Leite 8 Nr. 148
Der Gesellschafter
Freitag, den 29. Juni igz^
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Am Freitag trifft auf dem Lannstatter Wasen der „Hilfszug Bayern" ein. der. wie wir bereits mitgeteilt haben, anläßlich deZ Aufmarsches der SA.-Brigade 55 am kommenden Sonntag die Verpflegung aller biwakierenden SA.-Männer übernehmen wirb. Schon vorneweg sei verraten, wie reichhaltig der Speisezettel sein wird. Der Hilfszug ist nämlich in der Lage, mit seinen modern ausgestatteten Kochapparaten und bis aufs genaueste ausgenutzten Vorratswagen von dem traditionellen „Erbsen und Speck"-Soldaten- essen abzuweichen.
Hier ist der Speisezettel:
Samstagabend 19 Uhr Pickelsteiner Suppe mit gemischtem Fleisch ohne Knochen und je einem halben Liter Orangeade.
Sonntag morgen 5 Uhr Kaffee mit Zucker, 1VV Gramm Dauerwurst. V- Pfund Brot.
Sonntag mittag 11 Uhr Rindsbraten mir Makkaroni und Tunke. V- Liter Bohnenkaffee.
Der ..Hilfszug Bayern" wurde bekanntlich von der nationalsozialistischen Beamtenschasi Deutschlands gestiftet und ins Werk gesetzt.
Der Zug, der bei den Magirus-Werken in Ulm gebaut wurde, besteht aus zwölfgro- ßen Wagen und vier Gerätelastwagen. Die Wagen haben eine durchschnittliche Länge von sieben Metern. Sie werden in drei Kategorien geteilt: 1. die Großküchenanlage. 2. die Werkstättenanlage und 3. die Opera- tions-, Lazarett- und Wohnanlage. Die Küchenwagen Nr. 1 und 2 leisten 30 000 Kaffee- Portionen zu je Liter (als Beispiel) am Morgen. 30 000 Portionen Eintopfgericht am Mittag, 30 000 Portionen Tee am Abend, lieber diese Leistung hinaus kann die Ver- Pflegs-Lcistungsreserve auch noch 15 000 Por- tionen Braten in zwölf Stunden Herstellen.
Ein technisches Wunderwerk ist weiter die Werkstätten-Anlage, die eine Einrichtung für Holzbearbeitung, eine Schlosserei, eine Blechnerei mit Löten und Schweißen, eine Feuerlöschstation, eine elektrische Licht-, Kraft- und Wasserversorgung enthält.
Der Lazarett- und Operation-wagen ist in seiner Leistung einer kleinen modernen Kli
nik gleichgestellt. Der Operationsraum ist so eingerichtet, daß sämtliche größeren und kleineren chirurgischen Eingriffe in ihm borge- nommen werden können.
Weitere interessante Einzelheiten über die ausgezeichneten technischen Einrichtungen des Hilfszuges enthält die Brigade-Festschrift, die zum Preise von 20 Pfg. bei den SA.-Män- nern zu erhalten ist.
AüMürmrg -es AuslWbs
Am 25. Juni 1934 fand in Stuttgart unter dem Vorsitz von Generaldirektor Hartman n - Heidenheim die 1. Sitzung des Arbeitsausschusses der Außenhandelsstelle für Württemberg statt. Der Vorstände gab einen Ueberblick über die gegenwärtige Wirtschaftslage, die gekennzeichnet sei durch den grundsätzlichen und tiefgehenden Unterschied in der Entwicklungstendenz der Binnenwirtschaft und des Außenhandels. Tie Maßnahmen der Reichsregierung zur Ueber- windung der Wirtschaftskrise hätten zu einer alle Erwartungen übertreffenden Belebung der Binnenwirtschaft geführt.
Das wichtigste Fundament für den deutschen Export sei aber die Aufklärung des Auslandes über die deutschen Verhältnisse sowie die Herstellung des Vertrauens im Ausland zu Deutschland. Die Aussprache ergab wertvolle Anregungen, deren praktische Auswertung sich die Außenhandelsstelle angelegen sein lassen wird.
MthM tMMLg
In den Zeiten während und nach der Inflation sind die Eisenbahn-Zeitkarten in bedenklichem Umfange mißbräuchlich benützt worden. Das hat die Reichsbahn und die dem Deutschen Eifen- bahnverkkchrsverband angehörendeu Privatbahnen im Jahre 1924 dazu veranlaßt. Zeitkarten nur noch dann als gültige Fahrausweise anzuerkenncn, wenn ne zusammen mit dem Lichtbild des Inhabers in dem bekannten Blechrahmen untergebracht waren.
