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Der Gesellschafter

Samstag, den 30. Juni 1931

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den zunächst die Ausgaben abzugrenzen sein. !die die Gemeinden. Gemeindeverbünde und Länder oder Gaue zu erfüllen haben werden. Dann wird der Ausgabenbedarf und schließ­lich der Einnahmenbedars festzustellen sein, beim letzteren wieder zunächst die Summe der außersteuerlichen Einnahmen und schließ­lich der erforderliche Steuerbedarf.

Als Zwischenglieder zwischen das Reich einerseits und die Gemeinden anderer­seits werden die Länder oder Gaue ein­zuschalten sein. Es wird diesen Gauen ebenso wie den Gemeinden eine gewisse finanzielle Selbstverwaltung und Selbstverantwortung übertragen werden müssen. Dabei wird zu Prüfen sein, was den Ländern oder Gauen als eigenes Vermögen zu belassen sein wird. Die finanzielle Selbstverwaltung wird sich im wesentlichen auf überwiesene Einnahmen erstrecken.

Die Aufgaben zu verteilen, wird ausschließ­lich Sache des Reichs sein. Es werden nicht nur alle Zweige der Reichsverwaltung.

Bminfachlmg i

Im Rahmen der Steuerreform wird das gesamte Steuerrecht wesentlich verein­facht werden. Von Einfachheit hat im bis­herigen Steuerrecht nicht die Rede sein kön­nen. Die Zahl der Steuern war zu groß. Die Form der Gesetze war zu umständlich. Die Sprache war umständlich und unklar. Die Mehrzahl der Sätze war viel zu lang. Dieser Mißstand lag zum Teil an den Weis­heiten. die das Parlament bei der Beratung des Gesetzentwurfs in diesen oft als Aus­geburt jämmerlichen Kuhhandels und er­bärmlicher Jrneressenpolitik hineinbeschlie- ßcn zu müssen glaubte. Der Referent kannte oft seinen Entwurf nicht wieder, wenn der Wortlaut des Gesetzes im Neichsgcsctzblatt erschien. Alle diese Dinge haben zu einem r i e s i g e n Steuerwirrwarr und zwangsläufig zu einer Interesselosigkeit sehr vieler Volksgenossen an den Steuergesetzen und zur Beeinträchtigung der Arbeitsfreude der Finanzbeamten geführt.

Enger Spielraum für die Auslegung

Die Tatsache, daß der Spielraum für die Auslegung der einzelnen Bestimmung in manchen Fällen viel zu groß war. hat zu einer sehr bedenklichen Erschütterung der Steuerrechtssicherheit und infolgedessen zur Verärgerung des Steuerpflichtigen und zur Befehdung der Finanzverwaltung durch den Steuerpflichtigen geführt. Für den Steuer­pflichtigen und auch für die Steuerverwal-

sondern auch die Selbstverwaltung von der OrtZgemeinde bis hinauf zmn Land oder Gau zu beteiligen sein. Die Selbstverwaltung wird nach wie vor zur Besorgung staatlicher Aufgaben heranzuziehen sein. Da sie nach einheitlichem Plan umgeformt sein wird, werden die Voraussetzungen gleichmäßig ge­geben sein, und alle Einzelheiten werden sich wesentlich einfacher übersehen unb ordnen lassen als bisher.

Eine Unterscheidung zwischen ausschließ­licher. konkurrierender und Grundsatzgesetz­gebung wird es nicht mehr geben. Das Reich allein wird bestimmen, wer außer ihm noch Steuern erheben darf und nach welchen Merk­malen.

Das Ab gäben recht der Gemeinden und der Kreise wird durch Reichsgesetz abschließend zu regeln sein. Für gerichtliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Steuern wird kein Raum mehr sein; denn welche Steuern er­hoben werden und nach welchen Merkmalen, bestimmt ausschließlich das Reich.

>es Gteumechts

tung ist Steuerre'chtsficherheit nur dann ge­geben, wenn der Spielraum für die Aus­legung der einzelnen Bestimmung möglichst eng gezogen ist. und wenn es nur in wenigen grundsätzlichen Fragen eines Verfahrenwcgs bis zum Reichsfinanzhof bedarf, um sestzu- stellen. was Recht ist.

