Nr. 175

Dienstag, 30. Juli 1935

109. Jahrgang

er GeseUfchakter

Bezugspreise: In der Stadt bzw. durch Agenten monatl. NM.3.S0, durch die Post monatl. NM. 3.40 einschließl. 38pfg. Beförderungs- Gebühr zuzüglich 36 pfg. Zustell- Gebtthr. Einzelnummer 30 pfg. Bei höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf die Lieferung der Zeitung oder auf die Rückzah­lung des Bezugspreises.

Llationalsoztaliftifche Lasesreiiurrs

Alleiniges Amtsblatt für sämtliche Behörden in Stadt und Kreis Nagold

Regelmäßige Beilagen: Pflug und Scholle - Der deutsche Arbeiter - Die deutsche Krau

Telegramm-Adresse:Gesellschafter" Nagold // Gegründet 3827

*

Brunnenstube - Bilder vom Tage - Dir deutsche Glocke Hitlerjugend > Sport vom Sonntag

Fernsprech-Anschluß SA. 420 ^ Schließfach 5S / Marttstr, 14

Postscheckkonto: Amt Stuttgart Jir. 30086 / Girokonto: Kreissparkaste Nagold Nr. 882 / In Konkursfällen oder bei Zwangsvergleichen wird der für

Aufträge etwa bewilligte Nachlaß hinfällig

Anz-igenpreife: Die 3spaltige iiuii- leiie od. bereu Raum 6 pfg., Familien-, Vereins-, amtliche An­zeigen und Stellengesuche 5 Pfg., Ter: 38 pfg. Für das Erscheinen von Anzeigen in bestimmten Aus­gaben und an besonderen Plätzen, sowie für fernmündliche Aufträge und Ziffer-Anzeigen kann keine Gewähr übernommen werden.

Sowjetunion - Grundlage der Weltrevolutim

Offenherzigkeit auf dem Kominternkongreß Kommunistische Drohungen gegen^Frankreich

Moskau, 29. Juli.

Mit besonderer Zweckbestimmung veröffent­lich! die wwjetrussische Telegrapheuagentur am Sonntag den eigentlichen Bericht desdeut­schen" Kommnnistenführers Pieck über die Tätigkeit des kommunistischen Vollzugsaus­schusses aus dem Kvminlernkongreß am Frei- tag. Die Veröffentlichung stellt eine erweiterte Auflage der ersten, nur im Rahmen des all­gemeinen Sitzungsberichtes gebrachten .Riede dar; ihr Zweck gehl aus dem Inhalt zur Ge­nüge hervor. Sie ist durch das offenherzige Eingehen aus die weltrevolutionäre Tätigkeit der Komintern und durch das Herausstellen der Ziele für die nächste Zukunft für den inneren kommunistischen Gebrauch bestimmt. Beschränkte sich die sowjetamtliche Agentur in dem ursprünglichen Bericht mehr auf die referierende Wiedergabe der sechsstündigen Rede, so werden jetzt ganze Absätze wörtlich ge­macht und einige Teile unter augenfälliger Unterstreichung ihrer Bestimmung als Ge­brauchsanweisung besonders scharf heraus- qearbeitei. Nach einem Hinweis darauf, das; ^>as Verhalten derBrüder in Marx", der Sozialdemokraten, an den Mißerfolgen der Streik- und Aufstandsversuche in Amerika, England, Holland, Südamerika und anderen Ländern schuld fei, stellte Pieck mit Bedauern fest, bei allen diesen Bewegungen sei es leider noch nicht gelungen, organisatorisch die ganzen Massen zu erfassen und die Einheitsfront aller Werktätigen unter kommunistischer Führung herzustellen. In vielen Ländern mache sich auch dieZ u r ü ck g e b l i e b e n h e i t" d e r k o m- munistischen Führer hemmend bemerk­bar in anderen herrsche ein ständiges Kom­men und Gehen in den Parteikreisen. Schließ­lich ließen sich die verschiedenen Richtungen in den zahlreichen kommunistischen Parteien des Auslandes nicht leicht unter einen Hut brin- aen. Pieck ging dann auf

die Niederlage

des deutschen Kommunismus'

ein. Hier Mach er in eigener Sache. Wie er die Angelegenheit behandelte, ist bezeichnend für dieseFührer", die von der sicheren Mos­kauer Perspektive aus die irregeleiteten und verführten deutschen Arbeiter jetzt auch noch rüffeln, weil sie sich habenvon dem Natio­nalsozialismus übertölpeln lassen". Und heute gibt Pieck auch das Rezept, wie die nach leinen eigenen Worten eingetrctene Ver­nichtung der deutschen Kommunisten hätte ver­hindert werden können: Rot Front hätte sich mit dem Reichsbanner vereinigen sollen. Denn die Kommunisten allein sind leider zu schwach gewesen, um die Katastrophe zu verhindern" Trotz dieser Schwäche der Kommunisten in Deutschland gmubt aber Pieck, seinem Herrn und Meister Stalin versichern zu können, daß auch in Deutschland der Wille zur Welt- revolution lebe (!'?).