Bei dem unverkennbaren Wiederausieigen der öffentlichen Moral nach dem politischen Umschwung ist nunmehr die nicht selten als lästig empfundene Vorschrift auf den 1. Juli 1934 abgeschafft worden.
Von da an gelten also die Monats-, S ch ii l e r m o n a t s-, T c i l- monats- und Arbeiterwochenkarten wieder ohne Blechrahmen und ohne Lichtbild.
Damit indes immerhin eine gewisse Kontrolle möglich ist. werden die Zeitkarten künftig an bestimmten Wochentagen gelocht, und zwar die Monats- und Schülermonatskarten am 10.. 20. und 28. jeden Monats und die Teilmonats- und Arbeiterwochenkarten am Mittwoch und Freitag jeder Woche. Damit durch das Lochen der Zeitkarten die rasche Abfertigung der Reisenden an der Sperre nicht gestört wird, werden die Bahnsteigsperren der Bahnhöfe mit starkem Berufsverkehr an den genannten Tagen stärker als sonst besetzt sein.
Die Zeitkarteninhaber können dadurch, daß sie sich an den betreffenden Tagen frühzeitig an der Bahnsteigsperre cinsindcn. wesentlich zur Beschleunigung der Abfertigung beitragen.
Eierschalen, Wursthäute und Zigarettenschachteln
Auf der Jubiläumstagung des Bundes für Heimatschuß wurde in einem Lichtbildervor- lrag eine sehr wirkungsvolle Gegenüberstellung gemacht. Es wurden zwei Lichtbilder aus den „Fliegenden Blättern" gezeigt; das eine hatte die Unterschrift: „Da können wir nicht lagern, hier haben Schweine gewühlt"; das andere: „Da können wir nicht wühlen: hier haben Menschen gelagert". Das sagte eine Bache zu ihren Frischlingen angesichts eines Lagerplatzes, der mit Käse- und Wurstpapier. Zigarettenschachteln. Eierschalen, Wursthäuten. Schokoladepackungen und anderen Ueberresten einer menschlichen Mahlzeit überschüttet war.
Die Gegenüberstellung ist leider nur allzu
oereehligl. oenn fast alle unserer vesticylen Aussichtspunkte und Lagerplätze geben dieses Bild. Man wird hoffen dürfen, daß die heutige Jugend- und Volkserziehung es soweit bringt, daß die Beschmutzung unserer Land, schaff mehr und mehr zurückgeht und schließlich^ ganz unterbleibt.
Es ist eines Kulturvolkes nicht würdig, seine Heimat, deren seelische Bedeutung für den Menschen wir wieder mehr als se zu schätzen gelernt haben, so zu mißbrauche» und herabzuwürdigen. Die Art der Versor- gung des Kulturschuttes wirft ein Licht auf die Bewohner eines Ortes und auf dessen Verwaltung. Es ist daher eine dringende Forderung des Heimatschutzes, auf diesem Gebiete mit aller Kraft durchzufahren und Ordnung zu schaffen, und von den Gemein, den sollte ein regelrechter Reinigungsdienst eingerichtet werden.
Jede Plakette hilft, unseren Kindern Erholung geben.
Spendet reichlich für das Hilsswerk „Mutter und Kind"!
Mcknckten
Heilbringende Hosen
Wenn eine chinesische Mutter einem Kinde das Leben schenkt, so werden vorher die Hosen des Vaters in dem Zimmer aus- gehäugt, in dem das Ereignis stattfinden soll. Man glaubt, daß dann alle schlechten Einflüsse von den Hosen angezogen werden und das Kind verschonen.
Das Auge des Gesetzes wacht
In Südamerika lassen die Polizeibeamten während der Nacht häufig ihre Pfeifen schrillen, um dem Bürger zu beweisen, daß die Polizei ihre Pflicht tut.
Nur keine unnötige Aufregung!
In Tibet gibt es nur eine Zeitung, und diese erscheint jeden Monat einmal.
