Nr. 85
Freitag, 13. April 1934
108. Jahrgang
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Das Neueste iu Kürze
Bei einer Tagung der Deutschen Akadenn« sprach Reichswirtschaftsminister Dr. Schmiti über Wirtschaft und Kultur.
In Bremen fand eine Tagung der Antzen- handelsstellen Deutschlands statt, bei der Minister Darrt; über die Probleme des Außenhandels sprach.
Gegen den im letzten Jahr in der Tschechoslowakei verhafteten reichsdeutschen Gelehrten Dr. Klocke wurde nunmehr ein Prozeß anhängig gemacht.
In München fand eine Tagung der Reichsleiter und Amtswalter der NSDAP, statt, auf der hauptsächlich Fragen der politischen Schulung erörtert wurden.
In Marokko sind spanisch-französische Gegensätze akut geworden.
„Zweites, ortttes, viertes Geschütz — Feuer!" ! Endlich bröckelt ein Steinchen, das ein Paar > Quadratzentimeter Farbe trägt, aus dem i Felsen. Nach stundenlangem Präzistons- /chießen war die rote Farbe weg. Dafür zieht sich jetzt eine dunkle Linie rn Hakenkreuzform durch die Felswand
aus dem IMußMrkrr
sk. Wien, 12. April.
Am 9. März war der Nationalsozialist August Anger er von einem Innsbrucker Gericht wegen Werfens zweier P a P i e r b ö l l e r, die einige Fensterscheiben zertrümmerten, zu sechs Monate n schweren Kerkers verurteilt wor- d.-.:. Im Gefängnis des Jnn-örn^cc Lan-
i e. igerichts wurde Angercr, der von 'Berus i Tischler ist, zu allerlei kleinen Arbeiten verwendet.
Am Mittwoch gelang es ihm, in einem unbewachten Augenblick das Gefängnis zu verlassen. Obwohl sofort Polizei, Gendarmerie und Heim- wwr hinter ihm hergehetzt wurde, blieben - : e Nachforschungen ergebnis - I o s. Man nimmt an. daß Angerer die Grrnze bereits überschritten hat und damit den Häschern Dollfuß' entko m - in r n i st.
Stürmische SeimwehlMrertagling
Die seit Mittwoch tagende Führersitzung ver Heimwehr, die sich mit der Eingliederung der Heimwehren in die Vaterländische Front zu befassen hatte, verlief äußerst st ü r- m i s ch.
kelLte MUEel
Es sind jetzt fast zehn Monate her, daß die österreichische Negierung die NSDAP, mit allen ihren Nebengliederungen verboten hat. Man kann aber nicht behaupten, daß die nationalsozialistische Bewegung, die bereits im Frühjahr 1932 zur großen Volksbewegung in Oesterreich geworden war, seither aufgehört hätte, zu bestehen. Im Gegenteil: Die österreichischen Nationalsozialisten Hütten sich gar nichts Besseres wünschen können. So Prass, so geschlossen, so befreit von der — den österreichischen Deutschen übrigens fälschlich nachgesagten — „österreichischen Gemütlichkeit". so fanatisch gehärtet konnte die Bewegung in Österreich nur werden, wenn sie alle Gefährlichkeiten der Verbotszeit durchwachte.
Der Propaganda wurden neue Wege eröffnet: Es gibt kaum mehr einen Felsen, kaum einen Baum, kaum eine Telegraphenstange, kaum eine Hauswand, die das Hakenkreuz nicht schon getragen Hütte. Und wenn Hunderte von Putzscharen unter den Bajonetten der Staatsexekutive die deutschen Heilszeichen wieder entfernten, ein, zwei Tage leuchteten sie genau so hell wie früher. Dagegen halfen und helfen Putzscharen nichts, nichts Verhaftungen und erst recht keine Konzentrationslager. Wo einer eingesperrt wird, da springen drei neue Nationalsozialisten an seine Stelle.