Mit den gleichen Wehklagen teilte Pieck mit. daß auch zum Beispiel in der Tschecho- klowakei den Kommunisten bitteres Leid zu- gesügl werde. Die tschechische Usurpatie habe diefaschistische" Partei Konrad Hänleins großgezüchtet und stecke die Kommunisten ms Gefängnis anstatt es umgekehrt zu machen. Bon 67 kommunistischen Parteien in der Welt seien heute nur 22 legal oder halblegal während man in den anderen Ländern also die staatszerstörende Tätigkeit der Kommunisten rechtzeitig erkannt hat. Je* doch und hier kommt in dem Rechen­schaftsbericht Piecks die ..gröbliche- Note, die der Leitstern seiner ganzen Rede istdie Sowjetunion, wo inzwischen die Erfüllung des Füns-Jahresplanes fortschreitet, Grund- tage und das Bollwerk der Weltrevolution. Sie stärkt die Proletarier in der ganzen Welt in ihrem Kampf für die Bildung von Räteregierungen", so daß Pieck überall die Tendenz des schnellen Heranreifens der revolutionären Krise" feststellen zu können glaubt.

Der beste Beweis hierfür ist für Pieck Frankreich.

Die Praxis

der französischen Kommunisten

habe aller Welt gezeigt, wie der Bolschewis­mus kämpfen und siegen könne, und die Einheitsfront in Frankreich sei einer der größten Erfolge der weltrevolutionären Idee. Es klingi als offene Drohung an die Negierung Laval tmit der dte Sowjetunion bekanntlich einen Freundschastsvertrag abge­schlossen hat), wenn Pieck sagt:Die Lage in Frankreich hat sich so zu ge­spitzt. daß von der weiteren Ak- tivität der Massen jetzt das Schicksal der dritten Republik a b h ä n g t."

Im letzten Teil seiner Rede ging Pieck aui die Schlußfolgerungen ein, die sich für die Komintern ans der gegenwärtigen Weltlage ergeben. Tie größte Bedeutung habe heute eine giile und zugkräftige Propaganda der angeblichen Erfolge der Sowjetunion sowie die Propaganda eines besonders konkreten Aktionsprogramms in jedem einzelnen kapi­talistischen Land. Dies müsse darauf abge­stellt sein, daß die Bildung von Sowjets das einzige Heilmittel sei. Die Diktatur des Pro­letariats nach dem Muster der Sowjetunion müsse überall als die ideale Lösung hinge­stellt werden.

Bolschewismus mit katholischer Verbrämung

München, 29. Juli.

Nachdem in den letzten Wochen bereits mehrfach ganz offen Bündnisange- bote von Kommunisten an die katholischen Jugendverbände in Deutschland gerichtet worden sind und das Organ des Zentralkomitees des Internatio­nalen Kommunistischen Jugendverbandes im Juni in einem Aussatz sich positiv mit dieser Frage beschäftigt hatte, sind nunmehr als Auswirkung dieser geheimen Weisungen in München Flugblätter gefunden worden, die so charakteristisch und bezeichnend sind, daß sie für sich selbst sprechen.

Die Flugblätter haben folgenden Text: An die- katholische Bevölkerung Münchens.

Gegen die Vergewaltigung Ihres Glaubenr- gilt es. einen verschärften Kampi zu führen. Wir Kommunisten schlagen vor. mit den ver- schiedenen weltanschaulichen Auffassungen einen gemeinsamen Kampf für die Gewissens, freiheit zu führen. Wir schlagen euch vor in allen Betrieben, in allen Stadtteilen ge­meinsam? Komitees zum Kamps für Glan- bens- und Gewissensfreiheit zu organisieren. Wir schlagen euch weiter vor. einen ge­meinsamen Kamps für die Be­freiung aller eingekerkerten Pfarrer und Ordensschwestern, für die Befreiung aller Anti, f a s ch i st e n zu organisieren. Schaffung von Selbstschutzsormattonen zum Schutze der antifaschistischen Bevölkerung. Die KPD."

