Nr. 84

Donnerstag, 12. April 1934

108. Jahrgang

er Gesellschatter

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Die russischen Flieger haben weitere 33 Tscheljuskin-Leute gerettet. Es befinden sich noch 28 Mann auf der Eisscholle.

In Gent wurde aus der Kirche St. Bavo ein Flügel des berühmten Altarbildes von van Dyck gestohlen.

Die rumänische Regierung hat eine scharfe Erklärung gegen die Gerüchte über die Ver­haftung hoher Offiziere in Bukarest er­lassen.

Die . österreichischen Vcrsassungsverhand- limgen sind durch neue Forderungen der Heimwehren schwer erschüttert worden.

Der schweizerische Bundesrat Schulthetz äußerte sich über die Beziehungen der Schweiz zu Deutschland anläßlich der Transferfrage.

Im Verlauf des Waltershausener Mord- Prozesses wurde gegen den Sohn der Frau Wcrther Haftantrag gestellt.

SelbstauWililg

der MistlWvzialea Kurtet

ek. Wien, 11. April.

Die Christlichsoziale Partei wird am 1. Mai ihre Selbstauslösung durchführen. Zwar hat der Parteivorstand darüber noch teine Mitteilungen gemacht, doch wurde diese Absicht aus einer kürzlich abgehaltenen Tagung der Vaterländischen Front ange­kündigt und mit großem Beifall ausgenom­men.

Damit verschwindet die Partei aus dem politischen Leben Oesterreich, die es seit der Novemberrevolution bestimmend beherrscht hat. Der Auflösungsbeschluß bedeutet eine Konzession an die Heimwehren, die noch immer Totalitätsansprüche stellen, obwohl sie selbst von schweren inneren Ge­gensätzen heimgejucht sind. Noch immer ringen zwei Gruppen um die Vorherrschaft: Der monarchistische Flügel, den Feh führt

erst Sonntag hielt er eine regelrechte Parade der monarchistischen Verbände ab

und der sogenannte nationale Flügel, zu dessen Wortführer sich der Tiroler Dr. S ch w e i n i tz h a u p t gemacht hat. Dieser erinnerte in einer in Innsbruck abgehal­tenen Versammlung an das Korneuburger Programm, rn dem es heißt: Wir wollen die Gemeinschaft des deutschen Volkes bilden Helsen. Das bedeute, daß die Heimwehr auf dem Boden desnationalen Gedankens" stehe. Tie zwischen de m Reich e u n d Oesterreich e n t st a n d e n e Lage an der in erster Linie die Heiniwehr Schuld trägt bedaure die Heimwehr aufs T i e f st e. Die Heimwehr werde die Entscheidungen der Regierung in einem Sinne beeinflussen, der dem nationalen Empfinden des deutschen Oesterreich ent­spreche. Auch Fürst Starhemberg glaubte am Sonntag bei einer Kundgebung seinenationale Einstellung" beweisen zu können. Damit gesteht die He im­weh rführung ein, daß sogar sie selbst ohne die nationale Be­völkerung die die Mehrheit bildet weiter zu regieren sich nicht imstande fühlt.

Aber nicht nur in der Heimwehr, a u ch in der R e g i e r u n g sf r o n t selbst wachsen die Unstimmigkeiten.

Eine zugunsteis der Arbeiter gehaltene Rede des dritten Wiener Vizebürgermeisters Dr. Winter, in der dieser erklärte, mit demAntimarxismus" allein ist für den Arbeiter noch nichts getan, ist es zu einem scharfen Konflikt in der Führung der Wie­ner Stadtgeschäste gekommen, bei dem ver­mutlich die Regierung wird eingreifen müs­sen. Nicht weniger verstimmt hat die Heim­wehr die Unterstellung aller Wehrverbünde unter die militärische Führung des Obersten a. T. Seiffert, eines ausgesprochenen Christlichsozialen.

Amtlich wird mitgeteilt:Der Bundes- nunister für soziales Recht hat auf Grund der Verordnung der Bundesregierung vom

Februar 1934 als Rechtsfolge wiederhol-

Um HeeresWkll und WerheitsbiirgsWeu

Die Unterredung Sir Simons mit dem französischen Botschafter

Pressestimmen

eZ. London, 11. April.

