Nr. 217

Dienstag, 17. September 1935

109. Jahrgang

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Die Aufgaben der Partei und des Staates

Grundlegender GeschüWanW des Mrers beim Echlußkongreß des Parteitages der Freiheit MZ in Nürnberg

Nürnberg, 16. September.

Der Andrang zu der letzten Tagung des Kongresses mit derSchlutzansprache des Führers ist unbeschreiblich. Der grandiose Abschluß des Reichsparteitages des vorigen Jahres mit der epochalen Führer- redc haftet noch so lebhaft in aller Erinne­rung, daß sich niemand die Gelegenheit, den Führer zum letztenmal auf dem Parteitag der Freiheit sprechen zu hören, entgehen las­sen wollte.

Schon Stunden vorher sammelten sich die Kongreßbesucher auf dem geräumigen Vorfeld, und alle Einlaßpforten waren dicht umlagert. Alls um 5.30 Uhr geöffnet wurde, war innerhalb weniger Minuten die ge­samte Halle bis auf den letzten Platz besetzt, und die Absperrmannschaften hatten Mühe, die ersten Zuhörerreihen, die für die Ehren­gäste der Partei, die nicht der Partei ange­hörenden Reichs- und Staatsminister, das Diplomatische Korps, die hohe Generalität und Admiralität, die Schwerkriegsbeschä­digten und die Angehörigen der gefallenen Freiheitskämpfer bestimmt waren, freizu­halten. Die Türen mußten wegen völli­ger Ueberfüllung der Halle so­fort wieder geschlossen werden. Auch die in- und ausländische Presse hatte sich vor­zeitig eingefunden, um sich gute Plätze zu sichern.

Die Erwartung auf dem Höhepunkt

Die Halle bot im Tageslicht, das durch die Stoffverkleidung der großen Fenster in den festlichen Raum drang, ein eigenartiges, fast mystisches Bild. Wenige Minuten vor Beginn wurde dann die indirekte Beleuch­tung wieder eingeschaltet, und nun über­fluteten wieder warme Lichtwellen wohl­tuend die in Rot, Elfenbein und Gold mei­sterlich abgestimmten Flächen. Je näher es auf den Beginn der Tagung geht, umso lebhafter wurde das Stimmengebrause in der Halle, um so höher geht die Freude und gespannte Erwartung. Auf dem großen Podium sind die Plätze des Führerkorps noch frei, das den Führer am Eingang der Kongreßhalle erwartet und in den Saal ge­leitet. -

Zur festgesetzten Zeit erscheint, vom über­stillten Haus, dessen Fassungsvermögen nun bis in die äußersten Ecken ausgenutzt ist. mit einem enthusiastischen Ju­bel begrüßt, der Führer, begleitet von seinem Stellvertreter Rudolf Heß und Gauleiter Streicher, hinter ihm die Reichs- und Gauleiter, die Gruppen- und Obergruppenführer der SA. und SS., die Gebiets- und Obergebietsführer der HI. und die Hauptamtsleiter der Gliederungen der Bewegung. Zum letztenmal auf dem Parteitag'der'Freiheit ziehen dann unter den Klängen des Nibelungen-Marsches die ruhmreichen Standarten in feierlichem Auge, geführt von der Blutfahne und der Leibstandarte Adolf Hitler, in die Halle, von den weit über 30 000 Kongreß­besuchern mit erhobener Rechten be­grüßt.

Dann erklingt Wagners Rienzi-Ouverture vom Reichssymphonieorchester meisterhaft ge­spielt. Erneute Fanfarenklänge erfüllen den Raum. Der Stellvertreter des Führers, Rudolf Hetz, tritt an das Pult:Der Kongreß

nimmtseinenFortgang, esspricht

der Führer!"

Ein erneuter Oickin des Jubels schlägt dem Führer entgegen, der zunächst seine Schlutz- rode nicht beginnen kann. Immer wieder neue Heilruse schallen ihm entgegen.

Die Schlußrede des Führers

Parteigenossen «rd Parteigenossin-neu! Nationalsozialisten!

Welche Zeit könnte uns mehr verpflichten, den Blick von den Vorgängen und Erschei­nungen einer begrenzten Gegenwart hinweg in die Vergangenheit und Zukunft zu richten, als die Woche des Reichsparteitages. Denn was diese Tage auch alles an berauschenden Eindrücken umschließen, das ergrei­fe n d st e ist für uns alle aber immer wie­der die Erscheinung unseres Vol­kes, die wir in unserem ganzen Leben nie und nirgends besser und erfreuender wahr­nehmen können als hier. Wen bewegt nicht das Gefühl, daß in diesen Stunden Hundert­tausende an unseren Augen vorbeimarschieren, die nicht Einzelwesen sind der Gegenwart, sondern zeitloser Ausdruck der Lebenskraft unseres Volkes, aus

der Vergangenheit kommend und in die Zu­kunft weisend. Sie sind die Boten des geschicht­lichen Seins der deutschen Nation!