Es wäre sehr interessant, zu erfahren was die Leitung der katholischen Jngendverbände und die Bischöfe als berufene Hüter der katholischen Religion zu diesem Bünd- ntsangebot zu sagen haben. Es ist daraus Hinzuweisen, daß bei einem Kaplan in Sach-

eLMr Zeit in größeren Mengen aus der Tschechoslowakei herübergeschmuq- geltes marxistisches Propagandamaterial ge­funden wurde, und daß auch an verschie­denen anderen Stellen Deutschlands ein.- engere Verbindung zwischen Mitgliedern der katholischen Kirche und Marxisten besteht.

Ser Schlag der holländischen Katholischen mißglückt

Dr. Colijn von der Königin neuerlich mit der Regierungsbildung beauftragt

Den Haag, 29. Juli.

Der Schlag, den die Römisch-Katholische Partei Hollands gegen die Regierung Co­li j n zu führen beabsichtigte, indem sie ihr Plötzlich die Gefolgschaft verweigerte die­ser Schritt hat in weiten Kreisen der Nieder­lande zu einem schweren Ansehensverlust der Römisch-Katholischen Partei geführt, ist mißglückt. Nachdem der Führer der Römisch- Katholischen den Auftrag, eine Negierung auf breitester Basis zu bilde«, zurückgegeben hat, betraute die Königin Montag morgen auf Anraten des früheren Ministerpräsiden­ten Dr. de Geer abermals Tr. Colisn mit der Kabinettsbildung. Man rechnet damit, daß Dr. Colisn sein bisheriges Kabinett, das ja auch schon keine parlamen­tarische Negierung mehr darstellte, einfach beibehalten und höchstens in einzelnen Mini­sterien Umbesetzungen vornehmen wird.

Abessinien lehnt ab!

Der Negus gegenZiviiisierung" durch Bomben

Genf, 28. Juli.

Beim Generalsekretär des Völkerbundes ist folgendes Telegramm des abessinischen Außenministers eingegangen:In Beant­wortung Ihres Telegrammes vom 27. Juli bestätigt die kaiserlich abessinische Regierung den Antrag ihrer Vertreter aus Auslegung des Schlichtungs- und Schiedsgerichtsauf­trags. Die abessinische Regierung bestreitet, jemals einer Beschränkung der Zuständigkeit der Schiedsrichter zugestimmt zu haben. In der abessinischen Note vom 17. Juli, die aus die italienische Note vom 14. Juli antwortet, ist bereits erklärt worden, daß es Sache des Völkerbundsrates ist, über die einander gegenüberstehenden Auffassungen der beiden Schiedsrichtergruppen zu befinden. In Er­widerung aus die italienische Note vom 23. Juli, worin Beschränkungen des Auftrages der Schiedsrichter verlangt werden, hält die kaiserlich-abessinische Regierung vollinhaltlich die Beweisführung ihres Vertreters ausrecht, die durch die beiden Entscheidungen der von ihr in der Kommission bezeichnten neutralen Rechtssachverständigen übernommen worden ist."

Dieses Telegramm ist vom Generalsekre- tär des Völkerbundes sofort den Ratsmit- gliedern telegraphisch übermittelt worden.

Der Kaiser von Abessinien hat der Presse eine Erklärung abgegeben, in der im Hinblick auf die bevorstehende Tagung des Völkerbundsrates betont wird, daß Abessinien eine friedliche, unparte i- liche und vollständige Lösung

des Streitfalles wünsche. Die Grund­lage dieses Streites sei in der verschiedenen Auslegung des italiemsch-abessinischen Ver­trages vom 16. Mai über die Festlegung der Grenze zwischen Abessinien und Jtalienisch- Somaliland zu suchen. Italien habe dem Grundsatz einer Regelung etwaiger Streit­fragen durch ein Schiedsgericht zugestimmt, mache aber in zweifacher Hinsicht seine Durchführung unmöglich, indem eS den Schiedsrichtern das Recht abspreche, die Ver­träge auszuleben und ferner, indem es die Ernennung emes obersten Schiedsrichters ablehnte. Nachdem Italien die Möglichkeit einer vollständigen Lösung zunichte gemacht habe, bekunde es amtlich seinen Willen zur Eroberung abessinischen Gebietes und bereite sich auf einen Krieg vor. eine friedliche Lö­sung ganz offen ausschaltend. Der Völker­bundsrat müsse über die Achtung und Ein­haltung des Vertrages und die Aufrechter­haltung des Friedens in Abessinien wachen, dessen Gebiet von italienischen Truppen ver­letzt worden und das noch von italienischen Truppen besetzt sei. Abessinien habe alles für die rechtliche und friedliche Lösung des Streitfalles getan. Der Völkerbundsrat müsse sich darüber aussprechen, ob ein Mitglieds- staat des Völkerbundes das Recht habe, offen die gebietsmäßige Unantastbarkeit eines anderen Staates zu mißachten seine Sou­veränität und Unabhängigkeit zu bedrohen und auf die Waffengewalt als Mittel der Expansion und Eroberung zurückzugreisen. Abessinien erwartet vertrauensvoll die Ent-

Das Neueste in Kürze

In Holland mußte ei« Massenaufgebot der Polizei gegen kommunistische Banden vor- ! gehen, die auf die Teilnehmer der Landes­tagung holländischer Nationalsozialisten einen ^ Uebersall verübt hatten.

