Nr. 128
Mittwoch, 6. Juni 1934
108. Jahrgang
er Oesellsehackter
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Gerechte mk valksiwkche Rechtsprechung
Die Reform des Strafrechts Unterredung mit Reichsjustizminister Dr. Gürtner
Berlin, 5. Juni. !
Rcichsjustizminister Dr. G ü rtne r äußerte sich einem Pressevertreter gegenüber > über den Stund der Strafprozeß- j ! resorm. Der Minister erklärte einleitend ^ aus die Frage nach dem Stand der Arbeiten j der vor einigen Monaten zur Ausarbeitung s eines Entwurfs einer neuen Strafprozeß- ! mbnung eingesetzten Kommission, daß die ^ Arbeiten dieser Kommission, in die eine Reihe erfahrener Praktiker, ein Vertreter des Kichsjustizkvmmissars Dr. Frank und die Sachbearbeiter aus dem Reichsjustizministerium. sowie Vertreter des preußischen und bayrischen Justizministeriums berufen seien, voraussichtlich im September zu einem ersten Abschluß gelangen würden. Der Entwurf werde dann nocheinmal in einer zweiten Lesung überprüft werden. Ter Minister bezeichnest weiter als das Ziel der Strafrechtsreform, ein Strafverfahren zu schaffen, das eine straffe und schnell arbeitende Strafjustiz gewährleistet, eine gerechte Rechtsprechung sichert und in Aufbau und Turchführung verständlich und volkstümlich ist. Wir mußten uns von dein Gedanken abwenden, der Staat bedürfe stier von Mißtrauen erfüllten Ueberwachnng ! Äer Handlungen seiner Organe. Diese Vorstellung, die wie ein roter Faden sich durch die früheren Neformplüne hindurchzieh;, sei mit dem Wesen des n° .malsozialistischen Staates nicht vereinbar.
die Frage -es LaieinMtertums
eingehend, sagte Dr. Gürtner: Das Laienrichtertum ist im Weimarer Parteienstaat eine sehr bedenkliche Einrichtung geworden. Die Strafprozeßkommission will Laien nur in den Schwurgerichten Mitwirken lassen.
Die Frage wird aber vorher genau überlegt und geprüft werden. Sollten Laien beibehal- tcn werden, so wird sicher Bedacht genommen. daß nur solche Personen dieses Ehrenamt ausüben dürfen, die hohe menschliche und sittliche Eigenschaften haben und Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den neuen Staat eintreten. — Was die Ue b e r t r a g u n g d e s Führerprinzips auf die Rechtslage betrifft. so meint man. wenn man davon spricht, keineswegs das Führerprinzip in der Form, wie wir es heute in allen Gebieten der Verwaltung und weit darüber hinaus verwirklicht sehen. Das Führerprinzip in dieser Form hätte zur Folge, daß dein Führer des Gerichts von seinem Vorgesetzten Führer, also letzten Endes von der obersten Staars- sührung Weisungen mit der unabänderlichen Verpflichtung, sie zu befolgen, erteilt werden könnten. Die Anhänger der Uebertragung des Führerprinzips auf die Rechtspflege wollen erreichen, daß die Verantwortlichkeit einer Einzelperson für den Urteilsspruch klar hcrausgestellt wird.
Die Strafprozeßkommission hat den Einzel r i ch t e r in erster Linie für die sogenannte kleine Kriminalität vorgesehen. Das sind 70 bis 80 Prozent aller Strafsachen. Für die mittlere und schwere Kriminalität will die Strafprozeßkommission einstweilen an dem Kollegi a l s y st e m festhalten. Sie hat indessen vorgesehen, dem Vorsitzenden im Gerichtshof eine viel stärkere, seine Verantwortlichkeit klar hervorhebende Stellung einzuräumen. Einfacher 'st der andere Punkt, die
Stärkung der Stellung -es Staatsanwalts
Die Strafprozeßkommission war völlig einmütig der Ansicht, daß mit dem System des geltenden Rechts, das den Staatsanwalt und den Beschuldigten als zwei gleichberechtigte Parteien behandelt, gebrochen werden muß. Der zur Unparteilichkeit verpflichtete Staatsanwalt muß unumschränkt der Herr des Vorverfahrens werden. Die richterliche Voruntersuchung muß grundsätzlich beseitigt werden. Der Staatsanwalt muß auch das Recht erhalten, gegen den Beschuldigten und Wm Zeugen mit Zwangsmitteln vorzugehen.
