Samstag, 28. April 1934
108. Jahrgang
Nr. 98
er Gelelllcli alter
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„Es liegt nicht an «ns. die Abriiftnngs- ausfprache neu zu eröffnen!"
Reichsaußenminister Freih. v. Neurath vor Vertretern der deutschen Presse
Berlin, 27. April.
Reichsaiißenuiiliister Freiherr von Neu- rath hielt heute übend vor einem Kreis von Vertretern der deutschen Presse eine Rede, in der er u- a. sollendes ausführre: Die seit mehr als 6 Monaten geführten Verhandlungen Mischen den hauptsächlich beteiligten Großmächten sind von Frankreich brüst abgebrochen worden, und Mar mit einer Begründung, die die schwersten Beschuldigungen gegen Deutschland in sich schließt.
Tie in der französischen Note gegen Deutschland gerichteten Angriffe und Vorwürfe sachlich im einzelnen zu entkräften, scheint mir allerdings kaum erforderlich zu sein. Es ist ja leicht zu sehen und ist sicherlich nicht nur in Deutschland erkannt worden, daß die wahren Gründe für den schwerwiegenden Entschluß der französischen Regierung in anderen Dingen liegen, als den von ihr jetzt beanstandeten Zahlen unseres letzten Wehretats. Muß es nicht von vornherein einem jeden, der die Dinge natürlich und einfach sehen will, in Erstaunen setzen, daß eine Regierung, deren eigene Wehrausgaben sich im letzten Jahre aus über 16 Milliaxden Franken beliefen. Alarm schlägt wegen des auf 890 Millionen Reichsmark bezifferten Wehretats ihres Nachbarlandes? Ist es nicht befremdend. wenn die französische Regierung die diesjährige Erhöhung des deutschen Wehr- ctats mn etwa 220 Millionen Reichsmark als eine „Fricdensbedrohung" brandmarken will, obwohl der größte Teil dieser summe für die gerade von Frankreich geforderte Umwandlung unserer Reichswehr in Aussicht genommen worden ist? Hat nicht Frankreich selbst seine Mehrausgaben in den letzten Jahren trotz der schwebenden Abrüstungsverhandlungen wiederholt sprunghaft erhöht?
Und kann eine Macht, die über die gewaltigste militärische Lnftrüstung der Welt verfügt und ihre eigene hoch entwickelte Zivilluftfahrt mit den größten Mitteln unterstützt, wirklich ernstlich in Sorge darüber sein, daß Deutschland, um seine Zivilbevölkerung durch besondere Einrichtungen in den Ortschaften gegen feindliche Luftangriffe zu schützen, den Betrag von 50 Millionen und dan ben für die Reorganisation der seit Jahren darniederliegendeu Zivilluftfahrt den Betrag von 160 Millionen RM. in seinem Etat bereitstellt?
Man braucht nur das von der englischen Negierung veröffentlichte Statement vom 16. Apr. ds. Js., das die letzte deutsche Stellungnahme kurz zusammenfaßt, der gleich darauf veröffentlichten französischen Note an England gegenüberzustellen, und zu erkennen, daß das Verhalten Deutschlands n i ch t d e n g e r i n g st e n stichhaltigen Grund für die plötzlich e F l u ch t a v s den Verhandluii- gen d a r b o t.
Die Signatarmächte sind schon lange m», mehr frei, in der Abrüstungsfrage nach beliebigem Ermessen und Gutdünken zu handeln. Sie haben in den Verträgen von 1919 dem Problem seine konkrete Form dadurch gegeben, daß sie einerseits die Zentralmächte zur restlosen Entwaffnung gezwungen, daß sie andererseits aber diese außerordentliche Maßnahme vertrag- nckr als ersinn Stritt rur der all-
^meinen Abrüstung festPseg? Haben. Me Leibung Deutschlands ist bis zum letzten Buchstaben des Vertrages erfüllt worden. Die «eit Jahren fällige Gegenlei« Hkng,dieDurchführungderallge- ^t.ein e n A ^ r i> st u g steht vollstän -- jbtg aus, und nirgends ist ein Anhaltspunkt bafür gegeben, daß sie in absehbarer Zeit be- Mrkt werden würde. Das ist die wirkliche Grundlage des Abrüstungsproblems. Es hat .W genug gedauert, bis endlich die Ab- Mungskonferenz zusammenbernfen wurde. Wer sie ist doch schließlich zusammenberufen «wrden, und so fruchtlos ihre Verhandlungen mich geblieben sind, das eine ist dadurch doch wenigstens gegenüber der jetzt von Frankreich i mcbten These klargestellt und zur allseitigeu
Anerkennung gebracht worden, daß nämlich eine Fortdauer des Zustandes einseitiger Entwaffnung Deutschlands inmitten seiner hochgc- rüsteten imd auch in ihren künftigen Rüstungs- maßnahmen unbeschränkte Nachbarn eine flagrante Rechts Widrigkeit und eine politische Unmöglichkeit sein würde.