Der erbliche Premierminister
Die merkwürdig st e Regierungsform der Welt hat der kleine Ghurka- Staat Nepal, der an den Hängen des Himalaja liegt. Er hat nicht nur einen erblichen König, sondern auch einen erblichen Premierminister. Diese Staatsform ist entstanden, weil man den König für zu heilig ansah, sich mit gewöhnlichen Dtrmtsgeschäften zu befassen.
Humor
Der zerstreute Professor
„Oh, Karl, das Mädchen ist gefallen und hat sich das Schlüsselbein gebrochen!
Professor: „Entlasse Sie auf der Stelle! Du hast ihr je gestern prophezeit, was ihr bevorstände. wenn sie wieder etwas zerbricht".
iLU«S«rv»L IUa»i»NL«r
Zeitroman von Helmut Messerschmidt
Urheber-Rechtsschutz für die deutsche Ausgabe:
Drei Quellen-Verlag, Königsbrück (Sa.)
3V. Fortsetzung.
Der Meister sah sie unfreundlich an. Sein Geselle sei mit einem Motorrads gestürzt und liege im Krankenhaus. Er brauche zwar sofort einen anderen, aber jemand so von der Landstraße aufzulesen, das sei sein Fall nicht. Man könne nie wissen, was man sich da auf den Hals lade.
Bredenkamp, der die Worte besser setzen konnte als Strötgen, trat warm für seinen Kameraden ein. Bis der Meister schließlich meinte, Strötgen solle mal zeigen, ob er überhaupt was könne. In der Werkstatt stände ein Wagen, an dem er sich versuchen solle.
Nun hatten sie gewonnenes Spiel.
Strötgen stürzte sich mit Feuereifer a«f die Arbeit. Bredenkamp setzte sich dazu: „Nein, ich helfe nicht. Ich möchte selber mal gern sehen, was du überhaupt kannst."
Der Meister ließ die beiden nicht aus den Augen. Zwei Lehrjungen grinsten von ihren Schraubstöcken herüber.
Nach zwei Stunden klappte Strötgen die Motorhaube herunter.
„So, der Wagen läuft!"
Er setzte sich hinein und ließ den Motor brummen.
Lange sah ihn der Meister an.
„Drei Tage können Sie vorläufig bleiben."
Theo Strötgen war nun heraus aus der Not. Wohl freute er sich darüber, aber dann dachte er an Hanna Schulte-Dieckhovens Auftrag und sagte zu Bredenkamp:
„Wenn die drei Tage rum sind, wandern wir weiter!"
„So siehst du aus!" gab Heinrich zurück. „Wir laufen, um arbeiten zu können, und wir arbeiten nicht, um dann wieder laufen zu
dürfen! Herr Meister, Sie haben da draußen so eine schöne Tankstelle; können Sie mich nicht als Tankwärter gebrauchen?"
„Nein, nein, so viel Betrieb ist da nicht."
„Ich tu's umsonst. Bloß für Quartier und Essen!"
Der Meister schien Gefallen an beiden gefunden zu haben. Er sträubte sich noch ein wenig, gab aber doch schließlich nach.
„Na, meinetwegen, auch für drei Tage."
Fünf Wochen blieben Bredenkamp und Strötgen in Prüm. Dann kam der frühere Geselle wieder, und Strötgen war überflüsseg.
„Schadet nichts," sagte Bredenkamp, „da wandern wir eben wieder ein paar Tage."
Aus den paar Tagen wurden Wochen und Monate, ohne daß sie Arbeit fanden.
Sie liefen durch ganz Süddeutschland, durch Oberfranken und Thüringen, machten einen riesengroßen Bogen um Berlin und kamen bis an die Nordsee.
Ihre Kleidung war mittlerweile recht schäbig geworden, so daß es schon aus diesem Grunde unmöglich wurde, eine Beschäftigung zu erhalten.
*
Immer wieder fand sich Hanna Schulte- Dieckhoven bei Frau Bredenkamp ein.
Dann saßen die beiden Frauen zusammen und sprachen von dem einen, der sie verlassen hatte.
Heinrichs Briefen an die Mutter lag regelmäßig ein Brief an Hanna bei, weil er nicht direkt an sie schreiben konnte.
Die Mutter war Hannas Vertraute geworden. Seit Heinrich fort war, flüchtete sie mit allen Sorgen zu ihr.
„Ein halbes Jahr läuft Heinrich nun schon in Deutschland herum," seufzte sie, „und er schreibt immer noch nichts von Heimkehr. Jetzt ist es Herbst, und es ist draußen so unfreundlich. Das muß doch schrecklich sein, bei dem naßkalten Wetter auf der Straße z« liegen. . ."
