Nr. 148
Freitag, 29. Juni 1934
108. Jahrgang
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So arbeitet die Partei:
Dr. Frick als Reichsleiler
Führer der Neichstagsfraktion / Reichswahlleiter der NSDAP.
N8L Im Rahmen unserer Artikelserie „So arbeitet die Partei" stellt uns Neichsminister Pg. Dr. Frick die folgende Darstellung über seine Tätigkeit als Neichslciter zur Verfügung:
Als Reichsleiter obliegt mir die Führung der nationalsozialistischen R e i ch s t a g Z ; r a k t i o n und die Vorbereitung von Reichstagswahlen (Reichs- wahlleiter der NSDAP.).
I.
Die Aufgaben des Fraktionsführers haben durch die nationalsozialistische Revolution, die Beseitigung der Parteienzersplitterung und die Ucöerwindung des parlamentarischen Systems eine tiefgreifende Wandlung erfahren.
In den neun Jahren vor der Machtübernahme galt es, mit Hilfe der Fraktion dem Willen der NSDAP, gegenüber der Regierung und den Parlamentarischen Parteien im Reichstag mit allen Mitteln der Verfassung, des Gesetzes und der Geschäftsordnung Geltung zu der- schaffen oder, wo dies nicht möglich war, mindestens dem Volke das nationalsozialistische Wollen klar und eindringlich vor Augen zu führen.
Heute, iw Nationalsozialistischen Staute, ist für parlameMarischen Kampf kein Raum mehr. Regierung und Reichstag sind nationalsozialistisch. Die alten Parteien sind verschwunden, die 661 Abgeordneten des Reichstags gehören (639 als Mitglieder und 22 als Gäste) sämtlich der nationalsozialistischen Fraktion an.
Unsere Neichstagsfraktion ist zur alleinigen Volksvertretung geworden.
Zwischen ihr und der Regierung kann kein Kampszustand mehr bestehen, da beide nach den gleichen, nationalsozialistischen Grundsätzen dem Volke zu dienen entschlossen sind.
Die Aufgabe der zur Volksvertretung gewordenen nationalsozialistischen Fraktion im neuen Staate besteht darin, bei den Reichstagssitzungen sinnfällig vor aller Welk zum Ausdruck zu bringen, daß heute der Wille des Führers und der Wille des Volkes eins sind.
Die Entscheidung der großen Fragen der Politik, soweit sie die Fraktion und den Reichstag beschäftigen, bereitet der Fraktionsführer in engstem Einvernehmen mit dem Führer und VolkZkanzler vor. Die laufenden Arbeiten erledigt das Fraktionsbüro unter Leitung des Fraktions- sührers Pg- Dr. Fabricius.
Besondere Mühewaltung erfordert die Führung des Fraktionsarchivs, das dazu bestimmt ist, den Abgeordneten und Parteidienststellen das zur Bearbeitung besonderer Fälle nötige Material bereitzustellen. Um das Archiv leistungsfähig zu erhalten, ist die fortgesetzte Verarbeitung der ergehenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse, der maßgebenden Politischen Presse und der sonstigen Veröffentlichungen über das Politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben erforderlich.
II.
In engem Zusammenhang mit der Fraktionsführung steht die Tätigkeit als Reich Z' Wahlleiter der Partei im Falle der Ausschreibung von Reichstagswahlen. Der Neichswahlleiter der NSDAP, hat in erster Linie dafür zu sorgen, daß seitens der Partei die zahlreichen Formvorschriften des gesetzlichen Wahlverfahrens genau beachtet und vor allem die vorgeschriebenen Fristen gewahrt werden. Seine wichtigste und ichwierigste Aufgabe ist die Aufstellung der Bewerberlisten, die im engen Einvernehmen mit dem Führer der Partei vor sich geht und die Berücksichtigung einer Fülle verschiedener Gesichtspunkte erfordert.
