Seite 8 — Nr. 158
Nagower Tagblatt »Der Gesellschafter'
Mittwoch, den IS. Zuli 1835
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Weil der Rheinländer sich jedem Fortschritt und jeder Aenderung leicht und schnell anzupaffen, sich i» alle Verhältnisse ohne größere Mühe einzuleben versteht, ist er auch leicht zu allem zu gebrauchen. Nicht nur wegen ihrer bäuerlichen Geschicklichkeit, sondern auch wegen ihres leichten und emsigen Anpassungsvermögens haben sich z. B. die verschiedenen rheinischen Volksteile sehr lebhaft an Neusiedlungen beteiligen können. Niederrheinische Franken haben zur Zeit Albrechts des Bären im Verein mit anderen Niederdeutschen an der Besiedlung und der Bebauung der mittleren Elbgegenden, auch des fernen Ostens lebhaften Anteil genommen. In der Zeit vom 12. bis ins 16. Jahrhundert halfen Rheinländer, an der Spitze Kölner Bürgersföhne, slawische Gebiete aufschließen und einer höheren Lebensart ent- gegensühren. Siedler moselsränkifchen Ursprungs find trotz ihres Namens der Siebenbürger Sachsen die geistig und wirtschaftlich tüchtigsten Bewohner des ehedem südöstlichen Ungarns.
Mit der in allen Lebenslagen und in den verschiedensten Erdstrichen sich bewährenden Geschicklichkeit und Schmiegsamkeit verbindet der Rheinländer eine besonders Praktische Befähigung im Handel und Gewerbe. Erstaunlich ist, was die ripuarischen Franken, allen voran Kölner und Aachener Kaufleute und Kaufmannsfamilien, bereits im mittelalterlichen Wirtschaftsleben geleistet haben, bewundernswert, mit welcher Kraft und Umsicht, mit welchem Unternehmungsgeist Kölner etwa feit der Zeit der Ottoneu mit England, bald auch mit Flandern-Brabant, Nordfrankreich und der Champagne Handel trieben. Kölner Handelshäuser und andere rheinische, namentlich im 14., 15. und 16. Jahrhundert Handelsbeziehungen sowohl mit dem europäischen Süden wie mit dem Norden und Osten bis Nowgorod knüpften und Pflegten. Und noch bis zum Weltkriege ist es vornehmlich der rheinische Kaufmann gewesen, der Kaufmann aus Solingen und Barmen, aus Remscheid, Düffeldorf, Köln, Aachen, Krefeld, der bis in die letzten Winkel der entferntesten Kolonien hinauszog und Abnehmer gewann oder Kunden besuchte, jener Kaufmann, um den uns andere beneideten. durch den unsere wirtschaftliche Entwicklung so hochgebracht wurde. Daß sich mit dem klugen und kundigen Geschäftsgebaren rheinischer Kaufleute eine nicht geringe Gerissenheit oder Geriebenheit verband, ist wohl aus einer gewissen natürlichen und jeweils persönlichen Veranlagung zu erklären, aber auch aus vielhuudertjähriger geschäftlicher Hebung und Ueberlieferung, um nicht zu sagen erblicher Belastung. Die schon früher bemerkte Gerissenheit der Kölner Kaufleute wird besonders gut beleuchtet durch die alte Mahnung: „Was dir ein Kölner (Kölner) heischt (abfordert), das saltu halb oder weniger bieten, so wirstu nit betrogen." Und die Redensart: „Ich wil ehn colnisch gebot thun und wil die halbscheit (Hälfte) bieten", oder in neuerer mundartlicher und kürzerer Fassung: „e kölsch Jebott dünn", das heißt, weit unter dem Werte bieten, ist ebenfalls ein beredtes Zeugnis.
