Seite k — Nr. 175
Naqolder Tagblatt »Der Gesellschafter
Dienstag, den 3V. Juli 1935
Französische Frontsoldaten und Deutsches Jungvolk
Paris. 28. Juli.
58 Angehörige des Deutschen Jungvolks in Charlottenburg waren auf großer Fahrt. Drei Wochen lang waren sie Gäste des franzö. fischen Frontkämpferverbandes „Union föderale" und besichtigten am Samstag zum Abschluß den großen Krie- gerfriedhos von Malssöny bei St. Quentin, wo 30000 deutsche Soldaten ruhen. Blumen von jenen Aeckern und Wiesen, die einstmals höchstes deutsches Hel- dentum sahen, brachten sie mit. Der Vor- sitzende der Union föderale, Henry Pichst. hielt eine herzliche Ansprache, in der er u. a. ausführte:
„Die Toten, die in diesen gewaltigen Friedhöfen ruhen, sie rufen uns, den lieber» lebenden und ihren Söhnen, zu: Verstän - digt euch endlich untereinander! Die Völker wie die einzelnen Menschen inner, halb der Nationen haben ein Recht auf das Leben. Fallet nicht noch einmal übereinander Herl Sucht einträchtig miteinander, wasrechtundbill igi st ;sorgt dafür, daß jedermann, jede Familie undjedeNation, inSicher. heit sich des Lebens erfreue. Der wirkliche menschliche Heldenmut besteht darin, hocherhobenen Hauptes und mit gutem Gewissen das Leben zu gestalten, das uns nicht geschenkt ist. um es wegzuwerfen oder mit blutiger Gewalt dem Nebenmenschen zu rau. den. Wir, Franzosen und Deutsche, wir haben uns geschlagen: esi st nunendlich an der Zeit, offen und ehrlich undgutenWillenszugegenseiti- ger Verständigung zu gelangen, zu einer Zusammenarbeit, die nicht nur erstrebenswert, sondern auch durchaus möglich ist, die zwischen beiden Nationen jene Stimmung schassen wird, die sie zum Leben brauchen und die das blutige Gespenst früherer Feindseligkeiten und Kämpfe verscheuchen wird.'
Am Abend vorher waren die Jungen Gäste St. Ouentiner Stadtvertreter, wobei sie aui besonderen Wunsch der französischen Gast- «eber viele Lieder des neuen Deutschland singen mußten. Am Samstag fuhren sie wei- ter nach Reims. wo für drei Tage ein Zeltlager ausgeschlagen wurde.
„Störtebeker in Kiel Mgelauferi
Kiel, 26. Juli.
Die Hamburger Jacht „S t ö r t e b e k e r'. die an dem Atlantik-Rennen nach Bergen teilgenommen hatte, und längere Zeit als verschollen galt, traf am Freitagmittag in Kiel ein, wo sie vor Anker ging. Dort wurde die Besatzung von einem Offizier der Kriegsmarine empfangen, der auch die Willkommensgrüße des kommandierenden Admirals der Marinestation der Ostsee übermittelte.
Die Abfahrt der Jacht „Störtebeker" erfolgte am 18. Juli bei'sturmischem Wetter von Bergen. Am 19. Juli wurde Haugesund an- gelaufen und am 23. Juli traf das Schiff in Mandat ein. Dort wurde von der gesamten Besatzung unter Führung des Kapitäns das Grab Gorch Focks besucht und mit Blumen geschmückt. Am gleichen Tage wurde bei wiederum stürmischem Wetter die Weiterfahrt angetreten.
Verschiedenes
Züchtigungsrecht der Eltern
Nach einer Reichsgerichtsentscheidung steht den Eltern ihren Kindern gegenüber zwar ein Züchtigungsrecht zu, indessen sind die Eltern zur Ueberschreitung des Züchtigungsrechtes auch dann nicht befugt, wenn die Kinder durch ihr Verhalten Anlaß zu berechtigten Klagen geben.
