Seite 6 Nr. »

Naaotber Toftülatt »Der Vieti-Niltiulter-

Donnerstag, den 11. November igzz

zahlreichen Berichten wurde die Forderung nach einer romfreien, katholisch-deutschen Kirche begründet. In einer umfassenden grundsätzlichen und geschichtlichen Schau über das Verhältnis vonVolkstum uüd Rasse ReligionundKirche" wiös Stadtpfarrer Dr. R. Keußen. Karls­ruhe. nach, daß die Besinnung des deutschen Volkes auf sich selbst im Katholizismus dem Gedanken der Nationalkirche nicht aus dem Wege gehen könne. Dr. Wagner, Essen, wies die Dereinbarlichkeit des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses nach. Vor Mitgliedern und geladenen Gästen spra- chen Pfarrer Demmel, Köln, und Hüt- w o h l, Essen, überPolitischer K a t h o- lizismus als V o l k s g e s a h r !"

Den feierlichen Abschluß der Arbeits­tagung bildete ein von Bischof E. Kreuzer gehaltenes deutsches Hochamt.

Politischer Prozeß zegea ei«i Pol« io da TschechosliWtki

Starke Anteilnahme der polni­schen Oeffentlichkeit

Mährisch-Ostrau, 12. November.

Vor dem Kreisgericht in Mährisch-Ostrau begann am Dienstag ein Schutzgesetz. Prozeß gegen einen polnischen

Staatsangehörigen, der wegen der besonderen Umstände des Falles größtes Aussehen in allen politischen Kreisen der Tschechoslowakei und Polen Hervorrust. Er­handelt sich um den 2V Jahre alten Absol­venten der Postschule in Polnisch-Teschen. Jan Delong, der unter der Anklage steht, sich nach dem Gesetz zum Schutze der tschecho­slowakischen Republik eines Anschlages gegen den Staat, ferner der Bedrohung des Lebens und der Beschädigung fremden Eigentums schuldig gemacht zu haben. Im besonderen wird ihm vorgeworfen, er habe am 28. Juli 1934 an einer tschechenfeindlichen Kund­gebung in Polnisch-Teschen teilgenommen wobei er sich zu scharfen Aeußerungen gegen die Tschechoslowakei habe Hinreißen lassen. Die Anklageschrift behauptet, daß er in Ver­bindung mit vielen Polnischen Vereinen stand, darunter mit der sog, Legion Mlodhch. die Polnisch-nationale Ziele ver­folge und von der Anklagebehörde als eine Vereinigung bezeichnet wurde, die die Ab­trennung des Teschener Gebietes von der Tschechoslowakei anstrebe. Delong wird fer­ner beschuldigt, nach der erwähnten Kund­gebung mehrere Steine gegen schechoslowa- kische Grenzbeamte geworfen zu haben, ohne daß aber dadurch jemandem Schaden znqe- fügt wurde. Der ersten Verhandlung wohnten nicht weniger als 15 Berichterstatter der größten polnischen Blätter bei. außerdem zwei Warschauer Rechtsanwälte und der

Professor der Krakauer Universitär in Kra­kau, Dr. WladiSlak Wolter. Im dicht gefüllten Zuschauerraum hatte der polnische Konsul und der Vizekonsul aus Mährisch- Ostrau Platz genommen.

Auf die einleitende Frage des Vorsitzenden, ob sich Delong schuldig bekenne, antwortete dieser mit Nein und setzte hinzu, er sei polnischer Staatsbürger, fühle sich einem tschechoslowakischen Gericht nicht verantwortlich und werde sich nickt verteidigen. Hier- auf wurde die Gendarmerie vernommen, die an dem erwähnten Tage den Dienst an der tschechoslowakisch-polnischen Grenze versah. Der Angeklagte wurde durch die Aussage die­ser Zeugen im Sinne der Anklage belastet. Ueber dre Behauptung der Zeugen, daß Te- long Steine geworfen habe, entspann sich eine scharfe Auseinandersetzung zwischen dem Staatsanwalt und dem Verteidiger. Ein Gendarm entnahm daraufhin seiner Akten­tasche fünf Steine, die er damals vom Boden aufgehoben hat und von denen er mit Be­stimmtheit angab, sie seien von polnischer Seite geworfen worden. Delong. der bis da­hin geschwiegen hatte, stellte nun entschieden in Abrede, Steine über die Olsa auf tschecho­slowakisches Gebiet geworfen zu haben.

Die Verhandlung wurde zur Herbeischas- fung neuen Beweismaterials auf den 13. No­vember vertagt.

sogar, daß uns eine tote Fliege im Glas in den nächsten Wochen schon nichts mehr ausmachen würde. Wir hätten uns dann schon genügend akklimatisiert.