Bei den Wahlen zum 12. November 1933 hat die Tätigkeit des Reichswahlleiters dadurch eine beträchtliche Erweiterung erfah
ren, daß zur Betonung der Vereinheitlichung des Volkswillens in sämtlichen Wahlkreisen und als Reichswahlvorschlag eine im wesentlichen gleichlautende Einheitsliste ausgestellt wurde. Dies führte zu einer wochenlang anhaltenden Flut von Posteingängen und Telephonaten. Das für die Wahlvorbereitung unter Beteiligung der Fraktionsangestellten eigens eingerichtete Wahlbüro mußte in Anbetracht der kurz bemessenen gesetzlichen Fristen wiederholt Nachtschichten einlegen, um die Arbeiten fristgerecht fertigzustellen.
Nach der Wahl bestand eine weitere, vom Neichswahlleiter zu lösende, wichtige Aufgabe in der gerechten Verteilung der Mandate aus die einzelnen Wahlkreise.
Neckischer Sonnenstich!
Paris, 28. Juni.
Die Politisch-literarische Wochenzeitung „Vendemiaire", die sich als Organ der Frontkämpfer bezeichnet, behauptet, daß man fich in Berliner amtlichen Kreisen seit Anfang Juni mit dem Plan eines Riesenluftangriffes aus Paris beschäftige, der Mitte Juli stattfinden solle. Das Blatt gibt auch den Zeitpunkt für diesen Luftangriff an, der aus den 15. Juli als Erinnerungstag des Ausbruchs des Krieges 1870/71 festgesetzt war.
General Weygand sei ausschließlich nach London gereist, um sich mit dem englischen Generalstab über die französisch-englische Zusammenarbeit bei der Abwehr des Luft- angriffes zu besprechen! Die englische Regie- rung habe Frankreich ihre volle Unterstützung zugesagt und alles sei bereit, um die deutschen Flugzeuge zu empfangen.
Verschärfter Kampf gegen die nationale Opposition in Oesterreich
Neuaufnahme der christlich-sozialen Partei — Neue Anschläge
ell. Wien, 28. Juni.
Die österreichische Regierung hat nunmehr den verschärften Kampf gegen die nationalen Vereine und Verbände ausgenommen. In einem Rundschreiben fordert der Generalsekretär der Vaterländischen Front, Dr. Stepan, die als national bekannten Vereine und Verbände auf, alle im Verdacht nationalsozialistischer Gesinnung stehenden Mitglieder auszuschließen, widrigenfalls mit der Auflösung und Beschlagnahme des Vereinsvermögens vorgegangen werden müßte. Tatsächlich aber sind in den letzten Tagen zahlreiche Deutsche Turnvereine bereits aufgelöst worden.
„Vaterländische" Justiz
Die Behandlung der Nationalsozialisten durch Polizei und Gerichte hat gleichfalls eine Verschärfung erfahren. So hörte man im Standgerichtspiozeß gegen drei BeamtederFirmaKr rpp, die beschuldigt waren, Ekrasit besessen zu haben, daß Geständnisse von den die Vorunter, suchung führenden Polizeibeamten durch andauerndes Prügeln der nationalsozialistischen Häft- linge erpreßt werden, d. h. daß die Häftlinge, vor Schmerzen ho/b ivah. sinnig, alles gestehen, nur um Ruhe zu bekommen. Bei der Verhandlung vor dem Standgericht bekannten sich alle drei Angeklagten als vollkommen unschuldig; es konnte ihnen auch nichts bewiesen werden. Trotzdem wurde einer der Angeklagten zu fünf, die beiden anderen zu je sechs Jahrcn schweren Kerles verurteilt.
„Christliche Volksvereine"
Die christlichsoziale Partei hat sich zwar formell aufgelöst, doch bietet das Konkordat die Handhabe, die Partei in getarnter Form weiterzuführen. Die bisherigen christtichsozialen Parteiorganisationen wandeln sich jetzt in sogenannte „Christliche Nolksvereine" um, die vor allem das llebergewicht in dem zu errichtenden Bundeskulturrat anstreben, um so nöti- genfalls der Heimwehr Schach bieten zu können.