Die gesamte Steuergesetzgebung wird neu­gestaltet werden. Mißstände der bezeichneten Art werden die neuen Steuergesetze nicht aufweisen. Die Form der Gesetze wird einfach sein. Die Sprache wird klar und ein­deutig sein. Parlamentsdeutsch wird ausge­schaltet sein. Die Rechtsprechung des Reichs­finanzhofs wird, soweit nach nationalsozia­listischer Auffassung volkswirtschaftlich und sozial vertretbar, berücksichtigt sein. '

Schaffung eines besonderen Skeueranpassungsgesehes

Zur Vereinfachung der Gesetze wird auch die Tatsache dienen, daß die Bestimmung der verschiedenen Grundbegriffe, die für die Besteuerung maßgebend sind, nicht in jedes einzelne Stcuergesetz ausgenommen werden, wie das in der bisherigen Gesetzgebung oft in den verschiedensten Sprachweisen und Dar­stellungsweisen geschehen war. sondern daß ein besonderes Steueranpas­sungsgesetz vorgesehen ist. Dieses Steuer­anpassungsgesetz wird beispielsweise die fol­genden Abschnitte enthalten: Auslegungs- Grundsätze, Ermessensentscheidungen. Steuer­

schuld. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Geschäftsleitung, Sitz, Betriebsstätte, gemein­nützige, mildtätige und kirchliche Zwecke usw. 8 1 dieses S t e u e ra n P a s s u n g Z - Ge­setz e s wird lauten:

1. Die Steuergesetze sind aus dem Geist nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen.

2. Dabei sind der Zweck und die wirtschaft­liche Bedeutung der Steuergesetzc und die Entwicklung der Verhältnisse zu be­rücksichtigen.

3. Entsprechendes gilt für die Beurteilung von Tatbeständen.

Bisher liegen außerdem die Entwürfe zu folgenden neuen Gesetzen vor: Einkommen­steuergesetz. Körperschaftssteuergesetz. Ver- mögenssteuergesetz, Umsatzsteuergesetz. Kapi­talverkehrssteuergesetz, Reichsurkiindcmstener- gesetz. Grunderwerbsteuergesetz. Erbschafts- steuergcsetz.

Mit allen diesen Entwürfen wird sich im Juli und im August der Finanz- und Steuer­rechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht befassen. Es ist vorgesehen, diese Ent­würfe Mitte September dem Neichskabinett zuzuleiten und sie spätestens im Oktober durch das Kabinett verabschieden zu lassen.

Das Steueranpassungsgesetz wird in das Stenerverwaltungsgesetz übernommen wer­den, das im kommenden Frühjahr an Stelle der bisherigen Reichsabgabenordnnng er­scheinen wird. Auch das neue, für das ge­samte Reichsgebiet maßgebende Gewerbe- steucrgcsetz und das Grnndsteuergesetz werden erst im kommenden Frühjahr erscheinen.

Ausmerzung technischer Widersprüche

Eine wesentliche Vereinfachung wird auch darin bestehen, daß das Rechnungsjahr in Reich, Ländern und Gemeinden mit dem Ka­lenderjahr zusammengelegt werden wird und jegliche Steuern nur noch für das mit dem Kalenderjahr zusammenfallende Rechnungs­jahr erhoben werden. Der Begriff Steuer­abschnitt, der von manchem Steuerpflichtigen oft nicht recht hat verstanden werden können, wird verschwinden.

AereinfaAlillg der Verwaltung

Die Vereinfachung wird sich nicht nur auf das Recht und auf die Gesetze erstrecken, son­dern auch auf die Verwaltung. Es wer­den ve r s ch i e d e n e Z u s a m m e n l e gun- gen erfolgen, sür die der Zeitpunkt im

wesentlichen aus dem Fortgang der Reichs­reform sich ergeben wird. Im Ziel darf eS grundsätzlich nur noch Rcichssteuern und nur noch eine Reichsfinanzverwaltung geben, wo­mit jedoch nicht gesagt sein soll/ daß die Länder oder Gaue und die Gemeinden ohne finanzielle Selbstverwaltung und Selbstver­antwortung gelassen werden sollen.

Verzugszinsen und Stundungszinsen wer­den in der Reichsfinanzverwaltung mit Wir­kung ab 1. Januar 1935 abgeschafft werden. Die Mahn- und Veiireibungsgebühren wer­den jedoch erhöht werden.

