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Nr. 129
Donnerstag, 7. Juni 1934
108. Jahrgang
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Barthou wird langweilig
Wiederholung des Vorschlags auf Internationalisier«»»!, der Zivilluftfahrt — Abrüstungskonferenz in Agonie
bl. Genf, 6. Juni.
Die Genfer Verhandlungen des Präsidiums der Abrüstungskonferenz beginnen, schon bei der Erwähnung des Wortes Abrüstung auch in politischen Kreisen ein Gähnen hervor- zurusen. Drei Tage lang berät man schon und kommt nicht vom Fleck, weil von Frankreich alles unternommen wird, um irgendein praktisches Ergebnis der Beratungen zu verhindern.
Nachdem Barthou Dienstag mit dem Präsidenten der Konferenz, Henderson, einen regelrechten Krach gehabt hat, der die Welt in der Ansicht, daß Frankreich die Abrüstung gewaltsam sabotiere, nur verstärken mußte, glaubte er am Mittwoch einen Vorschlag machen zu müssen, der diese Sabotage etwas tarnen sollte. Aber selbst das ist ihm nicht geglückt. Besessen vom Sicherheitswahn, wie es der französische Außenminister ist, be- harrt Barthou in diesem Vorschlag auf den regionalen Sicher heitsabkom- m en, die sich Frankreich selbstverständlich nur als ein Einkrcisnngsmittel gegen Deutschland vorstellen kann und wärmt schließlich den längst erledigten Antrag aus, die Zivilluftfahrt zu internationalisieren, d. h. dem von Frankreich beherrschten Wlkerbund auszuliefern.
Henderson meinte, daß ein Nedaktions- ausschuß diesen Vorschlag und seinen auf einen Nenner zu bringen versuchen sollte, doch erklärte Barthon darauf, daß er so lange in Gens zu bleiben nicht in der Lage sei.
So ging das Präsidium, das einen fast müden Eindruck machte, nach zwei Stunden wieder auseinander, ohne mehr beschloss?» zu haben, als die Vertagung der Beratungen bis Freitag.
Irgendeine Aussicht, daß die Besprechungen am Donnerstag weiterhclfen werden, besteht im Augenblick nicht.
Für den trostlosen Zustand, in dem die Konferenz sich befindet, spricht auch die Abreise des italienischen Delegierten Baron stloisi und der Außenminister der Türke» und Griechenlands von Gens.
8eWn gegen neue EtkimheMMe
Wie im Lauf des Tages bekannt wurde, der belgische Außenminister Hymans am Montag dem König über die Konferenzlage berichtet. Die belgische Politik sei dahingehend festgelegt worden, daß Belgien an neuen Sicherheitspakten uninteressiert sei. Die französische Sicherheitsthese habe in Brüssel so wenig Anklang gesunden wie in London, Washington, Kopenhagen, Oslo, Stockholm, Bern und Madrid, so daß man die französische Behauptung von einem Durchdringen dieser These als reichlich übertrieben bezeichnen kann.
kine vieldeutige EMärlM Burlhouß
In der Sitzung gab Außenminister B a r- !hou folgende formulierte Erklärung alu Die Frage der Rückkehr Deutschlands belastet die Beratungen. Kein Land würde sich Ehr als Frankreich beglückwünschen, wenn Deutschland znrückkehrte. Keine Tür ist geschlossen. In der Saarsrage hat Frankreich
seinen guten Willen bewiesen, an einem Internationalen Abkommen teilzunehmen, an °em Deutschland ebenfalls teil hat. Aber mehrere Vertreter haben die Meinung aus- ^drückt, daß die Konferenz ohne Deutschland >hre Arbeiten nicht sortsetzen könne. Die ^"nzösische Abordnung üst nicht drrser Ansicht. Im Hinblick auf diese Meinungsverschiedenheit erkläre ich, daß es möglich sein muß, auf einem Arbeitspro- Mmm bestehen zu bleiben, bei dem die Legierungen, die es für nötig halten sollten, E diplomatischen Verhandlungen mit Eutschland fortsetzen können, damit es sei- ^ Platz wieder einnimmt.