Daß die leuchtenden Hakenkreuze der Negierung, die so gerne erzählt, daß sie die „braune Pest" mit Stumpf und Stiel ausgerottet hätte und daß das ganze Volk in Oesterreich hinter ihr stünde, ein Greuel sind, mag man ja verstehen. Besonders dann, wenn sie an Stellen prangen, die mit normalen oder außerordentlichen Mitteln zu erreichen unmöglich erscheint. Wir sagen ausdrücklich: „erscheint", weil die Hakenkreuze doch nicht selbst wachsen, also Nationalsozialisten dort gewesen sein müßten. Was aber einem fanatischen Kämpfer möglich ist, das gelingt noch lange nicht einem Anhänger Dollfuß'; wer riskiert auch für den seine heilen Knochen?
So prangte auch an den steilen Wänden der Rax, weit in die Ebene südlich von Wien hinansleuchtend, ein Hakenkreuz. Tagelang. Zum maßlosen Zorn aller Hahnenschwänze. Prangte auf einer Felswand, die kein Teufel zu erklettern imstande ist — höchstens ein Nationalsozialist. Seitdem das Hakenkreuz dort oben war, lachten die Bewohner von Reichenau den Hilfspolizisten so unverschämt >»s Gesicht, daß man zunächst an eine Notverordnung dachte, mit der das Grinsen verboten werden sollte. Schließlich fand man das ..richtige" Mittel: Nahe bei Reichenau garnisoniert eine Abteilung Gebirgshaubitzen. Die sollte "nicht aus der Nebung kommen, Ms es wieder notwendig werden würde, nuf Frauen und Kinder in Mietskasernen zu schießen.
Und so gab es am Mittwoch ein großes Hallo in Reichenau: Im Galopp rasten die Tragtiere heran, mit soldatischer Fixigkeit wurden die vier Geschütze in Stellung gebracht und dann gings los:
„Erstes Geschütz oberer waagrechter Balken des Hakenkreuzes — Feuer!"
.Bum! Daneben geschossen. Macht nichts.
NnmWmle VelklWua der RMsmittW
Eine skandalöse Ausstellung in Prag — Deutsche Protestnote
Ter tschechische Künstlerverein Blaues veranstaltet augenblicklich eine Karikatu- r e n a u s st e l l u n g, die in der Prager Öffentlichkeit größtes Aufsehen erregt. Die von Emigranten ausgestellten Bilder verhöhnen in unerhörtester Weise reichsdeutsche Staatsbürger und das deutsche politische Leben. Selbst in den öffentlichen Anslagefenstern der Ausstellung wird ein großes Bild des Reichskanzlers gezeigt, durch das man ihn persönlich ans das schwerste herabsetzen
möchte. In der Ausstellung selbst fallen sofort totale Verzerrungen der Gestalten und Antlitze Hindenburgs, Hitlers, Görings, Goebbels, Röhms u. anderer führender deutscher Persönlichkeiten auf. Das Hakenkreuz wird in einem Falle aus blutigen Hackbeilen, in einem anderen aus Leichen zusammengesetzt, gezeigt.
Alle Bilder, die deutsche Verhältnisse darstellen wollen, sollen den Eindruck erwecken, als ob im Deutschen Reiche nur Mord, Marter und Vergewaltigung an der Tagesordnung wären.
Es handelt sich bei diesen Zeichnungen durchweg um geradezu abscheuliche Hetzereien und keineswegs um künstlerische Werke. In deutschen Kreisen hat die Möglichkeit einer solchen „Ausstellung" sowie die damit verbundenen Tatsachen lebhaftestes Befremden hervorgerufen, um so mehr, als es gerade in der jetzigen Zeit angebrachter wäre, olle Reizungen und Herausforderungen zu vermeiden.
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Der deutsche Gesandte in Prag, Dr. K o ch, hat in einer Verbalnote beim Außenministerium gegen diese erneuten Beleidigungen und Verunglimpfungen des Reichspräsidenten, des Reichskanzlers und anderer führender deutschen Staatsmänner, sowie gegen die Herabwürdigung des deutschen politischen Lebens und der Staatssymbole schärfste Verwahrung eingelegt.