Nicht minder tüchtig., schöpferisch und erfinderisch waren und sind die Rheinländer im gewerblichen Leben. Großen Rufes erfreuten sich an verschiedenen Plätzen Spinner, Weber, Färber. Lederbereiter und Gürtelmacher. In den altbergischen Hämmern «nd Schleifkotten. Schmiedereien und anderen Werkstätten blühte und blüht noch die Handkunst an Gegenständen aus Eisen und Stahl. In der Neuzeit liefern die vielen bodenständig gewordenen Fabrikantenfamilien im Kölner Bereich, in und um Aachen und Krefeld, besonders auch im Belgischen, im Wuppertal und im Düsseldorfer Bezirk einen starken Beweis für die außerordentliche Veranlagung der Rheinländer zu gewerblichem Schaffen. Nicht wenige von ihnen befruchteten und belebten das übrige deutsche und ausländische Gewerbe ganz außerordentlich. Mit steigender Wertschätzung darf man daher z. B. auch das Arifblühen der Stolberger Kupsermeifter, der Reitmeister, d. i. Eisenbereiter des Schleidener Tales, der Mon- fchauer Tücher und Dürener Papierfabrikanten verfolgen. Das Wuppertaler Schassen und Arbeiten ist von Rudolf Herzog in dem Roman „Die Wiskottens" dichterisch verklärt worden. Stark beteiligt an den geschäftlichen Erfolgen dieser und aller rheinischen Unternehmer und Fabrikanten ist der fleißige und wegen seines geübten Blickes und geschickten Griffes geschätzte Stamm von Angestellten und Arbeitern in den kaufmännischen Betrieben und industriellen Werken.
Nicht wenige der rheinischen Kaufleute und Fabrikherren ragen durch eine besondere Befähigung, das Tatsächliche in den Dingen und Erscheinungen scharf zu überblicken und zu erfassen, das Wesentliche derselben schnell zu berechnen und die Vorteile der Gesamtheit bei dem eigenen zu berücksichtigen, über den schon tüchtigen Durchschnitt noch hinaus, sind darin geradezu Meister und daher auch zur Behandlung großer wirtschaftlicher und nomentlicki iinanueller. aucb innervolitischer
ner zu bringen, hervorstechend find vor allem die durch das uralte Handelsleben und Verkehrswesen im Rheinlande schon sehr früh ausgeübten und geschärften prak- tischen Betätigungen des Geistes. Die aus solchen Betätigungen, nicht minder aber aus glücklichen Blutmischungen und westlichen und östlichen Beeinflussungen sich ergebende allmähliche Hebung der geistigen Fähigkeiten
im allgemeinen, macht auch die hohe Durch-
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Fragen sehr geeignet. Die belgischen Kaufleute z. B- verbinden mit der anerkannten geschäftlichen Tüchtigkeit den weiten Blick er- . ^ ,
fahrener und umsichtiger Geldleute und- schmttsbegabung und entbrechende haben infolgedessen das Bankwesen im Rheinland sehr fördern können.
Wenn nun auch die gewerbliche Geschicklichkeit und überhaupt die wirtschaftlichen Fähigkeiten das rein geistige und künstlerische Denk- und Schafsensvermögen des Rhein- länders überwiegen, so ist dieses doch sehr beachtenswert.
Künstlerischer Geist im enge- ren Sinne verrät das bildnerische Können und Leisten rheinischer Meister bei den mittelalterlichen' Domen, den Kirchen- und Rathausbcmten.
Einen besonders hohen Rang im Kunstgewerbe nahmen ui d nehmen die Goldschmiede ein.
Jahrhunderte hindurch empfing ihre Tätigkeit stets neue Anregungen aus dem Bestreben der kirchlichen Kreise, die Schatzkammern der Gotteshäuser mit kostbaren Schreinen und prunkvollem heiligen Gerät zu füllen. Noch heute bewahren Kirchen in Städten wie Aachen, Köln und Siegburg wertvolle Prunkstücke.
Wer auch aus den erwerbstätige» und anderen bürgerlichen Kreisen gingen den Künstlern Aufträge zu. Wie sehr die Bürger es verstanden, HauS und Heim mit künstlerischem Schmuck in Gold und Silber auszustatten, bezeugen ihre Testamente und die Verzeichnisse ihrer Nachläße. Auch das Ausland gab Aufträge. Und während auswärtige Goldschmiedegesellen in großer Zahl sich Köln zuwandten, um hier Amt und Bruderschaft HU gewinnen, hören wir, wie umgekehrt Kölner Goldarbeiter z. B. in Frankreich, selbst
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standesbildung erklärlich, die heute unstreitig zu den ersten Kennzeichen rheinischen Wesens gehört und sich in vielen Einzelzügen offenbart. Ferner eignet den Rheinländern eine gute, vielfach schnelle Aussassungs-, Ver- gleichungs- und Verknüpfungsgabe, die stets . , genährt wird von einer lebhaften, farben-
auf Sardinien ihre Kunst aüsübten. s reichen Einbildungskraft.