Der gute Ton unter dem Aequator

Für jeden Abessinier ist es jetzt Ehrensache. Khakikleiduiiq zu tragen. Khaki ist die Uni­form des Heeres und insbesondere der kaiser­lichen Garde. Und so ist in den letzten Tagen das Straßenbild der abessinischen Haupt­stadt langsam in gelb und gelb übergegan­gen. Man kann seinem Boy keine größere Freude machen, als wenn man ihm zwöst Taler in die Hand drückt und zum Schnei­der schickt. Wenn er glaubt, daß sein Herr gute Laune hat, dann kommt er mit dem unschuldigsten Gesicht an und sagt, er möchte auch so einen gelben Anzug haben. Das heißt auf gut deutsch: Kaust mir einen!

Die Europäer halten auf Geselligkeit

Es vergeht fast kein Abend, an dem man nicht eingeladen ist. Wir deutschen Jour­nalisten inzwischen sind wir sechs ge­worden sind oft Gäste in unserer Gesandt­schaft. ivo wir uns wie zu Haus fühlen. Und wenn wir einmal von diesem Lande Ab­schied genommen haben und wieder in Deutschland sind, dann werden wir oft und gern an die Stunden zurückdeuken, die wir mit dem augenblicklichen deutschen Ge­schäftsträger, Minister Kirchholtes. und seiner Gattin verleben durften.

Für .unsere Begriffe etwas absonderlich, hier in Abessinien aber an der Tagesord­nung, ist die Kleidung, in der man abends zu Gesellschaften fährt. Abendtoilette, dicken Pelzmantel und weißen Tropenhelm. Eine ulkige Zusammenstellung, aber man ge­wöhnt sich daran. Abends ist es ziemlich frisch, so daß man gut einen dicken Mantel vertragen kann, aber der Tropenhelm als landesübliche und am Tage unentbehrliche Kopfbedeckung gehört dazu!

Auch die Gastfreundschaft der Abessinier ist sehr groß. Vor eini­gen Tagen war ich bei dem Leiter des Presse­büros der kaiserlichen Regierung, der in die­sen Tagen als Freiwilliger in die Armee ein­getreten ist und hofft, bald an die Front zu kommen, zum Abendessen eingeladcn. Das a b e f s i n i s ch e Nationalgericht wurde ausgetragen. Alles zusammen eine furchtbar scharfe und gewürzte Angelegen­heit. Zuerst wurde Jngera gereicht, das ist eine Art Sauerteig in der Form eines riesen­großen Eierkuchens, dann gab es Fleisch in reicher Menge, Hühner, Hammel. 'Rind, Salate, Eier usw. Messer und Gabel gibt es nicht, alles wird mit den Fingern gegessen. Das Essen dauert mehrere Stunden, und wenn man sich die Sympathien der Gastgeber erworben hat, so geben der Hausherr bzw. die Hausfrau ihrer Zuneigung dadurch Aus­druck, daß sie einem beim Essen die besten Happen von ihren Speisen in den Mund stecken, selbstverständlich auch mit den Fingern. Ablehnen gilt als größte 11n- höflichkeit und Mißachtung. So kaut man dann wie ein Verzweifelter stundenlang, und die Schweißtropfen auf der Stirn nehmen von Sekunde zu Sekunde zu. Nach dem Essen ist man schließlich so voll, daß inan zu nichts anderem Zeit und Muße hat als zu ver­dauen. Ich habe mir vorgenommen, die abes- jinische Sitte der guten Bissen nach Deutsch­land zu importieren und meinenguten" Freunden so tüchtig den Mund zu stopfen, daß ihnen endlich das Lästern und die ewige Meckerei vergehen.