Das tschechoslowakische Außenministerium wird daher dringend ersucht, für die beschleunigte Entfernung dieser Machwerke Sorge tragen zu wollen.
„Wirtschaft und Kultur"
Reichswirtschaftsminister Dr. Kurt Schmiti in der Deutschen Akademie
Berlin, 13. April.
Der Berliner Freundeskreis der Deutschen Akademie hielt am Donnerstag nachmittag im Hotel „Kaiserhof" seinen ersten Empfang nach Ostern ab und gab damit den Auftakt für die organisatorische Arbeit der Deutschen Akademie für das kommende Vierteljahr.
Neichswirtschaftsminister Dr. Schmitt führte in seiner Ansprache, in der er auf den innigen Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaft hinwies, u. a- aus:
Es ist durchaus einseitig und daher abzu- lehuen, in der Kultur nur die Summe sogenannter geistiger, d. h. also vor allen Din- gen gedanklicher und ästhetischer Werte zu erblicken.
Nur wenn wir die Leistungen eines Volkes von vorübergehenden oder bleibenden Werten auf allen, also auch auf technischen Gebieten unter den Begriff „Kultur" zusammenfassen, werden wir ihm gerecht. Nativ- n a l s o zi a l i st i s ch e r G e i st ver - langt, die Arbeit und Leistungen aller Glieder des Volkes als gleichwertig anzuerkcnnen, wenn sie nur dem Volksganzen dienen.
Mit Recht sprechen wir von der neuen Weltanschauung, die wir unserem Volke im Dritten Reich nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich gegeben haben. Wir sind uns darüber im klaren, daß viele Volksgenossen ihren hohen Inhalt noch nicht verstanden haben. Wir wissen auch, daß er nicht selten mißbraucht wird. Um so mehr ist es verständlich, daß das Ausland, welches das Ringen der deutschen Seele in der Nach-, kriegszeit nicht mitempfunden und die Wiedergeburt des Jahres 1933 nicht miterlebt hat, die große Bedeutung des Vorgänge in Deutschland innerlich noch nicht verstanden
hat. Hier sehe ich eine große Aufgabe der Deutschen Akademie. Denn gerade unser heutiges Wirtschaftsleben ist von Gedanken getragen, die stark in das eigentliche Kulturleben hinübergreifen. Wenn Sie nur daran denken, daß wir an die Stelle der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände die Deutsche Arbeitsfront gesetzt haben, in der wir alle schaffenden Menschen, gleichgültig, welche Stellung sie im wirtschaftlichen Leben einnehmen, zusammenführen wollen, so zeigt dies den hohen, von Idealen getragenen Standpunkt. In der ganzen Linie liegt es, wenn wir unsere wirtschaftlichen Unternehmungen zwar in freiem Wettbewerb um die bessere Leistung kämpfen lassen wollen, sie alle aber in einer vom Staate geschaffenen Organisation auf Lauterkeit und Hingabe an das Volksganze verpflichten.
Diesen Geist wollen wir auch in jeder Weise auf unser Verhältnis zu anderen Völkern übertragen. Wir fordern unsere Freiheit und Unabhängigkeit, wir wollen uns entwickeln und e m p o r a r b e i t e n. aber nicht aut K o st e n anderer, sonder n m i t ihne n.