I I« Eritrea mußte vom italienische« Ober- ; kommissar de Bono ein Militärsondergericht ! eingesetzt Werden, da sich der Bevölkerung eine stark italienfeindliche Stimmung bemächtigt hatte.

j In Kopenhagen demonstrierten 4V00Ü ! dänische Bauern vor dem König gegen die i Maßnahmen der Regierung. Eine Abord- : «ung, die von dem marxistischen Minister- ! Präsidenten empfangen wurde, erhielt eins ! als völlig unbefriedigend bezeichnet« Aut- > Wort.

! Aus Neuyork wird gemeldet, daß die ame- I rikanischea Kommunisten weitere Ueberfälle ^ auf deutsche Schiffe planen.

Die Beschlüsse und Aufforderungen des in ! Moskau tagenden Kominternkongresses haben ! in Amerika eine ungeheure Erregung erzeugt.

Insbesondere die maßlos steche Aufforderung ! an die amerikanischen Kommunisten, Streik- - Unruhen herbeizuführen, wurden beanstandet.

!

! scheidung des Völkerbundsrates. Wir hoffen.

! Hatz die Weisheit der Staatsmänner, die in ; Gens zusaiiimentreten werden, die Imperia­listen zur Achtung der Verträge zwingen wird, damit die Unantastbarkeit unseres Gebietes und die Unabhängigkeit Abessiniens gewährleistet wird. Aber wir können bekräftigen, daß wir uns keines­falls durch Bomben zivilisieren lassen wollen. Es trifft zu. daß wir Kriegsmaterial tu Europa gekauft haben. Aber haben wir nicht das Recht, unsere Polizei zu verstärken und aus unsere Sicher- heit achtzugeben?

Eingeborenenunruhen in Eritrea

London, 29. Juli.

Daily Telegraph" meldet aus A S - mara in Eritrea die Einsetzung eim- Militärsondergerichtes durch den Oberkommis­sar General de Bono, weil unter den Ein- geborenen Unruhen ausgebr och e n sind. Die Gärung ist darauf zurückzuführen, daß die Eingeborenen glaubten, die 30 000 aus Italien herbeigeschafften Arbeiter würden ihnen ihr Land wegnehmen. Auch dieArbei- ! terabteilungen scheinen nicht ! ganzzufriedenzusein, da General de ! Bono zur Belebung der Stimmung eine Lotte- . rie eingerichtet hat.

Times" verzeichnen die eine Woche alte ! Nachricht aus Walkait im fernen Nord- ! westen Abessiniens, wo eine italienische Streit- ! macht anf ein Gebiet vorgedrungen sein soll,

! dasderabessinischeBefehlshabei des Bezirkes für Abessinien in ! Aspruch nimmt. Die Abessinier seien da- s her nächtens zum Gegenangriff geschrit- ten und hätten bei 20 Mann Toten in den eige- nen Reihen 40 Italiener getötet, woraus die Truppe in Lastkraftwagen abbesvr- dert worden sein soll.

Vor der Genfer Ratstagung

Die italienische Abordnung für die am 31. Juli um 17 Uhr in Gens zusammcn- tretende Tagung des Völkerbundsrates hat am Montag abend Rom verlassen. Zahlreiche Sachverständige und Juristen gehören ihr an. Ihr Führer, Baron Aloisi, folgt der Abordnung am Dienstag früh. Die Haltung Italiens in Genf ist noch nicht genau fest» gelegt und wird sich dem Verlauf der Aus­sprache anpassen. Die abessinische Auffassung, den Ratsbeschluß vom 25. Mai neu anslegen zu können und über mehr als das Schlich­tungsverfahren zu verhandeln, stoßt in Rom natürlich auf schärfste Ablehnung. H i n- gegen scheint Großbritannien unter allen Umständen auf der Behandlung des gesamten Fra­genblocks bestehen und einen Mehrheitsbeschlußher b eisüh ren zu wollen, während sich Frankreich und seine Verbündeten bemühen, alles zu ver»