Will man aber schon nach rein formalrechtlichen Grundsätzen urteilen, dann sollte man sich die Frage vorlegen, wein wohl das bessere Recht zur Seite steht, ob -Frankreich, wenn es die These seiner letzten Note vertritt, oder Deutschland, wenn es jetzt etwa darauf bestehen wollte, seine Gleichberechtigung sofort und uneingeschränkt bis zu dem Maße verwirklicht zu sehen, das dem Rüstungsstande der hvchgerüsteten Staaten, vor allem Frankreichs, entspräche?
Deutschland hat diesen Anspruch nicht erhoben. Es hat zwar an der Gleichberechtigung als Grundsatz und an seiner Verwirklichung als dem künftigen Endziel festgehalten, hat sich aber in nüchterner, realpolitischer Würdigung der gegebenen Verhältnisse dazu verstanden, für die erste Abrüstungskonvention ein Regime zu akzeptieren, das nur einen äußerst bescheideneu Teil jenes Endzieles in die Tat umsetzt. Wir haben erklärt, daß wir jede auch noch so weitgehende Rüstungsbeschränkung für Deutschland annehmen würden, wenn das auch seitens der anderen Mächte geschieht. Wir haben es also in die Entschließung der anderen Mächte gestellt, welche Waffenarten künftig überhaupt noch allgemein als zugelassen gelten sollen. In der besonders wichtigen Frage der Luftrüstung haben wir. wie sich aus dem schon erwähnten Statement der englischen Negierung ergibt, auch hinsichtlich der Quantität unserer Forderungen die weitgehendsten Zugeständnisse gemacht. Daneben haben wir uns mit der Einführung einer wirksamen Kontrolle einverstanden erklärt und haben alle denkbaren Garantien, um den nichtm'litärischen Eharakter der politischen
Organisationen in Deutschland sicherzustellen, geaeben.
Auch jetzt sind wir zur Verständigung jederzeit bereit. Nock letzthin ist, wie Sie wissen, zur Erleichterung und Förderung der internationalen Verhandlungen vom Herrn Reichspräsidenten ein besonderer Bevollmächtigter für die Abrüstungsfrage ernannt worden. Es war niemals unser Ziel, die Frage des künftigen deutschen Nüstungs- regimes einfach durch einseitige Entschlüsse und Maßnahmen zu lösen. Die Neichsregie- rung ist sich stets der Tatsache bewußt gewesen, Md ist sich ihrer auch heute bewußt, wie segensreich sich gerade eine Einigung über daZ Abrüstnngsproblem sür die Wiederherstellung des Vertrauens und für die politische und wirtschaftliche Zukunft aller Länder auswirken würde. Deshalb wünschen wir nach wie vordas baldige Zustandekommen einer Konvention. An den Vorschlägen und Zugeständnissen, wie wir sie zuletzt gemacht b^ben. batten wir ftsi. Alle Vebaiintnriaen. als ob wir uns nicht nur aus oie Vorverei- tung einer defensiven Aufrüstung, sondern auf die Ausrüstung mit Angriffswasfen eingestellt hätten, verweise ich.«ns das entschiedenste in das Reich der Fabel. Unsere Vorschläge und Zugeständnisse aber zum Inhalt eines Vertrages zu machen, das steht jetzt nicht mehr bei uns, sondern bei den anderen Mächten. Nachdem die französische Regierung dem von uns eingeschlagenen, nach unserer Ansicht allein zweckmäßigen Weg durch ihren Plötzlichen Entschluß verbaut hat, kann es nicht unsere Sache sein, ihn von neuem zu eröffnen.