Millenwaldbahn dreimal unterbrochen
Im Laufe des Tages trafen weitere Meldungen über Anschläge ein, die von noch größerer Bedeutung sind, als der Anschlag auf die Kufsteiner Wasserleitung. So wurde die Mittenwaldbahn, die von Innsbruck nach Garmisch-Partenkirchen führt, a n drei Stellen gesprengt und außerdem eine Reihe der an den Bahngeleisen entlangführenden Telegraphenmasten durch Sprengungen umgclegt.
In Bludenz wurden die Bahngeleise ausgerissen; dieser Anschlag erfolgte eine Stunde nach der Durchfahrt des französischen Außenministers.
Salzburg 24 Stunden ohne Trinkwasser
In Salzburg ging es rn der gleichen Nacht nicht minder lebhaft zu. Ein Cpreng-
anschlag zerstörte die Wasserleitung, so daß die Stadt 24 Stunden ohne Trinkwasser ist. Ein zweiter Sprengstoffanschlag riß Quadersteine aus dem Landesregie- cungsgebäude, ein weiterer zer- trüinmertealleFensterderKanz- leiderVaterländischen Front am Makart-Platz, des Postamtes und des Hotels Bristol", ein vierter schließlich alle Fenster des Stadttheaters und des Spielkasinos. Die Theatervorstellung muhte abgebrochen werden.
Weitere erfolgreiche Anschläge auf Eifen- bahngeleise und Fernsprechanlagen und Telegraphenleitungen werden aus Ederbauer bei Salzburg (der Eisenbahnbetrieb kann hier nur eingeleisig ausrechterhalten werden), Judenburg und Bruck an der Mur (Steiermark) und Amstetten (Niederösterreich) gemeldet.
Außerordentlicher Ministerrak
In der Regierung herrscht große Nervosität. Donnerstag mittag ist ein außerordentlicher Ministerrat zusammengetreten, der fich mit diesen neuen Anschlägen befaßte. Die Nervosität der Regierungsmitglieder steht dabei im großen Gegensatz zu der am Mittwoch in der „Reichspost" erschienenen Erklärung des Bundeskanzlers, daß er nicht zurückzntreten beabsichtige, weil er im Amte bleibe: „Bis ich den Nationalsozialismus in Oesterreich besiegt Hab e." Ernst genommen wird dieser Optimismus des Bundeskanzlers nicht einmal im Regierungslager.
NimdMeer vrrvriWlt Seimwehr
Militär wird in Graz gegen Kameraden eingesetzt
Wien, 28. Jum.
Aufsehenerregende Szenen, wie sie sich bisher in Oesterreich noch nie abgespielt haben, ereigneten sich am Mittwoch abend in Graz. 400 dienstfreie Soldaten dev Bundesheeres in Uniform zogen von ihrer Kaserne geschlossen in das Innere der Stad- und brachten Schmährufe auf die Heimwehr und Vizekanzler Sta» Hemberg aus. Wo sie Heimwehr leute erblickten, verprügelte», sie diese. Die Heimwehrleute riese« Kameraden zu Hilfe und es kam zu gr o ßen Schlägereien. Zahlreiche Bev- letzte mußten ins Krankenhaus gebracht werden.
Bald hatten fich im Stadtzentrum Tausende von Menschen angesammelt, die ebenfalls erregt gegen die Heimwehr Stellung nahm und Hochrufe auf die Armee ausbrachten. Die Tumulte fetzten fich auch in anderen Straßen fort. Die Polizei war anfänglich machtlos. Man mutzte die im Dienst
in
In Oesterreich hat ein verschärfter Kamp der Regierung gegen die nationale Oppin sition eingesetzt. Die Zahl der Anschläg« gegen Eisenbahn, Elektrizitätswerke uni öffentliche Gebäude mehrt sich von Tag z» Tag.
