Sette 5 — Nr. 108
Der Gesellschafter
Mittwoch, den 9. Mai 193t.
Hinein in die Wandervereine!
Zum Tag der deutschen Wanderer
Am Himmelfahrtstag marschieren in allen deutschen Gauen die deutschen Wanderer und Wanderinnen in der sieghaften Gewißheit, daß ihr Tun notwendig ist, daß das neue Deutschland auch ihre Mitarbeit braucht. Und darum heißt ihre Forderung am Himmelsahrtstag 1934: Nicht heraus aus den deutschen Wandervereinen, sondern hinein! Hinein in diese Horte seelischer Aufwärtsbewegung, hinein in diese Stätten edelsten Strebens und redlichsten Bemühens um den deutschen Aufbau! Wanderfreunde, Volksgenossen, die Heimat ruft euch: Wandern ist not! Wandervereine sind not!
Von allen Himmelsrichtungen werden am 10. Mai die Wanderer des Schwarz- waldvereins und des Albvereins ,u Haslach einmarschieren, um an der arotzen Kundgebung auf dem Marktplatz (14 Uhr) teilzunehmen. Um auch entfernter wohnende Wandersleute in diese herrliche Schwarzwaldgegend rasch und billig zu bringen, hat der Schwarzwaldverein drei Sonderzüge beantragt, die von Basel, von Karlsruhe und von Stuttgart aus das Schwarzwaldtal erreichen. Unsere Leser dürfte der Sonderzng Stuttgart — Hausach besonders interessieren, da er von jedermann, also auch von Nichtmitgliedern, benützt werden darf. Die Neichs- bahndirektion gibt 60 Prozent Fahrpreisermäßigung.
Der Sonderzug verläßt Stuttgart Hbf. um 5.56 Uhr und hält zum Ein- und Aussteigen in Stuttgart West, Vaihingen, Böblingen, Herrenberg, Eutingen, Hochdorf, Altheim, Dornstetten, Freudenstadt, Loßburg, Schiltach, Wolfach und Hausach. Die Rückfahrt wird in Haslach um 19.22 Uhr angetreten. Der Zug hält auf der Rückfahrt an denselben Orten wie auf der Hinfahrt und ist 22.54 Uhr in Stuttgart.
ZiMmäßiglillg für MothekeiMuldim
für kinderreiche Familien
Stuttgart, 7. Mai. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Städt. Sparkasse hat Oberbürgermeister Dr. Strölin verfügt, daß der Zinssatz für die an kinderreiche Familien zum Vau von Eigenheimen gegebenen Hypotheken mit Wirkung vom 1. Mai d. I. an von 5 auf 4V, Prozent aesenkt wird
Rückgang der Arbeitslosigkeit im GkMötteli-Gewerbe
Berlin, 7. Mai. Auch im Gaststätten-Ge- werbe hat der Rückgang der Arbeitslosigkeit einen befriedigenden Verlauf genommen. Während am 31. März 1933 noch 104 471 Arbeitslose im Gaststättengewerbe gezählt wurden, betrug ihre Zahl am 81. März 1934 nur noch 76 241. Der Einsatz aller Kräfte hat zu dem erfreulichen Ergebnis geführt, daß die Zahl der Arbeitslosen um 27 Prozent abgenommen hat.
Wie das Gaststätten-Gewerbe kürzlich mit. teilte, sollen biszuml. Juliwei- tere 35000 Personen e i n ge st eilt werden.
InKSsisI
urirk«r»ir
Zeitroman von Helmut Messerschmidt
Urheber-Rechtsschutz für die deutsche Ausgabe!
Drei Quellen-Verlag, Königsbrück (Sa.)
i.
Ostern 1918.
Wie eine wilde Meute hetzten die Knabe« »um Schultore hinaus, das sich für immer hinter ihnen schloß.
Nun waren sie frei! Kein Mensch hatt« ihnen mehr etwas zu sagen. Jetzt konnten si« tun und lassen, was sie wollten. Hei, wie köstlich es war, in vollen Zügen die frische Lenzlust in sich hineinzuschlürfen und dabei zn jauchzen:
„Treu gedient haben wir acht Jahre in der Schule auf der Bank..."
Und schließlich im vollen Chorus zu brüllen:
„Sie haben uns gezwiebelt, sie zwiebeln uns nicht mehr!
Wir lernen auch das Kleine Einmaleins nicht mehr!"
Wenn es doch bloß der Rektor hörte, der sie soeben mit vielen weisen Mahnungen aus der Schule ins Leben entlassen hatte!