.Mver E auch ist, das Volkstum des s „Rheinische Volkskunde". Von Dr. A. Wrede.
Vielgestaltigen Rheinlandes unter emen Neu- Verlag Quelle »nd Mayer. Leipzig.)
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geißeln ließen? Mit alledem hatte Erwin Urlaub nichts mehr zu schassen. Er jauchzte, da er nicht Kette noch Klammer mehr spürte, er zitterte nicht vor den Nächten, da er sein eignes Feuer vom Himmel riß.
Erwin Urlaub erlebte die Heimat, spürte sie aus in allen verborgenen Zipfeln, wollte endlich wißen, woher er kam und wofür er blutete, wollte erfahren, was er besaß und was er erbte, um das alles würdig verwalten und ohne Fehlbetrag weitergeben zu können.
Gestern hatte er die Stube besucht, wo zwischen schiefen Dachbalken und verwittertem Gerümpel Ludwig van Beethoven, der Meister der Missa Solemnis und der ewigen Sinfonien, den Schritt in die Erde gewagt hatte. Heute gab er sich dem Wunder der Weinberge an Rhein und Mosel hin, bald zog er in Frankfurt ein. der Wiege des faustischen Titanen, bald auch ins Goldene Mainz, wo man den Weg wies nach den Kaisergräbern von Speyer oder zum Engels- pseiler des gotischen Mirakels zu Straßburg. ^ Dort war die Inbrunst Meister Grünewalds ^ nicht mehr weit, von dort konnte es nur ein Sprung, sein zum Lindenholzaltar zu
M sah den Rhein, den deutschen Min
Nie sah ich dich so prangend In deiner Schönheit Blüte stehn.
Und doch hat heiß verlangend Mein Herz dich Tag und Nacht gesehn. Ihr Träume und ihr Lieder,
Nun flattert ferne und verwaist ...
Mein Rhein, ich seh dich wieder Und weiß erst heut, was Liebe heißt.
Ich möcht die Augen weiten.
Dich anzuschaun mit einem Mal ...
Laß, Fährmann, langsam gleiten.
Ganz langsam nur dein Schiff zu Tal.
Von goldnen Sonnennetzen Umsponnen, staun ich knabengleich ...
An Wundern und an Schätzen Mußt ich dich nie so überreich.
Rudolf Herzog.
Heimat am WM
Me klinget die Welle, Wie wehet der Wind!
O selige Schwelle.
Wo wir geboren sind!
NHeinial bei Remagen
Treib nieder und nieder.
Du herrlicher Rhein!
Du kömmst mir ja wieder.
Läßt mich nie allein.
Clemens Brentano.
Ewi« WM ttwMM reu Rhein
Deutschland breitete sich aus mit allen Pforten seiner Herrlichkeit. Wer sagte, daß man arm sei? Wer jammerte, daß die Geschäfte kümmerten, die Börsen krachten und jeder Handel im Fieber läge? Wer schrie um Hilfe, da die Hochöfen erloschen und die Arbeiter sich von einem Streik in den ander»
s. R.
Breisach und zu den roten Quadern des j Freiburger Münsterturms.
Der Wanderer Urland wollte immer nur Ja sagen. Laut und das Herz ausschöpfend bis zum Grund: Ja! — Die Welt ging wieder in ihn hinein und durch ihn hindurch, nur das Miserable floß vorbei, oder es wurde von der Seele abgestoßen wie Eiter aus der Wunde. Und nachts fielen wieder Sterne, da wünschte man sich Deutschland!
Tage, Wochen, Monate, der Zugvogel wurde nicht müde, sich notwendig zu fühlen. Er war einem Märchen abhandengekommen und suchte ein neues, daß er chm treu sei. Er hatte sich frei gemacht vom Bannspruch
böser Geister, er tauchte lusthoiend aus wir ein Schwimmer aus der Tiefe. Ein ganzes Jahrhundert lebte falsch — Erwin Urland war die Ausnahme. Ein ganzes Volk fuhr wie Treibholz im Strom — Erwin Urland rang ihm entgegen.
(Aus Heinz Steguwert: „Heilige Unrast").
Fragt den Schisser am Strouu Wie heißt dieses Land?
Arbeit wird es genannt.
Fäuste um Ballen wie Zangen gekrallt, Kranengeraffel, Kettengeklirr.
Kettengestampf und Srrenengeschwirr,
Leiber an Steuer und Segel geschnallt — Arbeit, Arbeit heißt dieses Land.