Liste säumiger Steuerzahler

Nach Schluß eines jeden Jahres wird eine Liste der säumigen Steuerzahler aufgelegt werden. In diese Liste wird jeder ausgenommen werden, der einer ihm erteilten ersten schriftlichen Mahnung nicht gefolgt ist. der es also zur Mahnung durch den Beitrei- bungsbeamten bat kommen lassen. Die Liste der säumigen Steuerzahler wird erstmalig im Frühjahr 1936 ?ur das Jahr 1935 ausge­stellt werden. In die Liste der säumigen Steuerzahler wird niclft ausgenommen wer­den. wer bis zum 31. Dezember 1934 seine Rückstände beseitigt und im Jahr 1935 es nicht zu einer Mahnung durch den Beitrei- bunosbeamten kommen ftlßt.

Die Einführung de- Liste der säumigen Steuerzahler in Zusammenhang 7,-ft der Be­seitigung der Zinsenwirtschaft in der Reichs- sinamverwaltnng bedeutet eine sebr wesent­liche Verwaltungsvereinfachung. Me Voll­streckungsabteilungen Weeden Ihr erheblich abgebant werden können: denn für ne wird es in Zukunft hoffentlich fast keine Arbeit mehr geben.

Mithilfe des Steuerzahlers n ft -cndig!

Zum Schluß rufe ich alle Volksgenossen und Volksgenossinnen aus. ihre Steuern nicht nur pünktlich, sondern möglichst auch bar­geldlos zu entrichten und auf der Rückseite des Zahlkartenabschnitts oder dergleichen stets recht deutlich anzugeben, wofür die Zah­lung dient. Auch die Beachtung dieses Grund­satzes wird zu einer wesentlichen Entlastung und Vereinfachung führen. Das Ziel mutz sein, daß Steuern nur noch bargeldlos ent­richtet werden dürfen.

Meine lieben Volksgenossen, wir alle, die Steuerpflichtigen einerseits und die Gesetz­geber und Beamten andererseits, wollen im Geist wahrer Volksgemeinschaft unentwegt nichts tun als unsere Pflicht!

Tausend Jahre GesWle werden lebendig

Erfolgreicher Abschluß der Ausgrabungen im Kloster Hirsau

In diesen Tagen geht in dem idyllischen Schwarzwaldort Hirsaum aller Stille ein Werk seiner Vollendung entgegen, das vielen späteren Besuchern der historischen Stätte ein bleibendes Erlebnis sein wird. Die Aus­grabungen im Innern der früheren Peters­kirche, die das Arbeitsdienstlager Calw unter Leitung des Stuttgarter Kunsthistorikers Dr. Erich Schmidt unternommen hatte, sind nunmehr beendet, und die wenigen Ueber- reste, die von dem einst so stolzen Bau noch übrig sind, werden, aufs Säuberlichste her­gerichtet, mit einer kleinen Feier am 29. Juni, dem Peter- und Pauls-Tag der Oesfent- lichkeit übergeben.

Hier stand einst

die größte Kirche Deutschlands

Wer weiß heute noch, daß der einstige Pe­tersdom des Klosters Hirsau die größte Kirche Deutschlands war? In 96 Meter Länge und 34 Meter Breite erstreckte' sich der gewaltige Vau. von weitem her dem Wanderer sicht­bar, der das einzigartig schöne Nagoldtal heraufkam. Um sich seine unwahrscheinliche Größe zu vergegenwärtigen, muß man wis­sen, daß er die Hälfte der Peterskirche in Rom ausmachte.

In knapp 10 Jahren Bauzeit hatte der überragende, weitblickende Abt Wilhelm die Klosterkirche erbaut, nachdem die frühere Aurelius-Kirche, die aus dem 9. Jahrhundert stammte, längst zu klein geworden war. We­nige Monate nach der Einweihung im Jahre 1091 starb der Abt, der es verstanden hatte, nicht nur als Architekt eines der bemerkens­wertesten Baudenkmäler Deutschlands zu schaffen, sondern auch als Diplomat das Kloster Hirsau sür eine zeitlang zu einem Mittelpunkt europäischer Geschichte zu ma­chen, nachdem er durch seine drakonisch strenge Klosterreform auf alle umliegenden Klöster einen grundlegenden Einfluß gewon­nen hatte.

Zerstörung und Zerfall des Werkes

Wer heute den vielbesuchten Kurort betritt, findet nur noch die Trümmer der ehemali­gen Herrlichkeit. Man hat die grauenhafte Verwüstung in erster Linie Melac, dem fran­zösischen Mirdbrenner in die Schuhe gescho­ben. Tatsache ist, daß dieser die Klosterkirche 1692 in Brand steckte, nachdem er das Klo­ster geplündert hatte.