Zeit. Kraft und Geld sparende Dinge im Haushalt
Seit dem 21. Juli zeigt die NS. - Frauen- schaft Kreisamtsleitung Heilbronn a. N. im Rahmen der großen, südwestdeutschen Ausstellung „Schwäbisches Schaffen" in Heilbronn a. N., die sich wegen ihrer Eigenart und Geschlossenheit eines starken Besuches nicht nur aus Württemberg, sondern ebenso aus dem ganzen Reiche erfreut, eine gleicherweise bemerkenswerte. wie lehrreiche Sonderschau mit einer Abteilung „Die Aussteuer". Zusam- mengestellt unter Betreuung von Oberregierungsrat Eretsch vom Landesgewerbemuseum in Stuttgart, zeigt diese Abteilung „Die Aussteuer" Möbel. Geräte und Wäsche in Gegenüberstellung von Wertvollem und Kitsch, von Praktischem und Unpraktischem, von Zweckmäßigem und Unzweckmäßigem, von billigem Schund -und preiswerten Gegenständen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, in weiten Kreisen, vor allem aber auch in der Jugend, wieder das Gefühl und den Sinn für Möbel und Geräte in fachmännischer Verarbeitung und von schlichter, unserer heutigen Lebensauffassung entsprechender Form zu wecken. Oft wird auch Heuer eine Aussteuer weniger nach der Qualität, als allein nach dem Gesichtspunkt gekauft, daß das Gekaufte bei niedrigem Preise möglichst viel vorstellt. Dieser Auffassung tritt „Die Aussteuer" mit schlagenden und einleuchtenden Beispielen entgegen. Sie wirkt durch die Zusammenstellung der wichtigsten Gesichtspunkte nicht nur für die Aussteuerbeschaffung und Einrichtung eines jungen Haushaltes, sondern auch für jegliche Anschaffung im Haushalte jeder Hausfrau überhaupt erzieherisch und richtunggebend.
Schadensanfall bei der Kraftfahrzeug-Versicherung im Juni 1935. Die Tarifgemeinschaft der Kraftfahrzeug-Versicherer teilt mit: Im Monat Juni sind bei den in der Tarifgemeinschaft der Kraftfahrzeug-Versicherer zusammen- qescylossenen privaten und öffentlichrechtlichen Versicherungsunternehmungen 25 794 Haftpflichtschäden (im Vormonat 25172) und 11544 (10 920) Kaskoschäden angemeldet worden. Gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres beträgt die Zunahme der Schadenzahl in Haftpflicht 27 Prozent, in Kasko 43 Proz. *
Arbeiterwochenkarten schon am Freitag lösen!
Die Reichsbahndirektion Stuttgart teilt mit: In der letzten Zeit haben sich da und dort Schwierigkeiten daraus eraeben, daß Arbeiterwochenkarten, dnamentlich solche, die geschrieben werden müssen, Montag morgens bei lebhaftem Verkehr am Fahrkartenschalter erst kurz vor ZugS- abgang verlangt wurden. Das zwingende Gebot der Wirtschaftlichkeit macht es unmöglich, die Ausgabestellen ständig so zu besetzen, daß zuverlässig alle Kunden auch dann bedient werden können, wenn sie sich erst in den letzten Minuten vor Zugsabfer- tigung am Schalter einfinden. Die Nach- teile, die daraus entstehen können, werden am einfachsten und sichersten dadurch ver- mieden, daß von der Gelegenheit, die der Vorverkauf der Fahrkarten bietet, Gebrauch gemacht wird. Wir erinnern daher daran, daß Arbeiterwochenkarten schon vom Freitag der Woche an. die der Benützungswoche vorausgeht, zu haben sind.
Achtung MriMWer!
Meldet Arbeitsplätze für ausscheidende Soldaten
Im Oktober 1935 wird eine größere Zahl von Soldaten nach ehrenvollem Dienst aus der Wehrmacht ausscheiden. Es bedeutet eine nationale Pflicht, ihnen alsbald nach ihrer Entlassung Arbeit zu geben.
Der Reichskriegsmiuister hat mit dem Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eine Vereinbarung getroffen, nach der die Arbeitsämter mit der alleinigen Vermittlung und Unterbringung der ausscheidenden Sol- daten beauftragt sind. Von den Betriebsführern wird erwartet, daß sie die Arbeitsämter bei dieser Aufgabe weitestgehend unterstützen und sämtliche freien Arbeitsplätze zur Besetzung mitteilen. Vor allem müssen alle Arbeitsplätze, die durch den Eintritt der bisherigen Stelleninhaber in die Wehrmacht frei werden, den ausscheidenden Soldaten Vorbehalten bleiben. Die Arbeitsämter nehmen jederzeit Stellenmeldungen entgegen und sind auch bereit, den Betriebssührern beratend zur Seite zu stehen. Es empfiehlt sich, die freiwerdenden Arbeitsplätze möglichst frühzeitig dem örtlich zuständigen Arbeitsamt aufzugeben, damit entsprechende Vorbe- reitungen getroffen werden können und genügend Zeit zu einer sorgsamen Auswahl, die ausschließlich im Interesse der Betriebsführer liegt, zur Verfügung steht.
