets etwas ge- iühlsunsicher. So ist ihm die Gesellschaft seiner hochgeschulten Ausbildung durch- gehends lieber, als irgendein anderer Ver­kehr; sicher kann man ihn unbedenklich wochenlang zwischen Büchern einfchließen, ohne daß er die Menschen dann entbehren ivürde.

L. Sch. P. Ihre Schrift ist wie gestochen, Ihre Sprache lieblich und lind und Ihre Hal­tung mir gegenüber ganz vorbildlich. Aber, da Sie niehr nach einer Formenlehre leben als nach der Natur, ist alles sehr sparsam und klein abgemessen, und Ihr Leben zeigt, besonders nach der landschaftlichen Seite, eine ziemliche Ver­ödung. Sie sind ein ausgesprochen zugeknöpf­ter Mensch, ganz ohne Freiluftbednrfnisse. An­scheinend fühlen Sie sich aber in dieser Ver­packung ganz wohl, und bereisen als gepflegter Mann mit zurückhaltenden Gefühlen und gut abgedämpftem Temperament sicherlich sehr er­folgreich die halbe Welt. Niemals geben Sie sich überflüssig und leichtsinnig aus, und wenn jemand größere Ansprüche an Sie stellt, dann überreichen Sie ihren schön hergerichteten Ver­stand so höflich, daß man Sie sicher immer in- der rechten Weise würdigen wird. In nähere Beziehungen von Mensch zu Mensch kommen Sie aber nich so leicht, weil Sie allzu vor­sichtig sind und hinter jedem lieben Nächsten einen ganz gefährlichen Mitbürger ahnen, der Ihnen nach irgend einer Richtunghin im Wege steht. Sie haben ja wohl auch weniger das Be­dürfnis, als Mensch geliebt zu sein, als den Ehrgeiz, gesellschaftlich stets vollendet geschätzt zu werden.

August L. a. R. Sie sind ein ganz gut- williger Wirklichkeitsknabe, der sich auch

ohne bedeutende Lebensvorgänge und reiche Liebestragödien. rmmer äußerst wohl fühlt. Aber Sie haben sehr freundliche Gedanken, und verfolgen diese mit viel Eifer und Rüh­rungen: und dieses Freundliche-Gedanken- Denken. heißt doch gleichzeitig, sich gesund er­halten und das Leben nicht unnütz er­schweren. Nach und nach müssen Sie nur das Freundliche noch mehr mit dem Tüchtigen vereinen und einmal entschlossen in eine entscheidende Kurve des Lebens einbiegen. Ihre Neigung zu Kleinigkeiten haben Sie wohl liebevoll gepflegt, schauen aber immer nur ganz in die Nähe und haben den Blick für größere Zusammenhänge und Möglich­keiten dabei sehr verloren. Tie Welt ist etwas zu entgegenkommend und zu bequem für Sie geworden, und die Ebene, auf der Sie da so emsig hin- und herpendeln, ist doch recht Jeizlos. Vergessen Sie nicht, daß d i e Kräfte, welche man nicht immer wieder einmal nsik rechtem Nachdruck erprobt, mit der Zeit ver; kümmern. Doch zwischen Ihren Zeilen sitzt etwas, was gefällt; das ist der Zug herz­lichen Vertrauens und reiner unberdeckter Empfindungen. Es wäre schon erfolgreich, wenn Sie sich damit einmal nach weiteren Zielen in Bewegung setzen, selbst auf die Gefahr hin. unterwegs mitten in einen strafferen Lebenssturm hineinzugeraten.

E. H. a. T. Also, aus die Kunst wollen Sie los, kleine Erika und sind nun un­entschlossen, wohin der Weg gehen soll! -- Nun, ich glaube, daß Sie jetzt erst einmal das Leben suchen, und zwar die Seite, welche möglichst farbenfroh leuchtet. Sie sind ein ausgesprochener Sinnenmensch, recht ur­sprünglich und unbekümmert im Wesen, haben reichliche Ich- und Du-Gefühle und. eine aufgeschlossene Lebensbejahung. So etwas bringt man ja auch als Künstlerin gut unter; aber es darf doch nicht mit künst­lerischer Schöpferkraft leichtsinnig verwechselt werden. Denn nach der Richtung einer eigen­artigen Gestaltung ist diese noch nicht da. Bis jetzt lassen Sie Ihre Schriftranken noch ganz wie Locken im Winde herumflattern, und haben keinerlei plastische Spannung in

der Schrift. Das schließt aber nicht aus, daß Sie vorerst handwerklich einmal tüchtig etwas schassen und auch für geistige Fort- bildung etwas mehr ausgeben. Denn gerade hier sind Sie über den einfachsten Menschen­verstand noch nicht weit hinausgekommen, und die Erfolge, welche Sie manchmal Ihrer Schlagfertigkeit verdanken, die genügen doch gerade nur eben für Ihre achtzehn Jahre! Aber an natürlich quellenden Kräften fehlt es Ihnen nicht, nur ist dieser reichblühende Boden noch nicht ordnungsgemäß angelegt. Dazu^wird es natürlich jetzt ernstlich Zen. denn Sie wollen ja möglichst im frühen Som­mer Ihres Lebens schon etwas ernten, und nicht erst im Spätherbst! Wo Sie anfan­gen sollen? Nun: erst den Willen schulen, anschließend den Geist, und mit der sinnlichen Ursprünglichkeit dann nur alles umschmücken und aufwärmen.

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