-eite 5 Nr. 114

Der Gesellschafter

Samstag, den IS. Mai 1934.

So sinöen nur eine ganze Reihe ähnlicher Vermummungen mit den verschiedensten Namen, wozu noch andere genannt wer­den könnten, in Thüringen z. B. das Laub­männchen. Die Mannigfaltigkeit und Buntheit, von der wir wenigstens einen Be­griff geben wollten, entspricht dem unend­lichen Reichtum der Zeit. Immer und über­all ist es so, daß in diesen Vermummungen der Träger von gesundem Leben und Wachs- tumskrast, der gute und segenspendende Frühlingsgeist, dargestellt wird und den Menschen gebracht werden soll in den Tagen des Blühens und Quellens, wo alle Welt gläubig atmet, in der herrlichen Maienzeit, die ihren Glpsel- und Höhepunkt findet im Pfingstseft

Allerhand §

Weit verbreitet ist noch das WortPfingst- lümmel". Was ist es mit diesem Pfingst- lümmel? Es ist die spöttische Bezeichnung sür denjenigen, der an Pfingsten zuletzt aus den Federn schlüpft. Letzten Endes steckt also irgendein Wettlausgedanke dahinter. In der Tat. Pfingsten ist seit alten Zeiten das eigentliche Fest der Spiele und Wettkämpfe im Freien, denn von alters her drängte cs die Jugend nach langer Winterszeit, au die­sem Frühlingssest die Glieder zu regen. Fast alles, was sich heute noch an Psiugstspielen erhalten hat. sind solche Spiele, ursprünglich meist verbunden mit dein ersten Austrieb auf die Frtthjahrsweide, wobei au sich schon jeder der erste sein wollte und woran sich dann noch besondere Wettritte anschlossen. Diesen Ursprung zeigt uns ein altes Sam­mellied aus der Augsburger Gegend:

..Und wenn die Bauern uns wöllet das

Psingstreiten verbieten, nachher wöllet mir ihnen keine Ross' mehr hüten.

(Also ursprünglich ein Brauch der Pferde­hirten!)

Kein Roß nie hüten, kein Füllen mehr treiben;

kein Korn mehr schneiden;

nachher wöllet mir alle gen Friedberg reiten.

lStädtchen mit Schloß bei Augsburg.) Gen Friedberg reiten ins obere Schloß,

Da kommen die Bauern und holen die Ross'. Und wann die Bauern die Ross' wollen haben,

nachher müssen sie einen Sack voll Taler mittragen usw.

Gesammelt für das Fest wurden Eier, .schmalz. Geld usw., und schon lange vor

Psingftritt t« Kötzting im Bäurischen Wald

Pfingsten wurde, wie ein alter Aelbler er­zählt, die Sammlung für das Pfirigstreitsest gemacht, und die Paare, die am Pfingst­montag miteinander auftreteu wollten, taten sich zusammen, und manches Mädchens Sorge war, ob nicht gerade sie einen Beglei­ter bekomme, der das Unglück habe, beim Wettlauf der letzte, d. h. Pfingstlümmel, zu werden.

Man zog hinaus auf die Festwiese, die Burschen hoch zu Roß. die Mädchen jahr­gangweise miteinander. Nun begann der Wettlauf. Ha. wie die Burschen unter An­spannung aller Kräfte über den grünen Plan rannten. Ha, es war Frühling. Mai. Pfing­sten! Wie das Blut durch die Adern rann! Keiner wollte der Letzte sein. Aber einen mußte das Los treffen. Er wurde nun in Buchenlaub gehüllt, aut ein Pferd gesetzt, umgekehrt, den Schwanz in der Hand, und umhergeführt, ein Gegenstand der Neckerei.

In gewissen Gegenden Bayerns ereilte den bei dem Wettstreit Verlierenden ein be­sonderes Schicksal. Er war der Wasser­vogel. der ebenfalls in srischgrünes Buchen- und Birkenreis eingehüllt wurde. Der Verkleidete wurde ins Wasser getaucht, ein Brauch, der in den uralten Flußopfern, womit man die Fluten versöhnen und die Fruchtbarkeit des Wassers gewinnen wollte, seinen Ursprung haben mag. Bei diesem Wasservogelspiel wurde in der Hol­lertau der Wasservogel von zwei Mädchen in den Bach getaucht. Er wurde hier zwar nicht durch einen Wettritt bestimmt, doch beritten war er auch und die begleitenden Burschen.