Reichsminister Dr. Goebbels sprach ü Kiel vor 65 OVO begeisterten Hörern.
Der Führer weilte am Donnerstag i» Essen, «m der Trauung des Gauleiters Tev boven beizuwohncn.
In Berlin fand gestern die Eröffn»»« der Tagung der deutschen Handelskammer» statt.
befindlichen Truppen des Bundesheeres Herbeirusen, die gegen ihre Kameraden vorgingen und schließlich sogar mit gefälltem Bajonett die Menge auseinandertrieben.
Die Ursachen dieser Szenen waren Zwischenfälle, die sich tags zuvor ereignet hatten. Heiniwehrleute hatten in einem Lokal einen Angehörigen des Bundesheeres verprügelt. Kameraden des Gezüchtigten beschlossen. Rache zu üben. Das Truppenkommando hatte von dem Plan gehört und den Ausgang für Mittwoch untersagt. Die Soldaten hatten sich jedoch nicht an das Verbot gehalten.
Nach weiteren Meldungen aus Graz konnte am Spätabend des Mittwoch die Ruhe erst nach Einsatz von Offizierspatrouillen wiederhergestellt werden. Von den verwundeten Heimwehrleuten sind drei schwer verletzt.
Kurzsichtige AlwsservoM"
Reichsminister v. Neurath vor der Auslands-Handelskammer
Berlin, 28. Juni.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag veranstaltete anläßlich der Tagung der Deutschen Handelskammern und wirtschaftlichen Vereinigungen im Auslande einen Empfangsabend in den Kroll-Festsalen in Berlin. ReichZaußenminister v. Neurath überbrachte die Grüße und Wünsche der Reichsregierung und streifte dabei auch das Devisenproblem. Der Hauptgrund für den Rückgang der deutschen Ausfuhr sei die Währungsentwertung in den großen Jndustrie- ländern, die Deutschland den Wettbewerb fast unmöglich mache. Eigentlich sollte man von den Ländern, die ihre Währung ohne Notwendigkeit entwertet und die dadurch Deutschland am stärksten in die jetzigen Transferschwierigkeiten gebracht hätten, mehr Rücksicht auf die Folgen daraus und mehr Verständnis für die Lage erwarten. Leider sei das nicht der Fall. Die Drohungen, die in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen gegen die deutsche Wirtschaft ausgesprochen worden seien, bedauerte der Reichsaußen- minister. Sie seien mehr als kurzsichtig. Ihre Verwirklichung wäre nicht nur ein Schlag für Deutschland, sondern für die ganze Weltwirtschaft und sie würde ebenso stark auf dir Länder zurückfallen, die sie ausführten.
An die Handelskammern im Auslande richtete er den Appell, an der Aufgabe der deutschen Ausfuhrförderung mit allen Kräften mitzuarbeiten. Deutschland wolle sich nicht abschließen vom Auslande. Dabei wandte er fich gegen das Schlagwort: „Autarkie", das heute in allen maßgebenden deutschen Kreisen überwunden sei.
Deutschland sei bereit, mit allen Ländern auf der Grundlage gegenseitiger Rücksichtnahme in Verhandlungen einzutrsten. Man könne aber nicht erwarten, daß Deutschland die Zinsen für seine Auslandsschulden transferiere, wenn man der deutschen Ausfuhr alle möglichen Schwierigkeiten mach? durch Zölle, durch Kontingente, durch Währung^ entwertung und sogar noch durch die angs- drohten Zwangsmaßnahmen. Der Transfer sei keine Frage des guten oder schlechte« Willens, sondern der tatsächlichen Möglichkeiten. Es sei eigentlich beschämend, daß man nach so vielen internationalen Konferenzen und nach so vielen Sachverständigenberichten diese einfache Wahrheit immer noch in dst Welt hinausrnfen müsse.