Wahrend am Dienstag in Genf das Büro der Abrüstungskonferenz tagte, hat der bri­tische Außenminister. Sir John Simon, ! den französischen Botschafter Corbin ! empfangen und mit ihm in der Hauptsache i die Frage besprochen, wie groß nach > britischer Ansicht die Heeres­stärken Frankreichs und Deutsch- j lands festgesetzt werden könn­ten. Auch die Frage der Sicherheits- und Ausführungsbürgschaften wurde gestreift, doch soll der französische Botschafter den Standpunkt vertreten haben, daß Frank­reich seine Vorschläge erst nach der Klärung der Heer es stärken­frage machen könne.

Die englische Presse erklärt neuerdings fast einheitlich, daß für Großbritannien die Un­terzeichnung einer Konvention nur dann in Frage komme, wenn sie tatsächlich eine Ab­rüstung sicherstelle.Dailtz Telgraph" wendet sich mit besonderer Schärfe gegen Hendcrson und seineunvorsichtigen und tendenziösen" Bemerkungen über die Notwendigkeit ange­messener Garantien. Die überlieferte Politik G r o ß b r i t a n n i e nS sei, sich nicht die Hände zu binden, sondern erst zu entscheiden, wenn sich ein praktischer Fall ergebe. Zar Frage einer wirtschaftlichen Blockade sei zu sagen, daß das Risiko für Großbritannien viel zu groß sein würde, wenn nicht alle Mächte zur Teilnahme verpflichtet wären.

Frankreichs Willings- n. Eichscheitswünsche

Die französische Presse ist sehr verstimmt, daß Großbritannien für die französischen Sicherheitswünsche so wenig Verständnis zeigt. Nach demMatin" ist es e i n e r e i n e Frage des Geldes, wie weit Frank­reich die oberste Grenze seiner nationalen

Verteidigung gegen das feste Versprechen eines internationalen Beistandes zu senken bereit sei.Echo de Paris" erklärt, daß eS nur an Frankreich läge, den britisch-italie­nischen Plänen den Weg zu verlegen. Ein Scheitern der Konferenz wäre die Folge dieser Festigkeit, aber dieses Scheitern würde nicht Frankreich zu­geschrieben werden können (?). Die Durch­führungsbürgschaften eines etwaigen Ab- rüstungsabkommens müßten also sehr wir­kungsvoll sein, damit Frankreich in einem Uebergang zur britisch-italienischen Aus- sassnng einen Vorteil erblicken könnte.

Beunruhigung in England über die französischen Flottenmanöver

London, 11. Aprih

Die im Mai und Juni ds. Js. im Kanal und in der Nordsee stcrttfindenden französischen Flottenmanöver werden, wie der Marine­mitarbeiter desEvening Standard" meldet, in einem Ausmaß durchgeführt werden, wie es sich die englische Flotte seit Kriegsende noch nicht habe leisten können. Auf dein Pa­pier sei als Zweck der französischen Manöver die Verteidigung der Zugänge zur französi­schen Küste von der Nordsee her angegeben. Französische Flottensachverständige hätten aber bereits auf eine anderweitige potentielle Verwendung der französischen Unterseeboote, Flugzeuge und Torpedoboote hingewiesen.

An dem Manöver würden u. a. 12 als Zerstörer bezeichnte französische Flottillen- sührerschisfe teilnehmen, die in der englischen Flotte auf Grund des Londoner Flottenver­trages als Kreuzer aufgeführt werden müß­ten. Ferner würden 10 der modernsten Unterseeboote, darunter das größte Unterseeboot der Welt, teilnchmen.

ter Bestrafung gegen den praktischen Arzt Dr. Tscbiggero in Lienz in Osttirol wegen einer als nationalsozialistische Demonstration sich darstellenden Hand­lungsweise die Einstellung der Ausübung der ärztlichen Praxis ausgesprochen."

in SeSlwM

Neue Forderungen der Heünwchreu sk. Wien, ll. April.