Die Ruhr führte Hochwasser, stand einen halben Meter hoch auf der Landstraße. Dorthin zog es sie. Vor Uebcrmut warfen sie ihre Holzschuhe ins Wasser und platschten barfuß durch das gischtende Naß.
Hinter ihnen lag Schule und Zwang, Zucht und Demütigung. Jetzt hatten sie ihre Kinderschuhe ausgezogen. Jetzt waren sie Männer! Wenn der Krieg nur noch zwei Jahre dauerte, dann zögen sie mit hinaus ins Feld, wo ihre Väter und Brüder standen.
Eine Gruppe sonderte sich von den übrigen ab und ging eigene Wege. Es waren der lange Theo Strötgen und der blasse Heinrich
„HrmttrrtOS Regte ist alt geworden"
Deutliche Worte
eines französischen Frontkämpferführers Paris, 7. Mai.
Der Abgeordnete Jean Goy, der eine führende Rolle im Nationalverband der ehemaligen Kriegsteilnehmer (UNC.) spielt, erinnerte in einer Rede auf der Departementstagung der UNC. in V i v i e r s s u r R h o u e daran, das; Doumergue seine verantwortungsvolle Aufgabe als Ministerpräsident nur für eine begrenzte Zeit übernommen habe und daß man die unter seiner Regierung eingetretene Ruhe benutzen müsse, um die Zukunft vorzubereiten. Es würde nichts nützen, die Menschen zu erwecken, wenn die Einrichtungen nicht reformiert würden. Unser Regime, so führte der Abgeordnete u. a. aus, i st alt geworden. Die Disziplin hat nachgelassen, und dadurch konnten sich auch durch die Türen, die zur Macht führen, Leute einschleichen, die ihren eigenen Interessen dienten und die Lehren der Ehre und Rechtschaffenheit vergessen hatten. Die Korruption, die schon so lange latent vorhanden war, hat sich schließlich in so brutaler Weise offenbart, daß das französische Gewissen sich gegen sie aufgelehnt und Sanktionen gefordert hat. Es würde aber nicht ausreichen, wenn man die Schuldigen fortjagte, man müsse Maßnahmen treffen, um das Regime zu erneuern. Die gegenwärtige Kammer könne diese Aufgabe nicht erfüllen. Neuwahlen seien notwendig, aber auf Grund eines neuen Wahlgesetzes.
Der Redner schloß mit einem Hinweis darauf, daß die Forderungen der UNC. in Metz, wo die Landestagung vom 11.—13. Mai stattfindet, ausgearbeitet werden würden.
Sie Me der EWmdeit
Zum Leuchtturmwärter gehören gute Nerven
— Wahncrscheinungen in der Polarhütte.
Von Berthold Kippina
In Riga hat es dieser Tage eine große Sensation gegeben: vom Leuchtturm Domesnais waren merkwürdige Telegramme abgesand! worden. Der Funker berichtete von riesigen Vögeln, die den - Leuchtturm umflögen und großen Kriegsschiffen, die auf ihn zusteuerten. Nachforschungen ergaben dann, daß fast die Hälfte der Leuchtturmbesatznng von Verfol- g u n g 8 w a h n s i n n ergriffen war. Die nähere Untersuchung über diese Vorgänge steht noch aus, immerhin glaubt man schon jetzt die Geschehnisse dadurch einigermaßen erklären zu können, daß die Mannschaft allzulange auf Ablösung hatte warten müssen.
In diesem Punkt liegt tatsächlich wohl schon die ganze Erklärung dieses seltsamen und aufregenden Vorfalls. Die Mannschaft des Rigaer Leuchtturins, der sich etwa vier Seemeilen von der Küste entfernt befindet, besteht aus fünf Köpfen: aus einem Mechaniker, aus zwei Wächtern und zwei Funkern. Fünf Leute halten es unter normalen Umständen zwar einige Zeit in der Einsamkeit aus, aber nicht in der furchtbaren Enge eines Leuchtturins.
Eine ähnliche Erscheinung konnten ja schon des öfteren Polarfahrer in früherer Zeit berichten. Vier oder fünf Mann, die
wochenlang und monatelang aufeinander bei sehr beschränkten Raumverhältnissen angewiesen waren, konnten sich zuletzt nicht mehr sehen und ausstehen. Es gehörte, wie glaubhaft berichtet wird, oft alle Kraft der Selbstüberwindung und Selbstbeherrschung dazu, um dem andern nicht an die Kehle zu springen. Ganz geklärt ist diese Krankheitserscheinung von der Wissenschaft noch nicht, sie tritt auch in recht verschiedenen Formen und Aeußerungen auf. Man darf es als fast sicher annchmen, daß die Bedauernswerten, sobald sie erst wieder an Land mit anderen Menschen zusammen sind, sehr rasch wieder genesen und es hernach gar nickst verstehen können, was sie alles angestellt haben. Das ist meist so in diesen Fällen.