Das Innere der Kirche und das Dach wa- ren ausgebrannt, eine Wiederherstellung un­terblieb vielleicht aus Gründen wirtschaft­licher Not, aber die Kirche stand damals noch mit ihren herrlichen Säulenhallen un­

versehrt bis zum First. Ebenso war von den stattlichen Türmen nur einer im oberen Teil ausgebrannt. Die eigentliche Zerstörung er­folgte leider durch die heute unbegreifliche Verständnislosigkeit der Behörden, welche die Kirche als Steinbruch an Private ver­kauften, so daß im Lauf der weiteren Jahr­zehnte, alles, was an guten Steinen irgend- wie verwertbar war, abgebrochen wurde. So ist die eigenartige Tatsache zu erklären, daß in den Häusern von Hirsau sich vielfach wun­derbar behauene Steine der einstigen Klo­sterkirche init Ornamenten und Figuren fin­den, die gedankenlos und ohne Verständnis eingemauert wurden. Auch die Straße nach Liebenzell ist größtenteils aus diesem wert- * vollen, damit unwiederbringlich verlorenen Baumaterial gebaut.

Von der einstigen Klosterkirche ist heute nur noch eine der vielen Kapellen erhalten, die jetzt als evangelisches Gotteshaus der Gemeinde dient. Alles andere, auch einer der zwei Türme, ist bis auf die Grundmauern verschwunden, und wo einst wunderbare Altäre und kunstvoll verzierte Säulen stan­den, waren im Lauf der Zeit über dem Bau­schutt Gras und Bäume gewachsen, die unter ihrem Schatten die letzte Erinnerung an die Vergangenheit begruben.

Der Arbeitsdienst baut auf

Um so dankenswerter ist es, daß das Lan­desamt für Denkmalspflege sich in den letz­ten Jahren der großen historischen Stätte annahm, die schon seit Ende des letzten Jahr­hunderts unter staatliche Aufsicht gekommen war. Schon mehrere Ausgrabungen hatten stattgefunden, ehe man sich zu einer endgül­tigen und umfassenden Arbeit entschloß. Im Herbst letzten Jahres begann nun das Ar­beitsdienstlager Calw unter Leitung von Dr. Schmidt das ganze Innere der Kirche und die Umfassungsmauern freizulegen. In un­endlich mühsamer, langwieriger Arbeit wurde gegraben und Wagen um Wagen mit Erde und Schutt fortgefahren, bis endlich dieses Frühjahr die ersten Ergebnisse gebucht werden konnten. Sie sind wasAusgra­bungen" anbelangt, spärlich genug, denn die Verwüstungen der früheren Unternehmen wa­ren gründlich gewesen. Immerhin bot sich für den Forscher viel des Interessanten, denn nicht nur wurden die bisherigen Pläne und Grundrisse der Kirche einer bedeutenden Re­vision unterzogen, sondern es fanden sich auch all die Stellen der früheren bisher un­bekannten Altäre und hinter dem Hauptaltar ein wohlerhaltenes Doppelgrab von ansehn­licher Tiefe, das vermutlich die Gebeine des

berühmten Schöpfers des Klosters, Abt Wil­helms enthielt.

Eine vorbildliche Kulkställe entsteht.

Dennoch sind es weniger die Ausgrabungen an sich, die das Interesse der Oeffentlich- keit in Anspruch nehmen. Der Leiter des Werkes ist vielmehr in der richtigen Erkennt­nis, daß solche Arbeiten heute weniger denn je nur dem Interesse weniger Forscher, son­dern dem Volke verständlich und zugäng­lich gemacht werden müssen, einen Schritt weitergegangen, und hat versucht, durch neue Wege etwas von dem gewaltigen Eindruck der früheren Kultstätte der Gegenwart zu vermitteln.

Zu diesem Zweck wurde das Grabungsge- lande eingeebnet, und nachdem alle stören­den Zäune, Mauern und Bäume entfernt wurden, dehnt sich nun vor dem Beschauer die riesige Grundfläche des ehrwürdigen Do­mes in staunenerweckender Größe. Durch sockelhohe Betonstreifen, die mit Naturstein verkleidet sind, werden die früheren Linien der Fundamente und des Chores angedeutet, quadratische Klötze kennzeichnen die Stand­orte der Kreuzpfeiler und Säulen des Mit­telschiffs und der zahlreichen Altäre. Auf dem Hauptaltarstein soll ein großes Kreuz aus Eichenbalken errichtet werden, das das ganze Feld beherrscht. Das Innere der Kirche selbst wird ebenfalls durch einen Weg er­schlossen werden, der in seiner Führung gleichzeitig dem der früheren Prozessionen entspricht, während alle übrigen Flächen mit Gras eingesät werden.