3ch erinnere daran, daß ich gestern betont Mwe, daß man weder Bedingungen von Deutschland annehmen, noch ihm solche aus- «egen darf. Die Tür muß offen bleiben:
es ist nötig, daß Deutschland durch sie ein- tritt mit vollständiger Gleichheit der Rechte, und in dem es hier die Deranwortlichkeiten übernimmt, die dann gemeinsame sein werden. Die Abwesenheit Deutschlands ist kein Hindernis für die Fortsetzung der Arbeiten, aber die Anwesenheit Deutschlands würde den Arbeiten ihren wahren Charakter geben und würde es vielleicht ermöglichen, zu einer Lösung zu gelangen.
Frankreich hat mit Deutschland Noten ausgetauscht, die nn Augenblick nicht zur Zuständigkeit der Konferenz gehören, aber es ist möglich, daß die Regierungen in der Lage sind, auf Deutschland einzuwirken, um es zu bitten, die Schwelle zu überschreiten. Frankreich habe nichts dagegen einzuwenden, und um diesen Negierungen ihre volle Freiheit vorzubehalten, ist in der Entschließung der Satz über die besonderen Verhandlungen eingcfügt worden.
Am Schluß seiner Erklärung, die sich aus die anderen Punkte des sranz. Entschließungsentwurfs bezog, kam Barthou nochmals auf das Verhältnis zu Deutschland zurück, indem er erklärte, um jedes Mißverständnis zu vermeiden, wolle er hinsichtlich der zwischen Deutschland und Frankreich ausgetauschten Noten betonen, daß die Stellung Frankreichs sich bisher nicht geändert habe. Mehr habe er nicht sagen wollen.
Französisch-russisches
Waffenlieferungsabkommen
Militärabkommen noch nicht gesichert — Französischer Generalstab gegen Barthou?
Zl. Paris, 6. Juni.
Der Feuereifer, mit dein sich die französische Presse auf die Möglichkeiten eines französisch- russischen Militärbündnisses geworfen hat, ist seit der am Montag in Genf abgehaltenen Unterredung zwischen Barthou und Lit will o w wesentlich abgeflaut. Der Tatsache, daß Litwinow nicht nach Paris kommen wird, legt man große politische Bedeutung bei.
Die Schwierigkeiten, die diesen Bündnisplänen entgegenstehen, kommen vor allem ans Frankreich selbst. Wenngleich Barthou seine diesbezüglichen Pläne noch nicht aufgegeben hat, so ist man am Quai d'Orsay doch viel zurückhaltender geworden. Es ist vor allen» der französische General st ab selbst, der von der Richtigkeit der Politik Barthous keineswegs überzeugt zu sein scheint. Dazu kommt der Widerstand einiger für die französische Regierung unentbehrlicher Parteigruppen, sowie der außenpolitische Widerstand, der vor allem von England und Frankreich ausgeht.
Auch im Völkerbund machen sich immer inehr Schwierigkeiten geltend. Es ist den Franzosen nicht einmal gelungen, Südslawien die Zustimmung zur Anerkennung der Sowjetregierung durch die Kleine Entente abzuringen. Auch die Frage der Verteilung der Ratssitze ist noch nicht geklärt.
In russischen Kreisen ist man über dieses plötzliche Bremsen Frankreichs naturgemäß sehr verstimmt, um so mehr, als man in Frankreich wenig Neigung zeigt, den russischen Wunsch nach Entlastung im Fernen Osten durch Frankreichs Vermittlung zu erfüllen.
In Paris ist man heute jedenfalls davon überzeugt, daß der Abschluß eines Militärbündnisses derzeit noch gute Weile hat. Hingegen ist in den etzten Tagen ein Abkommen fertig geworden, wonach die Franzosen denRussen für 300 MillionenFran- ken Waffen liefe, n, die von den Russen entsprechend den schon bestehenden Vereinbarungen mit Benzin bezahlt werden.
Ser Kamps um die 4v-E1rinden-Woche
auf der Arbeitskonfcrcnz
Genf, 6. Juni.
