Seite 8 Nr. 147

Ragolder Tagblatt »Der Gesellschafter*

Donnerstag, den 27. Juni 1935

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Wolf SM erzählt von iemen eriten Flügen am Mppeaelk und SreiialligkeiMerg

Die Bahnlinie Stuttgart Tnttlingen Zürich führt durch ein landschaft­lich äußerst reizvolles und abwechslungsreiches Gebiet. Kurz vor der europäischen Wasser­scheide. die den Laus der Donau zum Schwarzen Meer, den des Neckars jedoch zur Nordsee lenkt, weitet sich das enge Flutztal. Nahezu senkrecht aufsteigcnde Hänge blicken trotzig in die Baar und zu den Schwarzwaldbergen hinüber.

An dieser Stelle haben sich die Segelflieger der umliegenden Städte ihren Horst gebaut. Sie sind den Falken nachgezogen, die überall dort zu Hause sind, wo starke Auftriebswinde sie in stillem Gleitflug zur Höhe tragen.

Das Klippeneck ist dem ortsfremden Wanderer weniger bekannt als sein berühmter Bruder, der Dreifaltigkeitsberabei Spaichingen. Für die Segelflieger ist das Klip­peneck jedoch zu einem Begriff geworden. Sie

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haben sich diese herrliche, mit Heidekraut und Wacholder bewachsene Hochfläche des Heubergs schon längst für ihre Zwecke dienstbar gemacht. Es vergeht kaum ein Dvnutag, da man nicht vom Tal aus die großen, weiß sch-mmernden Maschinen an den bewaldeten Hängen oder in freier Höhe lautlos durch die Lüfte gleiten sieht.

Verschiedene hundert Meter stürzt der Steil- adhang des Klippenecks in die Tiefe. Nur die vesten Segeflieger dürfen sich darum diesen Berg zum Tummelplatz ihre^ fliegerischen Könnens wählen. Die Anfänger müssen beim nahegelegenen Karpfen in der württembergi- schen Baar die A- und B-Prüfung ablegen, wo sie mit kleinen Sprüngen und größeren Rut­schern über sanfte Hänge beginnen. Wenn sie dann gelernt haben, wie die guten und schlech­ten Winde auszunützen sind, und wenn sie die Technik der Maschine bis in die letzten Fein­heiten beherrschen, dürfen sie mit klopfendem Herzen das erstemal in eines der berühmt ge­wordenen Segelflugzeuge der umliegenden Fliegerortsgruppen steigen und sich von der Startbahn des Klippenecks in das ungewisse Nichts der Lüfte schleudern lassen, um in ruhi­gen . nd schwungvoll gezogenen Spiralen in die Tiefe zu gleiten.

Auf dem Klippeneck geben sich die bekannten Flieger der Umgebung ein regelmäßig wieder­kehrendes Stelldichein. Man sieht die Schwen- ninger Ortsgruppe mit ihremHölzlekönig", die Tuttlinger, die Tchramberger und Rott­weiler Ortsgruppe.

Des öfteren sind auch Gäste aus weit ent­legenen Gauen oder aus schwäbischen Lagern auf dem Heuberg anzutreffen. Dann herrscht zedesmal Großkampftag. Die stets vorhandene Zuschauermenge blickt mit großer Spannung auf die kühnen Flieger, die ihre Maschinen durch den hervorragenden Aufwind, der hier vorhanden ist, einige hundert Meter über den Startplatz emporziehen oder aber bei böiger Luft in die Tiefe sinken und auf den Feldern bei Denkingen landen.

In den letzten Wochen hat die Nachricht be­rechtigtes Aufsehen hervorgerufen, die mitteilte, daß der Segelflieger Hofmann bei einem Zielflug vom Heuberg die 185 Kilometer

weite Strecke zum Flughafen in Zürich in einem vierstündigen Fluge bewäl­tigt hat. Dauerflüge von 6 bis 7 Stunden sind die Regel. Ein junger Segelflieger von Aldin­gen bei Spaichingen, dem das Klippeneck zur zweiten Heimat wurde, war lange Zeit In­haber des württ. Segelflugrekords mit 7 Stun­den. An diesem Hang wurde auch der erste Nachtflug ausgeführt. Der Segelflieger Jauch blieb 3 Stunden bei Tag und 2 Stunden während der Nacht mit seinem Flugzeug in der Luft.

Es waren große, erlebnisreiche Tage, als Prinz von Leiningen und seine Begleiterin durch viele Wochen hindurch für ihren Rekord auf der Rhön an den Hängen über Spaichingen geübt haben. Die einsamen Flüge dieses Luft­pioniers riefen seinerzeit in den umliegenden Ortschaften größte Bewunderung hervor.