Es sind deshalb gute und auf Erfahrungstatsachen beruhende Gründe, die die deut- scheu Wasserstraßenverwaltungen und See- befeuerungsümter veranlassen, stets für eine Ablösung in halbwegs annehmbaren Zeit- spannen zu sorgen. Die Höchstzeit, die ein deutscher Leuchtturmwärter auf seinerv Posten verharren muß. betrügt einen Monat, bei den meisten, die von der Küste aus unschwer zu erreichen sind, sogar nur ein« Woche. Bei Leuchttürmen auf dem Festland oder auf großen Inseln, liegen die Ding« natürlich anders. So lange Zeit hält es jeder Mensch in der Einsamkeit oder Zweisamkeit aus, ohne Gefahr für Leib und Seele.
Der Dienst eines Leuchtturmwärters iß im allgemeinen hart und streng. Es gehört ein ganzer Mann dazu, um ihn klaglos zu versehen. Es ist verständlich, daß man dazu meist gediente Seeeleute nimmt, die in Wind und Wetter groß geworden sind und kühl« Nerven haben. Nur ganz besonders große und wichtige Leuchttürme haben neben dem Wärter noch einen besonderen Mechaniker, denn die „Befeuerung" solcher Riesenscheinwerfer ist eine schwierige Sache, die viele elektrotechnische Kenntnisse vorausfetzt. Pannen dürfen nicht eintreten. Die Küstenbeseue- rungsstellen können so manches Lied singen von den merkwürdigen Anschauungen, die über den Dienst des Leuchtturmwärters ver- breitet sind. Sie werden Jahr und Tag mit Anträgen überschwemmt, mit denen sich Menschen um den Posten eines Leuchtturmwärters bewerben. Für viele erscheint das als verlockendes Amt: freie Wohnung, freie Verpflegung, ausgedehnten Landurlaub und dergleichen. Auch andere merkwürdige Anträge laufen ein. So veröffentlichte eine Hamburger Zeitung vor einiger Zeit dev Brief eines angehenden Romanschriftstellers, der einige Wochen „gratis" den Leuchtturm bedienen wollte, um dabei „Anregungen" zu sammeln. Er hätte wohl feine blauen Wunder erlebt, wenn er den Posten für die gewünschte Zeit tatsächlich erhalten hätte.
Der Mensch ist nun einmal nicht für die Einsamkeit geschaffen, trotz aller Nobinso- naden und dergleichen. Nur sehr starke und unabhängige Charaktere halten es längere Zeit aus, bei den anderen streiken nach einiger Zeit die Nerven, sie werden stumpfsinnig oder wahnsinnig.
Eine Mutter hat stets nur Zeit für die andern, nie für sich selbst. DubistihrDankschuldig
MW srüst eine» Zag an
In der Nähe von Habarana auf Ceylon an der Batticaloa-Eisenbahnstrecke ereignete sich ein bisher nie beobachteter Zwischenfall. Ein alter schwerer Elefant griff in voller Wut einen Eiseybahnzug an, als er sein Junges bedroh: glaubte. Der Kampf mit dem Zug nahm frei- lich ein für den Elefanten unglückliches Ende.
Der Zug war etwa einen Kilometer von Habarana entfernt und befand sich unterwegs nach Minnerya, als plötzlich der Lokomotivführer auf dem Schienenstrang eine Elefantenherde erblickte. Während der größte Teil dei Herde in schneller Flucht davonrannte, als dei Zug Signal gab, blieben drei Tiere zurück — wie man beim Näherkommen sah, ein Elefan- tenweibchen, ein -Männchen und ein -Junges. Der Lokomotivführer gab ununterbrochen Si- gnal und hoffte bestimmt, daß die restlichenEle- fanten ebenfalls in letzter Minute flüchten wür- den, wie es bei ähnlichen Zwischenfällen schon immer der Fall gewesen war. Das Elefantenbaby trollte sich auch von den Schienensträngen einige Fuß breit abseits. Auch das Weibchen also die Elefantenman.a, folgte. Der Elefanten- papa jedoch hielt das heranbrausende Unge- Heuer für einen gefährlichen Angreifer, der es offenbar auf das Junge abgesehen hatte Jedenfalls ging er mit hocherhobenem Rüssel und gefährlich trompetend der Maschine entgegen. Die Maschinenführer erblickten das Tie: erst in letzter Sekunde so nahe vor der Lokomotive. Der Elefant bekam einen ihm Wohl selbs unerwartet heftigen Stoß vor den Kops, überschlug sich, rollte den Schienenweg hinuntci und bekam einen schweren zweiten Stoß in den Rücken.