Inserieren deiüt proMleren!
Errichtung eines Woll Sammellagers in Neullim
Das Woll-Sammellager Ulm, das bisher in Ulm untergebracht war. muß für andere Zwecke freigemacht werden. Zurzeit wird in Neu-Ulm an der Straße nach Finningen ein neues Woll-Sammellager errichtet, und zwar in einem Ausmaße, daß darin etwa V« des zuletzt angelieferten jährlichen süddeutschen Wollgefälles auf einmal untergebracht werden kann. Wie man hört, bleibt Ulm nach wie vor die süddeutsche Zen- trale der Reichswollverwertung G. m. b. H.. die auch weiterhin die Verarbeitung und den Verkauf der künftig nach Neu- Ulm anzulieferuden süddeutschen Wollen vor- nimmt.
Das Geislinger Elfenbeinschnitzer, gewerbe
Die Reichsleitung des WHW. hat der Odenwälder und Württemberger Elfenbein-Industrie einen Auftrag für Winterhilfsabzeichen zugeteilt. Erfreulicherweise ist auch das Geislinger Elfenbein-Schnitzer-Gewerbe einbezogen worden und hat einen bedeutenden Auftrag erhalten. Von Geislingen kommen die Firmen Lenz, Ruisinqer, Schmid, Michler, Lotter und Geiwitz in Äetracht, dann noch Ruisinger- Donzdorf und einige Firmen in Waldstetten OA. Gmünd. Gefertigt werden hübsche Ansteckblumen aus Kunstharz und zwar fünf verschiedene Muster: Jasmin, Flox, Leberblümchen. Sonnenröschen und Pechnelke, alle in ihren Naturfarben und Formen.
kin IVionarcll krack sein Wort...
weltgesckllckitllckie vegegnmig lVilkelms II. mit rar UUrolsus vor 30 Mren in vj ortzö
Von c. k. Scklickters
(Schluß)
Des Kaisers Rückkehr
löst den ersten Proteststurm aus gegen die Abmachungen von Björkö — und zwar auf deutscher Seite! Holstein war an d^r Entwurf seinerzeit entscheidend beteiligt — nun entdeckt er in Artikel I die beiden Worte „in Europa', die besagen, daß die Verpflichtungen des Defensivbündnisses für die beiden Vertragspartner nur für kriegerische Ereignisse auf dem europäischen Kontinent gelten. Sofort spuckt er Gift und Galle — sein Standpunkt ist. daß damit der Wert einer russischen Hilfe für Deutschland überhaupt illusorisch gemacht worden sei — in Europa könne Rußland mit seinem geschlagenen Heer und seiner vernichteten Flotte überhaupt nichts ausrichten — der ganze Vertrag habe überhaupt nur Wert gehabt als Schutz gegen England, das von Rußland während einer kriegerischen Verwicklung zwischen Deutschland und Großbritannien hätte in Persien. Afghanistan und vor allem in Indien beschäftigt und abgelenkt werden können!
Diesen Standpunkt impft er. der stets im Dunkeln bleibt, seinem Freunde, dem Kanzler Bülow ein. Er »ersteigt sich, Joachim v. Kürenberg zufolge, bis zu dem Ausspruch:
„TschirMky und der Kaiser haben sich zu Björkö wie Kinder benommen, die im Walde Pilze suchen!'
Alsbald sieht sich der Kaiser auf üble Art
im Skich gelassen von seinem Kanzler.
Bülow will wegen dieser beiden Wörtchen „in Europa' dem Vertrag seine durch die Verfassung notwendig gemachte Gegenzeichnung verweigern. Er geht soweit, daß er. der „treue Diener seines Herrn', mit seinem Abschied droht. Das trifft den Kaiser tief Er beschwört Bülow, zu bleiben — unk nachdem er Wilhelm ll. bis zu solchen Bitten gedemütigt hat. sieht der Kanzler vor diesem Schritt ab, voller Triumph, währent dieser Machtprobe gesiegt und seine Stellung noch mehr gefestigt zu haben, was allein be- absichtigt war von diesem eitl«n Phrasem und unaufrichtigen Intriganten, als der w sich zu eigner Schmach aus dem Grab heraus durch seine „Denkwürdigkeiten' entpuppt hat . . .