Der eigentliche Erschließet: des Klippenecks ist der bekannte Segel- fliegerWolfHirth. In einer besonderen Schilderung erzählt er seine abenteuerlichen Erlebnisse um aas Klippeneck. Wolf Hirth war auch dabei, als vor zwei Jahren das Lager der Ortsgruppe Schwenningen auf dem Klippen­eck eingeweiht wurde. Mit seinen Loopings und Starzslügen hat er die riesige Zuschauer­menge erfreut und seine Fliegerkameraden zu neuen Versuchen und zur Nachahmung ange­feuert.

Einer der bekannte­sten einheimischen Flie­ger ist H a k e n j o s aus Schwenningen. Er war es, der vom Dreifaltig­keitsberg den ersten Ziel­flug ausführte, und zwar einen nahezu ge­lungenen nach Günz- burg und einen restlos geglückten zur Teck, wo er zu Füßen des dort befindlichen Landeskom­mandanten Sommer ge­landet ist.

Das Klippeneck hat damit neben seinen land­schaftlichen Reizen einen neuen, verlockenden An­ziehungspunkt bekom­men. Der Zustrom zu den öfters stattfinden­den Flügen aus nah und fern ist groß. Noch nie ging ein Besucher des Klippenecks unbe­friedigt nach Hause, denn bei den Fliegern herrscht Kameradschaft und viel Humor. Das Fluggelände auf dem Heuberg wird für die künftigen Versuche und größeren Uebungs- ^ flüge noch von hervorragender Bedeutung! werden. !

Im nachstehenden Aussatz wird Wolf Hirth über seine Erlebnisse berichten.

Mols Klrth erzählt:

Im Jahre 1921 lernte ich beim Rhönsegel­flugwettbewerb den Tr. Fr. Wenk kennen; dieser war der Konstrukteur des ersten Segelflugzeuges, das in Deutschland am Feldberg im Schwarzwald im Jahre 1920 einen Segelslug aussührte. Es war der erste Segelflug überhaupt in Deutschland. Als ich mit Dr. Wenk über Segelflugmöglichkeiten in Württemberg sprach, erzählte er mir von einem Platz, den er für besonders geeignet für Segelflüge hielt, dem Klippeneck bei Denkingen.

Zum erstenmal fuhr ich dann 1924 mit einem kleinen Auto aufs Klip­peneck und unter­suchte die Start­möglichkeiten dorr.

Die Schwierigkei­ten erschienen mir ^ jedoch erheblich.

Ich habe dann in

den folgenden Iah- - -

ren noch mehrmals

das Klippenecku n terf uch i. habe mich aber dann im Jahre 1926 ent­schlossen. den ersten Start nicht dort, sondern auf dem Dreifaltigkeitsberg zu versuchen, wo ich eher Hilfe beim ersten Versuchsstart zu finden hoffte. Dieser erste Start wurde im Winter 1927 kurz vor Weihnachten versucht. Starthilfe leisteten außer wenigen Spaichin- ger Helfern die neunte Klasse des Gymna­siums Rottweil. Da die Startmannschaft jedoch zu schwach war und ich nur ein Gummiseil verwendet hatte, hatte ich einen Fehlstart, bei dem mein Segelflugzeug restlos zerstört und ich selbst verletzt wurde. Zum Glück waren jedoch meine eigenen Ver­letzungen, insbesondere eine Brustquetschung und Schürfung, nicht besonders schlimm. Selbstverständlich hat mich dieser erste Miß­erfolg nicht gehindert, weiter an dem .Pro­blem Dreifaltigkeitsberg" zu arbeiten. Ich sage bewußtProblem", denn es war bis­her in der Segelfliegerei überhaupt noch kein Start über einen Steilhang gemacht worden, wie er hier tatsächlich vor­handen war. Mit meinen Kameraden von der Akademischen Fliegergruppe Stuttgart habe

Zer GM der Sägend

Versunken ist der alte Traun.

Von Einsamkeit und Stille.

Und Jugend füllt den hohen Raum:

Ein neuer Geist und Wille!

Zum Himmel über Berge weg Steigt auf in schönem Zuge Die Hoffnung in dem leichten Steg. Dem Vogel gleich im Fluge.

Die Freiheit sucht sich neue Bahn Im Dritten Deutschen Reiche;

Der tapfere Führer geht voran.

Daß jeder ihm doch gleiche!

W. Schneiderhan..

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(Photo: Motz»

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ich deshalb schon im Lause des Jahres 1927 Versuche mitUmlenkrollen" gemacht, die den Start am Steilhang ungefährlicher machen sollten. Die Versuche gelangen zwar, aber ich konnte mich nicht entschließen, die Umlenkrollenmethode, wozu schwierige Vor- ^ bereitungen und eine besonders kräftige L-tartmannschaft gehörten, weiter anzuwenden.

