Nr. 2b'L

Nagolder TagblattDer Gesellschafter

Mittwoch, den 13. November 1S3S

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Nie MMlimBm« des B»M

nende, lröpsenöe Stille stiyrke unser Weg.

Hein flüsterte leise und nahm mich bei der Hand.Komm, da runter müssen wir! Da unten ist die Quelle."

Welche Quelle denn?"

!Das weißt du nicht? Tie Quelle mit den - sieben Buschwindröschen? Dort ist doch der Gesundstem zu finden, der rote Wunderstein, der die Mutter wieder gesund macht."

Ach ja. eben! Wie ich das vergessen > konnte!" erwiderte ich und nickte mit dem Kopse . . .

Dann standen wir vor der Quelle, die leise j gurgelte und seltsam, fast Hab ich nach dem roten Wunderstein gesucht! Es waren genug Steine auf klarem Grunde, aber nicht der Gesundstein, aus den es uns beiden an- i kam. Das betrübte uns sehr. Hein und mich. Und ein tiefes, hilfloses Schweigen kam über uns.

Nach einer Weile flüstert Hein.Wieder nichts!" sagte er und weinte fast.So oft Hab ich schon gesucht und immer vergeb­lich!"

Da kam mir ein glücklicher Einfall. Junge", sagte ich,so können wir den Ge­sundstein auch niemals finden. Erst muß ja der weiße Hirsch aus der Quelle getrunken haben!"

Wann tut er das?" fragte Hein lebhaft.

Samstag nach Mitternacht! Genau sechs Stunden danach wird der rote Stein sicht­bar. Den Zeitpunkt brauchen wir nur ab­zupassen."

Hein schlug einen Purzelbaum. Heimwärts war er wieder der fröhliche, ausgelassene Junge. Er schnellte Neste hoch, daß sie Pfei­fend die Luft zerhieben. Er fing eine Eidechse j und zeigte sie mir . . . , j

Der ersehnte Samstag kam heran. Als ! wir am zeitigen Morgen unterwegs waren ! kroch uns eine seltsame Feierlichkeit über dev Rücken. Noch schlafend lag die Landschaft in- ! roten Dämmerlichte. Nur die Vögel waren wach, seidengrüne Finken schwatzten laut, und eine Drossel sang einsam im Gebüsch.

Hein fieberte, als wir vor der Quelle stan­den. Er blickte mich immerfort an aus gro­ßen. ängstlichen Kinderaugen, ich glaube, ^er zitterte leise während ick) ihn heimlich be­trog und ein rotes Glasstück in das Wasser j warf. !

Die ersten Sonnenstrahlen brachen durch ^ die Bäume. Wie in Gold gebadet stand Hein -vor mir und wartete, bis meine Uhr die, große Stunde anzeigte.

Und Hein fand den Gesundstein! Er jubelte -und schrie und hielt ihn mir ganz dicht unter die Augen.Da da ich Hab ihn!"

Du Glücklicher!"

Und sieh nur. wie er glänzt!"

Aber Prächtiger als der Stein funkelten die Auaen meines kleinen Freundes, und ich

begriff: das glaubensstarke Kinderherz Heins war der echte Gesundstein, der Wunder wir­ken konnte-

Leise rauschte der Wald. Ein Rotkehlchen sang über unS, und die Sonne stieg höher und höher am Himmel empor. In den Grä­sern dampfte der Morgentau.

im trauten keim

darf unsere Zeitung nicht fehlen!

Kettelten Sie nock deute!

-- E -

Humor

Nennt mir ein Werk von Eichendorf", ver­langt der Lehrer in der Schule.

Meldet sich Fritzchen:

Aus dem Leben eines Taugenichts".

Gut. Zu welcher Gattung von Dichtungen gehört dieses Werk?"

Fritzchen sinnt nach. Dann meint er in Brustton der Ueberzeugung:Es ist ein Selbstbiographie".

Endlich hatten die beiden den Gipfel des Ber­ges erklommen, und das gewaltige Panorama lag zu ihren Füßen.

Oh, nun haben wir das Glas zu Hause ver- vergessen!" rief sie ärgerlich aus.

