Teile 4 Nr. 114

Der Gesellschafter

Samstag, den 18. Mai izy

Rr. 1 « övirderbeilage der RS.-MeM Württemberg 1SZ4

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Kmmelfghrt und Wussten /

Der Maienblust ziert Busch und Baum,

Die Welt ist schön. Man denkt es kaum.

Daß auch im Mai noch wollen Platz

Der Pankraz. Servaz, Bonifaz.

Die Welt putzt sich zum Tanz heraus.

Ein jeder Baum zum Blumenstrauß.

Woran die Menschen sich erfreuen.

Am liebsten sagt man sich's zu zwein.

Himmeljahrts- und Pfingstfest sind ein wundersames Festpaar. das. von Blumendust und Lebensgrün umspielt, einzigartig im Jahrlauf drinsteht wie zwei hohe Sonnen am wonnigen, blauen Frühlingshimmel.

Das Hnnmelfahrtsfest ist der in göttlichem Schwung voranschreitende, schon ganz von einem unendlichen Blumenregen überschüttete Herold des Pfingstsestes, der die Menschen aufrust. die Enge der Häuser und Städte vor Tagesbeginn zu fliehen, in frischer Maien­luft zu atmen, sich in der unglaublichen Sonnenflut zu baden, der grünen, sprossen­den Mutier Erde an die Brust zu werfen und wieder einmal zu erleben, daß diese Erde, von der sie gekommen sind, eine herrliche und über die Maßen schöne Sache ist

Unzählige Wanderscharen ziehen durch Wald und Feld und feiern, trunken von der Schönheit und Weite der Welt, auf Berg­gipfeln und Felsen herzklopfende Wanderfeste. Auch der Bauer umschreitet in gemessenem Sonntagsgang das Feld, und geistliche Flur­umgänge finden an diesem Tag und an an­deren statt und erreichen später in der durch die Straßen der Stadt sich bewegenden Fron­leichnamsprozession ein hochfeierliches Sei­tenstück und eine letzte Vollendung und Er­höhung.

In evangelischen Gemeinden hat man keine Flurumgänge, dagegen am 1. Mai und spä­ter besondere Bittgottesdienste gegen Hagel­schlag, die an manchen Orten den Namen Hagelfeiern tragen.

Bei den Himmelfahrtswanderungen fan­den ehedem auch lheute haben sie meist einen anderen Stil) festliche Schmausereien statt, während man sich in Königsberg gar nicht aus der Stadt bemühte und bei einem Him­melfahrtsbankett im Kneipphof dasSchmecke­bier" genoß.

Auf diesen Himmelfahrtsgängen steckt sich der Wanderer nicht nur gelegentlich ein Blümlein an oder seiner Warrdergenossin an die Brust, sondern man sucht besondere Heil- und Schutzkräuter, etwa die Pimpernelle (Bibernelle), die schon im Mittelalter als Heilmittel gegen Pest galt, oder etwa das feine Himmelfahrtsblümchen, im Schwäbi­schen Mausöhrle oder Katzenpfötle genannt, das zu schönen Kränzlein gewunden und in den Stuben zum Schutz gegen Hagelschlag aufgehängt wird.

Das Himmelfahrtsfest indessen ist nur ein Vorgeschmack der Frühlingsfreude. Das tiefe Atemholen der Lust bringt erst das

Pfingstfest

Pfingsten! Pfingsten! So ein Fest! Wie am fünften Schöpfungstag ist es, da die Vögel fchwarmweise aus Gottes Hand heraus in die Welt hineinfliegen und alles mit Jubel und Fröhlichkeit füllen. Die Finken in den Gärten 'chlagen wie nach Noten. Die Staren an den Häusergiebeln bringen ihrer lernbegierigen Brut beglückt das ABC bei. Die Spatzen lär­men vor lauter Maienwonne, und der Herr Spatz sagt seiner Frau Spätzin die lustigsten Dinge.

Der blaue Sommerhimmel und die strah­lende Sonne begehen ihren Hochzeitstag. Die Spinnen haben an allen Hecken und Gräsern aufgehängt, und der Morgentau funkelt in tausend Perlen in dem Silbergeschmeide die­ses Festschmucks. Die Pechnelken in den Wie­sen stecken ihre glutroten Lichter an. Wie zu einem zarten Brautschleier fließen die hun­dert und aber hundert weißen Blütendolden der mannigfaltigen Schirmblumen zusam­men. und die Schmalzkächelein leuchten wie pures Gold, das eben vom Himmel gefallen ist. Es sieh! wahrhaft aus. als müßte alle Welt ihr Glück finden an diesem Tage...