Der Zug wurde zum Stehen gebracht. Man sah, wie der Elefant, wenn auch klagend uut offenbar schwer verletzt, sich erhob und begleite: von seinem Weibchen und dem Jungen dc:n nahen Dschungel zustrebte. Von der nächsten Station aus wurde eine Nachricht an das nächste Dorf gegeben, von wo aus sich einig« Elefantenjäger auf den Weg machten. Sie fanden das Tier im Dschungel, aber schon unfähig, Nahrung zu sich zu nehmen oder zu^ trinken. Das Weibchen und das Junge hielten sich beim Herannahen der Menschen in unmittelbarer Nähe aus, ohne aber die Helfer anzugreifen. Der mutige Glefantenvater ist 24 Stunden später seinen Verletzungen aus diesem ungleichen Kampf von Tier gegen Maschine erlegen.
Humor
Fntzchen (zum Drogisten): „Ach. bitte, gebe» Eie mir ein Stück »eife . . . sie muß wer schrecklich riechen."
Drogist: „Warum denn das, mein Junge?"
„Damit Mutti nicht jeden Morgen in meinem Gesicht rumschnuppert, ob ich mich gewaschen habe!"
Auch wahr
„Minna, mit dem, was Sie bei mir im vergangenen Jahr zerbrochen haben, können Sie einen Geschirrladen eröffnen!"
„Aber gnä' Frau, wer kauft denn schon zerbrochenes Geschirr!"
Erlösung!
In dem Fenster einer Berliner Parterrewohnung hing ein kleines Schild: „Klavier zu verkaufen". Kaum war das Schild eine halbe Stunde an seinem Platz, da sah man am Fenster der Nachbarwohnung ein Plakat erscheinen, darauf stand mit großen Buchstaben: „Hurra!"
Bredenkamp, die beide den Vater im Kriege verloren hatten: Willi Barnscheid, der dem Vaterlande zwei Brüder geopfert hatte, und Ludger Worringen, dessen Vater Eisenbahner im Feld war und dessen Mutter als Schrankenwärterin den Friedensdienst ihres Mannes versah, und schließlich der kleine, kümmerliche Hans Bungert, dessen Vater seit Jahren an der Front war und dessen Mutter Granaten drehte bei Krupp in Essen.
Die fünf unterschieden sich nicht von iyren Altersgenossen. Alle, die nun mit ihnen hinausgeschickt wurden ins Leben, waren unterernährt, liefen mit hohlen Gesichtern und flackernden Augen umher, steckten in Papierkleidung und waren wilde, ungezügelte Rangen, ans denen das Fehlen fast jeglicher Aufsicht bedenkenlose Draufgänger gemacht hatte.
Sie schleuderten durch die Straßen und nahmen dabei Abschied von ihrer tollen Knabenzeit. „Mensch, -^Kni," meinte Theo Strötgen zu Heinrich Bredenkamp, „denkst du noch daran, wie wir bei Moder Helmke Pflam men geklaut ha'm?"
Ei ja, das war köstlich gewesen! Da hatten sie auf den Bäumen gesessen und sich die leeren Mägen gefüllt. Und unten stand die alte Frau und heulte und bettelte, die Jungen möchten ihr doch wenigstens ein Paar Pflaumen übrig lassen. Bis sie flüchten mußte, weil die ausgelassenen Knaben sie mit Pflaumen bombardierten.
Während der Obsternte war kein Baum vor den ausgehungerten Jungen sicher gewesen, kein Zaun zu hoch und kein Hund zu gefährlich. Zu anderer Zeit hatten sie die Läden heimgesucht, denn ihr Appetit war viel größer, als die Rationierung der Lebensmittel es gestattete. So nahmen sie sich mit Gewalt, was ihnen die Notzeit vorenthielt.
Ein paar Wochen hindurch hatten sie sogar die ganze Klasse mit kostenlosem Brot versorgt Wie die Straßenräuber lauerten sie damals einem Brotwagen auf, der regelmäßig von Essen kam, sprangen auf den fahrenden Wagen, schlossen ihn mit einem Nachschlüsse!
auf und holten soviel an Brot heraus, wie es ihnen nur möglich war.