! muß die Untersuchungshaft, die Beschlag- i uahme. die Durchsuchung und die körperliche i Untersuchung anordnen können. Grundlegende
Aenderungen wird auch die Untersuchungshaft erfahren müssen. Im geltenden Recht ist sie nur gegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr zulässig. Nach den Vorschlägen der Kommission hat sie in erster Linie dem Zweck zu dienen, die Volksgemeinschaft davor zu schützen, daß der Beschuldigte seine Freiheit zu neuen Straftaten mißbraucht. Eine notwendige Folge der verantwortlichen Führung des Vor- . Verfahrens durch den Staatsanwalt wird sein, ! daß der Staatsanwalt allein über die Erhebung ^ der Anklage und damit über die Frage, ob die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu entscheiden hat. Die Hauptverhandlung selbst muß von allen überflüssigen und hemmenden Formalbestimmungen befreit werden. Dies gilt besonders für das Beweisrecht. Das darf natürlich nicht auf Kosten der Wahrheitsermittlung geschehen. Ein gerechte-^ Urteil ist das unverrückbare Ziel des deutschen Strafverfahrens.
Weiter ging der Minister auf die
neue Regelung -er Rechtsmittel
ein: Kommt man dazu, so sagte er, die Berufung — wenigstens teilweise — beizubehalten, so werden jedenfalls zwei Rechtsmittel, nämlich die Berufung und gegen das Berufunqsurteil
sk. Wien, 5. Juni.
Es gehört einiger Mut dazu, sich seiner jeder Rechtsgrundlage entbehrenden Handlungen zu rühmen. Diesen traurigen Mut bringt aber das Leiborgan des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Engelbert Dollfuß, die christlich-soziale „Neichspost" auf. Vor einigen Tagen gestand sie. daß in den ersten fünf Monaten des Jahres 1934 746 gerichtliche Verurteilungen wegen nationalsozialistischer Betätigung erfolgt sind. Wird hier noch der Schein eines Rechtes — das auf Grund eines fragwürdigen Gesetzes ausgesprochene Verbot "der politischen Betätigung für die NSDAP. — gewahrt, so gibt die zweite Mitteilung, daß im gleichen Z e i t r a u m ü b e r 1100 Strafbefehle von der Polizei gegen Nationalsozialisten ans ge geben wurden, offen zu, daß hier ohne jedes richterliche Urteil vvrgegangeu wurde.
Man geht ja noch weiter. Als der Wiener Gauleiter der NSDAP.. A. E. Frauen- seld. Wien verließ, und dabei vergaß, sich bei den österreichischen Behörden für das ihm in WöllerSdorf verschaffte Darmleiden zu bedanken, nahm die Polizei eine Reihe von Nationalsozialisten fest. So sitzen heute noch im Wiener Polizeigefängnis der Gauleiter von Niederöstcrreich, Leopold, die beiden Brüder Frauenfelds, Richard und Eduard, sowie der frühere Landtagsabgeordnete Prof. Dr. Suchenwirlh, obwohl ihnen weder eine verbotene Tätigkeit noch ein Zusammenhang mit der Abreise Frauenselds nachgewiescn werden kann. Sie wissen nicht einmal, warum sie abermals der Freiheit beraubt wurden. Recht und Gerechtigkeit haben im „christlich-deutschen Ständestaat" Oesterreich eben jeden Wert ve'''"'"n.