Laß man, Schatz!" beruhigte er sie, während er den Rucksack auspackte.Es ist ja sonst nie­mand hier. Wir können ruhig aus der Flasche trinken".

Mama zum künftigen Schwiegersohn:Ilse kann so gut kochen wie singen!"

Machts nichts, liebe Mama, wir gehen ja ohnehin ins Restaurant essen!"

Arzt:Was Ihnen fehlt, ist Bewegung! Viel Bewegung!"

Aeltliches Fräulein:Aber ich gehe fast jeden Abend aus. zu Tanzvergnügen!"

Arzt:Das ist es ja eben! Das viele Sitzen bekommt Ihnen nicht!"

Die Sozialreferentin des Ober, gaus 20 schreibt uns: Nach den Worten des Führers wird das Dritte Reich nur bann Bestand haben, wenn es sich wieder auf die Grundlagen seiner Kraft, auf sein Bauern­tum besinnt. Wir Mädel haben nun die Pflicht, dem deutschen Bauern zu helfen, da es ihm oft an geeigneten Arbeitskräften fehlt. Wir müssen vor allem der Bauernfrau als treue Helserinnen zur Seite stehen. Die Landsrau hat neben ihrer täglichen Arbeit und den Sorgen um ihre meist zahlreiche Familie, nicht viel Zeit übrig, vollkommen unerfahrene, wenn auch arbeitsfveudige Mä­del in Haus-. Feld- und Stallarbeit einzu­führen.

Wir wollen der Bauernfrau eine wirkliche Hilfe geben, die bei jeder Arbeit gleich mit zupacken kann und nicht erst angelernt wer­den muß. In unseren Umschulungslagern werden die Mädle mit allen vorkommenden bäuerlichen Arbeiten vertraut gemacht. Gleichzeitig wird den Mädeln der Uebergang von dem aufreibenden Leben der Stadt in das neue und andersgeartete Arbeitsgebiet des Bauern erleichert. In der Arbeits­gemeinschaft, wo die Mädel als Kamera­dinnen Zusammenleben, werden alle Schwie­rigkeiten der ungewohnten Arbeit und Lebensweise besser und leichter überwunden.

Im Lager sind die Mädel in Arbeitsgruppen aufgeteilt, u. zw. in eine Haus-, Wasch-, Näh-,

Küchen- und Gartengruppe. Jede Umschüler:» arbeitet in allen Gruppen eine bestimmte Zeit mit. Während die Hausgruppe das Haus von oben bis unten sauber zu halten hat, sind in der Waschküche täglich 4 oder 5 Mädel beschäf­tigt. Wieder andere nähen und flicken ihre Lagerkleider und fertigen Wäsche aller Art an. Auch Hand-, Bastei- und Webarbeiten werden verfertigt. In Küche und Garten lernen die Mädel all das, was sie wissen müssen, um einen Haushalt führen zu können. Neben der land- und hauswirtschaftlichen Ausbildung der Mädel wird auf die weltanschauliche und kör­perliche Schulung großer Wert gelegt. Die Freizeit wird gemeinsam unter Leitung der Lagerführerin verbracht und im Sinne unserer nationalsozialistischen Mädelerziehung gestaltet.

Die Einweisung ins Lager erfolgt durch die Arbeitsämter. Daher sind Anmeldungen ins Ilmschulungslager beim zuständigen Arbeits­amt einzureichen. Nach llwöchiger Lagerzeit kommen die Umschülerinnen in feste, freie Arbeitsstellen der Landwirtschaft oder in die Landhilfe. Bei der Vermittlung der Arbeits­ämter auf Grund der Anordnung über die Vermittlung von Arbeitskräften ist der Land­helferinnenbrief dem Arbeitspaß gleichgestellt. Den Landhelferinnenbrief erhält jedes Mädel nach einem Jahr Landhilfe einschließlich Lager- zeit. So wollen wir dem Mangel an Arbeits­kräften auf dem Lande abhelfen. Städter und Bauer sollen sich kennen und verstehen lernen.

8ie kacken iin Kar­ten, versorgen die ttiikner mit Butter a. auck die braune stuk wird aus dein 8tsII gekcdt. Neu­gierig sebnuppert sie an dem 8pslt- block Kerum, auk dem eben eine Itokr kackt, aber nickt nur im dreien, auck im Uaus sind sie am zVerk. Os wird genäkt u. gestrickt. (Alle Photos: Motz.,

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48. Fortsetzung.