Schließlich wurden sie ertappt, und es gab ein böses Strafgericht, bei dem der greise Rektor Kreuzenbeck bald wild geworden wäre. Sie waren sogar in die Polizeiwache geschleppt worden; aber nur einer hatte sich dabei unrühmlich benommen: Albert Brinkmann. Der verdarb sich die Hosen, als der dicke, schnauzbärtige Kommissar ihn anbrüllte. Dafür wurde Brinkmann seit jener Zeit geächtet.
In den Ferien hatten die Jungens Krieg gespielt. O nein, nicht mit Papierhelmen und Pappsäbeln. Auch in den Kinderseelen war das Feuer der ersten, lodernden Kriegsbegeisterung längst verglüht. Sie übten das rauhe Handwerk ihrer Väter, gruben Schützengräben und Unterstände, griffen an mit dreinschlagendem, unerbittlichem Vernichtungs- Willen, verteidigten ihre Stellungen bis zum Znsammenbrechen, und alle Mittel, den Feind zu schlagen, waren recht.
Ihr letzter Feldzug ging gegen die Bauern. Zweihundert Städter waren aufgeboten worden zum Kampf gegen die zusammengezogene Dorfjugend. Als vier „Kriegsteilnehmer" in: Krankenhause lagen, setzte die Polizei dem weiteren „Spiel" ein Ende.
Mitten in diesen wilden „Kriegszügen durch Feindesland" wurde dem Lehrerssvhn Heinrich Bredenkamp ein köstliches Erlebnis zuteil. Die Abteilung, die unter seiner Führung stand, hatte ein Bauernmädchen gefangengenommen. Hanna Schulte-Dieckhoven hieß cs. Er hatte seine Leute gründlich ausgezankt dafür, daß sie ein Mädchen behelligten. Als er dem weinenden Mädchen die Freiheit wiedergab, sah es ihn so seltsam an, daß ihm tausend Seligkeiten in den Gliedern sprühten und in seine Seele eine nie gekannte Spannung trat.
Der Wunsch, Hanna wiedcrzusehen, trieb ihn zu Beginn der Herbstferien an, auf ihrem elterlichen Gut nachzufragen, ob er bei der Kartoffelernte Helsen könne. Er wurde angenommen, und zwischen ihm und dem Mäd
chen encwt^elte sieg eine herzliche Kinderfreundschaft.
„Das war eine feine Zeit," sagte Bredenkamp leise zu den Kameraden, „wer weiß, wie das jetzt alles werden wird!"
„Wir halten auf alle Fülle fest zusammen!" schloß Hans Bungert die Erinnerungen ab. „Wenn du nicht hochnäsig wirst, weil du jetzt auf die hohe Schule kommst," wandte er sich an Bredcnkanip, und, auf Willi Barnscheid und Ludger Worringen deutend, „und ihr nicht meint, ihr wäret mehr als ich und Theo Strötgen, wenn ihr Schreiber seid und wir bloß mit den Händen arbeiten müssen, dann bleiben wir immer gute Freunde."
„Jawohl," bekräftigten alle, „wir halten fest und treu zusammen!"
-t-
Ein paar Tage später fand sich Heinrich Bredenkamp im Lehrerseminar zu Essen ein, um die Aufnahmeprüfung zu machen.
Viel leichter als er gedacht hatte, lief alles ab. Von den hundertnndzehn, die sich prüfen ließen, wurden nur siebzig ausgenommen, so daß schon ziemlich stark ausgelesen werden mußte. Aber er schaffte es spielend.
Die siebzig Präparanden bildeten zwei Parallelklassen. Man glaubte, nach dem Kriege würde man viele Lehrer für neueroberte Gebiete brauchen, und ließ an allen Lehrerbildungsanstalten mehrere Klassen nebeneinander laufen, um später den Bedarf decken zu können.
Von den siebzig Präparanden, die Ostern > 1918 in Essen in die Lehrerlaufbahn ein- I traten, konnten sich Ostern 1924 nur sieben zur ersten Lehrerprüfung melden. So gründlich war in den sechs Jahren gesiebt worden. Und von den sieben fiel im Schluhexamen noch einer durch.
Die anderen sechs Junglehrer sind niemals Volksschullehrcr geworden, weil nicht einmal für sie Stellen freigemacht werde« konnten.
Siebzig junge Menschen glaubten felsenfest an ihre Zukunft — alle siebzig wurden verkrachte Existenzen ...
(Farlsetzung folgt!.