Aber auch sonst leistet sich die Polizei allerlei Späße, die zum Lachen reizen müßten, wenn sie nicht so lächerlich-traurig wären. In Innsbruck hat man vor einigen Tagen aus Mangel an anderer Tätigkeit wieder einmal die Buchhändler schikaniert. Ihre Läden wurden nach staatsfeindlichem Material durchwühlt. Man fand auch eini- ges, was wegen seiner Gefährlichkeit sofort beschlagnahmt wurde:
Es waren PostkartenmitBildern Bismarcks, der deutschen Heerführer im Weltkriege. Sogar die Postkarte aus dem Jahre 1908. die die H u l-
die Revision nicht mehr gegeben werden. Es wird nur das eine oder das andere Rechtsmittel zur Wahl gestellt werden. Es geht im neuen Staat auch nicht mehr an, daß der Angeklagte gegen die Entscheidung eines Gerichts bei einer höheren Instanz Sturm läuft, ohne in Rechnung stellen zu müssen, in der höheren Instanz eine höhere Strafe zu erhalten. Auch auf dem Gebiete des Wiederaufnahmerechts wird in stärkerem Maße als bisher den Notwendigkeiten des autoritären Staates Rechnung getragen werden müssen. Die neue Straf- prozeßordnung wird auch deutlich aussprechen, daß der Verteidiger Organ der Rechtspflege in wahrstem Sinne des Wortes ist. Sie wird mit dem geltenden Recht insofern brechen, daß sie nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten des Verteidigers festsetzen wird. Oberste Pflicht des Verteidigers muß sein, das Gericht in der Findung der Wahrheit und eines gerechten Urteilsspruchs zu unterstützen.
Zum Schluß erörterte Minister Dr. Gürtner § die Möglichkeit der Schaffung des sogenannten > Adhäsionsprozesses. Der Grundge- s danke dieses Verfahrens sei, daß jedem, der i durch eine strafbare Handlung verletzt worden 1 sei, die Möglichkeit gegeben werde, im Strafverfahren selbst seine Schadenersatzansprüche oder den Anspruch auf Herausgabe einer Sache geltend zu machen, und so in den Besitz eines vollstreckbaren Titels über seinen Anspruch zu kommen, ohne daß er noch einen besonderen Zivilprozeß anzustrcngen brauche.
digung Kaiser Wilhelms uno der deutschen Bnndesfür st cn im Schönbrunner ochloß anläßlich des 60jährigcn RegierungZjubi- läums des Kaisers Franz Josef zeigte, mußte daran glauben. Die Gefahr, die dem System Dollfuß gedroht hätte, wenn diese in einem hintersten Winkel des Magazins ruhenden, 20 Jahre alten Postkarten nicht gefunden worden wären, hätten wohl nicht einnjal die jüdischen Lobschreiber des Herrn Dollfuß trotz ihrer orientalischen Mantasie ausmalen können!
AM nach WMrsdorf Mer hje deutsche Grenze geßrucht
München, 5. Juni.
Marxistische Aufruhrvorbereitungen /
ZI. Paris, 5. Juni.
Frankreich und der Abg. Henriot haben sich allmählich daran gewöhnt, daß Versammlungen dieses Abgeordneten, der durch sein rücksichtsloses Aufdecken der Zusammenhänge des Stavifky-Skandals sich die Feindschaft aller mit den Freimaurerlogen zusammenhängenden Politiker zugezogen hat, gesprengt werden. Nichtsdestoweniger aber darf man den Zusammenstoß in Roubaix am Montag abend, der zu einer regelrechten Straßenschlacht geführt hat, zu den alltäglichen Ereignissen zählen. Der Zwischenfall von Roubaix enthüllt blitzartig die gefährliche inner- politische Lage, in der sich Frankreich gegenwärtig befindet.
Seit dem Scheitern der Versuche Barthous, durch eine Verschiebung der Saarentscheidung einen außenpolitischen Erfolg zu erringen, wendet sich die französische Presse wieder mehr den innerpolitischen Ereignissen zu. An der Spitze ihrer Betrachtungen aber steht das Wort des Pariser Abgeordneten Marcel Deat, der für den 8. Juli einen „großen Tag" voraussagt.