Ein schmerzlicher Blick traf den Pfarrer. Der stand am Fußende, seine Hände umkrampften die Vettkante. Er nickte stumm.

Aber noch ein anderer nickte stumm, der dort plötzlich, allen unsichtbar, im Zimmer stand, der hagere Gast . . .

Er ging mit lautlosen, großen, drehenden Schritten auf das Bett zu. beugte sich über Hinnerk; er fand alles so, wie er es sich gedacht.

Dann stellte er sich neben das bis zum Boden gehende große Fenster und wartete . . .

Der Kranke war unruhig geworden. Die Schwester schob ihm ein Kissen hinter den Rücken. Das brachte Erleichterung.

Es ist kein Wunder, lieber Hinnerk, wenn unser ver­grämtes Volk zuweilen den Mut verliert und ungeduldig gegen die Tore der Zeit trommelt!" sprach der Oberpfarrer.

Aber gerade die Zeit . . - die Zeit ... ist heute unser Helfer," flüsterte der Kranke.

Der Tod am Fenster hörte die Worte. Er wollte die Stirn runzeln, doch der weiße Schädel blieb glatt und faltenlos Sv grinste er vor sich hin:Ihr habt wirklich Zeit genug. Zwar nicht soviel wie ich: aber für euch könnte sie gut reichen. Aber sie langt nicht . . . ihr stürmt von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Bilanz zu Bilanz, von Saison zu Saison, der Arbeiter, der Angestellte, der Kaufmann, der Künstler, ihr rast von Zahltag zu Zahltag. Der gibt den Takt an, schreibt das Tempo vor . . " sagte der Tod für sich, drehte noch einmal die Sanduhr um und wandte den Kopf prüfend zum Kranken hinüber.

Der lag wieder eine ganze Weile still. Die Hände fuhren unruhig auf der Decke hin und her.

Die Tage werden kommen, Hinnerk," fuhr Memhoid fort, «da unser armes Volk wieder mit freierer Brust großen Zielen leben kann und sich endlich wieder der Zeit wahrhaft be­wußt wird!"

Der Kranke nickte mit geschlossenen Augen. Der Tod am Fenster sah dem Verrinnen des Sandes zu.

Schön gesagt: Der Zeit bewußt . . . aber vorläufig seid ihr alle zeitkrank, ihr nennt es Tempo; ich, der Tod, nenn« es die Seuche eurer Tage . . . diese Angst vor der Zeit, jenes Schaudern vor dem Huschen der Sekunden. Ueberhaupt eure Uhren! Sie rackern sich ab, sie ticken und tacken fleißig, sehr fleißig, sie fressen die Zeit ewig hungrig, und wenn sie sich überfressen haßen, werft ihr sie in die Rumpelkammer,

uno me neuen uyren stürzen stch gierig aus me Zern Bleie schlagen sogar. Ich lobe mir meine Sanduhr. In ihr rinnt die Zeit lautlos und sauber ..."

Es war ganz still im Zimmer geworden Das rastlose Rieseln des Sandes in jenem Stundenglas«, das eine knochige Hand hielt, war nicht hörbar für menschliche Ohren.

Da schlug der Sterbende noch einmal mühsam die Augen auf und winkte mit matter Bewegung Robert ganz dicht zu sich heran. Leise hauchte Hinnerk Hartroth dem Neffen zu:

Weißt du, was ich gern noch erlebt hätte?"

Robert schüttelte den Kopf. Der Alte winkte mit den Augen auch die beiden Freunde zu sich heran:

Ich möchte zu gern sehen, was die Michelstedter Parla­mentarier mit meinem Testament anfangen!"

Die drei sahen sich fragend an.

Ob sie wohl diesmal einig sind?"

Sicher. Onkel!" sagte Robert, obgleich er die Frage nicht verstand.

Das feine, weltweise Lächeln verschwand nicht um den Mund des greisen Herrn, als der Tod die abgelaufene Sand­uhr in den hänfenen Gürtel steckte und auf das Bett zutrat.