Immerhin behält der Kaiser zuletzt Rech mit seiner Verteidigung des Zusatzes „in Europa' — mit fernem Standpunkt, daß Deutschland ja ohne den Zusatz zur Teilnahme an einer kriegerischen Verwicklung Rußlands in Ostasien verpflichtet und es weiß Gott nicht vertretbar sei. eventuell deutsche Regimenter in Indien oder wo sons! marschieren zu lassen . . . eine Auffassung in der er energisch von dem Chef des Generalstabes. dem Grafen Schlieffen, bestätig! wird. —
Während derart die geheimen Angriff« deutscher Politiker gegen den Vertrag vor Björkö lahmgelegt wurden, setzte in Rußland ein umfassender Angriff gegen ihn ein, der ihn schließlich zunichte machte!
Me russische Sabotage
Im September weilt der russische Staatsmann Witte, aus England und Frankreich kommend, als Gast des Kaisers in Romin- ten. Er wird ausgenommen und behandelt wie ein Souverän. Ausschlaggebend ist, was der Kaiser über diesen Besuch umgehend an Bülow berickitet:
„Sodann beschrieb ich ihm Björkö und meine Eindrücke von Seiner Majestät und Seiner Umgebung. Danach erteilte ich ihm mit Genehmigung Seiner Majestät die Voll- ziehung des Bündnisses dortselbst mit. wel- ches ja seinen Ideen und Wünschen entsprechen werde. Der Effekt war durchschlagend. Tränen standen in seinen Augen, und er war vor Begeisterung und Rührung völlig I außerstande, Worte zu finden — Gott sei gelobt! Dank dem Höchsten! Endlich ist dieser furchtbare Alpdruck, der auf uns lastete, von uns genommen!'
Witte erhält zum Abschied aus Rominten das große Ordensband des Preußischen Roten Adlers und eine Photographie des Kaisers mit der eigenhändigen bedeutsamen Unterschrift: „Portsmouth — Björkö — Nominten" — zu Portsmouth war soeben, dank deutscher und amerikanischer Vermittlung, der Frieden zwischen Rußland und Japan geschlossen worden . . . Der Staatsmann kehrt nach Petersburg zurück — und ist sofort der wildeste Gegner des Vertrages von Björkö. Er versteigt sich sogar zu der verlogenen Behauptung:
„Ich wußte weder ahnte ich, daß die beiden Monarchen einen Vertrag geschlossen hatten!'
Was ist da inzwischen vorgegangen?
Nun. Witte, rückkehrend vom Zaren gleich zum Grafen ernannt, bekommt zunächst einmal die Gegnerschaft des Außenministers Lamsdorff gegen den Vertraa zu spüren, der schließlich behauptet, das Tefensivbünd- nis sei nicht nur unvereinbar mit Rußlands Verpflichtungen gegen Frankreich, sondern hätte vom Zaren schon deshalb nicht ge- schlossen werden dürfen, weil er — gar keine Ahnung von den genauen Abmachungen mit Paris aus dem Jahre 1891 gehabt habe!
Diese Argumente aber waren für Wittes behende Wandlung nicht einmal ausschlaggebend. Vielmehr wich er geschmeidig zurück von der Front der Franzosenfreunde und Deutschenhasser in des Zaren nächster Verwandtschaft — es waren
Der Großfürst
und die „Montenegrinerinnen"
Großfürst Nikolai war der Onkel des Zaren — und besaß an Härte, Energie und Beharrlichkeit all das, was dem Zaren in katastrophalem Maße mangelte. Selbst Nikolaus ll. fürchtete diesen unbeugsamen und mächtigen Mann — hing dagegen ebenso wie die Zarin an den beiden „Montenegrinne- rinnen". den Töchtern des Königs Nikita von Montenegro, deren eine des Großfürsten Nikolai Gattin war. Diese Clique war ganz befangen in ihren panslawistischen Ideen und damit in ihrem Haß vor allem gegen Oesterreich, als Folge aber auch gegen dessen Verbündeten Deutschland. Sie ist es ja auch gewesen, die später den Zaren hineindrängte in den Weltkrieg ... in mancherlei Ehrenwortbrüche ... und in die eigene sowohl wie in die allrussische Katastrophe ...
