Seite 8 — Nr. 213
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter'
Donnerstag, de» 12. September 18U
Don Günter S ie b e r t <-München
Gerade, als der Bauer Philipp aus der Tür trat und in den dämmernden Abend schaute, wie der Nebel sich in die Wiesen senkte und über die braunen Aecker dampfte, fuhr ein weißer Wagen an ihm vorbei, schoß in rasender Fahrt über die Landstraße.
Eine blonde Frau saß am Steuer. Philipp konnte noch sehen, wie ruhig ihr Körper in dem Leder saß.
Da brach ein Peitschendes Bersten über die Straße, dann ein ohrenbetäubender Krach und zugleich ein kurzer Schrei. Philipp hörte den Schrei, hörte, daß Angst und Schmerz darin lagen, und rannte in mächtigen Sätzen die Straße hinunter. Als er hinter dem Bogen war, der die Straße um seinen Acker führte, sah er den zertrümmerten Wagen halb im Graben liegen. Der junge Bauer suchte eine Stelle, wo er anpacken konnte. Da hörte er Plötzlich ein leises Stöhnen. Er sah ein blondes Mädchen an einem Steuer sitzen, sah einen schmalen, leicht vornüber gebeugten Körper. Er faßte die Räder, krallte seine Hände in die Speichen und zog mit seiner ganzen, riesigen Bauernkraft. Der Wagen blieb in seiner Lage. Da stemmte Philipp "seine Schulter unter eine Achse und mit verbissener Gewalt drückte er den Wagen Stück für Stück in eine andere Lage.
' Dann hob er sie heraus.
Aus ihrer Stirn sickerte ein roter Blutfaden. Bei jedem Atemzug zuckte der ganze Körper. Der junge Bauer trug die Frau in sein Haus. Unterwegs sah er sie an. Wie schön sie ist, dachte er.
Er hatte die Bewußtlose auf sein Bett gelegt und seine Frau zum Torsarzt geschickt.
Sie öffnete die Augen. Müde und schwer. Blickte ihn an mit großen und verträumten Augen. Philipp merkte die Frage, die in ihnen stand. „Sie sind gut", bedeutete er. „und es wird alles gut."
Als er draußen näherkommende Schritte hörte, tat er etwas ganz Seltsames, der Bauer Philipp. Er hatte braune Hände mit Schwielen. Und da hinein nahm er den blonden Kopf und küßte einen schlafenden Mund.
Dann trat der Arzt ein. Er untersuchte und prüfte die Wunden. „Es ist nicht sehr gefährlich", sagte er dann, „aber sie muß sechs bis acht Wochen die strengste Ruhe wahren, und das Beste für sie wäre, wenn sie hier bei Ihnen bleiben könnte, Philipp."
Als Philipp am andern Morgen in ihr Zimmer trat, fragte sie ihn mit einer schwachen und angestrengten Stimme, wo sie denn eigentlich sei. „Ja", sagte er, „das Torf hier heißt Talhausen, und ich bin Philipp." Was sollte er jetzt noch sagen? „Ja", sing er wieder an und versuchte dabei ein wenig zu lächeln, „es hätte bald schief gehen können. Aber der Doktor meint ja. in acht Wochen könne alles wieder gut sein. Ja, ja, in acht Wochen. Nur ruhig liegen müßten Sie. immer nur ruhig liegen müßten Sie." Er fühlte, wie ihm das Sprechen schwer wurde, und er schwieg. Ein warmer Glanz aus ihren Augen traf ihn. „Und wenn ich —
wieder gesund bin-, dann will ich Ihnen
alles wieder — gut machen."