3m Presse-Hauptquartier

Auch im Hauptquartier der Journalisten, im Imperial-Hotel, gibt es augenblicklich nicht mehr viel Sensationen. Von den Fronten kommen die Meldungen nur spär­lich; und so herrscht auch hier Ruhe. Man füllt die Abende mit Diners aus. spielt Bridge, Billard und trinkt Whisky in rauhen Mengen. Einige Außenseiter sind dabei, die Nachrichten in die Welt zu kabeln, die jeder Grundlage entbehren und absolut unwahr sind und damit den anderen terivfen Journalisten nur schaden. Es gibt dann m n ii ch m a l i m K o l l e g e n k r e i s e großen Krach und alles ist schlechter Laune. Schließlich macht man seinem Aerger Luft und schimpft . . . über das Essen. Andauernd, ob zum Mittag- oder Abendessen, gibt es Huhn. Man kann es kaum noch sehen, viel weniger noch essen. Tie griechische Küche der Hotelier ist ein Sohn des Peleponnes ist hundsmiserabel und um ihre Schattenseiten verstehen zu lernen, muß folgende hier in Addis-Abeba viel belachte Erzählung erwähnt werden: Als der italienische Gesandte Vincr aus Anordnung der abessinischen Regierung seinen bisherigen Aufenthaltsort in das Haus eines Mitgliedes der kaiserlichen Familie verlegen mußte, wußte man, daß diese Maßnahme nur um seiner eigenen Sicherheit willen geschah. Der Kaiser gab persönlich dem Wirt des Imperial-Hotels den Befehl, Vinci zu verpflegen. Als das bekannt wurde, erzählte man sich überall in der Stadt, daß die Regierung nun wahr­scheinlich die Absicht habe, Vinci umzubrm- gen, denn bei dem Essen des Imperial- Hotels könnte niemand lange leben. Und über diesen guten Witz lacht heute ganz Addis, nur nicht der Wirt des Hotels, der uns Journalisten als die Urheber der Moritat nicht ganz mit Unrecht im Verdacht hat und nun durch sein grimmiges Gesicht das Essen noch mehr verschlechtert als es ohnehin schon ist.

kaQrl u »8

advislsüilsvliv

Llrlvasavdlvt

Wie Addis Abeba den Krieg erlebt

4. Fortsetzung

Addis Abeba, im November 1935.

Die afrikanische Sonne brennt heiß auf uns herab und wenn wir Kühlung im Schatten riesiger Eukalyptusbäume suchen, dann denken wir mit einem leichten Schmunzeln an Deutschland, wo heute die Herbststürme über das Land brausen und die letzten schon gelben Blätter von den Aesten der Bäume hinweg­fegen. Nach Beendigung der Regenzeit brachte der Oktober für das Land den Frühling, einen unvergleichbar schönen Frühling uiit einer Farbenpracht, wie sie eben nur unter der heißen Sonne des Aequators entstehen kann. Saftiges Grün steht auf den Wiesen, die mit allerlei bunten Blumen gespickt sind. Vögel in allen nur erdenklichen Farben segeln in stolzem Fluge durch die Luft und erfreuen yns mit ihrem Gesang. Es ist herrlich, solch einen Frühling in den Höhenlagen Abessiniens zu erleben, in einer Luft, die von Eukalyptus geschwängert und nicht von dem Qualm aus Jndustrieschornsteinen verräuchert ist. Leider ist diese Schönheit und Farbenpracht nicht von langer Dauer. Die Sonne trocknet den Boden immer mehr aus, und in einigen Tagen wer­den die Halme auf den Wiesen durch die Sonne verbrannt müde zur Erde herabsinken. Das Thermometer wird dann am Tage eine Temperatur von über 30 Grad cm- zeigen.

Nachdem nunmehr schon Wochen seit dem offiziellen" Ende der Regenzeit vergangen und die Wasserläufe und kleinen Bäche zum größten Teil ausgetrocknet sind, kann man auch einmal daran denken, in ruhigen Zeiten der Stadt den Rücken zu kehren und einen Aus- flug in die Umgebung von Addis Abeba zu machen. Um nach den beiden einzigen vorhan­denenWeekend"-Orten zu gelangen, ist aller­dings zur Zeit noch eine Reise mit Hinder­nissen zu überstehen. Hinter den letzten Hütten der Eingeborenen am Rande der Stadt be­ginnt endlos weite Wüste und die Räder des Kraftwagens graben sich bis an die Achsen in den Weichen Sand ein. Ist solch eine Klippe dann glücklich überstanden, dann geht die Fahrt Plötzlich über Steine und steinharten Boden, so daß die Insassen in einem gewissen Rhythmus von den Sitzen emporgeschleudert werden.

Ausflug zu Jehova!

Ein Ausflugsort, der zur Not auch unter größten Schwierigkeiten in der Regenzeit zu erreichen ist, trägt den Namen Jehova und ist etwa 7 Km von der Stadt entfernt. Sein Besitzer ist ein biederer Oesterreicher, der hier seit 10 Jahren ansässig ist und seine Gäste in unverfälschtem Wiener Dialekt begrüßt. Da er mit der Zeit eine Art Einsiedler geworden ist, und seinen Gästen gern etwasprophezeit", sagen die Europäer allgemein bei einem Aus­flug zu ihm:W i r f a h r e n z u I e h ov a!" Weit romantischer aber und bereits einen klei­nen Vorgeschmack bietend von einer Reise durch die afrikanische Steppe ist die Fahrt nach dem zweiten und besten Ausflugslokal, das den Namen nach seinem französischen Besitzer