In ihrer strahlenden Jugend sehen wir einen sichtbaren Garanten derunverdor- benenLebenskraftunsererRasse. In diesen Hunderttausenden von Männern aber fühlen wir Zeugen des strotzenden Lebenswillens. So ist unser Volk durch Jahr­tausende seinen Weg gewandert, und indem wir vorübergehend das Auge schließen, ver­meinen wir de» Marschtritt zu hören all jener, die unseres Blutes waren aus grauer Vorzeit. Und wir glauben ihn in seinem Verklingen noch zu hören in der fernsten Zu­kunft.

Das kwiae Ltbm unims Nolkks

Diese erhabene Demonstration des ewigen Lebens unseres Volkes ist daher geeignet, urei mit den Fragen zu beschäftigen, die sich über die Aufgaben des Tages und der Zeit er­heben und denen eine ewige Bedeutung zu- kommt. Wie ist es möglich, daß dieses Volk, dessen Marschtritt so selbstsicher und un­erschütterlich zu sein scheint, in der Geschichte so oft seinen Weg verfehlen konnte? Sind die bitteren Ereignisse im Leben der deutschen Nation nur die Folgen einer Unfähigkeit, die Probleme des Lebens zu meistern, liegen ihre Ursachen in mangelndem Mut, in der fehlen-, den Opferwilligkeit oder in der Unfähigkeit, große Entschlüsse zu treffen?

Nein! Es gibt wohl kein Volk, das für die Erhaltung seiner nationalen Existenz mehr Mut einsetzen mußte, als das deutsche. Wohl von keinem Volk hat das Schicksal größere und schmerzlichere Opfer gefordert, als dem unseren. Aus seinen Reihen heraus wurden Entschlüße geboren, die zu den kühn­sten gehören, was menschlicher Wagemut je unternehmen mochte. Wir selber sind Men­schen, die das Verhängnis Zeugen sein ließen eines wahrhaft tragischen Opfers an Blut,

unerschütterlicher Tapferkeit der Lebenden, stoischer Aufopferung der zum Sterben be­stimmten, grenzenloser Kühnheit des Wol- lens und des Entschlußes großer Heerführer.

Opfer auf dem Mar der Nation

Nein! Keine Nation hat auf dem Altar des die Völker prüfenden Gottes größere Opfer nieder­gelegt als die deutsche. Und dennoch mußten wir selbst es erleben, wie gering ihre geschichtliche Würdigung aussiel. Gemessen an den Erfolgen anderer Völker find die Ergebnisse des Ringens um das deutsche Schicksal tief beklagenswerte. Indem wir diese Tatsache ohne jede Selbsttäu­schung erkennen, legt uns die Sorge für die Zukunft unseres Volkes die Verpflich­tung aus, ihre Ursachen zu erforschen. Denn eine solche Erscheinung kann nicht abgetan werden mit dem einfachen Hinweis aus fehlende große Männer, so wenig als der fortgesetzte Erfolg einer Nation das Ergeb­nis sein kann einer fortdauernden Folge von Genies. Nein!

Die Tragik in Deutschlands Geschichte

Der tiefste Grund dieses geschichtlichen Versagens liegt in der leider so oft in Er­scheinung tretenden Schwäche des inneren Zusammenhanges und damit Halte der Ration, sowie in einer oft zufällig und zwangsläufig fehlerhaften Konstruktion unserer staatlichen Verfassung. Die Nach­prüfung des geschichtlichen Werdeganges unseres Volkes vermittelt uns eine Reihe bitterer Erkenntnisse.

1. In der Zeit, da die Deutschen das erstemal geschichtlich sichtbar für uns Nach­kommen in Erscheinung treten, find sie wohl blutsmäßig eine große Familie, allein in ihrer Einsicht und Empfindung ikiu Volk. In ihrer geschichtlichen Ueberlieserung, in ihrer Lebensgewohnheit und in ihrer Sprache sind die deutschen Stämme dieser Vorzeit so voneinander verschieden, daß nur wenigen besonders begnadeten Helden die Möglichkeit einer Zusammenfassung dieser Volksstämme in eine, wenn auch nur politische Volksein­heit als traumhaftes Ziel erschien.

Wollen wir uns wundern, die wir selbst noch im Jahre 1933 mit StammeS-und Länderauffassungen und Neber- lieferungen und Traditionen zu kämpfen hatten, wenn einem Cheruskerfürsten der Versuch, die deutschen Stämme zu einigen, «nr für die Dauer der sie alle gemeinsam ^drohenden höchsten Not gelang. Die bluts- mätzM Zusammengehörigkeit dieser deut­schen Stämme mochte bei manchem eruzelneu

unter fremder Bedrohung wohl als Einsicht herrschen, sie fehlte aber als eine Erkenntnis des Natürlichen und damit Notwendigen der Gesamtheit so gut als vollkommen. Weder eine geistige noch eine organisatorisch-poli­tische Gemeinsamkeit bestand, die stärker ge­wesen wäre als die Gefühle der stammes­mäßigen Gebundenheit. Daß der erste uns überliefertedeutscheEinigungs- versuch noch zu Lebzeiten des verwegenen Helden scheiterte, ist uns bekannt, aber nur wenigen kommt dre Tatsache zum Be­wußtsein, daß in den Stürmen der Völker­wanderung, also kaum 300 Jahre später, die Geschichte schon nicht einmal mehr be­stimmt die einzelnen Bestandteile dieser ersten Zusammenfassung Deutscher überhaupt auch nur wiederfindet.