Fragt berußte Gesichter in Hallen,
Wo Hämmer auf glühende Eisen fallen.
Wo Menschen mit Erzen und Erden ringe«. Wo Pressen rasen und Pendel schwingen — Fragt: Wie heißt dieses Land?
Arbeit wird es genannt.
Fragt die Toten: Wie heißt dieses Land? Alle, die wir in Reihen ruh'n.
Hatten zu sorgen, hatten zu tun.
Saßen in Kreise und Zahlen gebückt.
Viele hat Arbeit in Arbeit erschlagen.
Viele wurden aus Schächten getragen. Zerbrochen die Brust und der Schädel Erdrückt.
Jeder, ob reichen, ob armen Gewands,
War Knecht der Erde, Knappe des Lands.
Fragt die Toten: Wie heißt dieses Land? Arbeit, Arbeit wird es genannt.
Johannes Heinrich Braach.
Ser Knabe auf-em «aha
Prall lag die Sonne auf dem Strom. Sie tat nicht weh. sie brannte nicht, sie nahm nur alles zu sich hinauf in ihre warmen Hände, die Wiesen und Büsche längs des Rheines, die Häuser, die man versteckt sab hinter Weiden und Pappeln, die Pferde auf dem Leinpfad, die anfangs noch den schweren Kahn zogen und — Ludwig van Beethoven blickte aus — auch ihn. den Jungen am Heck.
Bisweilen schoß kreischend ganz nah eine Möwe vorüber, die Füßchen ganz dicht an den Leib gezogen, breit die Flüge* gespannt verharrte schräg und regungslos, hing an unsichtbaren Drähten über dem Kahn oder über dem Wasser, drehte bei und stieß aut die Wogen nieder.
Bisweilen tauchte der braun gebrannte Negerkopf des Schissers auf, der aus der Kajüte kam, wo seine junge Frau und Beethovens Mutter zusammen Spinat verlasen. Seine gutmütigen blauen Augen gingen zuerst zu dem festgemachten Steuer, dann zu den Blumen im Kasten und blieben zuletzt ein wenig ungewiß an Ludwig hängen. Sein schneeweißes Hemd, auf der Brust offen, stach seltsam ab gegen die verbrannte Haut. Daß bei aller Gutmütigkeit der ganze Kerl, wenn er so halb verdeckt auf der Kajütentreppe stand, etwas Wildes, Ungebändigtes an sich hatte.
Die Wellen glucksten gegen die Schifss- wand, viele Stunden so, süß zum Einschlafen mit all der brennenden Sehnsucht im Herzen.
Ludwig hob die Hand, als ob er zeigen wollte irgendwohin, brach ab, umschlang dafür die Mutter und zog sie neben sich auf die Bank, auf der er hockte.
„Warum kann es nicht immer so sein wir heute?"
„Weil die Sonne auch nicht alle Tage scheint", sprach ernst Frau Magdalena van Beethoven.
„Aber das meine ich gar nicht, Mutter."
„Ich verstehe dich schon, mein Kind."
„Wer der Mann, dem dieser Kahn gehört, der jeden Tag so an den Städten vorüberfährt —."
„Auch der Schiffer möchte an vielen Tagen nicht auf seinem Kahn fahren müssen, möchte anlegen können, wenn er dürfte, alles stehen und liegen lassen und wandern. Wer er darf nicht."
„Wer hat ihm was zu verbieten?"
„Das Schicksal, mein Kind. Die Vorsehung Gott." Heinrich Zerkau len.
(Aus dem Roman: „Musik auf dem Rheia".>
Ein Fremder fragt einen Dienstmann. „Wo kann man sich hier rasieren laßen?" und erhält zur Antwort: „En Geseech (Gesicht)."
Ein anderer kommt zum ersten Male nach Köln, tritt aus dem Bahnhof heraus und sieht erstaunt den Dom an. Dann fragt er geringschätzig einen ihm begegnenden Dienstmann: „Sagen Sie mal, was ijt das da für eine Kapelle?" .Leeven Här, ich be« fflvs voll", entgegnete dieser.
Oder: Köbes: „Ich kann net mieh schloff!" Pitter: „Woröm dann nit?" Köbes: „Ich Han neulich enS van der Arbeit gedrauml (geträumt), un do Han ich es« Angs krätz? un meine immer, dat könnt mer noch ens Widder paffeere."
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