Reine Reitwettspiele haben sich länger er­halten und sie sind etwas, was in den bäuerlichen Lebenskreis bestens hinetnpaßt. ..In der Niederlausitz gingen dem Stol­lenreiten. dem als Siegespreis ein Stollen und vielleicht noch ein seidenes Hals­tuch lockte, besondere Probereiten voraus. Dem Festzug voran fährt die Musik im «rüngeschmückten Leiterwagen dan» der

Der Wasservogel wird ins Wasser getaucht <s. Spalte 1 unten)

lAus Brunner, von deutscher Sitte und Art)

Reiterzug der Bauernsöhne, hieraus die Wagen mit den Mädchen im höchsten Staat, sogar in Seidenkleidern. Sie führen den Siegeskranz mit sich. Das Reiten selbst hat etwas Wildes, Ursprüngliches an sich. Mit lautem Geschrei werden die Rosse gejagt, und in wenigen Minuten ist das Ziel erreicht, lind der Sieger holt sich seinen Fichtenkranz vom Mädchenwagen". (Brunner, Ostdeutsche Volkskunde.)

Im Kreise Minden und im Harz wurde das Kranzreiten gefeiert; dabei suchten die Burschen im raschen Ritt einen auf freiem Platz aufgesteckten Blumenkranz ab­zustreifen. Das Tonnenspiel, bei dem die Reiter nach einer an einem Strick auf- gehüngten Tonne schlagen und der Sieger sie herabwirft, ist noch in Pommern üblich. Ein uraltes, schon in der Magdeburger Schöppenchronik von 1281 erwähntes Psingstvergnügen ist das noch jetzt im Dith­marschen geübte R o l a n d r e i t e u, bei dem das Ziel Roland ist, eine auf einer Säule sich drehende lebensgroße Figur, die in dem einen ausgestreckten Arm ein schei­benförmiges Brett, in dem anderen einen Beutel von Asche hält. Die Vorbeireitendeu bringen durch einen Stoß gegen das Brett den Roland in eine kreisende Bewegung, wo­bei die Langsamen und Ungeschickten dann von dem herumfahrendcn Aschenbeutel deut­lich gezeichnet werden. Aehnlich ist das H a h n e n r e i t e n, bei dem ein hölzerner Hahn, der aus einem Pfahl mit einem Schraubengewinde besestigt ist, herunter­geschlagen werden muß. Aus eine mittelalter­liche höfische Sitte geht das Ningreiter­spiel zurück, das manches Dorf in Schles­wig noch kennt. So müssen bei dem zu Son­derburg auf Alsen gefeierten Fest die Reiter Mann für Mann die Rennbahn durchtraben und nach drei verschiedenen großen, an einein Seil befestigten Ringen stechen. Wer den größten Ring herabholt, istKönig", der Gewinner des zweitenKronprinz", der des drittenKammerherr".

Besonderer Art ist der Pfingstritt z u Kötzting im Bayrischen Walde. Es ist ein Brautspiel, das morgens mit einer christ­lichen Bittprozession zu Pferde beginnt, im zweiten Teil aber eine Hochzeit mit Braut­wahl, Burschenzug, Musik, Ehrenkranz nach­ahmt.

Wenn auch das Wasservogelspiel und auch die meisten Reiterspiele abgekommen sind, das Pfingstfest ist geblieben und steht jedes Jahr mit seinem festlichen Trabanten, dem Pfingstmontag, verlockend im Kalender. Und jedes Jahr wird das große Festzelt der Natur mit allen seinen grünenden und blü­henden Herrlichkeiten aufgeschlagen, und vom ersten beglückenden Frühlingsfeuer angeregt marschieren wie im Wettlaus um das Lebensglück, heute Tausende und aber Tau­sende im ewigen Rhythmus der alten Pfingstspiele und befohlen vom ewigen Früh­lingsruf durch den wundersamen Pfingst- traum der Natur,

Des Malen Ton

Es lacht der Mai uns jedes Jahr;

Lockt noch die Alten im weißen Haar.