Nur ein gegen Angriffe gesichertes Deutschland kann die Friedensfunktion erfüllen, die ihm im Zentrum Europas obliegt. Ein wehrloses Reich müßte nach allen Gesetzen der Geschichte schließlich zu Machtkämpfen und zur Zerrüttung des Kontinents führen. Mögen die anderen Regierungen die große Chance benutzen, die ihnen die Neichsregie- rung unter ihrer starken und sicheren Führung biete. Unsere Hand bleibt auch weiterhin zur Verständigung ausgestreckt, und ich wiederhole, was ich schon öfter erklärt habe: Es kommt nur auf den Entschluß der anderen Regierungen an, diese Hand zu ergreifen.
Die Neuordnung der emgelWu KW
In
Rechtswalter Jäger über seine Aufgaben
klc. Berlin, 27. April.
Unterredung mit dem Vertreter
einer
des Deutschen Nachrichtenbüros hat der vom Reichsbischof zum Rechtswalter der evangelischen Kirche ernannte Ministerialdirektor Jäger über sein Aufgabengebiet folgendes erklärt:
Tie gesamte äußere Ordnung (Rechtswesen und Organisation) werden durch den Rechtswalter bearbeitet. Als alter nationalsozialistischer Jurist denke er nicht daran, in Fragen des Bekenntnisscs und der inneren religiösen Haltung des Einzelnen cinzngreifen. Die wesentlichste Aufga be sehe er darin, als Grundlage für eine dauerhafte religiöse Arbeit einen reibungslos funktionierenden Organismus von der rechtlichen Seite her zu schaffen. In dem großen Rahmen, in dem die evangelische Kirche zu- sammcngefcißt werden muß, bleibt der Bekenntnisstand und das Glaubensgut unangetastet: lediglich in Verwaltung und Gesetzgebung muß absolute Einheitlichkeit herrschen. Der Führergedanke wird übernommen, denn es scheint ohne das Führerprinzip keine große Organisation heute lebensfähig. Die evangelische Freiheit wird dadurch nicht gestört, denn gerade die evangelische Kirche ist durch das Füh- rerprinzip von Anfang an geworden. „E b e n- sowenigichberufenbin.disEvan- gclium zu Verkü. den, so stark f ü h l e i ch m e i n e A u f g a b e, d i e n e u e i! Fundamente der Kirche in ihrer rechtlichen Form im öffentlichen Leben schaffen zu helfen, von denen ans dieses Evangelium verkündet werden kann. Die Auseinandersetzung n aus kirchlichem Gebiet in der letzten Zeit erklären sich zum großen Teil ans einem falsch verstandenen
Gegensatz Mischen der äußeren Ordnung der Kirche und dem Glaubensgebiet."
Die gesamte kirchliche Neuordnung ist eine Forderung der Zeit. All Erfolge, die heute ans politischem oder wirtschaftlichem und kulturellem Wege erreicht werden, verdanken ihren Erfolg der bewußten einheitlichen Zusammenfassung aller vorhandenen Energien. Von heroischem Geist erfüllt garantiert die Kraft, )ie in der ZusammcüballuM liegt, schon vorweg geschichtlichen Erfolg. Inmitten derartiger sestgesiiater Macbwebilde i't allein die in iebt noch 24 ohnmächtige Landeskirchen aufgeteilte evangelische deutsche Kirche eine Unmöglichkeit.
In dieser Zersplitterung liegt die große Gefahr von anderen großen Entwicklungs- strömen unserer Zeit von außen her — niedergedrückt und überblutet zu werden. Dieser drohenden Möglichkeit durch dasZusammen- schweißen der bisher zersplitterten Teile der evangelischen Kirche zu begegnen, ist meine Aufgabe.
Nach unserer Ueberzeugung muß entsprechend dem Gedanken Luthers in Deutschland eine starke innere Verbunden- heit zwischen Staat und Kirche vorhanden sein und zum Ausdruck kommen, soll der gläubige Deutsche in seiner Kirche den Weg zu seinem Gott finden. Ohne diese Verbundenheit entsteht in jedem guten und ehrlichen Deutschen und Christen eine Problematik, die sich heute bestimmt nicht für eine kirchliche Religiosität auswirkt. In der uns vorschwebenden großen evangelischen Reichskirche muß also auch schon rein äußerlich gesehen das Wesen der vollzogenen Staatsumwälzung zum Ausdruck kommen. Es kann nicht mehr wie früher der Staat in 30 Parteien, so heute die Kirche kirchenpoli»
Airs Neueste tu Kürze
Reichsautzenminister von Neurath sprach vor Vertretern der deutschen Presse über die deutsche Politik.