Damit soll, vor allem auch unserer Ju­gend gezeigt werden: So hat einst die größte Kirche Deutschlands ausgesehen, dieses ge­waltige Werk schufen unsere Vorfahren vor bald 1000 Jahren mit den einfachsten Werk­zeugen ohne hilfreiche Maschinen, ohne fremde Architekten, rein und einfach aus ihrer deutschen Kraft. Hier an dieser Stätte, wo jetzt nur noch Ruinen stehen, war einst ein Mittelpunkt des kulturellen und politischen Lebens, von hier aus wurde der deutsche Name bekannt und berühmt.

Jetzt, nachdem dieses neuartige Werk ge­lungen ist, muß gesagt werden, daß damit etwas Vorbildliches geleistet Wurde. Es liegt ein eigenartiger Zauber über diesen alten Mauern der verfallenen Kirche und den kunstvollen Fenstern des herrlichen Kreuz­ganges, dem keiner entgeht, der es versteht, mit Liebe und Verständnis in der Geschichte dieser toten Steine zu lesen. Bis zu tausend Besucher werden Sonntag um Sonntag in diesen alten Ruinen gezählt, deren Bauge­schichte rund 10 Jahrhunderte umfaßt, und das Schönste ist dabei, daß gerade die Ju­gend am allerzahlreichsten dabei vertreten ist- Fritz Abel

Mit kimm..Ate» Mam" m-eiratki

Eine unangenehme Ueberraschung Wie soll Frau Cartier nun heißen?

Die unheilvolle Ueberraschung, die dieser Frau Jules Cartier, die gar nicht Frau Jules Cartier ist, zuteil wurde, ist eine der tragischen Kriegsfolgen, an denen unsere Welt auch noch 20 Jahre nach dem Unheil krankt. Frau Cartier, die sich seit dem Jahre 1920 mit dem ehemaligen kanadischen Sol­daten Jules Cartier verheiratet dünkte, fühlte sich von ihrem Gatten mitsamt ihren drei Kindern sehr verlassen.

Sie wandte sich also an das Gericht mit einer Unterhaltungsklage. Aber jetzt kam die große Ueberraschung. Die Behörden be­mühten sich, die Einnahmen, das Vorleben und die sonstigen Daseinsumstände des Herrn Cartier zu ermitteln, erfuhren jedoch, daß dieser Mann, der im Jahre 1920 mit der Frau Cartier verheiratet wurde, bereits im Jahre 1918 bei Paschendaele durch eine Granate den Heldentod gefunden hatte, mit- hin nicht in der Lage war, leibhaftig 1920 eine Ehe einzugehen. Man mußte also eine Scheidung einer Ehe von einemToten Mann" anstreben. Ferner aber galt es, jenen lebenden Gatten ausfindig zu machen, der lebend unter dem Namen des Toten in den Stand der Ehe trat und sogar Vater von drei Kindern wurde.

Die Polizei setzte sich mit allem Eifer hinter diesen höchst rätselhaft scheinenden Fall und tat auch einen Mann auf, der sich im sonstigen Leben Brunel nannte und nur gegenüber seiner Frau Cartier hieß. Er war erschüttert, daß man ihm doch auf die Sprünge gekommen war und gab zu, daß er einst, als Cartier zu Tode kam, dessen Mili­tärpaß an sich genommen hatte, da ihm sein eigener abhanden gekommen war. Und da er sich kurz darauf in diese Frau verliebte, die er dann heiratete, so entschied er sich, kurzer­hand unter diesem Namen zu heiraten.

Brunel hatte sich übrigens nach Kanada zurückgezogen, wo er von den kanadischen Behörden ermittelt wurde und hinter Git­tern sitzt. Man wird ihn nach Frankreich ausliefern, weil er lebend einen toten Mann spielte und sich als der, der er gar nicht war, den Unterhaltskosten entzog, für die er leib­haftig, wenn auch nicht dem Namen nach verantwortlich genannt werden mußte.

Und wie soll Frau Cartier sich nun nen­nen? War sie verheiratet? Kann sie geschie­den werden? Sind ihre Kinder ehelich? Kön­nen sie ehelich werden? Wie heißt ihr Vater? Ein weiser Richter wird für diesen Fall Car­tier gesucht.