Die Hauptbeschäftigung der österreichischen Regierung besteht augenblicklich darin, mit den verschiedenen Kreisen über den Weg zu verhandeln, auf dem die neue Verfassung in Kraft gesetzt werden könnte. Die Heimweh- reu verlangen die Inkraftsetzung bekanntlich >m Wege einer auf das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz vom Jahre 1917 !Die Negierung ist ermächtigt, Verordnungen zu erlassen und Maßnahmen zu treffen, umdie Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Bedaris- a e a e n st ä n d e n i i ch p it e l 1 e n"1 gestützten Notverordnung. Die Christlich- sozialen halten aber anscheinend die neue Verfassung nicht für so lebensnotwendig, daß nicht ein gewisser Uebergang von der seit März vor. Js. übrigens andauernd gebroche­nen Verfassung zur neuen geschaffen ivcr- den könnte, weshalb sie die Ansicht vertreten, daß der Numpfnationalrat die neue Verfas­sung beschließen müßte.

Noch grotesker sind die Vorschläge zur Wahl des Bundespräsiden- t e n. Die Heimwehr würde ihn am liebsten aus eigener Machtvollkommenheit einsetzen. Andere schlagen vor, die etwa 3000 Bürgermeister Oesterreichs das Staatsoberhaupt wählen zu l a i- 1 e n; eine dritte Lösung würde die Wahl durch den neuen Bundestag sein. Nur ein Ge­danke wird auf das allerschärfste abgelehnt: die Wahl durch das Volk. Denn was dabei herauskäme, darüber sind sich auch die Opti­misten unter den Negierungsmitgliedern im klaren.

Neue AimweMordemMl,

Ein Mittwoch abgehaltener Führerrat des gesamten österreichischen Heimatschuhes unter dem Vorsitz Star Hembergs in Wien beschäftigte sich mit der Bildung derVater­ländischen Wehrsront". Während der Negie- rnngsvorschlag dahin geht, daß unter dem Vorsitz Starhembergs ein Führerrat aller Wehrverbände gebildet wird, verlangt die Heimwehr gewissermaßen eine Sonderstellung in der Wehr- fr o n t, bzw. die Eingliederung aller Wehr­verbände in die Heimwehr. Außerdem bean­sprucht Starhemberg den Vizekanzler­posten als Vertreter dieser Wehrsront. Man rechnet noch mit großen Schwierigkei­ten in dieser Frage.

Auch ein ..Etaatsseinb"

Im Konzentrationslager Kaisersteinbrnch begrüßte ein Gendarmerie-Inspektor einen Gefangenen mit erhobener Hand. Er wurde wegen staatsfeindlicher Betätigung sofort entlassen.

Ein tapferes Blatt

Besonderer Vorliebe des Sicherheitsdirek­tors von Vorarlberg erfreut sich das natio­naleVorarlberger Tagblatt". Es gibt keine Schikane, die das Blatt seit dem Verbot der NSDAP, im Juni v- I. das Blatt war aber nie Parteiorgan nicht getroffen hätte. Kürzlich wurde nun das Blatt dazu Verhalten, einen amtlichen, gegen Deutsch­land gerichteten Aufsatz vollinhaltlich abzu­drucken. Die Schriftleitung des ! Blattes lehnte den Abdruck die­ses deutschfeindlichen Aussatzes ab. Daraufhin wurde das Erscheinen des Blattes bis zu dem Zeitpunkte verboten, da dieser Aufsatz abgedruckt wird.

Das Blatt ist aber a u ch a m D i e n s t a g nicht erschienen. Mittwoch trat der Aufsichtsrat der Gesellschaft zusammen, um zu entscheiden, ob das Blatt die stets drücken­der werdenden Zeusurschwierigkeitcu in Kauf nehmen oder sein Erscheinen aus freien Stücken bis auf weiteres eiustellen soll.

Me Schweiz will deutsche Wirr»

Bundesrat Schulthetz über das Ver­hältnis der Schweiz zu Deutschland

Bern, 11. April.