Sie gehen durch den Garten still

Und träumen, wie alles blühen will.

Otto Linck.

Kuckuh!

Kuckuh!

Jetzt Ahne mach den Ofen zu!

Jetzt Mädel, wahr das Herze wohl, daß nit ein böser Bub es hol.

Fritz Butz.

Psing'tbier der Halloren in Halle an der Saale

Mallchen - Maibraut - Wngstbraut

Die Sitten und Bräuche des schönen Monats Mai, der ein einziges Hochzeitsfest zwischen Himmel und Erde ist. haben im Rheinischen eine besondere Form gefunden.

Milchen in -er Eifel

Nun folgt die Versteigerung derMai­lehen". Ein Ausrufer bietet die juugen Mäd­chen des Ortes aus nach allen Regeln der Kunst, dabei ihre Vorzüge mit beredten und humorvollen, oft auch volkstümlichen und drastischen Worten in das rechte Licht setzend.Maria So und So e staats on düchtig Mädche, met Aeugelche wie Kiesche und Höörche wie Gromech (Grummet), kann Waffele backe on Botze flecke, fährt de Deu- kahr wie en Ahl..." Und schüchtern erst, dann aber immer lebhafter und schneller folgen die Gebote eins dem anderen, wobei es manchmal einen heißen Strauß zwischen zwei hartnäckigen Nebenbuhlern setzt.Zehn Mark"...fünfzehn Mark"...zwanzig Mark"...keiner besser wie zwanzig Mark? einmal, zweimal" ...dreißig Mark, zum ersten, zweiten, drittenmal!" Der Zuschlag erfolgt, und der, der das letzte Gebot machte, ist der glückliche Besitzer eines Mailehens.

So nimmt die Versteigerung, bei der es natürlich an spannenden, humoristischen und manchmal auch tragikomischen Zwischen­fällen nicht fehlt, ihren Fortgang, bis alle Mailehen an den Mann gebracht sind. Dann

Neuland sind, woraus es sich auch erklärt, daß die Mailehensversteigerungen vereinzelte Gegner haben. Aber die resoluten Land- ichönen mit ihren einfachen, nicht allzu zart besaiteten Gemütern wissen von einer solchen Empfindung nichts, im Gegenteil, sie fühlen sich zurückgesetzt, wenn sie kein Mailehen ge­worden sind. Sie fassen die Sitte mit rich­tigem Gefühl als das auf, was sie in Wirk­lichkeit ist; als ein fröhliches, von den Vor­fahren überliefertes Spiel, das manchmal zwar einen tieferen Sinn hat, das aber doch in kurzem aus ist wenn die Bohnen ver- blühn!

NrmitpWschnrüiken in Sstfrieslan-

Am Tage vor Himmelfahrt ziehen die Kinder in Vorfeststimmung mit Körben und Taschen ins Feld, Frühlingsblumen sür den Brautpfad zu sammeln: das blauweiße wilde Stiefmütterchen, die gelbe Butterblume, Schafgarbe und Schwertlilie. Kaum graut dann der Morgen, so huschen sie aus den Häusern. Vor der Haustür wird sauber ge­fegt, und dann ein buntes Blumenbeet an­gelegt. Ein dicker Wulst von Schafgarbe bil­det den grünen Rand; im Beet die 3 Sym­bole Herz, Kreuz und Anker; weißer Sand dient als Untergrund. Man ist ungeheuer eifrig bei der Arbeit, die Backen glühen. In edlem Wettstreit bemühen sich die Dorskin- der, kleine Kunstwerke zu schassen. Feierlich

Das Brantvsadschmücke» in Ostfricsland Ludwig Kittel

geht es. einzeln oder truppweise, hinaus in den nächtlichen Frühlingswald, der seine frischgrünenMaien" (Buchenzweige) her­geben muß, um die Häuser der Mailehen zu schmücken. Jeder Bursche befestigt am Giebel, am Schornstein oder sonst einer hochgelege­nen Stelle des Hauses, in dem das von ihm angesteigerte Mädchen wohnt, eines dieser grünen Reiser, ersteckt seinem Mädchen einen Strauß".