Ueber Philipps Aecker strahlte die Sonne. Lerchen stiegen in den Himmel. So wurde dir Zeit für die Verwundete ein guter Arzt, und bald konnte Philipp das blonde Mädchen an seinen Arm nehmen und durch seine Felder und Wiesen führen. Einmal, als sie gerade zwischen roten und blauen Feldblumen saßen, kaum ein Laut im Mittag stand, tat sie die große brennende Frage. Er hatte Angst vor dieser Frage gehabt. Angst, seit dem ersten Tag. Jetzt stand sie vor ihm, ganz dicht und hart. „Wann bin ich frei?" fragte sie. Zögernd klang ihre Stimme. Philipp
glaubte sogar ein Zittern zu spüren. Ein Schmerz wuchs in ihm empor, heiß und groß. .Warum bist du eigentlich gekommen?" dachte er bitter. „Ich bin ein Bauer, und du bist ein fremdes Mädchen. Weißt du. daß ich dich so liebe wie diesen Acker hier?"
In der Ferne rollte ein Zug über die Schienen. Philipp hörte sein Rattern und hörte, wie es immer leiser und schwächer wurde. Immer leiser. Dann war es verschluckt. Der Abend senkte sich. Philipp sah m das Dunkel. Dort war der Zug verschwunden. Mit ihm ein blonder Mädchenkopf, große, fragende Augen, ein zarter Mund. Wild kam es über den Mann und warf ihn zu Boden, aus seinen Boden.
Durch die Wiesen kam eine Gestalt. Der Schatten tanzte auf den Gräsern. An einem Feld blieb die Gestalt stehen. Die Blumen waren hier an einer Stelle zerdrückt. Ein Bauer saß am Feldrand. Der Kopf war in die Hände gestützt. Die Frau legte die Hand auf die braunen Haare des Mannes, und ein Wort fiel schwer und stark von ihren Lippen. „Philipp."
Da hob der Mann den Kopf. Müde. Und sah in ein herbes Frauengesicht. Er nickte langsam. „Es ist schon gut so", sagte er.
Um den Grenzsee
Skizze von Gerhard von Gottberg
Lichtschimmerndes Wasser hat der Grenzsee; Schilf und Weiden wachsen an seinen Ufern, wo die Kinder eines Bauerngeschlechts seit Urväterzeiten frohe Jugend erlebten. Die Rohrdommel nistet dort, und der Reiher streicht beutesuchend dahin.
In der niederen Stube des GrenzseehofeS haben Vater und Sohn zorndunkle Augen. Mit geballten Fäusten stehen sie voreinander, hören kaum das höhnende Lachen des Polen Bratzky, der am Fenstertisch vor dem Vertrag sitzt, der ihm heute den Grenzsee in die Hand geben soll. Bratzky ist von jenseits, wo fremde Faust zwischen Deutschen einen Abgrund zog, wo durch einen Federzug Blutsbrüder zu Volksfremöen gestempelt wurden. Bratzky braucht den See — der Altbauer Christian Düring dagegen Geld.
Aber da steht der breitschultrige Sohn vor ihm, der Zorn ballt ihm die Fäuste, die Adern hämmern; es ist nicht der Düringe Art, zu zagen, und Peter Düring ringt mit dem Vater im ganzen Trotz und hartwilligen Blutes: „Der Erbe kann fordern; ich stehe für Weib und Kinder und das Kommende! Der See bleibt unser!"
Doch der Altbauer lacht nur: „Ein Narr bist du! Ich bin der Bauer! Wenn du nicht schweigst, verjag' ich dich mit Weib und Kind wie einen Knecht!"
Bratzky reizt ihn: „Recht so! Du bist der Herr! Der Grenzsee bringt kein Geld — heute aber an die dreitausend gute, bare Mark."
Noch einmal reckt der Sohn sich auf. Das Feuer der Flandernschlachten hat ihn einst gehärtet, er fürchtet den Kampf nicht; er denkt an das Kleinod des Hofes, den Grenzsee. Der Ahn erzählte einst von ihm, daß er einmal als Lehen zur Oröenszeit die Düringfischer zu Düringbauern und Herren der Scholle werden ließ, daß die Mär umgeht: Verlieren die Düringe den See — dann auch ihre Scholle! Und üerSohu trotzt:„Vater! Not und Hypotheken sind nichts, wenn der See unser bleibt. Vergiß der Düringe Schwur nimmer.. Du ziehst mit Sicherheit den Fluch auf dich Herab. Die Toten sind Ankläger und die Kommenden Verflucher..."