Witte, immer ehrgeizig und darum anlehnungsbedürftig, schloß sich sofort diesem Bund mächtiger und einflußreicher Personen an und wandte sich alsogleich mit Wucht und Feuer gegen „Björkö". Außer ihm aber sih'ckte die Cliaue um den Grosüürsten Nikolai noch einen astderen Verbündeten vor. um den Vertrag mit Deutschland zu Fall zu bringen: jenen
geheimnisvollen „Monsieur Philippe",.
einen ..Wundertäter', den direkten Vorläufer
von Raipukin, den vor allem ore ungcucr- liche Zarin als „Heiligen" verehrte ... einen kleinen Schwindler aus Toulon, der bedeutenden Einfluß hatte auf die Zarensamilie dank ihrem krankhaften Hang zum Mystizismus. In „Prophezeiungen" und Seancen malte er drohende Katastrophen, resultierend aus dem Vertrag von Björkö, wenn man ihn je ratifiziere — und so sind es Witte, Graf Lamsdorff, Großfürst Nikolai Nikola- jewitsch und ein französischer Hochstapler gewesen, die das Weltfriedenswerk von Björkö zu Fall gebracht und damit endgültig dir russische Frontstellung gegen den Weltfrieden veranlaßt haben!
Träumende, Auswirkungen und Vergleiche...
Jedenfalls wurde der Vertrag von Björkö nie ratifiziert. Der deutsche Kaiser versuchte noch monatelang in Briefen an den Zaren und neuen Vorschlägen, sein Werk zu retten. Der Zar brach sein Wort, sein mündliches wie sein schriftliches, von seiner Seite geschahen noch lahme Ausflüchte — und der Rest war Schweigen. Während man auf deutscher Seite immer noch betonte, daß der Vertrag in Kraft sei, da Nikolaus II. Selbstherrscher und keiner Verfassung und ministeriellen Gegenzeichnung irgendwelcher Regierungsmaßnahmen unterworfen sei, erhielt, seiner eigenen Aussage nach, der russische Staatsmann Jswolski, später einer der wildesten Kriegshetzer, vom Zaren vor der nächsten Monarchenbegegnung in Swinemünde im Jahre 1907 den Auftrag, dem deutschen Reichskanzler offiziell mitzuteilen:
„Der Vertrag von Björkö muß als endgültig erledigt angesehen werden! Seine Majestät der Zar wünscht keine kaiserlichen Argumente für seine Wiederauflebung mehr zu hören!" —
Das war das Ende eines Traums von einer Neuformierung der europäischen Politik, die, was allein Deutschlands Wunsch und Wille war, den Weltfrieden garantiert hätte.
Und die Auswirkung dieser russischen Sabotage eines Weltfriedenswerkes?
Rußlands gänzliches Abgleiten zu den französischen Revanchetendenzen — Front Wider Deutschland, formiert schließlich durch Frankreich, Rußland, England und Japan — und der Weltkrieg mit allen Schrecken, mit der Vernichtung allerdings auch des Zarenreiches . . . die Historie ist meist unerbittlich folgerichtig . .!
Was bedeutet uns heute noch „Björkö"? Zunächst einen Beweis für Deutschlands Sehnsucht nach Erhaltung des europäischen Friedens — damit also einen Beweis mehr, zu- aestellt den zahllosen andern, für die Unhaltbarkeit der durch den Vertrag von Versailles festgelegten Kriegsschuldlüge — weit darüber hinaus aber noch ein stolzes „Ja!" zum deutschen Heut!
Versunken ist die Zeit, da Monarchen und Minister unter sich Intrigen zetteln, Geheimverträge schließen, Ehrenworte geben und Wrenworte brechen konnten, insofern, als das nationalsozialistische Deutschland aufgeräumt hat mit den Gepflogenheiten antiquierter Geheimdiplomatie! Heut handelt und entschließt sich ein Führer weithin sichtbar vor dem Angesicht der ganzen Nation, spricht und reicht die Vertragshand dem Verhandlungspartner angesichts der Weltöffentlichkeit! Aus Dämmerdunkel und mühsamem, nebelverhangenem Saumpfad ward die Helle und der gerade Weg der deutschen Politik! Wird heut ein Wort gegeben —:
„Das Wort sie sollen lassen stahn!"
End«.