Aus dieser Tatsache können wir folgende Erkenntnis ableiten, daß nämlich die Zusam­menfügung der Angehörigen der damalige« deutschen Stämme zu einer Nation nicht über den Weg einer bewußten oder gar gewollten Volkwerdung, sondern nur über den Weg einer aus andere» Absichten angestrebten Staats­bildung zu erreichen war. D. h. also, die erste staatliche Zusammenfügung deutscher Men­schen konnte nur über einer Vergewaltigung des volklichen Eigenlebens der einzelnen deut­schen Stämme Zustandekommen. Damit trat aber auch so lange ein Gegensatz zwischen Staatsorganisatiou und individuellem Volks­tum ein, als nicht die Deutschen vo-n bewuß­

ten Angehörigen ihrer Stämme zu bewußten Angehörigen einer Nation wurden. Ein harter und für viele Jahrhunderte schmerzlicher Prozeß. Unzählige individuelle Fähigkeiten und Symbole sind ihm zum Opfer gefallen. Man kann sie im einzelnen vielleicht bedauern, aber man soll nicht die Geschichte-verdammen, weil der Weg, der von Dutzenden deutscher Stämme zu einer einzigen deutschen Nation führte, als mehr oder minder harte Vergewal­tigung über zehntausende und oft so wertvolle Gefallene" und Traditionen ging und gehen mußte. Es ist daher auch falsch zu weh­klagen über die eigenreligiösen und eigen st aatlichen Opfer, die die­ser Weg der deutschen Volkwerdung erforderte.

Was in diesen Jahrhunderten fiel, es mußte fallen.

Es ist auch nicht richtig, die inneren Be­weggründe jener analysieren zu wollen, dir uns als die Gestalter der ersten größeren und großen deutschen Staatsgebilde in die Augen fallen und uns bekannt sind. Die Vorsehung, die wollte, daß aus den deutschen Stämmen ein deutsches Volk wird, hat sich ihrer bedient, um diese Volkwerdung zu voll­ziehen. (Beifall.) Wer will von uns die innere Seele, ihre Gedanken und treibenden Kräfte jener großen germanischen Kaiser ent­hüllen oder gar analysieren, die mit hartem Schwert über die einzelnen Stammesschick­sale hinweg nach einer größeren Zusammen­fassung deutscher Menschen strebten! Und es ist wieder eine Fügung der Vorsehung, daß sich ihnen zwei Hilfen anboten, ohne die sicherlich die germanische Staatengrün­dung und damit die Voraussetzung zur deut­schen Volkwerdung entweder überhaupt nicht gelungen wäre oder bestimmt nicht in dieser verhältnismäßig kurzen Zeit. Denn uns tre­ten. ja die Völker ins geschichtliche Blickfeld,' wenn sie sich, und zwar als organisatorische Einheit, anschicken, den Zenit ihrer Kraft, ihres Lebensdranges und ihrer Lebensaus­wirkung zu erreichen. Die Dauer der voraus­gegangenen Entwicklung bleibt meist verbor­gen. Ohne den Blick aus die antiken Staaten des Altertums und ohne die weltanschauliche Hilfe des Ebri- stellt ums würden keine germanischen Staatenbildungen zu jener Zeit denkbar ge­wesen sein. Das Schicksal Europas aber und der übrigen Welt wäre, soweit es sich um die weiße Rasse handelt, dann nicht ausdenk­bar und heute jedenfalls nicht vorzustellen.

Gegenüber den ausschließlich divergieren­den Tendenzen der einzelnen Stämme bot sich im Christentum die erste bewußt emp­fundene und betonte Gemeinsamkeit. Es gab damit eine mögliche religiös-weltanschauliche Basis ab für den Ausbau einer Staats­organisation, die stammesmäßig nicht ein­heitlichen Charakters war und sein konnte. Dieser Weg war aber geschichtlich notwendig, wenn überhaupt aus den zahllosen deutschen Stämmen am Ende doch ein deutsches Volk kommen mußte. Denn erst auf dieser, wenn auch zunächst nur religiös und staatlich ge­schaffenen Plattform konnte im Lause vieler Jahrhunderte die Abschleifung und

Ilebenvmdnng der ausschließlichen Skammeseigenarken

erfolgen zugunsten neugefundener, wenn auch blutsmüßig ursächlich vorhandener Ele­mente einer gemeinsamen Herkunft und da­mit einer inneren Zusammengehörigkeit. So wie aber jede Geburt mit Schmerzen verbun­den ist, so ist auch dieGeburtvonVöl- kern nicht schmerzlos. Wer will d« Geschichte anklagen, daß sie einen Weg ging, den die Vorsehung nicht bester wählen konnte, um am Ende das von uns Anklä­gern selbst erwünschte Ergebnis zu fordern und zu erreichen. Es war daher in dieser

(Fortsetzung siehe Seite 9)