„Und ein Bettler bist du — ohne mich!" rast der Alte, dieweil Bratzky vom Fenster kichert: „Recht so, Bauer! Gib's dem Jungen!"
Der Jähzorn umklammert des Bauern Sinne, ein Schlag peitscht in des Sohnes Antlitz: „Knecht du! Pack dich mit deinem Anhang, eh' ich die Hunde auf eignes Blut hetz'!"-
Es ist eine dunkle Stunde im Grenzseehof, da der einzige Sohn die Scholle verläßt und drüben beim Nachbarn eine junge Frau ihre Kinder umklammert, die heute ihre Heimat verloren.
^ Unter vieler Rubrik. Sie wir alle 14 Tage veröffentlichen, i-erven iämtltche bet uns einaehenbe» Säintivroben einer genauen aravbviogtschen Prüfung unterzogen, und zwar aeaen die geringe Gebiibr von 7S Pfennig in.Briefmarken, Die Schriftoroben müssen immerhin 10-20 gellen umfassen »ich ungezwungen aügiichst mit Tinte geschrieben sein. «Also keine Abschriften 'on Gedichten »iw» rankterter Briefumschlag für die Rückantwort bet,„fügen. Da niir"«n,cffie Beurteilungen hier ,um Abdruck kommen können, erfolgt fast durchgebend die Beantwort»«-, der Anfragen unmittelbar an die Einsender. Strengste Diskretion ist selbstverständlich ,„gesichert " Di» Erledigung ersolgt in der Reibe der EingSnae. meist in etwa 14 Tagen Äür umaÄend aewünschte Erled«aunaen erhöhen ffch die Bedingungen deS Unkostenbeitrages von y.7ö aut daS Dovvelte "ktl- anffraae dieser A t Kid mit dem Vermerk „dringend" ,n versehen - Die Einsendungen dir dt! genaue Adresse deS Absenders enthalten müssen, und ,u richten an: NS-Prelle Württemberg »bän Gravboloa,scher Briefkasten Stuttgart, ftriedrschstrake 13. Eirene Württemberg, «vtta.
Th. Sch. V14. Ja ich glaube fchon, daß diese Friede! ein ganz guter Weggenosse für Sie werden wird! Die kurzen stämmigen und gesunden Buchstaben marschieren ja mit wirklicher Kameradschaftlichkeit heran, lasten sich nicht leicht umwerfen, von keinem Ehrgeiz vorwärts jagen, und auch nicht mit irgendwelchen Fantastereien aus der Reihe bringen. Wenn eine Frau so schön begrenzte Ziele und Neigungen hat, sich dabei friedfertig und genügsam benimmt, so ist das doch recht angenehm. Alles geht so tapfer in die Wirklichkeit, freut sich am Gegenwärtigen, und schätzt nur das Wahrscheinliche und Sinnvolle. Die Zuneigungskräfte
müssen allerdings immer wieder etwas Anregung bekommen, denn die sind noch recht sparsam und werden besonnen und vorsichtig nachgeprüft. Aber, so ganz unbeirrbar, wie es nach der beherrschten Haltung ausfchaut. ist diese kleine Friede! doch nicht. Sie hat sich die schöne Gefaßtheit mehr anerzogen, und hier und da gibts vom unruhigen Herzschlag aus einmal ganz Plötzliche Entschlüsse, um die der Verstand nicht befragt wurde. Hinter diesen Kopfgesühlen führt das Herz doch sein sehr bewegliches Eigenleben und gibt, wenn auch bescheiden im Hintergrund, recht unermüdlich die Richtung an. — Es kann also sein, daß das kleine nüchterne Mädchen, aller sachlichen Besonnenheit zum Trotz, doch einmal etwas ganz Eigenwilliges anstellt.