Wenn nun die Menschen im Laufe der Zei­ten mannigfache Formen fanden im schönen Maienmond, das Glück zu schöpfen. Gesund­heit. Wachstumskraft, Liebeskraft zu erlan­gen. gewissermaßen der Frühlingsgeister, die sie mitbringen und den Menschen schenken, habhaft zu werden sie ins Dorf, ins Haus ^ hereinzulocken. die allermeisten dieser! Maibräuche sind mit Pfingsten verbunden. !

, Grünes Laub an saftquellenden lebendigen Zweigen dünkten die Menschen immer als Bringer und Vermittler der Gesundheits-

und Wachstumskräfte, gewissermaßen Bun­desgenossen jener segenspendenden Frühlings­geister. Also Blumen herein in die Häuser, blühende und grünbelaubte Zweige Der üppige und blühende Wachstumsgeist fand in Borken in Westfalen eine eigenartige Verkörperung durck>

die Wngstttone

von der uns Sartori in seiner Westfälischen Volkskunde also berichtet Jede Straße oder Nachbarschaft macht sich ein Gestell in Forin eines Reifrocks oder

Der Pfirrgstbutz i« Schwaben

einer halbkugelförmigen Krone mit Flitter­gold, Kränzen, gefärbten Eierschalen und bunten Papierstreifen. In der Mitte hängt de Duwe", eine aus Tors oder Holz ge­schnitzte Taube mit zwei roten Maikirschen im Schnabel, der Psingstvogel. Am ersten Mai werden die Tremsen (Kronen) an quer über die Straße gespannten Seilen auf- ehänat. Am Nachmittag trinken die Kin- er jeder Nachbarschaft unter ihrer Tremse Kaffee; dann gehen die Mädchen auf die benachbarten Wiesen, um Blumen zu holen, mit denen die Straße bestreut wird, wäh­rend die Knaben in den nahen Waldungen Maibäume suchen. Des Abends werden sie auf der Straße aufgestellt, mit Fackeln be­hängt und fröhlich umtanzt. Die Tremsen blieben den ganzen Monat hängen, und das Spiel um den Maibaum findet diese Zeit hindurch wöchentlich zwei- oder dreimal statt, bis alle Nachbarschaften sich gegensei- > tig eingeladen haben "

Wer konnte nur als Bringer dieser Früh­lingszeichen und Wachstumsgeister geeigneter sein als die Kinder, die sie unter Sang und Klang ins Dorf hereintrugen und, weil sie doch das Beste brachten, was es geben konnte, so durfte man sie wohl auch m i t Gaben bedenken, die ihrer Gesund­heit und ihrem Leben wohl bekömmlich waren, mit Eiern, Speck. Geld. Vielfach ist der Sinn für das, was sie brachten, ver­loren gegangen, und das Gabenhei- schen (die Bettelei, wie der Nüchterne wohl sagen möchte) ist geblieben.

Es blieb nun nicht dabei, daß die Kinder einfach Maien und Blumen brachten (in der

Richard Aich

Nähe von Soest die blauen Kornblumen), sondern es entstanden Spiele, Aufzüge,

Wngstauszüge, MtigstvermummulMN

bei denen die Kinder selbst einen be­sonderen Träger des Frühlingsgeistes aus sich heraussuchten. So wählten sie in Dor­sten im Westfalischen am 1. Mai eine Mai­braut, mit der sie an diesem Tag und dann an Pfingsten einen Umzug machten, wobei sie ihr Maibrautlied sangen, besten Schluß, wie alle diese Lieder, ein Heischen um Gaben enthielt:

Ein Ai dat bat us nich,

Twei Aier de schat us nich, Fifuntwintich op einen Dis,

(25 auf einen Tisch) Dann weit de Brut, Wat Sorgen is."

Von ähnlichen Umzügen der Pfingstbraut wird an vielen Orten berichtet. Im Meck­lenburgischen wurde ein Knabe ganz mit grünen Reisern und Ginster bedeckt, an anderen Orten tritt sogar ein Brautpaar auf, das den Frühlingsgeist bringen soll. Das hierzu erkorene Mädchen und der Knabe mußten sich ver­stecken. Sie wurden gesucht, unter räuben und Weinen festlich geschmückt und mit Musik durchs Dorf geführt, wobei also das Sichbemü- hen, das Suchen und Finden des Frühlingsgeistes seinen Ausdruck fand.