In Wien ist der Nationalrat einberusen worden, um die neue Bundesverfassung zu genehmigen und das Konkordat mit dem Papst zu ratifizieren.
Die Schweizer Regierung hat in einem Bericht des politischen Departements eine scharfe Warnung an die Emigranten erlassen.
Reichsjugendsührer von Schirach hat in einem Interview des VB. den Vorwurf, die Hitlerjugend sei religionsfeindlich, sehr scharf zurückgewiesen.
Der neue Organisationsplan der Deutschen Arbeitsfront ist fertiggestellt und wird demnächst veröffentlicht werden.
In Stuttgart ist die zweite Braune Messe eröffnet worden.
tisch zerrissen sein, sie muß eins werden.
Gelingt unsere Aufgabe — und sie wird »ns gelingen — an Stelle überalteter Formen eine zeitgemäße Grundlage für neues Leben zu setzen, dann wird die Kirche wieder das, was sie eigentlich sein soll: eine auf das Heiligste sich gründende Gemeinschaft deutscher Menschen, die ewige Verheißung hat und unzertrennlich ist. Mit einer solchen Kirche dienen wir auch am besten dem deutschen Volk und dem Nationalsozialismus.
Mm 1 . Mai
Aufruf an die Jungarbeiter
kk. Berlin. 27. April.
Zum 1. Mai richtet Staatssekretär und Reichsarbeitsführer Konstantin Hierl an die Jungarbeiter der Stirn und der Faust einen Aufruf, in dem es u. a. heißt:
„Wir nationalsozialistischen Arbeitsdienst, ler, als junge Garde der Arbeit, sind berufen, die Stoßarmee in der großen Arbeitsschlacht zu bilden und den Nationalsozialismus der Tat vorzuleben. Wir betrachten den Arbeits- dienst als sittliche Pflicht der deutschen Jugend, auch wenn diese Pflicht gesetzlich noch nicht festgelegt ist. Die Deutsche Studentenschaft ist mit leuchtendem Beisvie! vorangegangen, indem sie von sich aus den Freiwilligen Arbeitsdienst für ihre Angehörigen zur Pflicht erhoben hat. Wir erwarten, daß andere Organisationen diesem Beispiel bald folgen und daß insbesondere auch die jungen Handarbeiter es als Ehrensache betrachten werden, im Ehrendienst am Volk hinter den Studenten nicht zurückzubleiben. Am heutigen Ehrentag der Arbeit rufen wir daher der gesamten deutschen Jugend zu: Deutsche Jungarbeiter der Stirn und der Faust, vereinigt euch im nationalsozialistischen Arbeitsdienst!"
Aufruf des Reichsobmanns der RSBO..
Walter Schuhmann.
Der Reichsobmann der NSBO., Staatsrat Walter Schutzmann, hat zum Tage der nationalen Arbeit einen Aufruf erlassen, in de» es u. a. heißt:
„Kameraden der deutschen Arbeit!
Am 1. Mai 1934 wird eineneueOrd- nung unseres Lebens wirksam werden: Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit tritt an diesem Tage in Kraft! Begründet auf dem Adel der Arbeit, setzt es an die Stelle der einstigen, zerstörenden, schweren sozialen Auseinandersetzungen und Kämpfe, in denen Macht und Gewalt jedes befriedigende Ergebnis verhinderten, das einst im marxistisch-liberalistischen Staat unbekannt gewesene soziale Recht und die soziale Ehre! In Treuverbundenheit zu ihre» Gefolgschaften sollen die Betriebsführer sür das Wohl aller Arbeitskameraden sorgen, wie sür sich selbst. In Treue zum Betriebssichrer werden die Gefolgschaften ihrerseits ihr Bestes und Letztes einsetzen im Wiederaufbau der deutschen Arbeitsstätten. Alle öffentliche Achtung wird von ihrem sozial ehrenhaften Verhalten abhängen. Ver-