Hans O. P. Erlaubt ist. was gefällt! Ja. Aber — wem gefällt? — Ich bin der Meinung daß Sie bei Ihrer anerkennenswerten Geschicklichkeit doch noch vieles anders machen sollten. Allerdings, im geistigen Getriebe fehlt es gewiß nicht, denn mit einer überraschenden Hurtigkeit finden Sie den Weg von einem Gedanken zum andern, und haben auch eine außerordentliche Begabung, sich Verbindungen zu Glück und Erfolg zu schaffen. Doch, die Gewandtheit geht ebenso wieder auf ganz wertlose Kunstfertigkeiten hin, und Sie gschafteln gern ohne wirkliches Ziel herum; einfach nur. um sich und Ihre Gescheidtheit in Bewegung zu setzen. Man kann Sie gar nicht iu Ruhe ansehen, denn die Rastlosigkeit hindert den Zuschauer sehr am freundlichem Derweilen, und auch die blankgeschliffenen kleinen Bosheiten, welche Sie immer gut zugespitzt auf Lager haben, machen Ihr Wesen nicht gerade harmlos und angenehm. Sicher gibt es wenig Menschen. die so geschmeidig wirken wie Sie. aber ganz gewiß viele, welche gewissenhafter sind. — Die Gesamtschau ergibt: ein junger Mann, sehr vermögend an Kopf und Herz, aber ohne daß dieser Besitz Zinsen trägt.
E. K. S. Sie schweben ja heiter bei mir zur Tür herein, mein lieber Emil, — und erwarten wohl eine ganz besonders abwechslungsreiche Stunde. Ihr Grundsatz, daß man die Hoffnungen immer aufmunternd anlächeln muß, ist gar nicht so dumm und
verrät mir eine recht gute Erfolgsbegabung. Auf jeden Fall haben Sie Ihre Unwiderstehlichkeit damit ganz schön in Schwung gebracht, und der Glaube an diese Unwiderstehlichkeit ist um vieles größer als irgendwelche Antriebskraft zu kühneren Taten. Sie lieben mehr die gutgeheizte Bürgerstube als daß Sie auf stolzen Höhen einsame Ideale aufbauen wollen; und für vorübergehende Herabgestimmtheiten genügt Ihnen zur Seelenmedizin das Bewußtsein Ihrer wohlgeordneten Verhältnisse. Ihre Sorglich- keit in materiellen Dingen ist gut, und Sie haben sich da anscheinend einen soliden Untergrund geschaffen. In dieser selbstzufriedenen Verfassung sind Sie auch traulichen Stimmungen ganz zugänglich. Aber die müssen ohne Leidenschaftlichkeit sein und sollen Ihnen nett und bequem entgegen- kommen; denn — Sie wollen es vor allen Dingen „gut" haben, wollen freundlich und ungestört leben, und nicht mit neuen und starken Weltanschauungen beunruhigt werden. Sie dürfen jedoch nicht denken, daß man so einfach, ganz ohne Mühen und straffe Kämpfe, in ein höheres Sein hinausrutscht! Eine zu satte innere Zufriedenheit schließt von solchen Erhebungen aus.
Tilla G. Ihr Wille ist gar nicht scheu, aber er geht zu eigensinnige Wege und wird dauernd von Veränderungen beunruhigt. Gewiß erscheint auch mir eine kräftige Wut manchmal bester wie eine sanfte Verzweiflung. Aber mit dieser formlosen und reizbaren Freiheit des Jchs machen Sie sich äußerst unbeliebt. Ein Mädchen von so heftigem Wesen heiratet ein Mann gewiß nicht gern, auch wenn sie noch so fleißig und tüchtig ist. Mas nützt Ihnen denn das große Hinreißungsvermöqen wenn dann durch die Planlosigkeit doch alles schief geht! Mit
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etwas Fantasie kann man sich einen Tag irr Ihrem sonnigen Heim ganz gut vorstellen: schon zum Frühstück gibt es in hastiger Redeweise unbehagliche Erörterungen, bis zum Mittag sind Sie dann mit blitzigen Augen schon in ein so gefährliches Tempo hineingeraten, daß es meist mit dem Hausfrieden endgültig vorbei ist. Wenn Sie — und Ihre Umgebung — nun glücklich den Tag überstanden haben, schauen dann zurück auf Verlust und Gewinn, so sieht es betrüblich aus. Aus jeden Fall steht die aufgewendete Leidenschaftlichkeit nicht im rechten Verhältnis zu einem beglückenden Erfolg. — Nehmen Sie sich dann noch Zeit, einmal ruhig in den Spiegel zu schauen, so müssen Sie auch leider feststellen, daß es sicher bewährtere Schönheitsmittel gibt als eine so zerfahrene Lebensweise.