Ein Pfingstbraut- chen, das mit Blumen ge­schmückt ist und einen Kranz frischen Birkenlaubes im Haar trägt, treffen wir auch im Thüringer Wald. Es zieht mit anderen Mädchen von Haus zu Haus und alle singen das Lob der Liebe und erhalten dafür ihre Spenden. Der Frühlings­geist zieht auch in Tiergestalt ein. In gewissen Gegenden Westfalens trugen die Kna­ben eine tote Eule bei diesen Umzügen mit herum, an an­deren Orten eine Katze, einen Iltis, einen Fuchs, woher die Redensart kommt: He lachet as an Pfingst- voß".

Eine bekannte und in Süddeutschland weit verbreitete Pfingstvermummung ist

der Wngftbutz

Ein Knabe, umhüllt von grünem Buchen­laub, gleichsam ein Bild des wandernden Frühlings, zieht, begleitet von anderen Kindern, ins Dorf ein. Er geht den Kin- dern nach und sitzt sie mit einer Rute (Lebensrute zur Uebertragung von Gesund­heit und Wachstumskrast). An anderen Orten kann er auch in Stroh gehüllt sein, im Schwarzwald in blühenden Besenginster. Sein Sprüchlein lautet:

Pfingstenbutz bin ich genannt,

Eier und Schmalz ist mir bekannt.

Lauter gute Sachen,

Daß man kann 'nen Eierkuchen machen.

Bei Fürstenwalde und in der Niederlausiß taucht an diesem himmelheiteren Pfingstfest eine andere Pfingstvermummung auf,'

das Künder- oder Kaudernest

i dessen Name vielleicht vom schlesischen Kau- der abgeleitet ist, das einen alleinstehenden krausen Kiefernbusch bezeichnet.) Auch hier zieht ein Bursche ganz in grüne Birkenzweige gehüllt daher und trägt eine Blumenkrone auf dem Kopf. In den Händen hält er Glocken und begleitet wird er von Ochsen­jungen oder dreiRittern", die nach tüch­tigem Peitschenknallen Gaben einsammeln und dazu ihr Heischelied singen, das also beginnt:

Wir kommen bei ihnen ohne allen Spott Eine gute Pfingsten gebe ihnen Gott,

Eine gute Pfingsten, eine fröhliche Zeit, Die ihnen Gott Vater hat bereit!" usw.

Zum Schluß wird in bekannter Weise auch um eine Gabe gebeten:

Wir müssen noch 30 Meilen weiter gehen Eier, sechs Dreier. Kosterrucke (Vier), Milch. Mehl und Speck, Damit gehen wir weg.

Einen ähnlichen Auszug finden wir im Umherführen des Latzmann im Schwäbi­schen, der aus einem mit Bnchenlaub um­wickelten Lattengestell hergestellt war und als Kopfputz einen Feldblümenstrauß trug. Der Führer des Latzmann und der sie be­gleitende Hanswurst redeten großartig da­her, wo sie Herkommen, was sie für große Taten getan haben:

Hau rum, hau rum!

In zweimal vierundzwanzig Stunden Habe ich 36 tausend Mann zu Platz"

gehauen.

Da entstand ein großer Lärm,

Im Blut bin. ich gestanden bis unter die

Aerm'.

Am Schluß fehlt das Gabenheischen nicht. Damit ist die natürliche Verbindung ge­schlagen zu einem heute noch lebendigen und in mannigfacher Form geübten Pfingst- brauch der westlichen Pfalz, des sogenannten Westrich, wo man sich auf dieses Pfingst- spiel freut, fast noch mehr als auf Weih­nachten und Ostern. Es ist

der Walzer Wngstauaü

Auch hier wird ein Knabe, eingehüllt in blühende Besenginster und andere Blumen, im Zug von Haus zu -Haus geführt, Eier Speck oder Geld heischend, und auch hier werden dann zum Schluß, wie in den ge­schilderten ähnlichen Füllen, Pfannenkuchen gebacken, dieses bäuerliche Labsal und Fest­essen. und auch hier ist der Quack manch­mal nur ein mit Ginster und anderen Blu­men umwickeltes Gestell, das zwischen zwei Reitern geschleppt wird. In manchen Or­ten schließen sich dem Quack im Festzug noch weitere Reiter, die sogenannten Quackreiter, an. die zum Schluß ein Pfingstwettreiten veranstalten (von Pfingstspielen soll noch be­sonders die Rede sein).

In Weisweil am Kaiserstuhl finden wir den fröhlichen Pfingstbrauch,

das Wngsthovven

In einem mit grünen Binsen umwickelten Gestell, das oben einen Blumenputz trägt und den Namen Käs hat, schreitet ein Knabe daher, begleit»t von Kameraden in weißen Hemden mit einem geringelten Stab in der schilderten ähnlichen Fällen, Pfannkuchen Schwenken dieses Stabes die Gaben hei­schend.

Ludwig Richter

Meitai»