Der Arzt hatte das Ohr auf die Herzgrube seines Freundes gelegt. Die Schwester hielt den Arm und suchte den Puls . . . suchte . - . suchte . . .

Der Tod aber sah, wie der Sanitätsrat unter den schnellen und sicheren Handreichungen der Schwester die kleine Glas- phiole aufbrach, wie er die haarfeine Spritze in den Kampfer tauchte .

Da wurde es dem Tode doch zuviel. Unmerklich schob er den Arzt beiseite und beugte sich über den Kranken. Als er ihm die kühle Hand auf die Stirn legte, streckte sich Hinnerk Hartroth . . . und war es ganz zufrieden.

Langsam, mit großen, drehenden Schritten, verließ Freund Hein das Zimmer.

' Hinnerk Hartroth lag tot . . .

Es war Ultimo des Monats.

11 .

Schon am nächsten Morgen fuhr Robert, gemäß dem Wunsche des Verstorbenen, zum Amtsgericht.

Er saß in dem nüchternen Raume, übermüdet, abgespannt, ihm gegenüber der alte Amtsrichter, über die Brillengläser blickend.

Die Formalitäten waren schnell erledigt. Nunmehr nahm der Beamte einen großen versiegelten Umschlag aus dem Pult, zeigte Robert das unverletzte Siegel, erbrach es und las:

Michelstedt, den 10. Juni 1927.

Mein Testament.

Ich. Hans Hinnerk Hartroth. Rentner.m Michelstedt.

setze hiermit meinen Neffen, den Kaufmann Karl Robert Hartroth, derzeit wohnhaft zu Valparaiso, zum alleinigen Erben meines gesamten Nachlasses ein."

Der Amtsrichter hielt inne und sah prüfend zu Robert hinüber, dann fuhr er fort:

Mein Neffe hat jedoch die Verpflichtung, folgende Vermächtnisse und Legate an die Berechtigten alsbald abzuführen:

Erstens: An die Städtische Armenkasse zu Michelstedt vierzigtausend Mark . . ."

Der Amtsrichter rückte aufgeregt an der Brille, immer wieder blickte er auf den Text, endlich fuhr er fort, staunend, langsam und jedes Wort betonend:

Zweitens: Mein Grundstück, Parkstraße 4, mit Park, Schloß, Wohnhaus für die Bediensteten und allen Neben­gebäuden, dazu noch fünftausend Mark für die Ein­richtung einer Dampfheizung im Hauptgebäude an di« Stadt Michelstedt."

Der Amtsrichter drückte Robert warm die Hand. Dann kam der nüchterne Jurist wieder zum Durchbruch:

Ja, Herr Hartroth. ich würde Ihnen raten, sogleich dem Herrn Bürgermeister von der Schenkung Ihres Onkels an die Stadt Mitteilung zu machen!"

* *

Der Bürgermeister in seinem getäfelten, altertümlichen Amtszimmer drüben auf dem Rathause starrte eine ganze Weile auf den Testamentsauszug. Schließlich sprang er auf, eilte auf Robert zu und schüttelte mit beiden Händen seine Rechte. Zunächst verschlug dem sorgenbelasteten Stadt­oberhaupt die Rede. Dann aber übersprudelten Dankesworte gleich einem stürzenden Wasserfall den jungen Erben.

Dem Magistrat darf ich von dem Vermächtnis sofort Mit­teilung machen? . . . Sie verstehen, Herr Hartroth, bei der Wichtigkeit der ganzen Angelegenheit. . ."

Es ist mir sogar recht angenehm, wenn die Stadt das Vermächtnis so schnell wie nur möglich antrüt!"

Als der Bürgermester die schwere, alte Eichentür hinter Robert geschlossen hatte, ging er auf und ab, rieb sich höchst vergnügt und zufrieden die Hände und sann vor sich hin. Ludewig, der ein Aktenstück hereinbrachte, sah seinen Herrn höchst erstaunt an und verkündete draußen den Stenotypi­stinnen im Vorzimmer, daß diedicke Luft", die in letzter Zeit im Amtszimmer geherrscht hatte, einem sanften Säuseln ge­wichen sei; es scheine der Herr Bürgermeister schon jetzt am Vormittag einengepfiffen" zu.haben.

Fortsetzung folgt.