„Ich will ihm Unterzeug schicken, sobald er wieder eine Adresse schreibt. Das ist das einzige, was wir tun können; denn heimholen läßt er sich nicht, solange ihm hier keine Arbeit secher ist. das weiß ick>."
„Und ich habe auch wieder neuen Kummer: Papa hat schon wieder einen Mann für mich . . .
„Ach, was ist denn das jetzt für einer?"
„Ein Beamter vom Gericht . .
„Mit dem Gericht Hab' ich nie gern zu tun gehabt. Was ist denn da so besonders zugkräftig?"
„Weiß ich nicht." Hanna zog die Schultern hoch. „Vielleicht die Pensionsberechtigung."
„Das ist in diesen Zeiten ein gar nicht zu verachtender Vorzug."
„Aber, Iran Bredenkamp!"
*
dkm ss-ilm-n Abend erreichten Brsben-
kamp und Strötgen ein kleines sächsisches
Landstädtchen.
Zuerst suchten sie die Post.
Richtig, für jeden ein Paket!
Das raffte sie wieder auf, nachdem Schnee und Frost und alle winterliche Unbill ihnen arg zugesetzt hatten.
Frohen Mutes zogen sie dann zur Polizeiwache, um die üblichen Formalitäten der Anmeldung zu erledigen.
Einem alten, grimmig dreinschaaenden Beamten gaben sie ihre Papiere.
„Bredenkamp", buchstabierte er, „wie heißen Sie mit Vornamen?"
„Heinrich Edmund."
„Geburtsort?"
„Essen-Ruhr."
„Was sind Sie von Beruf?"
„Bergmann", antwortete der junge Lehr«.
„Wo kommen Sie jetzt her?"
„Von Riest;."
„Und wohin wollen Sie morgen?"
„Nach Großenhain."
Der Beamte machte sorgfältig seine Eintragung in Bredenkamps Wanderbuch und drückte seinen Stempel daraus. Dann erhöh er sich.
„Wieviel Geld haben Sie bei sich?"
„Gar nichts."
„Taschen auspacken!"
Bredenkamp breitete alles auf den Tisch, Was er bei sich trug: Kamm, Spiegel »nd Rasierapparat, Schnürsenkel, Taschentuch und Bleistift. Goethes „Faust" und die Briefe
von Hanna und der Mutter, einen Kragen und eine Krawatte, Knöpfe, Nadel und Zwirn.
„Ist das alles?"
„Ja."
„Machen Sie mal die Joppe offen!" „Bitte."
Bredenkamp ließ es ruhig geschehen, daß der Beamte in alle Taschen griff. Das kam oft vor und machte ihm schon längst nichts mehr aus.
„Was haben Sie denn da für ein Paket?" „Weihnachtspaket von Muttern. Sehen Sie hier, eben frisch von der Post, noch nicht geöffnet. Hier ist der Abschnitt der Paketkarte."
„Danke."
Jetzt kam Theo Strötgen an die Reihe. Als auch das vorüber war, erhielten sie Schlafmarken für das Wandererheim und konnten gehen.
Als sie dort ankamen, fielen sie zuerst über die Pakete her. Lauter gute Sache« und allerlei wärmendes Zeug.
Und Briefe.
Plötzlich sprang Bredenkamp auf. Stand mit hängenden Armen vor seinem Wanderkameraden. War kreidebleich.
„Heini — was ist . . .?"
„Hanna . . . schreibt ... im Frühjahr . . . wird das Gut . . . zwangsversteigert." „Heini! Das ist doch nicht . . ."
„Da - lies!"
Wirklich da stand:
„. . . es ist ja nicht recht von mir, daß ich Dir das jetzt gerade zum Fest schreibe, aber ich habe es selber soeben erfahren und kann es Dir nicht verheimlichen. Der Termin ist im März. Ich bin ganz untröstlich . . ."
Bredenkamp wankte hinaus.
Strötgen ließ ihn laufen. Er fühlte, daß der Freund ihn jetzt nicht brauchen konnte.
Nach mehr als einer Stunde kam Bredeu- kamp wieder.
Müde und apathisch saß er am Tische, während einige Wanderburschen und der Herbergsvater ein Weihnachtsbäumchen aufstellten und es mit buntem Schmuck bedingen.
(Fortsetzung folgt!.