Peter Schlich.
Der Zuckerdores
Eine rheinische Geschichte
Lange war der Dores Fischer in der Welt umhergesahren, ehe er seßhaft wurde und sich in dem alten Fährhaus am Niederrhein nie- derlietz. Die Stürme aller Meere hatten ihn umbraust, ehe er die kleine Tina Glücklich ehelichte, um mit ihr den Fährbetrieb vom rechten nach dem linken Rheinufer zu vermitteln.
Auch eine Wirtschaft gehörte dem Zncker- Lores, wie ihn die Leute nannten, weil er lange Jahre nichts als Zucker gefahren hatte. Und diese Wirtschaft war eine Goldgrube, denn die meisten Fahrgäste, die auf die Fähre warten mußten, tranken zuvor noch einen Schnaps, ehe sie sich der windigen Ueberfahrt aussetzten. Wohl mehr aus Gewohnheit, als daß sie für ihre Gesundheit gefürchtet hätten.
Die kleine Gaststube war mit viel Geschick und Geschmack ausgestattet. Da hingen Andenken an des Zuckerdores Seefahrten aus aller Herren Länder: malaiische Schwerter, Negerkeulen, ausgestopste Vögel, arabische Dolche, kurzum alles, was eines Weltenbummlers Herz erfreuen kann.
Und zu alleroberst auf einem eigens angebrachten Gesims stand eine merkwürdig geschnitzte Holzfigur. Als der Zuckerdores in diese Wirtschaft einzog und die Allerweltsausstattung zum ersten Male von den Gästen gesichtet wurde, da fragten sie ihn: „Sag, Zuckerdores, was ist mit diesem Götzen?"
„Das ist der Klabautermann", erwiderte der Zuckerdores lächelnd. Mehr sagte er »icht, und es schien, als ob sich ei« Geheimnis binter dieser Fiaur verberge. So sehr die
Gäste auch in ihn drangen, er schwieg sich aus. Der Klabautermann spukte weiter in ihren Köpfen.
Bis eines Tages die Frau ihre schwere Stunde hatte, da wurde er mitteilsam:
„Es ist schon lange her, daß der bei mir wohnt, schon fast 25 Jahre. Ich war noch ein Schiffsjunge, als er mir von einem Matrosen geschenkt wurde, der mir zuvor übel mitgespielt hatte. Bei Key West gerieten wir in einen schweren Sturm, und die Seekrankheit packte mich derart, daß ich nicht wußte, wohin ich mich vor Elend wenden sollte. Die andern redeten bei diesem Wetter nur von dem Klabautermann, den sie gesehen haben wollten, was dem Schiff bestimmt zum Verderben werden sollte. Ich war damals noch ein junger, unerfahrener Bengel und glaubte alles aufs Haar, was sie sich erzählten. Als ich schließlich in die Koje kroch, um ein wenig zu schlafen, da drückte mir der Steuermann ein langes Messer in die Hand und sagte: „Dores, wenn dich der Klabautermann heute nacht anpackt, dann renne ihm das Messer i« den Hals." Sprach's und griente vor sich hin.