Der 8. Juli als Stichtag
Am 8. Juli läuft bekanntlich die Frist ab, die die Frontkämpferverbände der Regierung Doumergue für die Erfüllung ihrer Forderungen gesetzt hat. Die Marxisten „enthüllen" nun fast Taa für Taa „Pläne der Rechtskreise": daß
Jas ReuM ia Kürze
Die Sitzung des Präsidiums der Abrüstungskonferenz in Genf ist ergebnislos verlaufen. Der Hauptausschutz wurde vertagt.
Aus Paris werden schwere innerpolitische Unruhen gemeldet. Die Marxisten sollen für den 8. Juli einen Aufstand Planen.
Bei den Saarmarxisten ist eine schwere Krise ausgebrochen. Namhafte Parteiführer sind aus der Partei ausgetreten.
Admiral Raeder und Kapitän Densch haben vom König von Italien hohe OrdenS- anszeichnungen erhalten.
Reichsminister Dr. Goebbels sprach gestern vor Vertretern der deutschen Arbeitsfront über die Entwicklung der Bewegung.
In Buggingen sind bis jetzt 43 Tote geborgen worden.
Montag, den 4. Juni, trafen in MgmjMi der 'österreichische Gendarmeriebeauite Leopold Jank, der SA.-Lturmführer Ortner und der SA.-Mann Tiefnig, sämtliche drei ans -vreisenburg in Kärnten ein. Ter Gendarm wüte die beiden Nationalsozialisten in behördlichem Auftrag in das Kw.izentrations- lagi", Wöllersdorf überführen. ^korii^'w ße jedoch nur bis Salzburg und überschritt dort mit ihnen die deutsche Grenze.
Genfer Ratlosigkeit
Verstä idigiingsmöglichkeit nach „Politischer Vorbereitung"
Irl. Genf, 5. Juni.
Am Dienstag haben in Genf zwischen den einzelnen Aürüstun'gsabordnungen wohl Besprechungen stattgefunden, doch ist man bisher nicht auf einen Ausweg gekommen, wie die Konferenz wieder flott zu machen wäre. Es ist bis Mittag nicht einmal möglich gewesen, für die Präsidiumskonferenz am Nachmittag auch nur eine einzige bessere Vorbedingung zu schaffen. Norman Davis insbesondere bemühte sich um eine Eini» gungssormel.
So spricht man wieder mehr als bisher von einer Vertagung der Konferenz, allenfalls in der Form, daß ein Ausschuß eingesetzt wird. Die allgemeine Auffassung ist. und das spiegelt sich auch in der englischen und französischen Presse wider, daß sich die
Der 8. Juli „ein gefährlicher Tag"
die Faschisten an diesem Tag sich in den Besitz der Macht setzen wollen usw. Gleichzeitig aber rüsten die Marxisten ganz offen. Insbesondere im nordfranzösischenJn- dustriegebiet scheint diese Bewaffnung der Linksgarden sehr weit fortgeschritten zu fein. Aber auch im übrigen Frankreich ist die um- stürzlerische Tätigkeit der Marxisten außerordentlich rege — die Aus" ebung revolutionärer Geheimklubs in Versailles, Bordeaux und Marseille, wo große Mengen revolutionäre Flugschriften und Proklamationen gefunden wurden — beweist das ziemlich eindeutig.
Der schwindende Einfluß der Marxisten auf die Gewerkschaften zwingt sie förmlich zu einer Aktion, zu deren Vorbereitung die Bemühungen um die Bildung einer Einheitsfront mit den Kommunisten noch immer eif- rigst fortgesetzt werden.
Die Ankündigung Deals wird selbst von den großen Blättern, wie „M atin" oder „Temps" dahinausgelegt, daß der 8. JulieineWiederholungdes 6. Februar im großen, eine Revolution bringen werde. Die Rechtsblätter haben bereits am letzten Sonntag die Regierung in Mahnrufen aufgefordert, am 8. Iuli wacyfam zu sein, wachsamer alsf am 6. Februar.
Fast 2W MaaaWMstea verhaftet
Die unerhörte Rechtlosigkeit in Oesterreich / Dollfuß „kreiert" die
„österreichische Nation"
Ter österreichische Pressedienst meldet: Am
Frankreich am " eiaer Revalatiaa?