Der erste gelungene Stark im Oktober 1928

Dagegen fand ich Hilfe bei der Stadt ^ Spaichingen. die durch kostspielige Erdbewe- gungen den Startplatz verbessern ließ und auf meinen Vorschlag eine Startbahn aus Holz herstellte, mit deren Hilfe dann am 2. Oktober 1928 mit dem Segelflugzeug Württemberg" der erste Start gelang. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht versäu­men. des Besitzers einer Autoreparaturwerk­stätte in Spaichingen zu gedenken (Gottlob Thumm), der mir bereitwillig in jeder Be­ziehung geholfen hat. Auch die Mönche aus dem Dreifaltigkeitsberg hatten beim ersten Start am Seil mit ausgezogen. Ich verwen­dete diesesmal ein dreifaches Gummiseil und ließ zur Vermeidung der Reibung die ganze Startbahn mit Schmierseife bestreichen. Diese wohlüberlegte Vorbereitung war die Vor­aussetzung zum Gelingen. Der Start war außerordentlich beschleunigt, so daß ich für den Bruchteil einer Sekunde blind wurde. Als meine Augen wieder sehen konnten, hing ich bereits draußen über dem Steilabhang.

Anschließend an diesen Start erfolgte der erste lange Segelflug m Württemberg über­haupt, der sogar der erste Stundenflug in ganz Süddeutfchland war. Da mir das Landegelände auf dem Dreifaltigkeits­berg für mein schnelles Segelflugzeug nicht sicher genug erschien, beschloß ich. im Tal zu landen und führte dabei gleich den ersten, wenn auch kleinen, motorlosen Streckenflug in Süddeutschland aus. Die Landung er­folgte in etwa IS Kilometer Entfernung bei Schömberg.

Schon bei diesem ersten Flug erwies sich das Gelände als ganz ausgezeichnet zum Segelflug geeignet und entsprach den Pro­phezeiungen. die Dr. Wenk sieben Jahre si-nkwi- ,ipniack>t batte.

Mein nächster Start auf dem Dreifaltig- keitsberg erfolgte am 17. November 1928. Eine Zeitschrift hatte einen Preis ausgesetzt für den ersten100-Kilometer-Flug". Da da­mals der Thermikflug noch so gut wie unbe­kannt war, wollte ich meine alte Idee ver­wirklichen und am Rande der Schwäbischen Alb im Hangsegelflug entlang fliegen. Leider war das Wetter an diesem Tag sehr schlecht, so daß ich nach Hangsegeln am Plettenberg und Lemberg im Tal, das nach Ebingen führt, schwer durchgeschüttelt wurde und zu­viel Höhe verlor. So mußte ich schon nach 30 Kilometer bei Zimmer« in der Näbo des Hohenzollern landen. Da ich selbst durch meine Tätigkeit auf dem Büro des Würt- tembergischen Luftfahrt-Verbandes nicht ge­nügend Zeit hatte, mich länger zu Flugver­suchen auf dem Dreifaltigkeitsberg niederzu­lassen. veranlaßte ich einen Kameraden, den Prinzen Eugen zuSchaumburg- : LiPpe, zu weiteren Flügen vom Dreifaltig- > keitsberg aus. Diese sind, wie allgemein be- j kannt gut gelungen und erbrachten einen l neuen württembergischen Dauerrekord von ! über 5 Stunden Dauer. Auch hat zur selben l Zeit die bekannte Motorfliegerin Marga ivon Etzdorf hier ihre O-Prüfung und im ! weiteren Verlaufe den ersten Dauerflugwelt- ! rekord für Frauen von über 1 Stunde aus- ^ gestellt.

Prior Sebsomkurg I^ippe soi vreikaitißkeitsberx

(Photo: Eitele»

Starke Inanspruchnahme durch andere Aufgaben ließen mich nur noch einmal am Dreisaltigkeitsberg starten, wobei ich ver­suchte, mit derWürttemberg" wieder dort oben zu landen. Da dies mit hochwertigen Maschinen ziemlich schwierig ist, machte ich meinen ersten und einzigen Bruch mit der Württemberg". Ich blieb in den hohen Bäumen, die die Bergwiesen umrandeten, mit einem Flügel hängen, kam aber selbst mit leichten Verletzungen glimpflich davon.

Was ich damals wünschte, ist nun im Laufe der Zeit in Erfüllung gegangen. Junge, begeisterte Kameraden aus der Um­gegend Spaichingens und Schwenningens und andere haben sich den Dreifaltigkeits­berg und das Klippeneck erschlossen. Ich. wünsche von Herzen, daß dieses einzigartige Gelände im Süden, das mir durch meine ersten Segelflüge sehr ans Herz gewachsen ist, durch gründlichen Ausbau für viele junge Kameraden ein Tummelplatz wird und daß so wieder ein Fliegerhorst mehr entsteht in dem nach dem Wunsche unseres Luftfahrt­ministers Hermann Göring durch deutsche Jugend und deren Arbeit aus Deutschland­ein Volk von Fliegern werde.