trägt undLe Baro u" genannt wird. Alan sitzt in einer kleinen ans einer Anhöhe liegen­den und aus Bambusstäben errichteten Laube c,nd den Augen bietet sich ein herrlicher Blick Vor uns ein kleiner Wasserarm und ein mu Schilf eingefaßter See. Vögel aller Größen und aller Farben Haben hier ihre Nester Wildenten gehen ans und ziehen ihre Kreise. Eben haben wir einen stahlblauen Vogel wegen seiner Schönheit bewundert, da zieh! uns schon wieder ein anderer mit seiner Far­benpracht in Bann. Es scheint hier das reinste Vogelparaüies zu sein. Und abends, wenn die Sonne hinter den fast 4000 Meter hohen Bergen verschwunden ist und die Dämmerung langsam anbricht, dann beginnen die Frösche mit ihrem Konzert und erinnern uns an den dörflichen Frieden unserer Heimat.

Spät abends treten wir die Rückfahrt nach dem 25 Kilometer entfernten Addis Abeba an, die wegen der Unwegsamkeit des Geländes fast eine Stunde in Anspruch nimmt. Das grelle Licht der Scheinwerfer huscht über die weite Steppe und wenige Meter vor dem Wagen kreuzen aufgeschreckte Hyänen unseren Weg. Ab und zu tauchen im Lichtkegel einige Maultiere und Kamele aus, sonst nichts zu sehen. Und über uns der einzigartige afrikanische Sternenhimmel, solch ein Ausflug nachLe Baron" ist ein Erlebnis. Wie schön muß erst eine wirkliche große Reise quer durch die afrikanische Steppe sein!

Der Sekt fließt...

Einige Meilen von Addis entfernt, erlebt man Afrika, in der Stadt selbst spürt man herzlich wenig davon. Europa mit seinen guten und schlechten Seiten hat hier Einzug gehalten. Kinos mitLichtreklamen an den Häuserfronten bieten sich bis in die späte Nacht hinein an. Die Filme sind schlecht.

dafür die Preise aber um so besser. Für Sen besten Platz zahlt man 20 Taler, das sind nach deutschem Geld 16 RM. Allerdings muß man dabei berücksichtigen, daß die heu­tigen Preise aus die zahlreichen anwesenden und zum Teil mit dicken Scheckbüchern aus- gestatteteu Fremden zugeschintten sind. Direkt neben dem Kiiivvorsührungsraum. nur durch eine dünne Wand getrennt, befindet sich eine Bar, die in jeder Beziehung mit ähnlichen Lokalitäten in Europa konkurrieren kann. Sie steht unter französischer Leitung, Französin­nen mit knallroten Lippen und ebensolchen Fingernägeln sitzen hinter der Bar, und der >s e k t fließt hier im wahrsten L-iune des Wortes bis in die frühen Morgenstunden in Strv m e ii. Und wenn man im Kino sitzt und auf der Leinwand sich gerade eine Tra­gödie größten Ausmaßes aöspielt. dann höri man von nebenan die Klänge eines Tangos das Lachen angeheiterter Menschen und das Knallen von Sektpfropfen.

Es geht schon eigenartig her in dieser Stadt. Von Krieg und den Gefahren eines eventuell bevorstehenden Bombardements fast keine Spur. Ueberall sorglose Gesichter Fröhlichkeit, Ausgelassenheit. Mit majestäti­scher Ruhe gehen die Eingeborenen durch die Straßen, bewaffnet mit einem großen Pferde sch weis als Fliegenwedel, und man kann beinahe den Eindruck be­kommen. daß sie weiter nichts interessiert als nur daraus zu achten, daß keine Fliege den Körper berührt. Solch einen Fliegenwedel, den man für einen bis zwei Taler ersteht, wird von Tag zu Tag ein immer unentbehr­licheres Objekt, denn jetzt, nach Beendigung der Regenzeit, treten die Insekten in geradezu erschreckender Zahl auf. Eine tote oder aber auch noch zappelnde Fliege in der Suppe oder im Whisky ist keine Seltenheit, und alte Afrikaner lachen über uns, wenn wir darüber entsetzt sind. Ja. sie prophezeien

^1, ttrlegslierleNt- erststter an cker »dessinisekeo krönt

Diese» 8ii<t reizt rleutiick, wie wenig bsneictenswert ctie l-ags sine, tkrisgs- derickterststters ist, cker äen 2eitungs- lesern in stier Welt ktis Vorgänge sn cker sbessiniscken krönt vermittelt, kr Vst Deckung Vinter einem ksmei ge­nommen unck ist, so gut wie e, gebt, ckurck Ossmssks u. I'ropenveim ge- sevütrt. NV.-TimeS.