Im Anschluß an die Rede des Reichsministers Darr 6 wurden vom Stabshauptleiter Dr. Winter der Presse einige Auskünfte über die Ziele der Regierung gegeben. Letzten Endes ständen wir, so sagte er, in einem Kampfe um die Erhaltung der weißen Nasse. Das Bauerntum habe die Stellung des weißen Mannes zu wahren. Praktisch könne man die ganze Frage auf die eine Formel zurückführen: Reichs- standard gegen Weizen st andard. In Europa lebten eine Unzahl von Bauernvölkern, die aber den europäischen Lebens
standard nicht erreicht Hütten. Es müsse da- her die effektive Kaufkraft dieser Länder ge- hoben werden. Es müsse ein gesunder europäischer Wirtschaftskreislauf erzielt werden. Dies sei nur möglich durch enge Zusammenarbeit des Bauerntums dieser Länder, die aber dann auch Rücksicht nehmen müßten au» unser Bauerntum und dementsprechend ihren Anbau zu ändern hätten.
Kommunistische Aufruhr- vorbereilungen im Saargebiet
Umfangreiches Material gesunde«
Neunkirchen (Saar), 12. April.
Blaue Polizei und Landjäger nahmen in Neunkirchen eine umfangreiche Razzia bei den Führern des Roten Frontkämpferbundes vor. Bei dem schon mehrfach wegen Verstoßes gegen die Notverordnungen der Regierungskommission vorbestraften Kommunisten Heindl und 17 weiteren Genossen wurde schwer belastendes Material gefunden, aus dem hervorgeht, daß der Rote Frontkämpferbund über das ganze Saargebiet verbreitet ist und in Stürme, Trupps und Untertrupps zerfällt. Man unterhielt gut ausgebildete Nachrichtentrupps, Blink-, Morse- und Winker-Abteilungen. Ferner sollte nach Vorgefundenen Anweisungen dafür gesorgt werden, daß alle Mitglie- der mit 0,8 mm-Pistolen ausgerüstet werden.
Man sieht auch hier wieder einmal, von welcher Seite Gefahr droht.
SWe Abrüstung keine Bürgschaften
Pariser Blätter ziehen die Bilanz aus den Genfer Verhandlungen
§l. Paris, 12. April.
Allmählich kann die Pariser Presse ihren Lesern nicht verbergen, daß ihr Optimismus hinsichtlich der Haltung Großbritanniens zur Frage der Bürgschaften verfehlt war. So verzeichnet „Oeuvre" als Ergebnis der Genfer Verhandlungen die Gewißheit, daß England die von Frankreich gewünschten Durchführungsbürgschaften nur gegen eine entsprechende Abrüstung zu gewähren bereit ist, eine Abrüstung, die man in Paris bereits für erledigt gehalten habe. Eden hätte die Anweisung gehabt, nur für eine, wenn auch noch so geringe Abrüstung die von Frankreich geforderten Garantien zu versprechen. Das werde natürlich das Zustandekommen einer Vereinbarung nicht erleichtern, da die französische Negierung den obersten Kriegsrat kaum für eine Abrüstung werde gewinnen können. Im übrigen will die Berichterstatterin des „Oeuvre" in Genf den Eindruck gewonnen haben, daß man sich über den Abschluß eines wirklichen Abkommens keine allzugroßen Hoffnungen mehr mache. Insbesondere die Kleine Entente wünsche ein — wenn auch fadenscheiniges — Nüstungsbeschränkungsabkommen, da sie diese? weniger fürchte als tiefgehende Aende- rnngen der Freundschafts- und Bündnisgruppierungen.
Auch das „Echo de Paris" bestätigt die Auffassung, daß ohne Abrüstung von England kein Zugeständnis zu erwarten sei.
Memelgouverneur will Zusammenbruch der Landwirtschaft
Memel, 12. April.
Der Gouverneur des Memelgebietes, Dr. Nawakas hat gegen das vom Memelländischen Landtag am 26. März beschlossene Gesetz über Maßnahmen zur Linderung bei Zahlungsschwierigkeiten in der Memelländischen Landwirtschaft und der Fischerei sein Veto eingelegt und zwar unter der Begründung, das Gesetz widerspreche dem Memelst-i...
Es ist dies das zweitemal, daß dieses Gesetz, das den Zusammenbruch der Memelländische-i Landwirtschaft verhüten soll, dem Veto eines Gouverneurs verfällt.