Ich nahm das Messer an und kroch in die Koje. Mitten in der Nacht wurde ich plötzlich wach. Das Wetter hatte sich beruhigt, der Mond schien klar und hell auf mein Lager. Mitten in diesem Weißen Glanz aber stand ein winziger Kerl, der mich unverwandt anstierte und dabei hämisch lachte. — Der Klabautermann . . . ging es mir durch den Sinn. Ich fuhr empor, ergriff den Stahl des Matrosen und stürzte über meine Unterhose der Länge nach auf den Boden und rannte mir dabei das Messer in die Brust. So fanden sie mich, ich mußte lange gelegen haben, denn
ich hatte viel Blut verloren.
„Der Klabautermann ist schuld", flüsterten sich die Matrosen zu und sahen mich scheu an. Nur der Steuermann, der mir das Messer gereicht hatte, schwieg, denn er wußte besser, wer die Schuld trug. Daß mich ein böser Traum und ein Fieber nach der schweren Seekrankheit genarrt hatten. Schuldbewußt kam der Matrose in der Dämmerung zu mir und steckte mir einen Gegenstand zu. „Halt ihn in Ehren", sagte er, „er wird dir Glück bringen." Als er sich entfernt hatte, betrachtete ich das Geschenk — es war der Klabautermann, der dort auf dem Sims steht. Immer noch hat er mir Glück gebracht, und sein Namensvetter ist mir nie wieder zu Gesicht gekommen."
Damit erhob sich der Zuckerdores und schritt aufgeregt durch die Gaststätte. Alles schwieg, denn die Schreie der Wöchnerin waren nahezu gellend geworden, und es hörte sich an, als ob eine Sterbende in ihrer Todesnot rufe.
Immer airsgeregter wurde Ver-Zuckerdores, immer gellender die Rufe .Da gab sich der Zuckerdores plötzlich einen Stoß. Er griff mit beiden Händen nach dem Klabautermann und warf ihn mit aller Kraft an die gegenüberliegende Wand, daß die Figur in tausend Stücke sprang „So", sagte er, „das hast du davon", und wie als Erklärung zu den Gästen gewendet: „Ist der Frau letzte Nacht im Schlaf erschienen, daß sie geschrien hat: „Dores, jetzt muß ich sterben, ich Hab' den Klabautermann gesehen." Er griff sich in die Haare. „Daß ich ihr jemals von diesem Teufel erzählen mutzte."
Und wie als Antwort öffnete sich die Tür M dem Schlafzimmer .und die weise Frau
erschien in der Türspalte: „Gratuliere, Herr Fischer", rief sie, „ist ein strammer Junge geworden, wiegt seine acht Pfund."
Da atmete Zuckerdores auf, und die frohe Gewißheit zwang ihn nun weiterznreden. „Da hat also der Steuermann doch recht gehabt, als er mir riet, dem Klabautermann das Messer in den Hals zu renne«, wenn er mir oder den Meinen erschiene"; sprach's und lächelte still vor sich hin. „Ich habe ihm den Hals gleich zerschmettert, und das fruchtete gleichermaßen."
Die Gäste schwiegen zu dieser Weisheit, denn man soll einem, der eben Vater geworden, nicht das letzte Wort nehmen. Auch dann nicht, wenn man nicht weiß, ob seine Rede Ernst oder Scherz war. H. I.
Humor
„Herr Doktor. Sie sagten, ich sollte Ihnen meine Zunge zeigen und nun sehen Sie sich die Zunge ja noch nicht mal an!"
„Ja, ist schon gut, ich wollte nur das Rezept in Ruhe schreiben!"
Die Ehe war elend.
Die Frau heulte: „Und einst hast du mir geschworen, mich wie eine Königin zu behandeln!"
Er schrie: „Ja. Aber jeder kann nicht Heinrich VIII. sein!"
Es klingelt bei Mister Smith.
„Eine kleine Unterstützung, mein Herr, ich war neun Jahre in Gefangenschaft".
„Neun Jahre? Solange hat der Krieg ja gar nicht gedauert!"
„Aber bester Herr, wer spricht denn vom Krieg?"