Als Sprecher der Schweizerischen Regie­rung benutzte der Vorsteher des Eidgenössi­schen Volkswirtschaftsdepartements, Bundes- rat Schn-ltheß, den offiziellen Tag der Schweizerischen Mustermesse in Basel zu einer Reihe grundlegender Erklärungen.

lieber die schweizerische Handels­politik sagte der Minister:

Das Prinzip der Meistbegünstigung tritt in den Hintergrund und wird durch den Grundsatz der Reziprozität ersetzt. Auch wir müssen verlangen, daß die Staaten, deren kanskräftige Kunden wir sind, uns entspre­chende Gegenleistungen machen.

Die schweizerische Handels­bilanz des Jahres 1933 ist um rund 200 Millionen günstiger als die des Jahres 1932 und die Ergebnisse der ersten 3 Monate des laufenden Jahres lassen dis Hoffnung nicht unbegründet erscheinen, daß eine weitere Verbesserung eiutritt.

Eingehend äußerte sich Bundesrat Schuli- heß dann über die von der deutschen Ver­tretung dieser Tage anläßlich der Gläubiger­verhandlungen in Basel abgegebenen Er­klärung. Er nannte die Erklärungen von Reichsbankpräsident Tr. Schacht als ' zu A ufsehe n m a h u e n d".

Was den Transfer betrifft, so haben wir volles Verständnis dafür, daß ein Land, das sich in der Lage Deutschlands befindet, fei­nen Verpflichtungen nur durch Warenlie­ferungen nachtomineu kann. Wir sind und waren stets bereit, entsprechende Warenbezüge zu machen. Unsere Handelsbilanz mit Deutsch­land verzeichnet im Jahre 1933 einen Ueber- sa) des Wertes der Einfuhr über unsere Aus­fuhr von 323,6 Millionen Franken, also um einen Betrag, der Deutschland erlaubt, einen erheblichen Betrag für den Fremdenverkehr inr Verfügung zu stellen und seinen Verpflichtun­gen voll nachzutvmmen; auch dann bleibt ihm noch ein erheblicher Ueberschuß.

Für die kommenden Verhandlun­gen kann ich nur auf das verweisen, was ich schon früher mit aller Bestimmtheit erklärt habe: Die Schweiz kann in keinem Falle zugeben, daß Deutschland s ei ne »Verpflicht» ngenihr gegen­über nicht Nachkomme und den Transfer verweigert, während wir für diese Bezüge Beträge zu überweisen hatten, die denjenigen unserer Guthaben weit über­steigen. Wir werden daher mit aller Energie die Forderung geltend machen, daß der Trans­fer der schweizerischen Guthaben wenigstens in bisheriger Weise erfolgt. Wir sind über­zeugt, daß Deutschland unseren Standpunkt als gerechtfertigt anerkennen muß. Andere Gläubigerstaaten können sich darüber nicht beklagen. Mögen auch sie deutsche Waren in dem Ausmaß zulassen, in dem wir es tun, dann wird es Deutschland möglich sein, auch ihnen gegenüber seine Verpflichtungen zu er­füllen. Wir hoffen, daß in den kommenden Verhandlungen ein Abkommen auf der von uns angegebenen Grundlage getroffen werden kann» und zweifeln nicht daran, daß die deutsche Re­gierung den Willen hat, uns entgegenzukom- men."

Frankreich vor eine« Generalstreik

Massenkundgebungen gegen die Gehaltskürzun­gen und Zwangspensionierungen

Zl. Paris, 11. April.

Die Erregung, die sich der öffentlichen Angestellten in Frankreich wegen der Spar­maßnahmen der Regierung bemächtibt hat. wird von der marxistischen Opposition zu nachdrücklichster Propaganda ausgenützt. Aus der Befürchtung heraus, daß auch in Frankreich der völlige Zusammenbruch der parlameiuarischeii Demokratie nur mehr eine Frage der Zeit sein könnte, versuchen die Marxisten, die Empörung der Massen über die Unfähigkeit des Systems auf ei« Gleis zu schieben, das der antiparlamen- tarisckien Stimmiina die Schärfe nimmt.