In den nun kommenden Tagen dreht sich das Gespräch der Jugend natürlich zumeist um die Mailehen. Da gibt es leuchtende und versonnene Augen, erfüllte und getäuschte Hoffnungen, und da und dort wohl auch eine heimliche Träne. Jeder Bursche hat die Pflicht, sein Mailehen zweimal in der Woche an einem vorher bestimmten Abend in ihrem Hause zu besuchen und, natürlich im Beisein der Eltern, eine Stunde lang zu unterhalten. Und am Sonntagnachmittag geht es mit fröhlichem Herzen und frischem Sang hinaus in den jungen , Frühling, der sein bestes Kleid angezogen hat, um die Glücklichen würdig zu empfangen.

Wenn aber die Bohnen verblüht sind (meist Anfang Juni), hört die Freude auf; denn damit hat die Zeit der Mailehen ihr Ende erreicht. Die grünen Maien an den Häusergiebeln sind längst verwelkt, und alles ist wieder wie vorher. Das Spiel ist aus, - es sei denn, daß im jungen Frühling zwei glückliche Menschenkinder sich gefunden haben, deren Herzen sür einander schlagen und die gewillt sind, den Bund fürs Leben zu schließen. Und dieser Fall soll gar nicht so selten sein'

Diese Mailehensversteigerung hat auch schon ihre Kritik gefunden. Das Gute hat die Mailehenschaft sicher, daß die jungen Leute gezwungen waren, wöchentlich ein paar Stunden in der Gesellschaft ihrer Auser­wählten zuzubringen und mit ihr zu plau­dern. wozu sie sonst möglicherweise nicht den Mut fanden. Auf diese Weise gestaltete sich die Anbahnung eines Verhältnisses ganz natürlich, und auch der Schweigsame hatte Gelegenheit, seine Werbung zwanglos an den Mann oder an die Frau zu bringen.

Trotz alledem möchte man es. von der ge­mütvollen und ästhetischen Seite betrachtet, verwerflich finden und als eine Art Frei­heitsberaubung ansehen, daß die jungen Mädchen gleich einer beliebigen Ware ver­steigert werden. Diese Auffassung mnß sich besonders dem Fremden aufdrängen, dem die Seele des Volkes und seine Gebräuche

ziehen die Kirchgänger durch die geschmück­ten Straßen. Wind, Sonne und Verkehr haben bis zum Abend die Anlage zerstört, aber Schöpferfreude klingt in der Kinder­seele nach und unbewußter Naturmythus. Denn es handelt sich um uralte germanische Frühlingsfeiern in christlichem Gewand, und die Braut ist die Maienkönigin, in Holland Pingsterbloem, in Englandthe May Queen" genannt.

Diese schöne Volkssitte war in und nach dem Kriege fast ganz eingeschlasen. Heute be­mühen sich besonders die Heimatvereine, sie durch Preise sür die schönste Ausschmückung usw. von neuem zu wecken. L. Kittel.

Pfingstlichtel» t« Bayern. Kinder ziehe« singend «K brennenden Kerze« non Hans z« Hans

Mai

Es wandelt jedes Jahr einmal Ein holder Knabe durch die Erde Und rufet über Berg und Tal:

Es werde!

Lichtgrün ist sein Gewand,

Gold glänzen seine Locken.

Kommt lächelnd er durchs Land Ertönen Maienglocken.

Maria Lutz-Weitmann.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag. Das Blühen will nicht enden.

Es blüht das fernste, tiefste Tal;

Nun, armes Herz, vergiß der Quakt Nun muß sich alles, alles wenden.

Ludwig UHIand.

Herausgegeben nn Auftrag der NS.-Presfe Würt­temberg von Hans Reyhing (Ulm «. D^.