Die Internationale Arbeitskonferenz begann am Mittwoch, vormittag mit der allgemeinen
Anssprache über die Frage der 40-Stunden- Woche, mit der sich bekanntlich schon zu Beginn des Jahres 1933 eine Sachverständigenkonferenz und vor dieser auch schon die Arbeitskonferenz befaßt hatte. Der jetzigen Aussprache liegen die Antworten von den Regierungen zugrunde, die in der Zwischenzeit befragt worden waren. Die Antworten sind überwiegend ablehnend oder kritisch ausgefallen. Der Vorsitzende der Aröcitgebcrgruppe der Konferenz, Oersted-Dänemark, machte in der Sitzung nochmals die schon früber von Arbeitgeberseite gegen die Arbeitszeitverkürzung vorgebrachten Gründe geltend. Er sprach von einer Erhöhung der Gestehungskosten und damit der Lebenshaltung sowie von einer Schädigung der Ausfuhrindustrien und von dem jetzt schon bestehenden Mangel an Facharbeitern.
Zumal die Antworten der Regierungen so entmutigend ausgefallen seien, solle man endlich von dem falschen Wege ablassen.
Der französische Gewerkschaftsführer Jou- haux warf den Arbeitgebern vor, daß sie sich seit 1919 in ihren Vorhersagen stets getäuscht hätten. Leider gebe sich die englische Regierung dazu her, der Frage der Arbeitszeitverkürzung ein Begräbnis erster Klasse zu bereiten. Nach dem Gedanken der französischen Metallindustrie würden sich bei Einführung der 40-Stunden- woche die Gestehungskosten nur um 5 v. H. erhöhen. Bei der fortschreitenden Mechanisierung ließen sich eben die Arbeitslosen nur immer wieder durch Kürzung der Arbeitszeit in den Arbeitsgang einschalten. Deshalb sollten die Vertreter der Regierungen alles tun, um dieses Werk der sozialen Gerechtigkeit durchführen zu helfen.
eb. Wien, 6. Juni.
Der durch seinen Vorschlag, die Tätigkeit der Nationalsozialisten durch Aushungerung zu bekämpfen, berüchtigte Sicherheitsdirektor von Steiermark hat nunmehr auch auf das flache Land Kriminalbeamte zur Auskundschaftung von Nationalsozialisten entsendet. Die Beamten müssen, wie zuverlässig verlautet, als Verwandte nationalgesinnter Geschäftsleute auftreten, damit sie nicht zu schnell erkannt werden.
Die beiden oststeirischen Bezirke Hartberg und Friedberg, sowie die weststeirischen Bezirke Voitsberg und Leibnitz sind mit solchen „Verwandten" bereits überschwemmt.
In Salzburg explodierten in der Nacht zum Mittwoch vor dem Schloß Leopoldskron, das Max Reinhardt gehört, 3 Sprengkörper, die erheblichen Sachschaden verursachten. Angeblich hat die Polizei drei der Täter gefaßt.
Neue Schikanen im Nemelgebiet
Kowno, 6. Juni.
Das neuerliche Vorgehen der litauischen Staatssicherheitspolizei im Memelgebiet scheint auf die gesamte Beamtenschaft der autonomen Organe ausgedehnt zu werden. Nach den Durchsuchungen und Vernehmungen bei den Poli- zsibeamten werden seit Dienstag morgen Haussuchungen und Vernehmungen bei den Forstbeamten des Memelgebiets vorgenvm- men. Daraufhin soll die Ä k t i o n a u f d i e Lehrerschaft usw. ausgedehnt werden. Am Montag sind in Pogegen zwei weitere höhere Polizeibcamte verhaftet und in das Gefängnis nach Bajohren ein- geliefert worden. Sie werden beschuldigt, aktiv für die aufgelöste sozialistische Volksgemeinschaft tätig gewesen zu sein.
RMsminister Sr. Goebbels nach Warschau ringelnden
Berlin, 6. Juni.
Im Namen der polnischen Jntellektuellen- Union hat Professor Zielt ngski Reichsminister Dr. Goebbels zu einem Vortrag nach Warschau cingeladen. Reichsminister Dr. Goebbels wird dieser Einladung Folge leisten und in Warschau über die Ideologie des neuen Deutschland sprechen.
Dieser Vortrag findet voraussichtlich am
Jas Neueste in Karre
Die belgische Regierung Vroqueville ist M- eückgetreten.
Die Präsidiumsitzung in Genf ist abermals ohne Ergebnis vertagt worden.
Frankreich hat mit Rußland ein Abkomme» zetroffen, wonach den Russen für 300 Millionen Franken Waffen gegen Benzin geliefert werden.
In Aichhalden OA. Oberndorf hat sich gestern eine furchtbare Brandkatastrophe ereignet, bei der 8 Mitglieder einer Familie ums Leben kamen. Der Brandstifter hat sich erhängt.
Die Toten von Buggingen sind nunmehr sämtliche geborgen worden.
Der Kultminister hat angeordnet, daß in de» Schulen künftig kein israelitischer Religionsunterricht mehr erteilt werden wird.
Das Fußball-Länderspiel USA. — Württemberg, das gestern in Stuttgart stattfand, endete mit einem Sieg der Amerikaner 0:1.
Mittwoch, den 13. Juni, in der Aula der Warschauer Universität statt. Ter Besuch des Reichsministers in Warschau und Krakau wird sich auf den 13., 14. und 15. Juni erstrecken.
NrichsprMenl ln Neubeck
Berlin, 6. Inn».
Reichspräsident von Hindenburg hat Berlin verlassen und sich zu einem mehrwöchigen Aufenthalt auf sein Gut in Neudeck begeben.
..Mrgrmwvrll in den Betrieben"
Dr. Leh in einem Schulungskursus der Deutschen Arbeitsfront
Berlin, 6. Juni.
Der Führer der Deutschen Arbeitsfront Tr. Leh hielt am Mittwoch in einem Schulungskursus des Neichspresse- und Pro- pngandaamtes der Deutschen Arbeitsfront bei K ö n » g s w u st e r h a u s e n einen Vortrag. wobei er u. a. ausführte:
„Nicht das Reifezeugnis ist entscheidend für uns, nicht die Dressur des vergangenen liberalistischen Zeitalters, sondern das Können und der gesunde Menschenverstand unserer Brüder und «Schwestern wird den Ausschlag für ihre und unsere Entwicklung geben. Wir haben mit den alten Vorurteilen aufgeräumt. Eine Bewertung nach Geld und Besitz kommt für uns nicht in Frage. Wir bewerten die Menschen lediglich nach ihren Fähigkeite n."
Tr. Leh ging dann auf die ausländische Boykotthetze ein und erklärte: „Es wird keineswegs so sein, wie kürzlich in Prag geschrieben wurde, daß wir in drei Wochen keinen Stoff für Anzüge mehr hätten. Nein, meine Kameraden, so ist es nicht! Wir baden da mancberler voraesorcst, und wir haben noch mancherlei gute Auswege. Irrglaube felsenfest daran, daß das von uns in Gang gebrachte Schwungrad nicht mehr still stehen wird."
Auf Fragen der Betriebsgemein schüft eingehend, führte Dr. Leh u. a. aus: »Die Arbeit in den Betrieben wird künftig mit einem Appell beginnen und mit einem Appell schließen. Bei diesem Morgenappell wird ein Losungswort für den Tag gegeben werden. Ich selber bin sieben Jahre Angestellter eines Betriebes gewesen. Nichts hat mich mehr erschüttert, als die Trostlosigkeit der Massen, denen jede erhebende Viertelstunde fehlte. Das soll anders werden. Im täglichen Betriebsappell wird Gelegenheit gegeben werden, den kleinen Dreck des Alltags beiseite zu schaffen: Hat jemand noch eine Forderung an die Kompanie? Wenn ja, wird nach dem Maßstab der Gerechtigkeit jede Differenz beseitigt werden. Es gibt kein objektives Recht, sondern ein subjektives Recht. Recht ist, was dem Volke dient."
Die Ausführungen Dr. Leys wurden mit überaus stürmischem und anhaltendem Beifall ausgenommen.